Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelleiden. MdE. Erhöhung
Orientierungssatz
Ist nach ärztlicher Meinung die Erhöhung der MdE wegen eines Leidens um 10 % angezeigt und ist dieses Leiden vom medizinischen Standpunkt das für die Bewertung der gesamten MdE maßgebende Leiden, so muß das LSG in seinem Urteil die Gründe dafür angeben, warum die Gesamt-MdE weiterhin mit 60 vH zu bewerten ist.
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 27.03.1969) |
SG Berlin (Entscheidung vom 04.09.1967) |
Tenor
1) Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. März 1969 insoweit aufgehoben, als es den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt 80 v. H. betrifft, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
2) Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. März 1969 als unzulässig verworfen.
3) Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
In einem früheren Klageverfahren schlossen die Beteiligten im November 1960 einen außergerichtlichen Vergleich. Das Versorgungsamt (VersorgA) erteilte daraufhin am 30. Januar 1961 einen Ausführungsbescheid mit folgendem Inhalt:
"Ab 1.5.57 wird die MdE unter Berücksichtigung des Berufes gem. § 30 BVG auf 60 v. H. festgesetzt.
Durch die anerkannten Schädigungsfolgen:
1. Narben über dem rechten Scheitelbein mit kleinem Substanzverlust der äußeren Schädelknochenschicht,
2. Narben am rechten Knie mit Arthrosis deformans des rechten Kniegelenks,
3. Narbe an der Vorderseite und Hinterseite der linken Brust,
4. Narben an beiden Armen ohne Funktionsstörungen,
5. Trommelfellnarbe links mit mittlerer Innenohrschwerhörigkeit links,
6. Reizlos in das rechte Unterlid eingeheilter kleiner Splitter,
und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG
beträgt die Minderung Ihrer Erwerbsfähigkeit nunmehr 60 v. H."
Mit zwei Anträgen vom 25. Mai 1961 und 12. Dezember 1963 beantragte der Kläger eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge mit entsprechender Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) "wegen wesentlicher Verschlimmerung aller anerkannten Schädigungsfolgen", die Anerkennung weiterer Versorgungsleiden und den Erlaß eines Zugunstenbescheides wegen eines - verstärkten - besonderen beruflichen Betroffenseins. Das VersorgA veranlaßte Begutachtungen durch die Fachärztin für Chirurgie Dr. U und die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B und erließ zwei Bescheide vom 16. September 1964, in denen eine Verschlimmerung der arthrotischen Veränderungen am rechten Knie festgestellt und "drei kleinststecknadelkopfgroße Splitter in den umgebenden Weichteilen des linken Kniegelenks" als weitere Schädigungsfolge anerkannt, die übrigen Anträge des Klägers jedoch abgelehnt wurden. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Bescheid des Landesversorgungsamtes - LVersorgA - vom 3. August 1966). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 4. September 1967 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat ein Gutachten nebst Ergänzungsgutachten von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 21. September 1968 eingeholt und die Berufung des Klägers durch Urteil vom 27. März 1969 zurückgewiesen. In den Gründen wird ausgeführt, die Zulässigkeit der Berufung ergebe sich aus § 150 Nr. 3 bzw. aus § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); die Berufung sei jedoch unbegründet. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung durch Dr. U habe sich eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge zu 2), nämlich der Arthrosis deformans am rechten Knie, ergeben. Dr. U habe den Grad der MdE deshalb insoweit nunmehr mit 40 v. H. statt bisher 30 v. H. bewertet. Eine Verschlimmerung der übrigen Schädigungsfolgen sei nicht festzustellen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen lägen nicht vor. Eine Erhöhung des Grades der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins gemäß § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) komme nicht in Betracht, da gegenüber den Verhältnissen im Jahre 1960 keine Änderung eingetreten sei.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 14. Mai 1969 zugestellt, der dagegen mit Schriftsatz vom 12. Juni 1969, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 13. Juni 1969, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 14. August 1969 mit Schriftsatz vom 12. August 1969, beim BSG eingegangen am 13. August 1969, begründet hat.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Urteils des LSG Berlin vom 27. März 1969 das Urteil des SG Berlin vom 4. September 1967 abzuändern und den Bescheid des VersorgA II B vom 16. September 1964 ebenfalls abzuändern sowie den weiteren Bescheid des VersorgA II B vom 16. September 1964 und den Widerspruchsbescheid des LVersorgA Berlin vom 3. August 1966 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen:
"1. Lumbalgien und Ischialgien,
2. Schwäche im linken Bein,
3. Bewegungsbehinderung im rechten Bein,
4. vegetativ-zentrale Regulierungsstörungen als Folge der Kopfverletzung,
5. beiderseitige Schwerhörigkeit"
und dem Kläger Beschädigtenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt 80 v. H. zu gewähren, und zwar hinsichtlich der Leiden zu 2) und 4) seit dem 1. Mai 1961 und bezüglich der Leiden zu 1), 3) und 5) seit dem 1. Dezember 1963;
hilfsweise, das Urteil des LSG Berlin vom 27. März 1969 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Berlin zurückzuverweisen.
In seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt der Kläger wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG und eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Er führt dazu u. a. aus, das Vordergericht habe die vom Beklagten anerkannte Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge zu 2) um 10 v. H. nicht entsprechend berücksichtigt. Diese Verschlimmerung stelle eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG dar. Das LSG habe auch die Berechnung des Gesamtgrades der MdE nicht nach der Lohmüller'schen Formel vornehmen, sondern zu der bereits früher festgestellten rein medizinischen MdE von 50 v. H. die jetzt festgestellte Verschlimmerung von 10 v. H. hinzurechnen und alsdann diese medizinische MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins um weitere 10 v. H. erhöhen müssen. Mit diesem Fragenkomplex, auf den es letztlich entscheidend ankomme, habe sich das Vordergericht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Für das geltend gemachte besondere berufliche Betroffensein sei zu berücksichtigen, daß hier eine Änderung der Verhältnisse durch das Urteil des LSG Berlin eingetreten sei, in welchem die zuvor vom SG Berlin am 10. September 1963 anerkannte Berufsunfähigkeit bestätigt worden sei. Auch diese Änderung der Verhältnisse habe das Vordergericht unberücksichtigt gelassen. Vor der Entscheidung über die geltend gemachte beiderseitige Schwerhörigkeit habe das LSG ein Fachgutachten einholen müssen. Nach dem Gutachten des Dr. W liege bei ihm eine Leberschädigung vor, die als Kriegsschädigungsfolge anzusehen sei. Das LSG habe daher weiter prüfen müssen, ob die als Folge der Kopfverletzung geltend gemachten vegetativen und zentralen Regulierungsstörungen nicht als Folge der kriegsbedingten Leberschädigung aufzufassen seien. Zu dieser Frage habe das LSG ein internistisches Gutachten einholen müssen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zu verwerfen.
Nach seiner Auffassung greifen die Revisionsrügen des Klägers nicht durch.
Die Revision des Klägers ist frist- und formgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (vgl. BSG 1, 150) oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG das Gesetz verletzt ist. Zwar hat der Kläger in seiner Revisionsbegründung eine Verfahrensvorschrift, die nach seiner Auffassung verletzt sein soll, nicht ausdrücklich bezeichnet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 1, 227) genügt es jedoch, wenn aus dem substantiierten Vortrag des Revisionsklägers ersichtlich ist, welche verfahrensrechtlichen Normen als verletzt angesehen werden. Dem Vorbringen des Klägers kann entnommen werden, daß er in mehrfacher Hinsicht Verletzungen der §§ 103 und 128 SGG rügen will.
Der Kläger hat vor dem LSG verschiedene prozessual selbständige Ansprüche geltend gemacht. Nach den von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Anträgen - die gegenüber den ursprünglich bei der Versorgungsverwaltung gestellten Anträgen teilweise abgeändert sind - hat er die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen, nämlich von 1) Lumbalgien und Ischialgien, 2) Schwäche im linken Bein, 3) Bewegungsbehinderung im rechten Bein, 4) vegetativzentralen Regulierungsstörungen als Folgen der Kopfverletzung, 5) beiderseitiger Schwerhörigkeit und die Gewährung der Beschädigtenrente nach einem Gesamtgrad der MdE von insgesamt 80 v. H. - statt bisher 60 v. H. - begehrt. In dem zu diesen Ansprüchen ergangenen abweisenden Urteil des LSG ist also nicht nur über einen prozessualen Anspruch allein entschieden, vielmehr betrifft das Urteil mehrere selbständige prozessuale Ansprüche (vgl. BSG 8, 228, 231; 18, 266; 21, 13). Wird aber in einem Urteil über mehrere selbständige Ansprüche entschieden (objektive Klagehäufung), so stellt es sich der Sache nach als eine Mehrheit an sich selbständiger Entscheidungen dar. Hat das Berufungsgericht über mehrere selbständige prozessuale Ansprüche entschieden, so sind die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG für jeden Anspruch gesondert zu prüfen. Die Revision ist nur hinsichtlich des selbständigen prozessualen Anspruchs statthaft, auf den sich ein gerügter und vorliegender Verfahrensmangel bezieht (vgl. BSG 8, 228, 231 mit weiteren Hinweisen).
Soweit sich der Kläger gegen die von dem LSG ausgesprochene Nichtanerkennung weiterer Schädigungsfolgen wendet, greifen seine Rügen nicht durch. Der Kläger trägt hierzu zunächst vor, wegen der als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten beiderseitigen Schwerhörigkeit habe ein fachärztliches HNO-Gutachten eingeholt werden müssen. Diese Rüge zielt offenbar auf eine Verletzung des § 103 SGG, also eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht. Der Kläger übersieht jedoch bei diesem Vorbringen, daß in dem Ausführungsbescheid vom 30. Januar 1961, der auf Grund des zwischen den Beteiligten im November 1960 abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleichs ergangen ist, unter Nr. 5 bereits "Trommelfellnarbe links mit mittlerer Innenohrschwerhörigkeit links" als Versorgungsleiden anerkannt ist. Der Kläger hat, wie sein Antrag vor dem LSG und auch sein jetzt im Revisionsverfahren gestellter Antrag eindeutig und zweifelsfrei ergeben, nicht mehr die Verschlimmerung dieser bereits anerkannten Innenohrschwerhörigkeit links, sondern die Anerkennung von "beiderseitiger Schwerhörigkeit" als weiteres Versorgungsleiden beantragt. Wenn das LSG daher davon ausgegangen ist, daß eine mittlere Innenohrschwerhörigkeit links bereits als Schädigungsfolge anerkannt ist, so daß eine erneute Anerkennung dieses Leidens nicht in Betracht kommt, so handelt es sich dabei nicht um eine medizinische sondern um eine rechtliche Beurteilung. Zur Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Schwerhörigkeit links brauchte sich das LSG schon aus diesem Grunde nicht gedrängt zu fühlen (vgl. BSG in SozR SGG § 103 Nr. 7; § 162 Nr. 20).
Hinsichtlich der geltend gemachten Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr hat das LSG festgestellt, daß bei dem Kläger bereits seit dem Jahre 1922 als Folge einer Radikaloperation eine hochgradige Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr bestanden hat, daß bei der HNO-Untersuchung durch Dr. Sch im Jahre 1953 eine "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit" (mit foetid-eitriger Absonderung) auf dem rechten Ohr diagnostiziert worden ist, die ausdrücklich nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden ist, und daß sich ärztlicherseits keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß das bereits geschädigte rechte Ohr durch die Innenohrschwerhörigkeit links weiter geschädigt worden ist. Für diese Feststellungen hat sich das LSG auf die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. Sch am 6. Januar 1953 und auf die fachärztlichen Gutachten von Dr. Sch, Dr. C und Dr. K, aber auch auf das Gutachten von Dr. W stützen können. Der Kläger hat vor dem LSG nicht einmal konkret behauptet, inwieweit bei ihm eine Verschlimmerung der Hörschädigung auf dem rechten Ohr eingetreten ist; im Gegenteil hat er bei der Begutachtung durch Dr. W am 21. September 1968 angegeben, daß er auf dem rechten Ohr taub sei und daß es sich bei der Taubheit auf dem rechten Ohr um kein Versorgungsleiden handele (vgl. Bl. 6 des Gutachtens). Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Rüge des Klägers überhaupt hinreichend substantiiert im Sinne von § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG ist, denn jedenfalls brauchte sich das LSG unter den obwaltenden Umständen nicht gedrängt zu fühlen, noch ein fachärztliches Gutachten zu der Hörschädigung auf dem rechten Ohr einzuholen.
Mit seinem weiteren Vorbringen, das LSG habe prüfen müssen, ob nicht die "vegetativen und zentralen Regulierungsstörungen als Folge der kriegsbedingten Leberschädigung aufzufassen sind", will der Kläger offenbar eine Verletzung des § 103 SGG geltend machen. Dieses Vorbringen beruht jedoch ganz offenbar auf einer Verkennung der prozessualen Vorgänge. Der Kläger hat sowohl vor dem SG als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG beantragt, "vegetativ-zentrale Regulierungsstörungen als Folgen der Kopfverletzung" anzuerkennen. Diesem Begehren ist das LSG nachgegangen und hat im Rahmen seiner Aufklärungspflicht das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. W eingeholt. Auch nach Kenntnis dieses Gutachtens - in dem eine kriegsbedingte Leberzellschädigung angenommen ist - hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung der Regulierungsstörungen "als Folge der Kopfverletzung" ausdrücklich aufrechterhalten. Darüber hinaus hat er vor dem LSG zu Protokoll erklärt, daß "die Leberzellschädigung ... in diesem Verfahren nicht geltend gemacht wird", und gleichzeitig bei der Versorgungsbehörde beantragt, "eine Leberzellschädigung und deren Folgen als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen". Der Kläger hat damit eindeutig zu erkennen gegeben, daß er die Leberzellschädigung und deren Folgen in dem vorliegenden Verfahren nicht mehr weiter verfolgen will, um die Erledigung des Rechtsstreits nicht zu verzögern. Zu einer derartigen Einschränkung seines Prozeßbegehrens war der Kläger im Rahmen seines Prozeßführungs- und Antragsrechts (vgl. §§ 94, 112 Abs. 2, 123 SGG) berechtigt. Das LSG war andererseits nicht berechtigt, über ein Leiden und dessen Folgen zu entscheiden, dessen Anerkennung der Kläger in dem vorliegenden Verfahren nicht beantragt, sondern das er ausdrücklich ausgeklammert hat (§ 123 SGG). Bestand aber keine Verpflichtung des LSG, über das Leberleiden und seine Folgen zu entscheiden, dann war das LSG auch nicht verpflichtet, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG zu prüfen, ob die als Folgen einer Kopfverletzung geltend gemachten vegetativ-zentralen Regulierungsstörungen etwa als Folgen der - bisher nicht anerkannten - Leberzellschädigung anzusehen sind. Ein Verfahrensfehler des LSG, insbesondere eine Verletzung des § 103 SGG, ist insoweit nicht gegeben.
Soweit der Kläger wegen der Nichtanerkennung weiterer Versorgungsleiden ganz allgemein eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs geltend machen, also offenbar hinsichtlich der Ansprüche auf Anerkennung weiterer Leiden die Statthaftigkeit der Revision aus § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG herleiten will, greift auch diese Rüge nicht durch. Bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinne, d. h. bei der Anwendung der in der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm (vgl. BSG 1, 150 und insbes. 1, 268) hat das Gericht zunächst festzustellen, ob eine Tatsache überhaupt Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Eintritt eines Erfolges gewesen ist. Kommt es bei dieser Prüfung zu der Überzeugung, daß die Schädigung überhaupt nicht Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Eintritt der Gesundheitsstörung gewesen ist, so kommt es gar nicht zur Anwendung der Kausalitätsnorm, d. h. zur Beurteilung der Frage, ob die Schädigung für sich allein oder neben anderen Bedingungen auch als die "wesentliche Bedingung" für den Eintritt der Gesundheitsstörung anzusehen ist. So liegt der Fall aber hier. Das LSG hat, gestützt u. a. auf die Gutachten von Dr. W, Dr. B, Dr. W, Dr. U und Dr. Sch, in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung getroffen, daß die vom Kläger weiter geltend gemachten Leiden - nämlich Lumbalgien und Ischialgien, Schwäche im linken Bein, vegetativ-zentrale Regulierungsstörungen als Folgen der Kopfverletzung und Schwerhörigkeit rechts - nicht auf schädigende Einwirkungen im Sinne des BVG zurückzuführen sind. Damit hat das LSG aber bereits den ursächlichen Zusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen Einflüssen des Wehrdienstes und den genannten Leiden verneint. Dieser Zusammenhang wird jedoch bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinne, d. h. bei der Anwendung der im Kriegsopferrecht geltenden Kausalitätsnorm, vorausgesetzt. Das LSG ist daher zur Anwendung dieser Kausalitätsnorm gar nicht gekommen und konnte sie daher auch nicht verletzen. Hinsichtlich der geltend gemachten Bewegungsbehinderung im rechten Bein hat das LSG die Auffassung vertreten, daß diese bereits in der bisherigen Bezeichnung der Schädigungsfolgen - "Narben am rechten Knie mit Arthrosis deformans des rechten Kniegelenks" - enthalten ist, da die Bewegungsbehinderung durch die Arthrosis deformans des rechten Kniegelenks bedingt ist. Die erstrebte Anerkennung einer Schwerhörigkeit links hat das LSG aus dem Grunde abgelehnt, weil eine mittlere Innenohrschwerhörigkeit links bereits als Schädigungsfolge anerkannt ist. Das LSG ist also auch hinsichtlich dieser beiden Leiden zur Anwendung der Kausalitätsnorm gar nicht gekommen. Die Statthaftigkeit der Revision kann also nicht aus einer Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG hergeleitet werden.
Mit seinem weiteren Vorbringen, das LSG habe bei der Entscheidung über die Erhöhung der MdE wegen - verstärkten - besonderen beruflichen Betroffenseins unberücksichtigt gelassen, daß tatsächlich eine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, weil durch das Urteil des LSG Berlin vom 23. Juni 1965 die Entscheidung des SG Berlin vom 10. September 1963 über die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bestätigt worden sei, will der Kläger offenbar geltend machen, daß das LSG seine Entscheidung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpft, also § 128 SGG verletzt habe. Diese Rüge greift gleichfalls nicht durch. Das LSG hat in seinem Urteil ausdrücklich hervorgehoben, daß der Kläger nach vorangegangenem Klageverfahren die Rente wegen Berufsunfähigkeit bereits seit dem 1. Februar 1960 erhält. Wenn das LSG materiell-rechtlich die Auffassung vertreten hat, daß eine Erhöhung des Grades der MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins im Rahmen des § 62 BVG nur dann in Betracht käme, wenn gegenüber den Verhältnissen im Jahre 1960 - d. h. also zur Zeit des Vergleichsabschlusses aus dem Vorverfahren im November 1960 - tatsächlich eine Änderung eingetreten wäre, und wenn es alsdann ausdrücklich betont hat, daß das "nach den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht der Fall ist", so hat es damit deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es den Zeitpunkt der Rentengewährung (1. Februar 1960) und nicht den Zeitpunkt der endgültigen Zuerkennung der Rente durch das LSG (23. Juni 1965) als entscheidend angesehen hat. Das Vorbringen des Klägers richtet sich daher insoweit nicht gegen das Verfahren sondern gegen den Inhalt der Entscheidung des LSG.
Dagegen rechtfertigt das weitere Vorbringen des Klägers, das LSG habe sich mit dem zu bildenden Gesamtgrad der MdE unter Berücksichtigung der anerkannten Verschlimmerung des Versorgungsleidens zu 2) "überhaupt nicht auseinandergesetzt", die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG durch das LSG. Zwar sind die Ausführungen des Klägers insoweit unverständlich, als er vorträgt, daß die Berechnung des Gesamtgrades der MdE "unrichtig erfolgt ist", denn das LSG hat in seinen Entscheidungsgründen zur Frage der Bildung der Gesamt-MdE überhaupt nicht Stellung genommen. Zutreffend ist jedoch das Vorbringen des Klägers, das LSG habe, da es die von dem Beklagten in dem Bescheid vom 16. September 1964 anerkannte Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge zu 2), nämlich der Arthrosis deformans am rechten Knie, und die dadurch bedingte Erhöhung der schädigungsbedingten MdE um 10 v. H. ausdrücklich bestätigt habe (vgl. Bl. 8 unten der Urteilsabschrift), die Bildung einer neuen Gesamt-MdE erörtern müssen. Nach § 128 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat in seinem Urteil die Gründe anzugeben, die für seine Überzeugung leitend gewesen sind. Das LSG hat sich, wie seinen Entscheidungsgründen zu entnehmen ist (vgl. Seite 8 der Urteilsausfertigung), der Auffassung von Frau Dr. U angeschlossen, wonach jedenfalls bereits 1964 eine Verschlimmerung der im Sinne der Entstehung anerkannten Arthrosis deformans des rechten Kniegelenks eingetreten war, so daß die schädigungsbedingte MdE für dieses Leiden mit nunmehr 40 v. H. - statt bisher 30 v. H. - zu bewerten war. Bei der Arthrosis deformans handelt es sich, wie die geringe Bewertung der übrigen Versorgungsleiden mit 0 v. H. bzw. 10 v. H. erkennen läßt, um das vom medizinischen Standpunkt aus für die Bewertung der MdE maßgebende Leiden. Dem Gesamtergebnis des Verfahrens und dem Anliegen des Klägers, eine Erhöhung der Rentenzahlung durch Erhöhung der Gesamt-MdE zu erreichen, hätte es daher entsprochen, daß das LSG zur Frage der Bildung einer Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der von 30 v. H. auf 40 v. H. erhöhten Einzel-MdE für das Versorgungsleiden zu 2) Stellung genommen hätte. Dabei kann dahinstehen, ob das LSG zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE auf 70 v. H. gekommen wäre oder ob es sich der Auffassung des SG und der Versorgungsverwaltung angeschlossen hätte, daß trotz der Erhöhung der Einzel-MdE um 10 v. H. für das Versorgungsleiden zu 2) eine Erhöhung der Gesamt-MdE nicht vorzunehmen ist. Jedenfalls aber mußte das LSG in seinem Urteil die Gründe dafür angeben, warum die Gesamt-MdE weiterhin mit 60 v. H. zu bewerten ist (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine Erörterung dieser Frage war um so mehr geboten, als das SG unter Hinweis auf den bereits im Jahre 1959 gelieferten Schienenhülsenapparat davon ausgegangen ist, daß eine rechtlich bedeutsame Änderung der Verhältnisse seit Abschluß des Vergleichs im Jahre 1960 überhaupt nicht eingetreten ist, und nur ergänzend erörtert hat, daß auch eine rechtlich beachtliche Verschlimmerung und eine dadurch bedingte Erhöhung der Einzel-MdE von 30 v. H. auf 40 v. H. "nicht zu einer Anhebung des Gesamtgrades der MdE auf mindestens 65 v. H. führt". Dem Urteil des LSG kann auch nicht andeutungsweise entnommen werden, welcher Auffassung des SG es sich anschließen wollte. Die bloße Formel "Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet", reicht dafür nicht aus. Das LSG hat zwar am Schluß seines Urteils (vgl. Seite 11 der Urteilsausfertigung) eine Erhöhung des Grades der MdE erörtert, jedoch beziehen sich seine Ausführungen ausschließlich und eindeutig nur auf die Erhöhung der MdE "wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit". Das LSG hat an dieser Stelle weder die medizinisch bedingte Erhöhung der MdE erwähnt noch sich überhaupt mit der Bildung einer Gesamt-MdE befaßt. Ausführungen zu diesem Punkt waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es sich um den Grad der MdE handelte - so daß die Berufung gemäß § 148 Nr. 3 SGG unzulässig gewesen wäre -, denn die von dem Kläger erstrebte Erhöhung der Gesamt-MdE stand in unmittelbarer Abhängigkeit u. a. von der von dem Beklagten anerkannten und von dem LSG bestätigten Verschlimmerung der anerkannten Arthrosis deformans am rechten Knie, so daß das LSG zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Berufung insgesamt zulässig war.
Die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG greift daher durch; die Revision ist aus diesem Grunde statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Statthaftigkeit der Revision erfaßt aber nur - wie oben dargelegt - das Urteil, soweit es die Erhöhung der MdE und die Bildung einer Gesamt-MdE wegen der festgestellten Verschlimmerung der Arthrosis deformans am rechten Knie betrifft. Die Revision ist insoweit auch begründet, denn es ist nicht auszuschließen, daß das LSG ohne den bezeichneten Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Das Urteil des LSG war daher insoweit aufzuheben; im übrigen war die Revision als unstatthaft zu verwerfen (§ 169 SGG). Der Senat hielt es für untunlich (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), in der Sache selbst zu entscheiden, da das LSG als Tatsachengericht über die Bildung der Gesamt-MdE zu entscheiden hat und möglicherweise dazu noch Feststellungen notwendig sind, ob die von der Sachverständigen Dr. U, festgestellte Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten Arthrosis deformans rechtserheblich im Sinne von § 62 BVG ist, d. h. ob sie nach dem im November 1960 abgeschlossenen Vergleich eingetreten ist. Der Rechtsstreit war daher in diesem Umfang an das LSG zurückzuverweisen. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch zu erwägen haben, ob nicht im Hinblick auf die Darlegungen des Sachverständigen Dr. W und unter Berücksichtigung des langen Zeitraums, der seit der Begutachtung durch Frau Dr. U vergangen ist, ein neues chirurgisch-orthopädisches Gutachten einzuholen ist.
Fundstellen