Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelfallprüfung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Zu den in der kassenarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung an eine sogenannte Einzelfallprüfung zu stellenden beweisrechtlichen Anforderungen.
Orientierungssatz
Bei einer Einzelfallprüfung sind auf jeden Einzelfall bezogene, konkrete, auf die Aufklärung der früheren Indikationslage bezogene Tatsachenfeststellungen zu treffen; zur Beweiswürdigung hat eine entsprechende einzelfallbezogene Begründung zu erfolgen. 2. Die Rechtmäßigkeit der Methode des statistischen Vergleichs ist bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen in ständiger Rechtsprechung anerkannt, soweit die Prüfung anhand einzelner Behandlungsfälle mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten und Aufwendungen verbunden wäre; wegen der großen Zahl der Abrechnungsfälle und wegen der Schwierigkeit einer Rekonstruktion des für die Indikation maßgebenden Krankheitszustandes im Einzelfall wird die im Prinzip als Ausnahme vorgesehene statistische Prüfmethode praktisch als Regelfall anwendbar.
Normenkette
RVO § 368n Abs 5
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.11.1985; Aktenzeichen L 5 Ka 9/82) |
SG Hannover (Entscheidung vom 10.03.1982; Aktenzeichen S 21 K 19/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Honorarkürzungen, die gegenüber dem beigeladenen Zahnarzt Dr. B. hinsichtlich der Abrechnungsquartale I bis IV/1977 vorgenommen worden sind.
Auf Antrag des klagenden Landesverbandes der Ortskrankenkassen Niedersachsen (LdO) hat der Prüfungsausschuß der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZVN) die Honorarforderungen des als Kassenzahnarzt zugelassenen Dr. B. für die vier Abrechnungsquartale des Jahres 1977 um insgesamt 24.375,07 DM mit der Begründung gekürzt, der geprüfte Zahnarzt habe (bei 510, 457, 373 und 433 Behandlungsfällen) die durchschnittlichen Fallzahlen seiner Fachkollegen um 80 bis 119 % überschritten, so daß insoweit ein offensichtliches Mißverhältnis gegenüber dem statistischen Durchschnitt der Fachgruppe vorliege; eine Einzelfallprüfung habe wegen des damit verbundenen, nicht zu vertretenden Zeit- und Kostenaufwandes nicht durchgeführt werden können (Beschluß vom 9. Oktober 1979). Auf die Beschwerde des Dr. B. und der KZVN hat der beklagte Beschwerdeausschuß den Bescheid des Prüfungsausschusses aufgehoben und eine Honorarkürzung in Höhe von 2.275,19 DM mit der Begründung festgesetzt, nach der von ihm durchgeführten Einzelfallprüfung sei eine Kürzung nur in dieser Höhe gerechtfertigt (Beschluß vom 13. November 1980). Die vom LdO erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt: Wo eine Einzelfallprüfung nicht ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten und Aufwendungen durchgeführt werden könne, habe sie nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. September 1984 - 6 RKa 4/83 - (SozR 2200 § 368n der Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 33) als Prüfmethode auszuscheiden. Bei 510, 457, 373 und 433 abgerechneten Behandlungsfällen sei das hier der Fall. Die Einzelfallprüfung bleibe vornehmlich für solche Fälle erhalten, in denen die statistische Prüfmethode wegen fehlender Vergleichsgrundlagen, zB niedriger Fallzahlen oder Fehlens einer Vergleichsgruppe, keine hinreichenden Erkenntnisse bringe. Der Beklagte sei verpflichtet, von der im Wege des statistischen Vergleichs festgestellten Unwirtschaftlichkeit auszugehen; bei der Neubescheidung habe er die Rechtsauffassung des Senats zu beachten. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der KZVN. Zur Begründung wird vorgebracht: Die für Niedersachsen geltende Prüfordnung sehe, was das LSG verkannt habe, primär eine Einzelfallprüfung vor. Lediglich wenn diese mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sei, könne eine statistische Vergleichsprüfung durchgeführt werden. Die Entscheidung darüber könnten die Gerichte nur in beschränktem Umfang überprüfen. Die Einzelfallprüfung sei hier die einzig richtige Prüfungsart gewesen. Das LSG berufe sich zu Unrecht auf das (oben zitierte) Urteil des BSG vom 26. September 1984. Die Revisionskläger - und der beigeladene Kassenzahnarzt - beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. November 1985 - L 5 Ka 9/82 - aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 1982 - S 21 Ka 19/81 - zurückzuweisen.
Der Kläger/Revisionsbeklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Beklagte hätte an den sich aus dem statistischen Vergleich ergebenden Erkenntnissen des Prüfungsausschusses nicht einfach vorbeigehen dürfen.
Der beigeladene Kassenzahnarzt hat vorgetragen, daß das Berufungsurteil nur Bestand haben könne, wenn es einen fehlerhaften Gebrauch des dem Beklagten zustehenden Entscheidungsspielraums festgestellt hätte; derartige Feststellungen seien aber nicht getroffen worden und hätten auch nicht getroffen werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Beklagten angewiesen, über die Beschwerden gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses neu zu entscheiden.
Nach § 368n Abs 5 Satz 1 RVO ist "die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen" den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen übertragen. Gemäß § 368n Abs 5 Satz 3 RVO, wonach den Vertragsparteien des Gesamtvertrages aufgegeben ist, das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu regeln, haben sich die Vertragsparteien als Anlage 4 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) eine Verfahrensordnung gegeben, in dessen § 6 Abs 2 es heißt:
Soweit die Prüfung anhand einzelner Behandlungsfälle ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten und Aufwendungen durchgeführt werden kann, haben die Prüfungseinrichtungen die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Behandlung grundsätzlich in dieser Weise zu prüfen. Im übrigen können sie den Umfang der Unwirtschaftlichkeit auf Grund eines Vergleichs schätzen,...
Diese Vorschrift entspricht inhaltlich - nicht wörtlich - dem § 8 Abs 3 der für den Bereich des Landes Niedersachsen geltenden Prüfordnung, die jedoch, für sich betrachtet, nach § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht revisibel ist.
Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungen verfahren die Prüforgane weitgehend nach der Methode des statistischen Vergleichs. Sie vergleichen dabei rein quantitativ, nämlich nach durchschnittlichen Kosten pro Patient, die Leistungen des Arztes mit denen seiner Fachkollegen (Fallkostendifferenz) und schließen bei einer groben Überschreitung - dem sogenannten offensichtlichen Mißverhältnis - auf die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- bzw Verordnungsweise. Diese statistische Methode ist vom BSG in zahlreichen Entscheidungen gebilligt worden (vgl ua BSGE 11, 102; 17, 79; 19, 123; 46, 136; 55, 110). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sie verfassungsrechtlich für zulässig erklärt (Beschluß vom 29. Mai 1978, 1 BvR 951/77, SozR 2200 § 368e RVO Nr 3). Sie setzt voraus, daß eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist (BSGE 11, 102, 114 unter Hinweis auf § 287 Abs 2 der Zivilprozeßordnung -ZPO-; 55, 110, 114; BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 33; BSG, Urteil vom 27. Januar 1987, 6 RKa 16/86 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt -).
Die Beurteilung, ob die Einzelfallprüfung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten und Aufwendungen verbunden wäre, obliegt dem jeweils zur Entscheidung berufenen Ausschuß (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 33). Bei der Wahl der Prüfmethode steht ihm ein Spielraum zu, dessen gerichtliche Nachprüfbarkeit eingeschränkt ist (vgl BSG aa0; Baader: Zur gerichtlichen Überprüfbarkeit des statistischen Unwirtschaftlichkeitsbeweises im Kassenarztrecht, SGb 86, 309 ff; siehe auch § 278 Abs 1 ZPO). Von diesem Spielraum hat der Beklagte aber keinen rechtmäßigen Gebrauch gemacht.
Bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung haben Verwaltungsbehörden und Gerichte grundsätzlich an konkrete Tatsachen anzuknüpfen. Die Feststellung dieser (rechtserheblichen) Tatsachen hat daher im Interesse der Richtigkeit der Rechtsentscheidungen auch durch Mittel zu erfolgen, die in größtmöglicher Nähe zu den in Frage stehenden Tatsachen, also in möglichst direkter Beziehung zu ihnen stehen. Nur ausnahmsweise dürfen solche rechtserheblichen Umstände trotz an und für sich bestehender unmittelbarer Aufklärungsmöglichkeiten dann aufgrund mittelbarer Umstände erschlossen werden, wenn die direkte Feststellung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre. Insofern handelt es sich beim statistischen Unwirtschaftlichkeitsbeweis des Kassenarztrechts um eine Ausnahme im Verhältnis zu dem genannten Grundsatz. Wo also eine direkte Prüfung ohne unverhältnismäßigen Aufwand durchführbar ist, muß diese Prüfungsmethode, weil sie genauere Feststellungen ermöglicht, gewählt werden. Insofern ist es rechtsdogmatisch auch richtig, bei der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung von der sogenannten Einzelfallprüfung als dem Grundsatz auszugehen.
Betrachtet man dagegen nicht das Verhältnis zwischen der genannten statistischen Methode und dem allgemeinen Rechtsprinzip einer möglichst direkten Tatsachenfeststellung, sondern allein das Verhältnis zwischen denjenigen (kassenarztrechtlichen) Prüfungsfällen, die eine sogenannte Einzelfallprüfung erlauben und solchen, bei denen dies wegen unverhältnismäßigen Aufwandes nicht geboten ist, so liegt hier das Regel-/Ausnahmeverhältnis gerade umgekehrt: die Prüfinstanzen brauchen regelmäßig keine sogenannte Einzelfallprüfung durchzuführen, da in den meisten Fällen die Voraussetzungen der Zulässigkeit der statistischen Prüfung gegeben sind. Insofern handelt es sich bei der statistischen Methode praktisch um den Regelfall. Das hat der Senat in mehreren Entscheidungen mit dem Hinweis zum Ausdruck gebracht, daß die Prüfungseinrichtungen wegen der großen Zahl der abgerechneten Krankenscheine und der Schwierigkeit der Einzelfalluntersuchung ihren Prüfpflichten nicht im entferntesten genügen könnten, wenn der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit generell anhand von Einzelfallprüfungen geführt werden müßte, so daß Einzelprüfungen nur in Ausnahmefällen in Betracht kämen (vgl BSGE 17, 79, 85 und zuletzt die oben zitierte Entscheidung BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 33).
Der Beklagte hat aber gar keine Einzelfallprüfung durchgeführt. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, die dem Prinzip der direkten Tatsachenfeststellung entspricht, hat bei der Erkrankung des Patienten anzusetzen und dementsprechend dessen konkrete Situation aufzuklären. Auch dies hat das BSG mehrfach zum Ausdruck gebracht. So hat der Senat schon in der zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1962 (BSGE 17, 79, 85) die Zulässigkeit des statistischen Vergleichs außer mit der immensen Zahl von Abrechnungsfällen gerade auch mit der Schwierigkeit gerechtfertigt, die mit der Vorladung und Untersuchung der Patienten verbunden sind, und auch in dem zitierten Urteil aus dem Jahre 1984 (SozR 2200 § 368n RVO Nr 33) wird darauf hingewiesen, daß die Schwierigkeiten der Einzelfallprüfung (auch) darin liegen, die Wirtschaftlichkeit nach dem objektiven Krankheitszustand des einzelnen Patienten feststellen zu müssen. Da der eigentliche Maßstab der Wirtschaftlichkeitsprüfung dasjenige ist, was unter Vergegenwärtigung der jeweiligen medizinischen Indikation an ärztlichen Leistungen notwendig bzw nicht notwendig war (BSG, Urteil vom 27. Januar 1987, 6 RKa 16/86), ist eine direkte Feststellung dessen, was (in der Vergangenheit) medizinisch indiziert war, durch Vergegenwärtigung der konkreten Erkrankung des Patienten zu ermitteln. Das bedeutet aber, daß eine solche Tatsachenfeststellung jeden einzelnen Fall als gesonderte und individuelle Gegebenheit zu erfassen und darzulegen hat und daß dabei primär eine Heranziehung des Patienten zu erwägen ist.
Der Beklagte hat weder das eine noch das andere getan. Seine Überprüfung erfolgte weitgehend bloß überschlägig. Er hat auch nur anhand der vorliegenden Unterlagen geprüft, also eine Heranziehung der Patienten überhaupt nicht erwogen und eine solche Heranziehung sogar generell unterlassen.
Einer unmittelbaren Untersuchung des Patienten bedürfte es zwar jedenfalls dann nicht, wenn die festzustellende Indikationslage sich ebenso direkt und unmittelbar aus einer (objektiven) Befundunterlage oder einem sonstigen Beweismittel ergibt. Für eine solche Eignung kommen unter den in § 7 Abs 2 der Anlage 4 zum BMV-Z genannten Beweismitteln (- Beweismittel sind "insbesondere" -) die vom Kassenzahnarzt abgerechneten Röntgenaufnahmen in Betracht. Die anderen dort genannten Mittel (die Unterlagen des Kassenarztes wie Behandlungsausweise, Aufzeichnungen, Verordnungen, Bescheinigungen sowie das entsprechende Zahlenmaterial der KZV) geben ihrer Natur nach aber keinen unmittelbaren Aufschluß über die medizinische Indikation und die sich hieraus ergebende Notwendigkeit der erfolgten Behandlung. Der Umstand aber, daß sich im Einzelfall die Unwirtschaftlichkeit schon aus einem Vergleich zwischen den schriftlichen Behandlungsunterlagen und der zur Abrechnung gestellten Leistung ergeben kann - wenn sich nämlich bereits hieraus eine indikatorische Unschlüssigkeit ergibt -, steht dem nicht entgegen. Denn das ist bei der Mehrzahl der Fälle, um deren Überprüfung es geht, gerade nicht der Fall. Der Beklagte kann hier auch nicht einwenden, daß es objektiv nahezu unmöglich und zudem bei 433 bis 510 Behandlungsfällen im Quartal mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sei, die frühere Indikationslage durch eine konkret einzelfallbezogene, am Patienten selbst orientierte Aufklärung objektivieren zu wollen. Wenn das Prüfungsgremium die Methode des statistischen Unwirtschaftlichkeitsbeweises ablehnt und eine "Einzelfallprüfung" wählt, dann ist seine Entscheidung schon im Ansatz fehlerhaft, wenn es (dann) gar keine (den genannten Anforderungen entsprechende) Einzelfallprüfung, sondern - wie hier - eine mehr oder weniger allgemeine und globale Überprüfung vornimmt. Eine solche Art der Überprüfung wäre im übrigen nur dann zu rechtfertigen, wenn das Prüfungsgremium plausibel machen könnte, daß die gewählte globale Überprüfungsmethode unter dem Aspekt der Wahrheitsermittlung gegenüber der gängigen statistischen Methode vorzuziehen oder doch wenigstens gleich geeignet sei. Dies trifft jedoch, wie noch auszuführen sein wird, nicht zu. Wegen der genannten Anforderungen, die an einen konkreten Beweis zu stellen sind und unter Berücksichtigung der allgemeinen Erfahrung, daß diesen Anforderungen im Regelfall der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht Genüge getan werden kann, muß der statistischen Methode insoweit der Vorrang zuerkannt werden.
Abgesehen davon, daß die hier durchgeführte globale Prüfung offensichtlich einen höheren Verwaltungsaufwand als die gängige statistische Prüfmethode erforderte, ist dieses statistische Verfahren dem Vorgehen des Beklagten beweisrechtlich vorzuziehen. Sie erbringt einen objektiven Nachweis insoweit, als es um die Überschreitung der Durchschnittsfallzahlen der Vergleichsgruppe geht. Hiervon auf eine unwirtschaftliche Leistungserbringung zu schließen ist aber um so unbedenklicher, je besser die einzelnen ärztlichen Vergleichsgruppen nach identischen Praxisumständen gebildet, ihre (generellen) Teilidentitäten also vergrößert werden. Bei einer solchen Optimierung der Vergleichbarkeit, verbunden mit einem relativ hohen sanktionslosen Überschreitungsfeld und bei Vernachlässigung von statistischen Extremfällen (- statistischen "Ausreißern" -) in der Durchschnittsberechnung kann die Objektivität eines solchen statistischen Schlusses allenfalls noch durch solche Umstände in Frage gestellt werden, die sich nicht generalisieren, also auch nicht bei der Bildung einer Vergleichsgruppe berücksichtigen lassen. Solche hauptsächlich in der Person des Arztes liegenden Besonderheiten brauchen hier aber nicht berücksichtigt zu werden (vgl BSGE 55, 95 = SozR 2200 § 368e RVO Nr 8), wenn man auf der anderen Seite in Betracht zieht, daß die gleiche Ausbildung, die gleiche Verbindlichkeit der Regeln der ärztlichen Kunst und die Gleichgeartetheit der medizinischen Techniken annähernd gleichartige ärztliche Leistungsmuster prägen, daß ferner diese Muster durch die Standardisierung der Gebührenbestimmungen eine zusätzliche Prägung erfahren, daß auch die einem Arzt zukommende Patientenschaft hinsichtlich ihrer Krankheiten und Behandlungsbedürftigkeiten um so stärker nach diesen Mustern ausgewählt und von ihnen bestimmt wird, je enger der Spezialisierungsgrad des Arztes reicht, und daß schließlich jene Krankheiten und Behandlungsbedürftigkeiten bei Patienten desselben Zivilisationskreises in relativ gleicher Häufigkeit auftreten (vgl Baader, "Praxisumstände" beim statistischen Beweis der Unwirtschaftlichkeit im Kassenarztrecht, SGb 85, 446 ff). Gegenüber einem solchen statistischen Verfahren erbringt die hier angewandte globale Prüfung aber ein weniger an objektiven Feststellungen. Zwar ist es denkbar, daß der zu prüfende Arzt alle Umstände schriftlich niederlegt, die für einen Nachvollzug der damit gegebenen Indikation erforderlich sind, und daß er diese Vermerke zugleich wahrheitsgemäß macht. Wird schon das erstere aber jedenfalls nicht regelmäßig der Fall sein, so kann das letztere, soll es sich um eine echte Wirtschaftlichkeitsprüfung und nicht um ein bloßes (globales) Scheinverfahren handeln, nicht einfach unterstellt werden. Insofern entspricht die Prüfung des Beklagten nicht den von rechtswegen zu stellenden Beweisanforderungen.
Aus all dem ergibt sich: Der Beklagte hätte hier - wie es schon der Prüfungsausschuß getan hatte - das Mittel der statistischen Unwirtschaftlichkeitsprüfung wählen können, da bei den gegebenen Fallzahlen (433 bis 510 pro Quartal) eine konkrete Einzelfeststellung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist. Wollte er aber die Einzelfallprüfung wählen, dann hätte er eine konkrete, einzelfallbezogene Prüfung im oben dargelegten Sinne vornehmen müssen. Dabei kann sich das Prüfungsgremium jedenfalls nicht generell auf die Verwertung von Unterlagen mit der Begründung beschränken, daß auch bei der Heranziehung des Patienten der frühere Erkrankungszustand nicht mehr hätte festgestellt werden können. Dies käme einer (globalen) Vorwegnahme der konkreten Beweiswürdigung gleich und würde die hier zu stellenden Anforderungen umgehen. Soweit die konkrete und direkte Einzelfallprüfung den Beweis der Unwirtschaftlichkeit deshalb nicht zu erbringen vermag, weil die objektive Indikationslage nicht mehr vergegenwärtigt werden kann, im Ergebnis also offenbleibt (-"non liquet"-), ob die Leistung wirtschaftlich war oder nicht, muß das Prüforgan ohnehin auf die Methode des statistischen Vergleichs zurückgreifen (falls vergleichbare Ärzte in ausreichender Zahl vorhanden sind). Das ergibt sich aus dem rechtlichen Gebot der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts.
Die vorgenannten Anforderungen schließen es selbstverständlich nicht aus, daß bei der Methode des statistischen Nachweises zur Stützung eines bestimmten Ergebnisses auf beispielhafte Einzelfalluntersuchungen zurückgegriffen wird oder daß bei Einzelfallprüfungen auch Argumente aus einer parallel dazu vorgenommenen (vollen oder partiellen) statistischen Überprüfung herangezogen werden.
Im übrigen gehört es zur Begründungspflicht einer aufgrund einer Einzelfallprüfung getroffenen Entscheidung, daß sich (auch) die Begründung auf jeden einzelnen Fall erstreckt. Ein (schriftlicher oder schriftlich bestätigter) Verwaltungsakt ist schriftlich zu begründen, und in der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (vgl BSGE 55, 110, 111 und die dort gegebenen Hinweise). Wählte der Beklagte statt des zulässigen statistischen Vergleichs die Einzelfallprüfung, so hätte er demnach, was er nicht getan hat, die insgesamt 1773 abgerechneten Fälle (der vier streitigen Quartale) im einzelnen aufführen und seine jeweils hierzu getroffenen Feststellungen und Erwägungen mitteilen müssen, um erkennbar und nachvollziehbar zu machen, aufgrund welcher Umstände die Wirtschaftlichkeit in jedem einzelnen Falle bejaht bzw verneint wurde. Im Falle einer bloß auf einer Verwertung der ärztlichen Unterlagen beruhenden Prüfung ist auch zu begründen, wieso aus den vorliegenden Unterlagen für die Vergegenwärtigung der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gegebenen Indikation sich der objektive Befund nicht weniger erschlossen hat als dies bei der Heranziehung des Patienten der Fall gewesen wäre. Der Beklagte hat all dies nicht beachtet. Insofern hat er seinen Spielraum bei der Auswahl der Prüfungsmittel nicht gewahrt. Darüber hinaus hat er es aber auch unterlassen, bei der Beweiswürdigung im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG; § 20 Abs 2 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - -SGB X-) sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, daß die statistische Überprüfung eine Überschreitung der Durchschnittsfallwerte um 80 bis 119 % ergeben hatte.
Das LSG hat daher im Ergebnis zu Recht das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Der Beklagte ist verpflichtet, über die Widersprüche der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 gegen den Bescheid der Prüfungskommission unter Beachtung der Rechtsauffassung des (Revisions-)Gerichts neu zu entscheiden. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen. Dies jedoch, da das LSG die Bescheidungsverpflichtung nicht im Urteilstenor ausgesprochen hatte, mit der sich aus dem Tenor des Revisionsurteils ergebenden Maßgabe.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen