Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsfrage, ob die KK verpflichtet ist, dem Versicherten für seine Angehörigen Familienhilfe zu gewähren, kann grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage nach SGG § 55 Abs 1 Nr 1 sein.
Soweit der Versicherte Leistungen der Familienhilfe für einen bereits abgeschlossenen Versicherungsfall begehrt, ist eine Feststellungsklage unzulässig; der Versicherte muß hierfür den Weg der Leistungsklage beschreiten.
Normenkette
SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der beklagten Krankenkasse wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 1968 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert ist, für seinen 1966 verstorbenen Vater Anspruch auf Familienkrankenpflege hatte. Die Satzung der Beklagten sieht Familienkrankenpflege auch für die Eltern eines Versicherten vor, wenn sie mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben und von ihm überwiegend unterhalten werden (§ 205 Abs. 3 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Der Kläger lebte mit seinem Vater bis zu dessen Tod in häuslicher Gemeinschaft; streitig ist, ob er ihn überwiegend unterhielt. Er gewährte ihm aufgrund eines Vertrages vom Jahre 1953, durch den dem Kläger die väterliche Landwirtschaft übergeben worden war, als "Leibgedinge" freie Kost und Wohnung, Kleidung, Schuhwerk und Wäsche, ferner Wartung und Pflege sowie Krankenhilfe und ein wöchentliches Taschengeld von 7 DM. Daneben bezog sein Vater von der landwirtschaftlichen Alterskasse ein Altersgeld, das bis April 1965 60 DM und seitdem 100 DM betrug.
Nach Ansicht der Beklagten unterhielt der Kläger seinen Vater nicht überwiegend: Die 35 ha große, aber nur eine Nutzfläche von 17 ha umfassende Landwirtschaft habe im Jahr einen Reinertrag von ca. 3700 DM oder 308 DM monatlich abgeworfen, wenn man die Hälfte des steuerlichen Ertragswerts von hier 436 DM je Hektar und Jahr zugrunde lege; mit dem Altersgeld des Vaters habe das Gesamteinkommen der - siebenköpfigen - Familie bis April 1965 monatlich 373 DM und seitdem 408 DM betragen; auf die erwachsenen Familienmitglieder sei mithin ein Unterhaltsanteil von 62 bzw. 68 DM entfallen; zu diesem Anteil habe der Vater des Klägers aus seinem eigenen Einkommen (Altersgeld) jeweils mehr als die Hälfte beigesteuert.
Die Beklagte hat deshalb dem Kläger mit Bescheid vom 3. Juli 1964 mitgeteilt, daß er keinen Anspruch auf Familienhilfe für seinen Vater habe und daß sie die Kosten einer Krankenhausbehandlung des Vaters vom 19. Mai bis 12. Juni 1964 nicht übernehme (ebenso Widerspruchsbescheid vom 8. September 1964).
Das Sozialgericht hat einen Familienhilfeanspruch des Klägers schon deshalb verneint, weil der Kläger seinem Vater im Hinblick auf die Entgeltlichkeit des Übergabevertrags überhaupt keinen Unterhalt gewährt habe, der Unterhalt des Vaters vielmehr aus den Einkünften der Landwirtschaft bestritten worden sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger Anspruch auf Familienkrankenhilfe für seinen Vater gehabt habe. Das LSG hat das im Übergabevertrag vereinbarte Leibgedinge nicht als Gegenleistung für die Übergabe der Landwirtschaft, sondern als eine auf vorweggenommener Erbfolge beruhende Verbindlichkeit des Klägers und demgemäß seine Leistungen als Unterhaltsleistungen angesehen; diese Leistungen seien auch höher als die eigenen Einkünfte des Vaters gewesen, da sie mindestens den notwendigen Lebensbedarf im Sinne des Sozialhilferechts umfaßt hätten, die dafür maßgebenden Richtsätze aber einen Betrag von 100 DM erheblich überstiegen (Urteil vom 24. Januar 1968).
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter. Sie beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 24. Januar 1968 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 8. Oktober 1965 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt unter Berufung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Revision der beklagten Krankenkasse ist insofern begründet, als das LSG sich im vorliegenden Fall nicht auf den Erlaß eines Feststellungsurteils beschränken durfte.
Ist zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse streitig, ob die Kasse für einen Angehörigen des Versicherten Familienhilfe zu leisten hat, so kann dieser Streit zwar grundsätzlich im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgetragen werden (BSG 11, 198). Für eine solche Feststellungsklage ist jedoch ausnahmsweise kein Raum mehr, wenn der betreffende Angehörige verstorben ist und deshalb Leistungsansprüche des Versicherten nur noch für abgeschlossene Versicherungsfälle in Betracht kommen; dann muß der Versicherte, der solche Ansprüche zu haben glaubt, dafür den Weg der Leistungsklage beschreiten (vgl. Urt. des BSG vom 5.7.1962 - 5 RKn 8/61 - SozR Nr. 36 zu § 55 SGG). Auch hier hätte mithin der Kläger nach dem Tode seines Vaters zulässig nur noch mit einem bezifferten Leistungsantrag klagen können. In diesem Sinn ist möglicherweise schon sein im Verwaltungsverfahren vorgetragenes Begehren zu deuten, ihm die Kosten einer Krankenhausbehandlung seines Vaters vom 19. Mai bis 12. Juni 1964 zu erstatten. Eine ausdrückliche Klarstellung des Antrags durch das LSG scheint indessen geboten (vgl. § 112 Abs. 2 SGG). Im übrigen muß noch geklärt werden, ob der Kläger außer dem Ersatz der genannten Behandlungskosten noch weitere Leistungsansprüche gegen die Beklagte erhebt. Da der Senat selbst das Verfahren nicht in die zulässigen prozessualen Bahnen bringen kann, hat er den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
In der Sache hat der Senat in einem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom gleichen Tage (3 RK 103/67) entschieden, daß ein versicherter Landwirt, der für den vollen Lebensbedarf eines bei ihm lebenden Elternteils aufkommt, ihn auch dann im Sinne des § 205 Abs. 3 RVO unterhält, wenn er seine Leistungen aufgrund eines Übergabevertrages als sog. Altenteil erbringt. Zur Begründung wird auf das genannte Urteil verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.
Fundstellen