Beteiligte
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Art 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (idF des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997, BGBl II 387) folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
- Ist Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zu dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 23. November 1970 so auszulegen, daß eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auch vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat der Gemeinschaft eine bisherige Arbeitserlaubnisfreiheit türkischer Fahrer im grenzüberschreitenden Güterverkehr, die bei einem (türkischen) Arbeitgeber mit Sitz in der Türkei beschäftigt sind, abschafft?
- Betrifft eine solche Beschränkung ausschließlich den freien Dienstleistungsverkehr oder auch bzw allein den Zugang zum Arbeitsmarkt iS des Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 19. September 1980?
- Ist Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 19. September 1980 auch auf türkische Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz in der Türkei anzuwenden, die als Fernfahrer im grenzüberschreitenden Güterverkehr regelmäßig einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft durchfahren, ohne dem (regulären) Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates anzugehören?
- Ist Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 19. September 1980 so auszulegen, daß er einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft generell die Einführung nationaler Regelungen verbietet, die im Vergleich zu der am 1. Dezember 1980 geltenden nationalen Rechtslage für türkische Arbeitnehmer neue Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt vorsehen, oder verbietet diese Vorschrift die Einführung neuer Beschränkungen nur für die Beschäftigung bzw Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern, deren Aufenthalt und Beschäftigung im Inland bereits vor Inkrafttreten der neuen Beschränkung ordnungsgemäß waren?
Gründe
I
Streitig ist, ob elf türkische, in der Türkei wohnende Arbeitnehmer, die bei der Klägerin, einem Unternehmen mit Sitz in der Türkei, im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf Kraftfahrzeugen beschäftigt sind, die auf ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland zugelassen sind, für Fahrten in Deutschland arbeitserlaubnisfrei sind.
Diese Fahrer waren und sind noch ohne Arbeitserlaubnis tätig, die Beklagte vertrat jedoch ab Mitte 1995 die Auffassung, der Einsatz von ausländischen Kraftfahrern, die von ausländischen Unternehmen eingestellt seien, sei nicht nach § 9 Nr 2 Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV) arbeitserlaubnisfrei, wenn sie in Deutschland auf in Deutschland zugelassenen LKW tätig seien. Nach einer dieser Rechtsauffassung Rechnung tragenden Änderung des § 9 Nr 2 ArbErlaubV zum 10. Oktober 1996 beantragten einzelne Arbeitnehmer erfolglos die Erteilung von Arbeitserlaubnissen ab 1. Mai 1997.
Die Klägerin hat daraufhin beim Sozialgericht (SG) einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt; auf diesen Antrag hat das SG festgestellt, daß die von der Klägerin im einzelnen benannten, im grenzüberschreitenden Güterverkehr eingesetzten türkischen Arbeitnehmer bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren keiner Arbeitserlaubnis bedürften (Beschluß vom 22. Mai 1997). Auch die Klage hatte beim SG vollen Erfolg (Urteil vom 1. März 2000) und beim Landessozialgericht (LSG) insoweit Erfolg, als festgestellt wurde, daß die elf Arbeitnehmer für die Zukunft keiner Arbeitserlaubnis bedürften (Urteil vom 26. Juli 2000). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zwar sehe § 284 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderungsrecht – (SGB III) für eine Beschäftigung von Ausländern im Inland eine Arbeitsgenehmigungspflicht vor; einer Genehmigung bedürfe es jedoch nicht, wenn dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, aufgrund eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung bestimmt sei (§ 284 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III). Eine derartige Ausnahmeregelung greife vorliegend zugunsten der Klägerin ein. Nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei iVm Art 13 des Beschlusses Nr 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 (ARB) dürften die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß seien, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen (sog Stillhalteklausel). Die auf die deutschen Teilstrecken entfallende Beschäftigung der betroffenen türkischen Arbeitnehmer sei ursprünglich gemäß § 9 Nr 2 ArbErlaubV vom 2. März 1971 idF der 10. Verordnung zur Änderung der ArbErlaubV vom 1. September 1993 arbeitserlaubnisfrei gewesen. Eine neue Beschränkung für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt sei jedoch für ausländische, somit auch für türkische Arbeitnehmer, die im grenzüberschreitenden Lkw-Verkehr eingesetzt seien, durch die am 10. Oktober 1996 in Kraft getretene Verordnung zur Änderung des Arbeitserlaubnisrechts vom 30. September 1996 geschaffen worden. Danach bestehe Arbeitserlaubnisfreiheit für das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland nur noch, sofern das Fahrzeug im Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen sei. Diese Regelung der ArbErlaubV finde sich inhaltsgleich in § 9 Nr 3 Buchst a der aufgrund des am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen SGB III erlassenen Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV). Dahingestellt bleiben könne, ob die Fahrer, die Klägerin oder ihr deutscher Auftraggeber gegen das deutsche Güterkraftverkehrsrecht verstießen. Etwaige Verstöße dieser Art zu ahnden oder zu unterbinden, sei den für das Güterkraftverkehrsrecht zuständigen Behörden und Gerichten vorbehalten.
Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 9 Nr 3 Buchst a ArGV. Sie ist der Ansicht, weder die Voraussetzungen der Stillhalteklausel des Art 13 ARB Nr 1/80 noch der des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zu dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 23. November 1970, der neue Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit verbiete, lägen vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es das Urteil des SG bestätigt hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend und ist im übrigen der Ansicht, daß aus Vertrauensschutzgründen die zum 10. Oktober 1996 in Kraft getretene Neuregelung für ihre elf Arbeitnehmer nicht gelten könne, weil diese bereits zuvor bei ihr beschäftigt gewesen seien.
II
Das Verfahren ist auszusetzen.
Der Senat sieht sich an einer Entscheidung des Rechtsstreits dadurch gehindert, daß die Beantwortung der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Fragen nicht ohne vernünftige Auslegungszweifel möglich ist und legt sie deshalb dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Vorab wird Bezug genommen auf den Vorlagebeschluß des 11. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Juni 2001 (B 11 AL 89/00 R), dem nur insoweit ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt, als dort die türkischen Arbeitnehmer selbst klagen, während vorliegend der angebliche Arbeitgeber die Feststellung der Arbeitserlaubnisfreiheit begehrt. Im Ergebnis stellen sich jedoch die gleichen Fragen wie im Verfahren des 11. Senats mit Ausnahme der dort gestellten Frage Nr 3 a (zur Berechtigung der Arbeitnehmer, sich auf Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zu berufen). Die im vorliegenden Verfahren gestellte Frage Nr 2 dient der Ergänzung der Frage Nr 1, die im Ergebnis der vom 11. Senat gestellten Frage Nr 3 b entspricht.
Nach dem anzuwendenden deutschen Recht sind die (angeblichen) Arbeitnehmer der Klägerin, einer Kapitalgesellschaft („Ltd” = GmbH) mit Sitz in der Türkei, nicht berechtigt, im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland arbeitserlaubnisfrei tätig zu werden. Nach § 9 Nr 3 Buchst a ArGV – erlassen aufgrund des § 288 Abs 1 SGB III – bedarf nämlich keiner Arbeitsgenehmigung, die als Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung erteilt wird (§ 284 Abs 4 SGB III), das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland, wenn das Fahrzeug im Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen ist. Vorliegend fehlt es jedenfalls an der für die Arbeitserlaubnisfreiheit nach dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzung der Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs im Sitzstaat der Arbeitgeberin; denn die von den Arbeitnehmern benutzten bzw in Zukunft zu benutzenden Fahrzeuge sind in Deutschland, nicht in der Türkei zugelassen.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Übergangsregelung bzw des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Tätigkeit der Arbeitnehmer nach nationalem Recht nicht erlaubnisfrei. Zwar ist es, wie der 11. Senat in seinem Beschluß vom 20. Juni 2001 (B 11 AL 89/00 R) ausgeführt hat, richtig, daß vor dem 1. September 1993 das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr noch allgemein von der Arbeitserlaubnispflicht ausgenommen war (§ 9 Nr 2 ArbErlaubV in der bis 31. August 1993 geltenden Fassung), daß für die Zeit vom 1. September 1993 bis 9. Oktober 1996 § 9 Nr 2 ArbErlaubV nach seinem Wortlaut noch Arbeitserlaubnisfreiheit für das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr „der Arbeitgeber mit Sitz im Ausland” – ohne die Einschränkung betreffend den Ort der Zulassung – vorgesehen war und daß für die Zeit ab 10. Oktober 1996 (§ 9 Nr 2 Buchst a ArbErlaubV bzw § 9 Nr 3 Buchst a ArGV) eine Übergangsvorschrift für den Status der Arbeitnehmer fehlt, die bereits vor dem 10. Oktober 1996 entsprechend beschäftigt waren. Jedoch hat der Senat mit Urteil vom 2. August 2001 (B 7 AL 86/00 R) entschieden, daß Vertrauens- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dadurch hinreichend Rechnung getragen ist, daß die Beklagte sogar nach der Änderung der ArbErlaubV übergangsweise den alten Rechtszustand akzeptiert hat und – als Folge der erlassenen einstweiligen Anordnung – ohnedies bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der arbeitserlaubnis- bzw arbeitsgenehmigungsfreie Einsatz der Fahrer ermöglicht wird; ein zeitlich unbegrenzter „Bestandsschutz” der vor dem 10. Oktober 1996 bestehenden Verhältnisse ist weder verfassungs- noch einfachrechtlich geboten.
Die von der Klägerin begehrte Arbeitserlaubnisfreiheit könnte sich jedoch aus Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen vom 23. November 1970 oder aus Art 13 ARB Nr 1/80 ergeben.
Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls lautet:
„Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.”
Art 13 ARB Nr 1/80 hat folgenden Wortlaut:
„Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.”
Neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt iS des Art 13 ARB Nr 1/80 bzw neue Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs iS des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls könnten in den bereits genannten Änderungen der ArbErlaubV zum 1. September 1993 bzw zum 10. Oktober 1996 gesehen werden. Dabei spricht vieles dafür, daß mit der ab 10. Oktober 1996 geltenden Fassung des § 9 Nr 2 Buchst a ArbErlaubV die Voraussetzungen der Arbeitserlaubnisfreiheit für Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr konstitutiv neu geregelt worden sind und nicht, wie die Beklagte meint, nur klargestellt worden ist, was für ausländische Unternehmen bereits vor dem 10. Oktober 1996 im Hinblick auf die – nicht ganz eindeutigen – güterkraftverkehrsrechtlichen Regelungen ohnedies gegolten haben soll. Denn auch dann, wenn es sich bei der Änderung von 1996 nur um eine Klarstellung hinsichtlich der bereits zuvor geltenden Rechtslage gehandelt haben sollte, kann für die bei ausländischen Arbeitgebern beschäftigten türkischen Fernfahrer der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt und/oder der freie Dienstleistungsverkehr schon durch die Änderung der ArbErlaubV zum 1. September 1993 neu beschränkt worden sein; dies gilt selbst dann, wenn nach den güterkraftverkehrsrechtlichen Vorschriften tatsächlich die Verwendung von in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugen durch die Klägerin grundsätzlich schon immer ausgeschlossen gewesen sein sollte. Unabhängig von der zweifelhaften güterkraftverkehrsrechtlichen Rechtslage wurde jedenfalls entweder durch die Änderung im Jahre 1993 oder durch die Änderung im Jahre 1996 eine zusätzliche rechtliche Hürde errichtet.
Im Gegensatz zum Verfahren des 11. Senats (B 11 AL 89/00 R; Vorlagebeschluß vom 20. Juni 2001) stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht die dort gestellte Frage Nr 3a, ob ein türkischer Arbeitnehmer berechtigt ist, sich auf eine gegen Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu berufen; denn vorliegend klagt die Arbeitgeberin selbst. Wie der 11. Senat in seiner Anfrage ausführt, liegt es nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 59 und Art 60 EG-Vertrag (Maastrichter Fassung) nahe, auch dann von einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auszugehen, wenn ein Mitgliedstaat für die Arbeitnehmer von Unternehmen, die zur Erbringung von Dienstleistungen auf seinem Gebiet tätig werden, Regelungen einführt, wonach Arbeitserlaubnisse einzuholen sind (vgl EuGHE I 1990, 1417; I 1994, 3803). Auf Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls dürften sich wohl auch Kapitalgesellschaften mit Sitz in der Türkei berufen dürfen, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Gesellschafter. Zu klären ist jedoch, ob die vorgenannte Rechtsprechung auch auf die hier zu beurteilende Konstellation und auf Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls übertragbar ist. Es erscheint fraglich, ob das vom EuGH in den vorgenannten Entscheidungen angeführte Argument, es handele sich nur um einen vorübergehenden Ortswechsel und folglich um kein Auftreten auf dem Arbeitsmarkt (EuGHE I 1990, 1417, 1444 sowie I 1994, 3803, 3825), auch im vorliegenden Fall – bei einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt – herangezogen werden kann. Diese Argumentation könnte darauf schließen lassen, daß die Dienstleistungsfreiheit dann nicht mehr betroffen ist, wenn es um den Zugang zum Arbeitsmarkt geht.
Damit stellt sich aber auch die Frage Nr 2 zu dem Verhältnis zwischen Art 41 Abs 1 Zusatzprotokoll und Art 13 ARB 1/80. Bei Fallkonstellationen der hier vorliegenden Art könnten einschränkende Maßnahmen im Arbeitserlaubnis- bzw Arbeitsgenehmigungsrecht sowohl als (neue) Beschränkung des zugunsten türkischer Unternehmer gewährleisteten Status des freien Dienstleistungsverkehrs bewertet werden als auch als (neue) Beschränkung des zugunsten türkischer Arbeitnehmer gewährleisteten Standes des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Hierbei kommt es schon nach dem nationalen (deutschen) Recht nicht auf die Frage an, ob sich die Klägerin überhaupt auf Art 13 ARB Nr 1/80 berufen kann oder ob dies ausschließlich den Arbeitnehmern selbst möglich ist. Wie der Senat in seinem Urteil vom 2. August 2001 (B 7 AL 86/00 R) ausgeführt hat, wäre ohnedies eine Umformulierung des Klageantrags im Hinblick auf § 284 Abs 1 SGB III möglich. Danach dürfen Arbeitgeber Ausländer nur beschäftigen, wenn diese eine Genehmigung besitzen. Aus dieser Norm ergibt sich nach nationalem Recht die Befugnis für den Arbeitgeber, den arbeitsgenehmigungsrechtlichen Status des Arbeitnehmers – als Vorfrage – auch dann feststellen zu lassen, wenn er sich aus Rechtsnormen ergibt, aus denen unmittelbar nur der Arbeitnehmer selbst Rechte herleiten kann.
In diesem Sinne soll die Beantwortung von Frage Nr 3 Aufschluß darüber geben, ob Maßnahmen der hier vorliegenden Art und Weise überhaupt als „Beschränkungen” iS des Art 13 ARB 1/80 (für den Zugang zum Arbeitsmarkt) zu werten sind, oder ob diese Regelung nicht eingreift, weil die Arbeitnehmer der Klägerin überhaupt nicht dem deutschen Arbeitsmarkt angehören (vgl die Ausführungen des 11. Senats im Vorlagebeschluß vom 20. Juni 2001 – B 11 AL 89/00 R).
Sollte allerdings Frage Nr 3 zu bejahen sein, also Art 13 ARB Nr 1/80 auch auf türkische Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz in der Türkei anzuwenden sein, die als Fernfahrer im grenzüberschreitenden Güterverkehr regelmäßig einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft durchfahren, so stellt sich die Frage Nr 4. Nicht unzweifelhaft ist nämlich, ob Art 13 ARB Nr 1/80 so zu verstehen ist, daß er den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Abschnitts des ARB Nr 1/80 über Fragen betreffend die Beschäftigung und Freizügigkeit der Arbeitnehmer (1. Dezember 1980, vgl Art 16 Abs 1 ARB Nr 1/80) allgemein jede den Zugang zum Arbeitsmarkt neu beschränkende Regelung untersagen will. Wäre Art 13 ARB Nr 1/80 ähnlich wie Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen dahin zu verstehen, daß er allgemein die Einführung neuer nationaler Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs ab Dezember 1980 verbietet, könnte sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren unter Umständen auf das vor dem 1. September 1993 maßgebliche, für sie günstigere Recht berufen (vgl EuGH I 2000, 2927), und zwar unabhängig davon, ob ihre Arbeitnehmer schon damals entsprechend tätig waren. Denn die jetzt geltende Fassung des § 9 Nr 3 Buchst a ArGV ist für fahrendes Personal türkischer Arbeitgeber bei Einsatz auf in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen ungünstiger als die am 1. Dezember 1980 maßgebliche Regelung des § 9 Nr 2 ArbErlaubV (Arbeitserlaubnisfreiheit allgemein für fahrendes Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr).
Gegen ein derartiges Verständnis des Art 13 Nr 1/80 könnte allerdings der Wortlaut der Bestimmung sprechen, der in gewisser Weise von Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls abweicht. Während nämlich in Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls allgemein von der Verpflichtung der Vertragsparteien, keine neuen Beschränkungen einzuführen, die Rede ist, bezieht sich die entsprechende Verpflichtung der Mitgliedstaaten bzw der Türkei aus Art 13 ARB Nr 1/80 ausdrücklich auf „Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind”. Der Wortlaut könnte deshalb dafür sprechen, das Verbot neuer Beschränkungen nur konkret auf den Arbeitnehmer und Familienangehörige zu beziehen, deren Aufenthalt und Beschäftigung bereits vor Inkrafttreten der neuen Beschränkung ordnungsgemäß waren. Diese Auslegung des Art 13 ARB Nr 1/80 ist indes nicht zwingend. Sie würde allerdings weitere Ermittlungen darüber erfordern, wann die 11 Arbeitnehmer von der Klägerin eingestellt und eingesetzt worden sind.
Fundstellen