Verfahrensgang
SG Aachen (Urteil vom 28.11.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28. November 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ermächtigung des Klägers zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung bis zum 30. Juni 1991 befristet werden konnte.
Der Kläger ist Chefarzt der Radiologischen Abteilung des Bethlehem-Krankenhauses in S…. Der Zulassungsausschuß für Ärzte Aachen ermächtigte ihn aufgrund Beschlusses vom 5. Juni 1989 durch Bescheid vom 12. Juni 1989 gemäß § 31a Abs 1 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) iVm § 95 Abs 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V) zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung vom 1. Juli 1989 bis 30. Juni 1991 in eingeschränktem, mit der früheren unbefristeten Beteiligung des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung übereinstimmendem Umfang. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser sich gegen die Befristung seiner Ermächtigung wandte, wies der Beklagte aufgrund Beschlusses vom 6. September 1989 durch nichtdatierten, am 18. September 1989 zugestellten Bescheid zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 28. November 1990 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: In § 116 Satz 2 SGB V und § 31a Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV sei eine vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebene Befristung geregelt. Die Vorschriften des § 368a der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 29 der Zulassungsordnung für Ärzte (ZO-Ärzte), zu denen die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung ergangen sei, seien mit dem Gesundheitsreformgesetz (GRG) weggefallen und nicht durch gleichartige Regelungen ersetzt worden. Mit der Neufassung der §§ 31, 31a Ärzte-ZV durch Art 18 Nr 18 GRG sei an die Stelle der früheren Kann-Befristung für Krankenhausärzte eine Muß-Befristung getreten. Aufgrund der gleichzeitigen Abschaffung der zweijährigen Regelüberprüfung der Bedarfssituation des § 29 Abs 5 Satz 3 der ZO-Ärzte und der Widerrufsmöglichkeit der Beteiligung bei Änderung der Bedarfslage gemäß § 29 Abs 5 Satz 2 2. Alternative ZO-Ärzte sei ein Widerruf der Ermächtigung nach neuem Recht nur noch zulässig, wenn nachträglich durch einen in der Person des Arztes liegenden Grund der mit der Ermächtigung verfolgte Zweck nicht erreicht werde. Eine Widerrufsmöglichkeit nach § 95 Abs 4 Satz 3, Abs 6 SGB V komme nicht in Betracht. Da § 31a Abs 3 iVm § 31 Abs 8 Ärzte-ZV die Beendigungsregeln für die Ermächtigung abschließend regele, sei § 47 Abs 1 Nr 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren- (SGB X) nicht anwendbar. Denn wenn sich der Gesetzgeber in § 31 Abs 7 Satz 1 Ärzte-ZV für die Bestimmung einer Zeit, also für die Befristung entschieden habe, dann sei für einen bescheidmäßigen Widerrufsvorbehalt bei Änderung der Bedarfslage kein Raum. Die Muß-Befristung als Korrektiv für eine Änderung der Bedarfslage schließe zwangsläufig beim Erlaß des Ermächtigungsbescheides eine prognostische Bedarfsprüfung im Hinblick auf den Endzeitpunkt der erteilten Ermächtigung aus. Die Auffassung, die Befristung von Ermächtigungen sei immer unzulässig, wenn im Zeitpunkt der Ermächtigungserteilung nicht bekannt sei, daß zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt das Bedürfnis für diese Ermächtigung definitiv entfalle, finde im neuen Recht nach Sinn und Zweck der Befristung keine Stütze. Die Dauer der Befristung sei gesetzlich nicht geregelt und stehe im Ermessen der Zulassungsgremien. Die im vorliegenden Fall festgesetzte Zeitspanne von 2 Jahren sei angemessen. Eine Befristung der Ermächtigung liege nicht schon darin, daß die Ermächtigung des Klägers an seine Tätigkeit beim Bethlehem-Krankenhaus geknüpft sei. Wenn der Gesetzgeber eine derartige Befristung gewollte hätte, hätte es nicht der besonderen Regelung über die zeitliche Bestimmung der Ermächtigung in § 31 Abs 7 Satz 1 Ärzte-ZV bedurft. Die Tätigkeit als Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung an einem bestimmten Krankenhaus sei vielmehr Grundvoraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom SG im Urteil zugelassenen Sprungrevision angefochten. Seiner Revisionsschrift hat er lediglich eine Fotokopie der schriftlichen Zustimmungserklärung des Beklagten beigefügt. Das handschriftlich unterzeichnete Original dieser Erklärung befindet sich in den Akten des SG, die erst nach Ablauf der Revisionsfrist beim BSG eingegangen sind.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 116 SGB V und des § 31a Abs 1 Ärzte-ZV. Die gemäß diesen Vorschriften in eine Ermächtigung umgewandelte Beteiligung alten Rechts unterscheide sich von der letzten nur insoweit, als auf ihre Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Bestimmungen ein Anspruch bestehe. Da über § 31a Abs 3 Ärzte-ZV iVm § 31 Abs 7 Ärzte-ZV nur eine Zeitbestimmung, nicht aber eine kalendermäßige Befristung in den Ermächtigungsbescheid aufzunehmen sei, könnten die Grundsätze der Rechtsprechung des BSG zur Befristung von Beteiligungen auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Damit sei aber eine kalendermäßige Befristung ohne diesbezügliche Bedarfsprüfung unzulässig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28. November 1990 aufzuheben und den Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte Aachen vom 5. Juni 1989 (Bescheid vom 12. Juni 1989) in der Gestalt des Beschlusses des Beklagten vom 6. September 1989 insoweit aufzuheben, als seine (des Klägers) Ermächtigung bis zum 30. Juni 1991 befristet worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28. November 1990 zurückzuweisen.
Er tritt der Rechtsauffassung des Klägers entgegen und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 1) und 5) schließen sich den Ausführungen des SG und des Beklagten an und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 4) schließen sich der Begründung des SG und den Ausführungen des Beklagten an, stellen jedoch keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 6) äußert sich zur Sache nicht und stellt auch keinen Antrag.
Der Zulassungsausschuß für Ärzte Aachen hat durch Bescheid vom 24. Juni 1991 den Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1993 zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung im bisherigen Umfang weiter ermächtigt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Die Befristung seiner Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung bis zum 30 Juni 1991 in den Bescheiden des Zulassungsausschusses für Ärzte Aachen und des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage dagegen zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat allerdings die vom Gesetz für die Einlegung der Sprungrevision aufgestellten Formerfordernisse nicht eingehalten. Hat das SG – wie hier – die Revision im Urteil zugelassen, so ist nach § 161 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die schriftliche Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners der Revisionsschrift beizufügen. Dieser Anforderung ist mit der Vorlage einer bloßen Fotokopie der Zustimmungserklärung nicht genügt. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes sind Rechtsmittelschriften und andere bestimmende Schriftsätze, von bestimmten Sonderfällen wie telegraphischer Einreichung abgesehen, vom Erklärenden eigenhändig zu unterschreiben (GmS-OGB BGHZ 75, 340, 349 = BVerwGE 58, 365 = SozR 1500 § 164 Nr. 14 S 24; BSG SozR 1500 § 151 Nr 3 S 6; BAG AP Nr 46 zu § 518 ZPO; BFHE 136, 38). Hierdurch soll im Interesse der Rechtssicherheit möglichst jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozeßerklärung von der dazu befugten Person tatsächlich abgegeben worden ist und der Erklärende für ihren Inhalt die Verantwortung übernimmt. Das mit dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verfolgte Anliegen, Klarkeit über die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung zu schaffen, besteht auch bei der Zustimmung des Prozeßgegners zur Einlegung der Sprungrevision. Mit der Zustimmungserklärung, die unwiderruflich ist, verzichtet der Gegner auf das Rechtsmittel der Berufung (§ 161 Abs 5 SGG) und auf die Möglichkeit, Verfahrensmängel zu rügen (§ 161 Abs 4 SGG). Die Erklärung ist deshalb in ihrer Bedeutung und Tragweite der Rechtsmittelschrift selbst oder einem sonstigen bestimmenden Schriftsatz vergleichbar.
Der Große Senat des BSG hat aus diesem Grunde bereits mit Beschluß vom 30. Juni 1960 (BSGE 12, 230, 234 = SozR Nr 14 zu § 161 SGG) entschieden, daß den Anforderungen des § 161 Abs 1 Satz 2 (jetzt Satz 3) SGG durch die Vorlage einer einfachen Abschrift des die Zustimmungserklärung enthaltenden Sitzungsprotokolls des SG nicht genügt wird, es insoweit vielmehr einer gerichtlich oder notariell beglaubigten Abschrift bedarf. Dagegen hat es der 3. Senat des BSG für den hier zu beurteilenden Fall, daß die Einwilligung in die Übergehung der Berufungsinstanz nach Zulassung der Revision außerhalb der mündlichen Verhandlung in einem gesondertem Schriftsatz erklärt wird, für ausreichend erachtet, wenn der Revisionskläger die schriftliche Erklärung des Rechtsmittelgegners, er willige in die Sprungrevision ein, dem BSG innerhalb der für die Einlegung der Revision bestimmten Frist in (unbeglaubigter) Fotokopie einreicht (Urteil vom 13. Februar 1964 – 3 RK 94/59 = BSGE 20, 154, 155 f = SozR Nr 17 zu § 161 SGG). Auch der 12. Senat hat sich – in einer für die damalige Entscheidung allerdings nicht tragenden Erwägung – in diesem Sinne geäußert (SozR 1500 § 161 Nr 5). Dem vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Die Auffassung des 3. Senats läßt sich, wenn sie auch gegenständlich einen anderen Sachverhalt betrifft, mit der zuvor erwähnten Aussage des Großen Senats sachlich nicht in Einklang bringen. Es ist kein Grund erkennbar, an eine isolierte Zustimmungserklärung geringere Formanforderungen zu stellen als an eine in der Sitzungsniederschrift protokollierte Einwilligung. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH) für die mit § 161 Abs 1 Satz 3 SGG inhaltsgleiche Vorschrift des § 566a Abs 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) eine der Revisionsschrift beigefügte Fotokopie der (unterschriebenen) Zustimmungserklärung nicht ausreichen lassen (BGHZ 92, 76 = NJW 1984, 2890). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung des § 76 Abs 1 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) angeschlossen (unveröffentlichtes Urteil vom 19. September 1985 – 2 AZR 533/84). Auch der erkennende Senat geht aus den vorgenannten Gründen davon aus, daß die Vorlage einer einfachen, nicht öffentlich beglaubigten Ablichtung der Zustimmungserklärung dem Schriftformerfordernis des § 161 Abs 1 SGG nicht genügt.
Dennoch muß für das vorliegende Verfahren die vom Kläger der Revisionsschrift beigefügte Fotokopie der Zustimmungserklärung des Beklagten aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes noch als formal ausreichend und damit die Revision als zulässig angesehen werden, so daß sich eine Anrufung des Großen Senats zur Klärung der mit der Rechtsprechung des 3. Senats bestehenden Divergenz erübrigt. Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten es, dem Rechtsuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen zu weisen (BVerfGE 49, 148, 164). Das bedeutet, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem jüngst ergangenen Beschluß vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90 = ZAR 1992, 178 = DVBl 1992, 1531 – erneut betont hat, daß bei Rechtsänderungen, welche die Zulässigkeit von Rechtsmitteln oder die Modalitäten ihrer Einlegung betreffen, das Vertrauen in den Fortbestand der Zulässigkeit eines nach bisher geltenden Regeln zulässig eingelegten Rechtsmittels grundsätzlich zu schützen ist. Ein gleichartiger Schutz muß auch dann gewährt werden, wenn der Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung erschwert wird. Auch in diesem Fall verlangt das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot des vorhersehbaren und fairen gerichtlichen Verfahrens, daß Rechtsmittel, die nach bisheriger Rechtsauslegung durch die jeweils zuständigen Gerichte formgerecht eingelegt wurden, nicht rückwirkend für unzulässig erklärt werden (ebenso Urteil des 9. Senats des BSG vom 18. März 1987 – 9b RU 8/86 – in BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18; zum Vertrauensschutz bei Änderungen der Rechtsprechung zum materiellen Recht: BVerfGE 59, 128, 165 f; BVerfG HFR 1989, 395, 396).
Nachdem die bislang mit der Rechtsfrage befaßten Senate des BSG bei der gegebenen Fallkonstellation übereinstimmend die Vorlage einer einfachen Fotokopie der Zustimmungserklärung als den Anforderungen des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG genügend angesehen haben (vgl auch zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt das Urteil des BSG vom 9. September 1986 – 5b RJ 84/85 –, insoweit in SozR 6050 Anh VI Nr 3 nicht mit abgedruckt), konnte der Kläger und konnten auch andere Rechtsuchende in gleicher Lage davon ausgehen, daß weitergehende Formerfordernisse nicht zu erfüllen waren. Das nötigt dazu, für eine Übergangszeit bis zur Veröffentlichung dieses Urteils in der von den Richtern des BSG herausgegebenen Entscheidungssammlung “Sozialrecht” (SozR) die unter Beifügung lediglich einer einfachen Abschrift der Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners eingelegten Sprungrevisionen noch als zulässig zu behandeln (vgl BSGE 70, 240, 242 = SozR 3-5533 Allg Nr 3 S 2). Eine Enttäuschung des durch die bisherige Rechtsprechung begründeten Vertrauens würde um so schwerer wiegen, als den Betroffenen damit wegen der Rechtswirkungen des § 161 Abs 5 SGG zugleich auch die Möglichkeit der Berufung genommen würde. Der Senat hat erwogen, dem Gebot der Rechtssicherheit durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Rechnung zu tragen. Hieran sieht er sich jedoch durch die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG gehindert, der in seinem Urteil vom 15. März 1978 – 1 RA 33/77; SozR 1500 § 67 Nr 11 – die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung gegen die verspätete Vorlage einer formgerechten Zustimmungserklärung verneint hat. Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, mag zweifelhaft sein; doch könnte von ihr wiederum nur nach Anrufung des Großen Senats des BSG abgewichen werden. Dessen bedarf es aber nicht, weil dem Kläger unabhängig von der Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung in jedem Fall Vertrauensschutz eingeräumt werden muß.
Die sonach zulässige Revision kann in der Sache keinen Erfolg haben.
Sie ist allerdings nicht schon deshalb unbegründet, weil der Zulassungsausschuß den Kläger durch Bescheid vom 24. Juni 1991 über den streitigen Endtermin (30. Juni 1991) hinaus weiter zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt hat. Hierdurch ist für die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage nicht das – als Zulässigkeitsvoraussetzung unverzichtbare und von Amts wegen zu prüfende, vgl BSG SozR 2200 § 1260c Nr 22 S 78 mwN – Rechtsschutzbedürfnis weggefallen. Die erneute Ermächtigung ist ebenfalls auf zwei Jahre (bis 30. Juni 1993) befristet. Diese Befristung und die ihr zugrundeliegende wiederholte Ermächtigung wären gegenstandslos, wenn die Anfechtungsklage des Klägers Erfolg hätte. Im Fall des Obsiegens des Klägers wäre nämlich die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung aufzuheben und damit der Kläger ohne zeitliche Begrenzung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ermächtigt; einer erneuten Ermächtigung für die Zeit ab 1. Juli 1991 bedürfte es nicht. Ist aber in diesem Sinn die Entscheidung über die erhobene Anfechtungsklage der Sache nach für die erneute Ermächtigung vorgreiflich, bedeutet das, daß ein rechtlich schützenswertes Interesse des Klägers an ihr auch noch im Zeitpunkt des Urteils der Revisionsinstanz besteht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 27. Februar 1992 – 6 RKa 15/91 = BSGE 70, 167 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2; 6 RKa 28/91 und 6 RKa 36/91 ≪nicht veröffentlicht≫; 6 RKa 45/91 = MedR 1992, 299 – und vom 28. Oktober 1992 – 6 RKa 12/91 und 6 RKa 39/91 ≪nicht veröffentlicht≫) hat der Kläger keinen Anspruch auf eine unbefristete Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung. Er kann ebenfalls nicht eine längere Befristung der Ermächtigung beanspruchen.
Der Senat hat in diesen Entscheidungen im einzelnen dargelegt, daß die Zulassungsinstanzen aufgrund der Ermächtigung des Art 65 Satz 2 GRG befugt gewesen sind, als Ermächtigungen fortgeltende Beteiligungen an der kassenärztlichen Versorgung nach altem Recht in Ermächtigungen umzuwandeln und sie der neuen Gesetzeslage anzupassen. Die Zulassungsgremien sind darüber hinaus gemäß § 116 Satz 2 SGB V, § 31a Abs 1 Satz 2, Abs 3 iVm § 31 Abs 7 Ärzte-ZV berechtigt und verpflichtet, die Ermächtigungen von Krankenhausärzten zeitlich zu begrenzen. Dies hat im Wege der Befristung (§ 32 Abs 2 Nr 1 SGB X) zu geschehen. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest.
Die Entscheidung des SG ist auch insoweit rechtmäßig, als es die von den Zulassungsgremien konkret getroffene zeitliche Begrenzung gebilligt hat. Wie der Senat in den genannten Urteilen ausgeführt hat, ist die Befristung im Gesetz durch unbestimmte Rechtsbegriffe – “solange” in § 116 SGB V und § 31a Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV einerseits, “zeitliche Bestimmung” in § 31 Abs 7 Ärzte-ZV andererseits – bezeichnet. Entsprechend der Rechtsprechung des Senats zum Widerruf von Beteiligungen alten Rechts, wonach der Verwaltung durch den unbestimmten Rechtsbegriff der “Notwendigkeit” ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, haben daher die Zulassungsgremien auch bei der Festsetzung des Endtermins der Ermächtigung einen Beurteilungsspielraum.
Dabei besteht die Besonderheit, daß die Entscheidung der Zulassungsgremien über die Dauer der Befristung der einem Krankenhausarzt zu erteilenden Ermächtigung auf der Grundlage einer vorausschauenden Beurteilung der zukünftigen Versorgungssituation zu treffen ist. Sie beruht mithin auf einer prognostischen Einschätzung zukünftiger tatsächlicher Entwicklungen. Das bedeutet, daß die Zulassungsgremien bei ihrer Einschätzung der zukünftigen Versorgungssituation diejenigen dafür erheblichen Tatsachen zu berücksichtigen haben, die bis zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits eingetreten sind oder deren zukünftiger Eintritt in diesem Zeitpunkt im Sinne einer Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist. Für die Rechtmäßigkeit der Prognoseentscheidung ist ohne Belang, ob die Prognose durch die nach Erlaß der letzten Verwaltungsentscheidung eingetretene bzw in diesem Zeitpunkt noch nicht voraussehbare Entwicklung der für die Versorgungssituation maßgebenden Tatsachen bestätigt oder aber widerlegt worden ist.
Von daher bestimmt und begrenzt sich auch der Umfang der gerichtlichen Überprüfung der von den Zulassungsgremien getroffenen Prognoseentscheidung. Ob die ihr zugrundeliegende Einschätzung der zukünftigen Versorgungssituation “richtig” ist oder an ihrer Stelle eine andere Einschätzung “zutreffender” wäre, ist der Beurteilung durch die Gerichte entzogen (vgl zur Überprüfung von Prognoseentscheidungen ua BSGE 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14; BSGE 63, 93, 97 f = SozR 2200 § 205 Nr 65; BSGE 65, 84, 86 = SozR 1200 § 30 Nr 17; BSGE 67, 228, 230 f = SozR 3-4100 § 36 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr 2; BVerwGE 56, 110, 121 f; 72, 282, 286; 80, 270, 275; 87, 332, 335).
Für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der Zulassungsgremien über die Befristung der Ermächtigung eines Krankenhausarztes können folgende Fallgruppen unterschieden werden: Sind im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung Tatsachen feststellbar, die eine Änderung der maßgebenden Versorgungssituation als in nächster Zukunft wahrscheinlich erscheinen lassen, wird dadurch der den Zulassungsgremien bei der Bemessung des zeitlichen Umfanges einer Ermächtigung zustehende Beurteilungsspielraum entsprechend bestimmt und begrenzt. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Niederlassung eines Arztes, der als Kassenarzt zukünftig dieselben Leistungen wie der um Ermächtigung nachsuchende Krankenhausarzt erbringen wird, konkret bevorsteht.
Im Gegensatz dazu sind Fälle denkbar, in denen – etwa weil die Ermächtigung an eine spezielle Qualifikation oder an besondere Erfahrungen des Krankenhausarztes anknüpft – eine künftige Änderung der Versorgungssituation nicht absehbar ist und allein von daher den Zulassungsgremien ein weitergehender Beurteilungsspielraum zusteht. Allerdings ist dann zu beachten, daß auch bei voraussichtlich längerem Bestand einer Versorgungslücke dem zeitlichen Umfang der Ermächtigung deshalb Grenzen gesetzt sind, weil während des Laufs der Frist die Ermächtigung nicht wegen Änderungen der Bedarfslage widerrufen werden darf (BSGE 70, 167, 174 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 16). Deshalb darf auch in diesen Fällen der Zeitraum der Befristung nicht so weit ausgedehnt werden, daß etwaigen unvorhersehbaren Veränderungen der Versorgungssituation über Jahre hinaus nicht Rechnung getragen werden kann.
Schließlich kommen Fälle in Betracht, in denen sich zwar einerseits konkrete Anhaltspunkte für eine zukünftige Änderung der Versorgungssituation nicht feststellen lassen, andererseits aber die Ermächtigung Bereiche betrifft, in denen sich erfahrungsgemäß die Versorgungslage – etwa durch Niederlassung weiterer Ärzte, Erweiterung des Leistungsspektrums der niedergelassenen Ärzte, Veränderungen des Patientenbestandes uam – fortlaufend ändert. In diesen Fällen hält es sich unter Berücksichtigung einmal des Vorranges der niedergelassenen Ärzte bei der kassenärztlichen Versorgung und zum anderen des Interesses des Krankenhausarztes, sich für einen bestimmten Zeitraum auf die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung einrichten zu können (vgl BSGE 70, 167, 175 f = SozR 3 aaO S 18), sowie unter Beachtung des aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) folgenden Gebotes der Gleichbehandlung im Rahmen des den Zulassungsgremien zustehenden Beurteilungsspielraums, wenn sie die Ermächtigungen auf einen Zeitraum von zwei Jahren, wie ihn früher für die regelmäßige Überprüfung von Beteiligungen § 29 Abs 5 Satz 3 ZO-Ärzte vorgesehen hat, befristen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Ob im Zeitpunkt der Entscheidungen der Zulassungsgremien konkrete Anhaltspunkte für eine Änderung der Versorgungssituation bereits vor Ablauf der Befristung am 30. Juni 1991 vorgelegen haben, bedarf nicht der Erörterung, weil eine kürzere als die vom Beklagten ausgesprochene Befristung nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Tatsachen, aus denen sich herleiten ließe, daß die Ermächtigung des Klägers für einen längeren Zeitraum als ca zwei Jahre hätte erteilt werden müssen und somit die Befristung auf zwei Jahre sich nicht mehr im Rahmen des den Zulassungsgremien zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten hat, sind vom SG nicht festgestellt worden; die Revision hat dagegen keine Verfahrensrügen erhoben. Die Festlegung des zeitlichen Umfangs der dem Kläger erteilten Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung auf die Zeit bis zum 30. Juni 1991 ist nach alledem nicht rechtswidrig.
Die Revision des Klägers ist somit gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen