Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 S 2 AFG. Aufhebung des Bewilligungsbescheides. Abfindung in Form von Darlehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Erstattungsanspruch des § 117 Abs 4 S 2 AFG ist nicht gegeben, wenn der Arbeitslose die Abfindung vor der Bewilligung des Arbeitslosengeldes erhalten hat; in einem solchen Fall setzt ein Erstattungsanspruch die Aufhebung des fehlerhaften Bewilligungsbescheids voraus (§§ 45, 50 SGB 10; Ergänzung zu BSG vom 14.9.1990 - 7 RAr 128/89 = BSGE 67, 221, 223 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3).
2. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis von der Hilfskasse des Arbeitgebers ein Darlehen in der Erwartung erhalten hat, der Arbeitgeber werde das Darlehen zurückzahlen.
(Vgl zu allem auch BSG vom 3.3.1993 - 11 RAr 49/92.)
Normenkette
SGB X §§ 45, 50, 115 Abs. 1; AFG § 117 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.05.1992; Aktenzeichen L 5 Ar 64/90) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 08.11.1989; Aktenzeichen S 16 Ar 364/89) |
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von 4.595,50 DM an Arbeitslosengeld (Alg).
Die am 7. Juli 1925 geborene Klägerin war vom 8. Dezember 1958 bis 31. Juli 1983 im Werk Stuttgart-Bad Cannstatt der Beigeladenen beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, dessen ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber ausgeschlossen war, wurde von der Klägerin am 10. März 1983 gekündigt. Zeitgleich mit der Kündigung, nämlich ebenfalls am 10. März 1983, schloß die Klägerin einen schriftlichen "Darlehensvertrag" mit der in Form eines eingetragenen Vereines konstituierten Hilfskasse der Beigeladenen. Danach sollte der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 21.593 DM am 31. Juli 1983, dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, ausgezahlt werden. Das Darlehen sollte mit 6 % verzinst und - einschließlich Zinsen - am 31. August 1985 zurückgezahlt werden. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte am 31. Juli 1983. Bei Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs übernahm die Beigeladene ohne besondere Vereinbarung die Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Hilfskasse.
Die Klägerin meldete sich zum 4. August 1983 beim Arbeitsamt (ArbA) Stuttgart arbeitslos und beantragte Alg; in der dazu vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 29. Juli 1983 hatte die Beigeladene das Darlehen nicht aufgeführt; die darin enthaltene Frage nach der Zahlung einer Abfindungsentschädigung oder ähnlichen Leistung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde durch Ankreuzen der Rubrik "ist nicht zu zahlen" verneint. Alg erhielt die Klägerin für die Zeit vom 4. August 1983 bis zum 1. August 1984 (Bewilligungsbescheid vom 6. September 1983, Änderungsbescheide vom 2. Januar und 3. Juli 1984). Anschließend bezog die Klägerin bis 31. Juli 1985 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Ab 1. August 1985 erhält sie Altersruhegeld.
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt brachte das ArbA in Schweinfurt, wo die Beigeladene ihren Sitz hat, in Erfahrung, daß diese sich in den Jahren 1982 bis 1984 von ca 500 älteren, zumeist langjährigen Mitarbeitern in gleicher Weise wie von der Klägerin - Zahlung eines Darlehens durch die Hilfskasse bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Übernahme der Rückzahlungsverpflichtung bei Fälligkeit des Darlehens durch die Beigeladene - getrennt hatte. Da strittig blieb, ob es sich bei diesen Zuwendungen um Leistungen iS des § 117 Abs 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) handelte, trafen die Beigeladene und das ArbA Schweinfurt eine Vereinbarung vom 17./25. März 1987, durch die sich die Beigeladene ua verpflichtete, dem ArbA innerhalb einer Woche eine Liste auszuhändigen, in der die an die einzelnen Arbeitnehmer gezahlten Beträge aufgeführt sein sollten, die Arbeitsämter die Erstattungsansprüche errechnen sollten und die Beigeladene anschließend entscheiden wollte, ob sie die Ansprüche mit befreiender Wirkung für ihre ehemaligen Mitarbeiter erfüllt oder ob strittige Fragen gerichtlich geklärt werden sollten (Nrn 1 - 3 der Vereinbarung). Vereinbart wurde ferner für den Fall, daß strittige Fragen gerichtlich geklärt werden müßten, daß jeweils drei vom ArbA und von der Beigeladenen ausgesuchte Musterfälle herangezogen werden sollten, deren rechtskräftige Entscheidung vom Ergebnis her maßgebend für die Behandlung der restlichen Fälle sein sollte; in den Musterfällen sagte die Beigeladene zu, dafür zu sorgen, daß sie von den ehemaligen Mitarbeitern ordnungsgemäß bevollmächtigt werde. Für den Fall des Unterliegens in den Musterprozessen erklärte sie sich bereit, die Erstattungsforderungen der Beklagten anzuerkennen und - nach rechnerischer Gutheißung - für die ehemaligen Mitarbeiter Zahlung zu leisten (Nrn 4 - 6). Zudem verzichtete die Beigeladene darauf, Einwendungen und Einreden - insbesondere Verjährung - geltend zu machen, die nach Abschluß der Vereinbarung entstehen könnten; aus der - ausdrücklich vereinbarten - Nicht-Weiterbehandlung, insbesondere einer Nichtbescheidung, der nicht rechtshängigen Fälle dürften dem ArbA keine nachteiligen Folgen erwachsen (Nr 7).
Im April 1987 übersandte das ArbA Schweinfurt dem ArbA Stuttgart eine Liste der ehemaligen Arbeitnehmer der Beigeladenen, deren Wohnsitz sich in dessen Bezirk befand, und bat um Feststellung des jeweiligen Ruhenszeitraums, der gezahlten Leistungen sowie um Rückmeldung. Im Falle der Klägerin ermittelte das ArbA Stuttgart einen Ruhenszeitraum bis zum 29. November 1983 und gezahltes Alg im Ruhenszeitraum von 4.595,50 DM; es seien für 101 Tage Alg in Höhe von 45,50 DM gezahlt worden. Der Fall der Klägerin zählte zu den später ins Auge gefaßten Musterfällen. Davon setzte das ArbA Schweinfurt das ArbA Stuttgart im Dezember 1987 in Kenntnis. Im August 1988 übersandte es neben dem Abdruck eines Bescheidmusters die auf die Beigeladene ausgestellte Vollmacht der Klägerin.
Mit dem angefochten Bescheid vom 26. August 1988 forderte das ArbA Stuttgart von der Klägerin die Erstattung von 4.595,50 DM: Sie habe wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses von ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Darlehen in Höhe von 21.593 DM erhalten, das bei der Bewilligung von Alg unberücksichtigt geblieben und erst nachträglich festgestellt worden sei. Diese Zuwendung führe nach § 117 Abs 2 AFG zum Ruhen des Anspruchs auf Alg bis zum 29. November 1983. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie Alg in Höhe von 4.595,50 DM erhalten. Da der Arbeitgeber das Darlehen bereits mit befreiender Wirkung an sie ausgezahlt habe, habe die Klägerin das im Ruhenszeitraum gewährte Alg gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG zu erstatten. Der von der Beigeladenen in Vertretung der Klägerin eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 1989).
Auf die "namens und im Auftrag" der Klägerin von der Beigeladenen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Es hat angenommen, ein etwaiger Anspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG sei entsprechend § 50 Abs 4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) verjährt (Urteil vom 8. November 1989). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 27. Mai 1992).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe keinen Erstattungsanspruch. Zwar habe es sich bei dem gewährten Darlehen um eine Leistung iS des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG gehandelt. Die Kennzeichnung als Darlehen habe lediglich dazu gedient, den wahren Charakter der Zuwendung zu verbergen, um damit zumindest das vorübergehende Ruhen des Alg-Anspruchs zu vermeiden. Zwischen dem "Darlehen" und dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnis bestehe ein innerer Zusammenhang, wie sich aus dem Zeitpunkt der "Darlehensvereinbarung", dem Tage der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin und dem Zeitpunkt der Auszahlung des "Darlehens" ergebe. Zudem zeige die Praxis der Beigeladenen in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, daß sie, wenngleich unter Einschaltung ihrer rechtlich selbständigen, jedoch wirtschaftlich von ihr abhängigen und in der Willensbildung letztlich von ihr majorisierbaren Hilfskasse, mit der Vergabe der "Darlehen" die Bereitschaft der betroffenen Arbeitnehmer zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefördert habe. Es liege außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, daß Arbeitnehmer in dieser Häufigkeit ihren Arbeitsplatz trotz Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses von sich aus aufgeben, ohne daß ihnen dazu ein Anreiz gegeben werde. Daß bei der Vergabe des "Darlehens" zumindest die nicht nur stillschweigende, sondern offen zur Sprache gebrachte Erwartung geherrscht habe, das "Darlehen" werde durch die Beigeladene getilgt, habe diese selbst vorgetragen. Auch die konkreten Darlehensbedingungen, ua die Rückzahlbarkeit in einem Betrag nach dem Ende der etwa zweijährigen Laufzeit, rechtfertigten die Feststellung, daß die Übernahme der Rückzahlungsverpflichtung durch die Beigeladene nicht nur vages Motiv, sondern in Wirklichkeit die eigentliche Grundlage der Vereinbarung gewesen sei. Es sei kein plausibler Grund vorhanden, weshalb ein Arbeitnehmer sonst sich auf ein solches Geschäft einlassen sollte. Der Vortrag der Klägerin, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unabhängig von der Darlehensgewährung erfolgt und ihr seien über den Darlehensvertrag hinaus keine Zusagen gemacht worden, sei unglaubwürdig. So wie im "Darlehensvertrag" vereinbart, hätte die Klägerin aus dem "Darlehen" selbst unter günstigsten Bedingungen keinen Nutzen erwirtschaften können, der die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes eingetretenen wirtschaftlichen Nachteile auch nur annähernd ausgeglichen hätte. Unabhängig davon, ob, wofür vieles spreche, die Rechtsfolgen des § 117 AFG gezielt ausgeschlossen werden sollten, habe es sich bei dem "Darlehen" von vornherein um eine Leistung iS des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG gehandelt. Es fehle jedoch an dem für einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG erforderlichen Rechtsübergang nach § 115 SGB X. Wäre der Sachverhalt bereits zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung erkannt worden, hätte dies das Ruhen des Alg-Anspruchs zur Folge haben müssen. Denn nur bei der Arbeitslosmeldung noch bestehende Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber begründeten einen Anspruch auf Gleichwohlgewährung und bewirkten den Anspruchsübergang nach § 115 SGB X auf die Beklagte. Falls der Arbeitgeber die Leistungen trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder einen Dritten zahle, folge daraus die Erstattungspflicht des Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG. Diese Vorschrift bilde zwar einen eigenständigen Erstattungsanspruch, sei aber auf die in § 117 Abs 4 Satz 1 AFG geregelten Sachverhalte beschränkt. Der vorliegende Fall sei jedoch dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte Alg bewilligt habe, obwohl aufgrund der bereits an die Klägerin ausgekehrten Zuwendung der Beigeladenen der Alg-Anspruch bereits nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG geruht habe. Insoweit unterscheide sich diese Fallkonstellation ganz wesentlich von der des § 117 Abs 4 AFG; in Fällen dieser Art bedürfte es der Aufhebung der Alg-Bewilligung nach § 45 SGB X. Überlegungen dazu, ob der angefochtene Bescheid in einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid umgedeutet werden könnte, erübrigten sich schon deswegen, weil - ungeachtet der sonstigen Rücknahmevoraussetzungen - zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides jedenfalls die Handlungsfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X abgelaufen gewesen sei. Aufgrund dieser Handlungsfrist hätte die Beklagte den Bewilligungsbescheid innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen müssen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Kenntnis habe das hier zuständige ArbA Stuttgart spätestens im April 1987 erlangt. Mit dem erst im August 1988 ergangenen Bescheid sei daher die einjährige Handlungsfrist nicht gewahrt worden. Da es sich bei dieser Frist um eine von Amts wegen zu beachtende, nicht verlängerbare Ausschlußfrist handele, sei unerheblich, ob die Beklagte möglicherweise die Frist ohne Verschulden versäumt habe oder ob die Beteiligten auf ihre Einhaltung vertraglich verzichtet hätten; ein solcher Verzicht wäre unwirksam gewesen. Außerdem fehle es auch an der Ausübung des nach § 45 SGB X generell erforderlichen Rücknahmeermessens. Selbst wenn man in Fällen vorliegender Art zur Verhinderung von Umgehungen § 117 Abs 4 Satz 2 AFG für entsprechend anwendbar halte, habe die Beklagte den Anspruch zu spät geltend gemacht. Zwar sei der Anspruch nicht nach § 50 SGB X verjährt. Zur Bestimmung von Fristen, innerhalb derer die Beklagte die Forderung nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG geltend machen könne, sei jedoch die Regelung des § 45 Abs 3 und 4 Satz 2 SGB X heranzuziehen mit der Folge, daß der Beklagten je nach Fallgestaltung zwei oder zehn Jahre nach Erlaß des bewilligenden Verwaltungsaktes zur Geltendmachung der Erstattungsforderung verblieben, ihr in jedem Fall aber nur ein Jahr dazu zur Verfügung stehe, sobald sie Kenntnis von den Tatsachen erhalte, welche die Erstattungsforderung begründen; der Erstattungsanspruch selbst verjähre dann entsprechend § 50 Abs 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden sei. Dies bedeute hier, daß sich die Beklagte auch insoweit zumindest eine Verletzung der einjährigen Handlungsfrist vorhalten lassen müßte.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 117 AFG und des § 45 SGB X. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG sei § 117 Abs 2 bis 4 AFG unter dem Gesichtspunkt der Umgehung und des Sinngehalts der Regelung entsprechend anzuwenden. Dies würde zwar bedeuten, daß zu unterstellen wäre, daß der Anspruch auf die Zuwendung am Ende des Arbeitsverhältnisses fällig gewesen sei, spätestens mit der gleichwohl erfolgten Gewährung von Alg an die Klägerin aber dieser Anspruch auf die Zuwendung in Höhe des gezahlten Alg auf die Beklagte übergegangen sei. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Schwierigkeit des Nachweises eines Umgehungsgeschäftes habe sie diesen übergegangenen Anspruch aber erst mit wirklicher Bewirkung der Zuwendung im August 1985 gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen können. Vor diesem Zeitpunkt läge zwar eine Auszahlung vor, die aber dem "tatsächlich nicht Erhalten" iS des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG entspreche, weil eine Rückzahlungspflicht aus dem "Darlehensvertrag" eventuell doch festgestellt werden könnte. Da der Arbeitgeber an die Klägerin mit befreiender Wirkung geleistet habe, schulde diese der Beklagten Ersatz in Höhe des gleichwohl bezogenen Alg. Sie genehmige insofern nochmals ausdrücklich die Leistung an die Klägerin. Selbst wenn nur die tatsächliche "Darlehensübernahme" als Zeitpunkt der Zuwendung der Abfindung gewertet würde, wäre ein Anspruch nach § 117 Abs 2 AFG nicht ausgeschlossen, da auch die nachträgliche Zahlung einer Abfindung einen Ersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer auslöse, wenn - wie das hier der Fall sei - der Arbeitgeber mit befreiender Wirkung gezahlt habe. Ein derartiger Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt. In Ermangelung eines eigens für § 117 Abs 4 Satz 2 AFG geschaffenen Verjährungstatbestandes sei die vierjährige Verjährungsfrist des § 50 Abs 4 SGB X entsprechend heranziehbar. Richtiger Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn sei indes die positive Kenntnis von den Tatsachen, die der Umgehung der Regelung des § 117 AFG dienen sollten. Dies sei im Jahre 1987 der Fall gewesen. Hilfsweise berufe sie sich für den Fall des Eintritts einer Verjährung auf Verwirkung und den Grundsatz von Treu und Glauben, da die Klägerin im Zusammenwirken mit der Beigeladenen die Aufklärung des Sachverhalts erschwert habe und deshalb erst verspätet in Anspruch genommen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts und das Urteil des Sozialgerichts
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das von der Hilfskasse gewährte und ausgezahlte Darlehen sei entgegen der Auffassung des LSG keine Abfindung. Es fehle am ursächlichen Zusammenhang zwischen der Leistung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil das Darlehen nicht von der Beigeladenen, sondern von der eigenständigen Hilfskasse gewährt worden sei. Das Darlehen habe ihre Bereitschaft zum Ausscheiden nicht fördern können. Daß das Darlehen nicht der Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei, ergebe sich auch daraus, daß die Rückzahlungsverpflichtung erst zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Beigeladenen übernommen worden sei. Folge man dagegen der Auffassung des LSG, scheitere das Erstattungsbegehren aus den im übrigen vom LSG angegebenen Gründen. Eine entsprechende Anwendung des § 117 Abs 2 bis 4 AFG entfalle. Sie werde in der Literatur zwar angenommen, wenn die Fälligkeit einer Abfindung hinausgeschoben werde. Das sei hier indes nicht geschehen; vielmehr habe die Beigeladene ihre Verpflichtung zur Schuldübernahme erst zu einem späteren Zeitpunkt begründet. Eine entsprechende Anwendung sei nicht gerechtfertigt, da bei Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eine Verpflichtung der Beigeladenen noch nicht erfolgt gewesen sei und ausschließlich von deren Willen abhängig gewesen sei. In jedem Falle sei ein Erstattungsanspruch gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nach § 50 Abs 4 SGB X verjährt. Dieser Verjährung stehe ein etwaiger Verzicht der Beigeladenen auf die Einrede der Verjährung nicht entgegen. Der Verzicht der Beigeladenen könne sich auf sie nicht erstrecken. Schließlich sei der Anspruch der Beklagten verwirkt. Zumindest durch Presseberichte habe die Beklagte bereits 1983 von dem nun zu beurteilenden Sachverhalt Kenntnis erhalten. Sie, die Klägerin, habe aufgrund der damaligen Verwaltungspraxis und der Duldung entsprechender Modelle der Überbrückungshilfe nicht damit rechnen müssen, daß die Beklagte ihre Handhabung plötzlich ändern werde.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Aufhebung des angefochtenen Bescheids durch das SG gebilligt.
Mit dem Bescheid des ArbA Stuttgart vom 26. August 1988, gegen den sich - in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 1989 - die Anfechtungsklage der Klägerin richtet, hat das ArbA von der Klägerin die Erstattung des für die Zeit vom 4. August bis 29. November 1983 gezahlten Alg in Höhe von 4.595,50 DM verlangt. Ein Erstattungsanspruch steht der Beklagten indes nicht zu. Ein solcher Anspruch kann weder auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG noch derzeit auf § 50 SGB X gestützt werden.
Nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG hat der Empfänger des Alg dieses insoweit zu erstatten, als der Arbeitgeber die in den Absätze 1 bis 2 genannten Leistungen trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder einen Dritten gezahlt hat.
Die Absätze 1 bis 2 des § 117 AFG regeln, daß der Anspruch auf Alg für eine bestimmte Zeit ruht, für die der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder, sofern das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden ist, eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat. Soweit der Arbeitslose diese Leistungen tatsächlich nicht erhält, wird das Alg auch in der Zeit gewährt, in der der Anspruch an sich ruht (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG). In Höhe des gewährten Alg geht dafür der Anspruch des Arbeitslosen auf Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder eine Abfindung usw auf die Bundesanstalt für Arbeit (BA) über (§ 115 Abs 1 SGB X, § 117 Abs 4 Satz 1 AFG). Verlangt die BA vom Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG Erstattung des Alg insoweit, als der Arbeitgeber Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder eine Abfindung usw trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder einen Dritten gezahlt hat, wird in Wirklichkeit das Arbeitsentgelt usw in Höhe des Alg herausverlangt, das der BA aufgrund des gesetzlichen Übergangs des Anspruchs des Arbeitslosen gegen den Arbeitgeber infolge der Alg-Zahlung zugestanden hat (vgl BSGE 60, 168, 172 = SozR 4100 § 117 Nr 16; BSGE 67, 221, 225 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 3; SozR 3-4100 § 117 Nr 6). Der öffentlich-rechtliche Anspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG konkurriert in solchen Fällen mit Ansprüchen der BA nach den §§ 812 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); denn neben dem Anspruch aus § 117 Abs 4 Satz 2 AFG stehen der BA alle bürgerlich-rechtlichen Ansprüche zu, die ihr infolge des Rechtsübergangs und dessen eventueller Nichtbeachtung erwachsen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 1; BSGE 67, 221, 226 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 3).
Aus dem dargestellten engen Zusammenhang der beiden Sätze des § 117 Abs 4 AFG ergibt sich, daß der Anspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nur gegeben ist, wenn die Beklagte nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG Alg zu gewähren hatte, nicht dagegen, wenn Alg zunächst zu verweigern war, weil der Arbeitslose eine zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führende Leistung iS des § 117 Abs 1 bis 2 AFG erhalten hatte. Nur insoweit der Arbeitslose bis zur Erbringung des Alg das Arbeitsentgelt, die Urlaubsabgeltung bzw die Abfindung usw nicht erhalten hat, kann der Rechtsübergang nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG, § 115 SGB X eintreten, den der Erstattungsanspruch des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nach Wortlaut ("trotz des Rechtsübergangs") und systematischem Zusammenhang voraussetzt (vgl BSGE 67, 221, 225 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 3). Denn entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Revision geht der Anspruch des Arbeitslosen gegen den Arbeitgeber nicht schon auf die BA über, sobald der Arbeitslose die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg nach § 100 Abs 1 AFG erfüllt hat. Die Revision übersieht, daß - anders als der Übergang von Schadensersatzansprüchen nach § 116 SGB X - der Übergang nach § 115 Abs 1 SGB X die Erbringung von Sozialleistungen voraussetzt, der Anspruchsübergang sich also erst mit der Zahlung des Alg vollzieht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6). Insoweit gilt nichts anderes als nach der bis zur Einführung des § 115 SGB X geltenden Vorschrift des damaligen § 117 Abs 4 Satz 2 AFG, nach der der Anspruch des Arbeitslosen auf die geschuldeten Leistungen nach § 117 Abs 1 und 2 AFG "in Höhe des nach § 117 Abs 4 Satz 1 gewährten Alg" auf die BA überging (vgl Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 117 - alt - RdNr 20).
Diese Rechtsansicht führt allerdings zu einer differenzierenden Behandlung von Fällen je nachdem, ob die zum Ruhen führenden Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Bewilligung von Alg bereits bewirkt waren oder nicht. Diese Unterscheidung ist bei der erörterten Gesetzeslage unvermeidlich. Sie entspricht auch der Interessenlage, denn es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Fehlbewilligung bei einer Verletzung der Ruhensbestimmungen des § 117 AFG nicht nach den §§ 45 ff SGB X abgewickelt werden sollte. Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung, wonach in Fällen der Gleichwohlgewährung die Erstattung des gezahlten Alg die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht voraussetzt (BSGE 60, 168, 172 = SozR 4100 § 117 Nr 16; BSGE SozR 4100 § 117 Nrn 18, 19, 20, 22; BSGE 67, 221, 223 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3). Diese Rechtsprechung betrifft ausschließlich Fälle der (rechtmäßigen) Gewährung unter den Voraussetzungen des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG. Für diese Fallgestaltung hat das BSG ausgesprochen, daß die nach Bewilligung von Alg vorgenommene Zahlung von Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht auf die Bewilligung von Alg zurückwirke. Bei einer nicht rechtmäßigen Bewilligung ist die Aufhebung des rechtswidrigen Bewilligungsbescheides jedoch unerläßlich, weil diese den (formellen) Rechtsgrund für das Erhalten und Behaltendürfen der bewilligten Leistung bildet (BSGE 47, 241, 246 = SozR 4100 § 134 Nr 11; BSGE 61, 286 f = SozR 4100 § 134 Nr 31). Die Bindungswirkung (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) des Bewilligungsbescheids schließt bis zu seiner Aufhebung jede für die Klägerin nachteilige abweichende Verfügung über den zuerkannten Anspruch ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage aus (BSG SozR 4100 § 117 Nr 21).
Hiernach ist ein Anspruch der Beklagten nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG zu verneinen; denn infolge der Zahlung der 21.593 DM, die die Klägerin am 31. Juli 1983 vor der erst im September 1983 erfolgten Alg-Bewilligung erhalten hat, ruhte der Anspruch auf Alg für die in § 117 Abs 2 und 3 vorgesehene Zeit, wie das LSG zutreffend erkannt hat, dh, sind die Berechnungen des ArbA zutreffend, bis zum 29. November 1983.
Nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an für eine bestimmte Zeit, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Maßgebend ist allein die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers, nicht eine etwa kürzere des Arbeitnehmers. Das gilt uneingeschränkt, also unabhängig davon, wie das Arbeitsverhältnis beendet worden ist und von welcher Seite die Initiative hierfür ergriffen wurde (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6). Nach den nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die Klägerin aufgrund ihres Lebensalters und der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit nicht mehr einer ordentlichen Kündigung ausgesetzt. In einem solchen Fall ist nach § 117 Abs 2 Satz 3 AFG eine "Kündigungsfrist" von 18 Monaten zugrunde zu legen. Da die Frist mit der Kündigung beginnt (§ 117 Abs 2 Satz 2 AFG), die am 10. März 1983 ausgesprochen wurde, und das Arbeitsverhältnis nicht erst im Herbst 1984, sondern schon am 31. Juli 1983 endete, ist es ohne Einhaltung der maßgeblichen Frist beendet worden.
Die 21.593 DM, die die Klägerin erhalten hat, sind eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung gewesen, die die Klägerin wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen erhalten hat. Wegen der Beendigung wird eine Leistung gewährt, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ist hier nach den ebenfalls nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG zu bejahen. Die Klägerin hätte die 21.593 DM weder erhalten noch behalten dürfen, wenn sie nicht gekündigt und zum 31. Juli 1983 ausgeschieden wäre, wie sich aus der Gleichzeitigkeit ihrer - im damaligen Interesse der Beigeladenen liegenden - Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dem Abschluß des sogenannten Darlehensvertrages sowie dem Zeitpunkt der Auszahlung der 21.593 DM am letzten Tage des Arbeitsverhältnisses ergibt. Die bei der Vergabe des "Darlehens" nach dem Vortrag der von der Beigeladenen vertretenen Klägerin offen zur Sprache gebrachte Erwartung aller Beteiligten, das "Darlehen" werde bei Fälligkeit von der Beigeladenen getilgt, sei von der Klägerin also nicht zurückzuzahlen, was dann ja erwartungsgemäß auch nicht zu geschehen brauchte, unterstreicht, daß die Beigeladene, die nach den Feststellungen des LSG von vornherein wirtschaftlich die Zuwendung getragen hat, der Klägerin die 21.593 DM zugewendet hat, weil sie ausgeschieden ist.
Daß die Klägerin das Geld zunächst als "Darlehen" ausgezahlt erhalten hat, das dann 25 Monate nach dem Ausscheiden von der Beigeladenen dem "Darlehensgeber" zurückgezahlt worden ist, steht der Qualifizierung als eine zum Ruhen des Alg führenden Leistung nicht entgegen. Das bedarf eigentlich keiner weiteren Begründung, wenn, wie nach den vom LSG geschilderten Umständen naheliegt, die Kennzeichnung der Leistung als Darlehen der Hilfskasse im Einverständnis aller Beteiligten lediglich erfolgt ist, um den wahren Charakter der Zuwendung zu verbergen, dh gemeinsam das ArbA (und in Fällen höherer Zuwendungen ggf auch das Finanzamt) zu täuschen. Die Hilfskasse hätte einen Anspruch auf Rückzahlung des "Darlehens" gegen die Klägerin von vornherein nicht erworben, wenn die entsprechenden Willenserklärungen mit Einverständnis der anderen Seite nur zum Schein abgegeben worden und deshalb nichtig sind (§ 117 Abs 1 BGB). Das hätte zur Folge gehabt, daß kein Darlehen zustande gekommen ist, sondern von vornherein Abfindung gewährt wurde. Wird nämlich durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 117 Abs 2 BGB), hier also die für die Vereinbarung einer Abfindung. Es ist unerheblich, daß die Klägerin das Geld unmittelbar nicht von der Beigeladenen, sondern von der Hilfskasse erhalten hat; abgesehen davon, daß die hier eingesetzten Mittel der Hilfskasse nach den Feststellungen des LSG allein von der Beigeladenen stammen, kommt es für § 117 Abs 2 AFG nicht darauf an, von wem der Arbeitslose die Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung bekommen oder zu beanspruchen hat; maßgebend ist allein der hier gegebene Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und, daß das Ausscheiden "vorzeitig" war (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 5).
Ob die Klägerin, weil ein Darlehen von den Beteiligten ernstlich nicht gemeint, von vornherein eine Abfindung erhalten hat, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch wenn die Klägerin nur in der Erwartung, die Beigeladene werde die Rückzahlung übernehmen, die diese im Interesse der von ihr erstrebten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nähren mußte, einen rechtswirksamen Darlehensvertrag mit der Hilfskasse abgeschlossen hätte, greift § 117 Abs 2 AFG ein. Bei dieser Fallgestaltung hätte die Klägerin mit der Darlehnsauszahlung zwar nur einen Vorschuß auf eine Abfindung erhalten, die ihr endgültig erst mit der Befreiung von der Darlehnsschuld zugewendet worden wäre, was erst 1985, also lange nach Ablauf der in Betracht kommenden Ruhenszeit, geschehen sein soll. Die Klägerin und mit ihr die Beigeladene, auf die die Darlehnslösung zurückzuführen ist, sind offenbar der Meinung, Leistungen, die dem Arbeitnehmer längere Zeit nach dem Ausscheiden zugewendet werden, könnten von den Regelungen des § 117 Abs 2 bis 4 AFG nicht erfaßt werden. Das ist indes unrichtig.
Die Formulierung "Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen" in § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ist umfassend zu verstehen; sie soll sicherstellen, daß alle im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis gewährten Zuwendungen erfaßt werden (BSG SozR 4100 § 118 Nr 13). Das folgt aus dem Zweck des § 117 AFG. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedarf, so lange er keinen Lohnausfall hat. Daher ruht der Anspruch auf Alg für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat (Abs 1). Ebenso bedarf der Arbeitslose keines Alg, soweit ihm bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung für Lohnausfall gewährt wird. Eine solche Entschädigung in einem bestimmten, durch Abs 2 und 3 pauschalierten Umfang wird unwiderleglich vermutet, wenn das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vorzeitig beendet wird; in diesem Falle wird Alg für eine bestimmte Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verwehrt, die kalendermäßig abläuft (vgl BSGE 46, 20, 29 = SozR 4100 § 117 Nr 2; BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; SozR 4100 § 117 Nr 5; BSGE 61, 5 = SozR 4100 § 117 Nr 17). Die Ergänzung des Abs 1 durch die Absätze 2 und 3 war schon erforderlich, um Manipulationen zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung zu erschweren; andernfalls könnten die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis zu einem frühen Termin beenden und anstelle des - zum Ruhen des Alg führenden Arbeitsentgelts bis zu einem späten Termin - eine erhöhte als Abfindung ausgewiesene Arbeitgeberleistung vereinbaren (BSGE 46, 20, 29 = SozR 4100 § 117 Nr 2). Angesichts dieser Zwecke der Absätze 2 und 3 AFG spielt nicht nur keine Rolle, wie die Zuwendung bezeichnet wird, wegen welcher Rechtsgrundlagen sie gewährt wird und ob sie in Raten oder in einer Summe gezahlt wird (BSG SozR 4100 § 118 Nr 13). Unerheblich ist auch, nicht zuletzt zur Erschwerung von Manipulationen zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung, wann der Anspruch auf die Zuwendung entsteht und wann sie fällig ist, sofern nur zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ist der Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden und ist der ursächliche Zusammenhang der Leistungsgewährung mit dem Ausscheiden gegeben, wertet § 117 Abs 2 bis 4 AFG einen Teil der Leistung als "Arbeitsentgelt" für die Zeit nach dem Ausscheiden, wann immer der Anspruch auf die Zuwendung entsteht und fällig wird. Entsprechend hat die Rechtsprechung des BSG Abfindungen, die in Kündigungsschutzprozessen vergleichsweise vereinbart worden sind, ungeachtet des Umstandes als § 117 Abs 2 bis 4 AFG unterfallend bewertet, daß der Abfindungsanspruch erst längere Zeit nach dem Ausscheiden vereinbart oder fällig geworden ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 2, 6 und 7).
Daß der Anspruch auf die Zuwendung endgültig oder überhaupt erst Ende August 1985 begründet worden ist, wie die Klägerin geltend macht, steht dem Ruhen des Alg nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn die Klägerin hat die Abfindung tatsächlich schon am 31. Juli 1983 erhalten, wenn auch unter dem Vorbehalt der Rückgewähr, folgt man der Behauptung der Klägerin, daß sie aufgrund des Darlehensvertrages bis 1985 zur Rückzahlung verpflichtet gewesen sei. Schon die 1983 erfolgte Zahlung führt zum Ruhen des Anspruchs auf Alg, weil diese mit Rücksicht auf die in Aussicht gestellte Übernahme der Darlehensverbindlichkeit durch die Beigeladene die Klägerin in die Lage versetzte, von den ihr zugewendeten Mitteln vorerst zu leben. Nach dem Wortlaut des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG begründet schon der Umstand, daß der Arbeitslose die Abfindung erhält, das Ruhen; eines Rechtsanspruchs bedarf es nicht. Es genügt deshalb auch eine vorläufige Leistung, zB die Zahlung aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils oder, wie möglicherweise hier, aufgrund eines Darlehns des Arbeitgebers oder einer Hilfskasse, das in der Erwartung der Übernahme der Rückzahlungspflicht durch den Arbeitgeber aufgenommen wird. Dies hat zur Folge, daß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG nicht anzuwenden ist. Das entspricht dem gesetzgeberischen Ziel. Diese Vorschrift ist, worauf das BSG wiederholt hingewiesen hat, eine Ausnahme von § 117 Abs 1 bis 2 AFG. Sie verlegt zugunsten des Arbeitslosen, dessen Ansprüche vom Arbeitgeber nicht erfüllt werden, den Zeitpunkt, von dem an der Anspruch auf Alg zu erfüllen ist, vor. Der Arbeitslose wird hierdurch von den Nachteilen der gleichzeitigen Vorenthaltung von Alg und Ansprüchen auf Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung, Abfindungen, Entschädigungen und ähnlichen mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Leistungen für dieselbe Zeit geschützt. Dieser Schutzgedanke entfällt, wenn der Arbeitslose Vorschüsse auf evtl später entstehende Abfindungen erhalten hat. Wäre dann auch noch Alg zu zahlen, käme es zu der Doppelzahlung von Alg und Arbeitsentgelt, die § 117 AFG gerade verhindern will. Daß die Zahlung auf der Darlehensvereinbarung beruhte und die Klägerin das Darlehen zurückzahlen mußte, falls es zu der in Aussicht genommenen Rückzahlung durch die Beigeladene nicht kommen werde, ändert nichts an dem zunächst eingetretenen Ruhen. Allerdings würde das Ruhen nachträglich entfallen und damit eine wesentliche Änderung eintreten, der die BA nach § 48 SGB X Rechnung zu tragen hätte, hätte die Klägerin das Darlehen entgegen ihren Erwartungen zurückzahlen müssen.
Ruhte der Anspruch der Klägerin hiernach wegen der am 31. Juli 1983 erhaltenen 21.593 DM, ist nach den oa Ausführungen für eine sogenannte Gleichwohlgewährung und damit auch für einen Erstattungsanspruch aus § 117 Abs 4 Satz 2 AFG kein Raum.
Auf § 50 SGB X kann der Erstattungsanspruch der Beklagten ebenfalls nicht gestützt werden. Die Alg-Bewilligung hat das ArbA nicht aufgehoben. Dies folgt allerdings nicht zwingend aus der Bezugnahme auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG in dem angefochtenen Bescheid, der ausschließlich die Erstattung von Leistungen bei rechtmäßiger Gleichwohlgewährung betrifft. Entscheidend für die Bestimmung des Inhalts von Bescheiden ist die Regelung, die diesen aus der Sicht des Empfängers zu entnehmen ist (BSG SozR 4100 § 117 Nr 21; BSGE 67, 221, 224 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3). Danach war der Regelungswille ausschließlich auf die Erstattung gerichtet. Ein Hinweis darauf, daß das ArbA auch die Alg-Bewilligung hat aufheben wollen, läßt sich dem Bescheid in der nach § 95 SGG maßgebenden Fassung des Widerspruchsbescheides nicht entnehmen. Das Gegenteil ist der Fall; denn dem Einwand des Beigeladenen als Bevollmächtigten der Klägerin, die Alg-Bewilligung sei nicht aufgehoben worden, was nach den §§ 44 ff SGB X auch nicht bzw nicht mehr möglich sei, ist das ArbA im Widerspruchsbescheid mit dem Hinweis begegnet, daß der Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 AFG nicht die Aufhebung der Bewilligung voraussetze. Im übrigen ist in einem allein auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG gestützten Erstattungsbescheid eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht stillschweigend enthalten. Eine Aufhebung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nur nicht Voraussetzung dieser Erstattungsforderung (vgl für viele BSGE 60, 168, 172 = SozR 4100 § 117 Nr 16), sondern steht einem solchen Anspruch sogar entgegen (BSGE 67, 221, 225 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3), so daß die Berufung auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG einen Schluß auf einen Aufhebungswillen nicht zuläßt (vgl auch BSG SozR 1300 § 50 Nr 15). Daß eine Umdeutung schon deshalb nicht möglich ist, weil die allein in Betracht kommende Rücknahme nach § 45 SGB X nur als Ermessensentscheidung ergehen kann (§ 43 Abs 3 SGB X), hat das LSG zutreffend ausgeführt.
Auch § 50 Abs 2 SGB X scheidet als Anspruchsgrundlage aus, weil das Alg mit Bescheid und nicht, wie in dieser Vorschrift vorausgesetzt, ohne Verwaltungsakt erbracht worden ist.
Die Revision der Beklagten war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt, soweit sie die der Beklagten entstandenen Aufwendungen betrifft, unmittelbar aus § 193 Abs 4 SGG. Im übrigen, dh hinsichtlich der Kosten, die der Klägerin und der Beigeladenen entstanden sind, ist die Kostenentscheidung nach § 193 SGG nach sachgemäßem Ermessen zu treffen (BSGE 17, 124, 128; BSG SozR Nrn 3, 4 und 7 zu § 193 SGG). Für die nach sachgemäßem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung in einem Urteil ist zwar in der Regel in erster Linie der Verfahrensausgang maßgebend (BSGE 17, 124, 128); das ist indes nicht starr zu handhaben und schließt nicht aus, daß im Einzelfall auch der erfolgreich gebliebene Prozeßbeteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat (BSG aaO).
Es widerspräche sachgemäßem Ermessen, eine Kostenerstattung für die Klägerin vorzusehen. Sie ist nur formal an dem Verfahren beteiligt. Denn nicht sie, sondern allein die Beigeladene trifft es, wenn die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegen sie geltend machen kann, wie sich aus der Vereinbarung zwischen der Beigeladenen und dem ArbA Schweinfurt vom 17./25. März 1987 ergibt; ausdrücklich ist nämlich in der Vereinbarung vorgesehen, daß auch die sechs Musterfälle "nicht vollzogen oder vollstreckt" werden (Nr 5 Satz 3 der Vereinbarung). Der Klägerin dürften schließlich keine Kosten entstanden sein. Denn wie in der Vereinbarung vorgesehen, hat sich die Beigeladene von der Klägerin bevollmächtigen lassen und offenbar durch eigene Rechtsanwälte für eine Vertretung der Klägerin gesorgt.
Eine Kostenerstattung für die Beigeladene widerspräche ebenfalls sachgemäßem Ermessen. In dieser ihrer prozessualen Eigenschaft hat sie sich an dem Verfahren nicht beteiligt; in solchen Fällen besteht im allgemeinen keine Veranlassung, dem Beigeladenen die Erstattung außergerichtlicher Kosten zuzusprechen. Im übrigen wäre eine Kostenerstattung für die Beigeladene auch unbillig. Zwar ist, was ihrem Interesse entspricht, der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben worden. Damit steht indes noch nicht fest, daß die BA keinen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin geltend machen kann. Vor allem steht nicht fest, daß das ArbA Stuttgart wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X gehindert wäre, den Bewilligungsbescheid vom 6. September 1983 für die Zeit bis zum 29. November 1983 gemäß § 45 SGB X aufzuheben; dann bestünde ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 1 SGB X. Der wesentliche Streitpunkt zwischen der Arbeitsverwaltung und der Beigeladenen, nämlich ob die "Darlehenszahlungen" zum Ruhen der Alg-Ansprüche geführt haben, ist zum Nachteil der Beigeladenen entschieden worden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der vorliegende Rechtsstreit letztlich darauf zurückzuführen ist, daß die Beigeladene die Zahlungen anläßlich der Entlassungen den Arbeitsämtern nicht mitgeteilt hat. Es ist kein Grund für die Nichtangabe ersichtlich, wenn die Beigeladene guten Gewissens der Überzeugung war, die Zahlungen führten nicht zum anfänglichen Ruhen der Ansprüche auf Alg ihrer ehemaligen Mitarbeiter.
Angesichts des Umstands einerseits, daß die Zehnjahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X erst im September 1993 abläuft, und den Ausführungen des LSG andererseits, daß die Einjahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X abgelaufen sei, ist der Hinweis angezeigt, daß - ungeachtet eventueller Auswirkungen der Nr 7 der Vereinbarung - der Lauf der Jahresfrist nicht schon durch die Kenntnis der Tatsachen ausgelöst wird, die die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes begründen (BSGE 60, 239, 240 f = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 65, 221, 226 f = SozR 1300 § 45 Nr 45; vgl BSGE 62, 103, 108 = SozR 1300 § 48 Nr 39; BVerwGE 70, 356), und auch nicht schon mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit, sondern grundsätzlich erst mit Kenntnis weiterer Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Da eine Rücknahme für die Vergangenheit nur in den Fällen des § 45 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 SGB X möglich ist, müssen jedenfalls die hiernach erforderlichen Tatsachen bekannt sein; daß das ArbA sich diese Kenntnis hätte verschaffen können, genügt nicht (vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 2). Da die Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X abgelaufen ist, kann für den Fall, daß ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Zivilprozeßordnung nicht gegeben ist, der Bewilligungsbescheid im übrigen nur aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X gegeben sind (§ 45 Abs 3 Satz 3 SGB X in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes); die Neufassung des § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X durch Artikel 4 Nr 1 des Änderungsgesetzes vom 20. Juli 1988 (BGBl I 1046) erfaßt nicht Verwaltungsakte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung bereits unaufhebbar geworden waren (BSG SozR 1300 § 45 Nr 42; BVerwG NJW 1993, 744, 747). Es ist nicht ersichtlich, daß sich das ArbA Stuttgart mit den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X im Falle der Klägerin befaßt hätte; allein aus der dem Amt 1987 übersandten Liste mit den in seinem Bezirk wohnhaften ehemaligen Arbeitnehmern der Beigeladenen, den an diesen gezahlten Beträgen und der übersandten Vereinbarung ergeben sich solche Tatbestände jedenfalls nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 543228 |
RegNr, 20879 (BSG-Intern) |
EWiR 1993, 1145 (Leitsatz) |
ZAP, EN-Nr 1024/93 (red. Leitsatz) |
DBlR 4019, AFG/§ 117 (Leitsatz 1 und Gründe) |
NZS 1993, 462-465 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SGb 1994, 142-148 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SozR 3-1300 § 45, Nr 15 (Leitsatz 1) |
SozR 3-1300 § 50, Nr 15 (Leitsatz 1) |
SozR 3-4100 § 117, Nr 10 (Leitsatz 1 und Gründe) |