Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. April 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben der Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die als Radiologen in Gemeinschaftspraxis niedergelassenen Kläger wenden sich gegen die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale III und IV/1993 im Primärkassenbereich. Sie rügen die Rechtswidrigkeit des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) vom 1. September 1990 in der Fassung der Änderung vom 20. Februar 1993. Dort ist vorgesehen, das für die Verteilung zur Verfügung stehende Honorar nach Abzug bestimmter, vorab zu entrichtender Vergütungsanteile nach festen Honorarkontingenten für die einzelnen Fachgruppen zu verteilen. Radiologen, Ärzte für radiologische Diagnostik sowie Ärzte für Strahlentherapie bilden eine der 18 Fachgruppen. Innerhalb des festen Honorarkontingents der einzelnen Fachgruppen wird zwischen dynamischen und nicht-dynamischen Leistungen unterschieden. Für die nicht-dynamischen Leistungen wird ein fester Punktwert von 9,8 Pf garantiert, während der Punktwert der dynamischen Leistungen je nach Mengenanforderungen schwanken kann, wobei der Interventionsgrenzwert bei 6,3 Pf liegt. Die Differenzierung danach, ob eine Leistung bezogen auf die einzelne Fachgruppe zu den dynamischen oder zu den nicht-dynamischen zählt, hängt davon ab, ob die Punktzahlanforderung der Arztgruppe für die einzelne im Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (BMÄ) aufgeführte Leistung die Anforderung des Vorquartals um mehr als 2,5 % überstiegen hat. Liegt die Mengensteigerung bezogen auf die einzelne BMÄ-Ziffer oberhalb von 2,5 %, handelt es sich um dynamische Leistungen; hält sie sich unterhalb dieser Grenze, handelt es sich um eine nicht-dynamische Leistung.
In den streitbefangenen Quartalen behandelten die Kläger im Primärkassenbereich 1718 bzw 1925 Patienten, rechneten 2.957.088 bzw 3.238.144 Punkte ab und erhielten 230.547 bzw 251.839 DM Honorar. Ihr praxisindividueller Punktwert betrug 7,796 Pf bzw 7,777 Pf gegenüber einem (fiktiven) Durchschnittspunktwert aller Praxen im Bereich der Beklagten von 8,477 Pf bzw 8,297 Pf. Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger gegen die Honorarabrechnungen mit der Begründung zurück, die Regelung zur Honorarverteilung, mit der die Vorgaben des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) umgesetzt worden seien, halte sich im Rahmen der ihr zukommenden Gestaltungsfreiheit.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Juni 1995). Auch im Berufungsverfahren sind die Kläger erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Bildung fester arztgruppenbezogener Kontingente an der insgesamt zur Verteilung stehenden Gesamtvergütung gebilligt, auch wenn das zur Konsequenz haben könne, daß die gleichen Leistungen von Ärzten verschiedener Fachgruppen unterschiedlich hoch vergütet würden. Die fachgruppenbezogene Kontingentierung auch für die Zeit ab 1993 sei sachgerecht, denn dadurch verbleibe für die Dauer der gesetzlichen Budgetierung der Gesamtvergütung das Risiko der Leistungsmengenausweitung bei den Ärzten der jeweiligen Fachgruppe. Eine Verlagerung des Risikos der Honorarminderung durch Mengenausweitung bei einzelnen Arztgruppen auf die Gesamtheit der Mitglieder der Beklagten sei damit ausgeschlossen. Zwar bestimme die Risikogemeinschaft der Radiologen die Mengenausweitung nicht ausschließlich durch eigenes Handeln. Gerade fachgruppenbezogene Budgets verhinderten aber, daß andere Arztgruppen sich gleichsam auf Kosten der Radiologen aus dem Gesamttopf bedienten. Da alle Ärzte der Fachgruppe überweisungsabhängig seien, sei die Risikogruppe homogen, so daß eine Leistungsmengenausweitung einzelner Ärzte zu Lasten der übrigen gerade nicht zu befürchten sei.
Die Beklagte habe überzeugend dargestellt, daß es keine tatsächlichen Unterschiede zwischen Radiologen und anderen Facharztgruppen gebe, die eine von den Klägern angestrebte Vergütung einzig der Radiologen nach einem Durchschnittspunktwert oder einem festen Punktwert rechtfertigten. Insbesondere der Vergleich der Entwicklung der Fallzahlen von Radiologen und anderen Arztgruppen zeige, daß die Fallzahlen der Radiologen keineswegs besonders stark gestiegen seien. Weitere Schutzmaßnahmen der Beklagten würden erst notwendig, wenn eine bestimmte Fachgruppe als Folge der fachgruppenbezogenen Honorarverteilung nicht mehr in der Lage sei, den Praxisbetrieb aufrechtzuhalten. Eine Existenzgefährdung der Fachgruppe der Radiologen (wie auch der Kläger selbst) sei aber nicht ersichtlich, zumal selbst bei Eingreifen des sog Interventionspunktwertes den Klägern nach ihren eigenen Berechnungen noch ein Gewinn verbliebe (Urteil vom 23. April 1997).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Art 12 Abs 1 und 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Billigung der Regelung des HVM der Beklagten durch das Berufungsgericht stehe nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und dem damit verbundenen Differenzierungsgebot. Zwar sei die Bildung fachgruppenbezogener Kontingente in HVM'en grundsätzlich zulässig. Eine Honorarverteilung, die systemimmanent das Risiko der Leistungsmengenausweitung auf die die einzelnen Leistungen erbringende Fachgruppe verlagere, sei aber nicht sachgerecht, wenn Fachgruppen wie zB die Radiologen aufgrund ihrer Zuweisungsabhängigkeit die Menge der zu erbringenden Leistungen nicht beeinflussen könnten. Aus dem Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung folge, daß eine Facharztgruppe dann einen Anspruch auf Vergütung nach dem Durchschnittspunktwert habe, wenn sich herausstelle, daß die im HVM getroffene Verteilungsregelung für diese Arztgruppe nicht sachgerecht sei, weil sie in das für die überwiegende Mehrheit der Arztgruppen geltende System nicht passe. Der Verweis des Berufungsgerichts auf die Entwicklung der Fallzahlen ändere daran nichts. Entscheidend sei allein, daß die Radiologen die Zuordnung zu den sog dynamischen und nicht-dynamischen Leistungen nicht beeinflussen könnten. Wenn tatsächlich keine Verlagerung des Risikos der Honorarminderung durch Mengenausweitung stattfinden solle, so müsse der Mengenanstieg verursachergerecht durch Mittel der Honorarverteilung gesteuert werden. Dies sei vorliegend nicht gewährleistet.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. April 1997 und des Sozialgerichts Hannover vom 14. Juni 1995 abzuändern sowie die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III und IV/93 im Primärkassenbereich in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 16. März 1994 und 27. Juni 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen, den Klägern, neue Honorarbescheide für diese Quartale im Primärkassenbereich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die im HVM getroffene Regelung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1998 (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24) für rechtmäßig.
II
Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die beklagte KÄV ihr Honorar für die Quartale III und IV/1993 im Primärkassenbereich korrekt festgesetzt hat. Die den angefochtenen Honorarbescheiden zugrundeliegenden Vorschriften des HVM der Beklagten stehen mit höherrangigem Recht in Einklang.
Honorarverteilungsregelungen einer KÄV sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V iVm dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG ergibt, zu messen (st Rspr, zB BSGE 73, 131, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 23 f; BSGE 81, 213, 217 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152 f). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zugrunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müßten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, dh mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden. Das Gesetz schließt eine Aufteilung der Gesamtvergütung in Teilbudgets mit der Folge, daß die vertragsärztlichen Leistungen nicht mehr entsprechend dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenentwicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet werden, nicht grundsätzlich aus. Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften darf die KÄV die Verteilung allerdings nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden, wonach die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Der normsetzenden Körperschaft bleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (grundlegend BSGE 73, 131, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 23 f; zuletzt BSGE 81, 213, 217 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 163; Urteil des Senats vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
§ 85 Abs 4 Satz 5 SGB V idF des GSG vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) gestattet ausdrücklich eine „nach Arztgruppen unterschiedliche” Honorarverteilung. Dementsprechend ist es grundsätzlich zulässig, im HVM gesonderte Honorartöpfe für die verschiedenen Fachgruppen zu bilden, um Vorsorge dagegen zu treffen, daß durch eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Fachgruppen das Honorargefüge ungerechtfertigt zugunsten einzelner und zum Nachteil anderer Arztgruppen verändert wird. Es ist sachgerecht und vom Gestaltungsspielraum der KÄV bei der Honorarverteilung gedeckt, die auf die einzelnen Fachgruppen entfallenden Honorarkontingente auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres festzuschreiben und damit prinzipiell zu verhindern, daß Leistungsausweitungen einer Fachgruppe Einfluß auf die Honorierung ärztlicher Leistungen in anderen Fachgruppen haben. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit hat die Beklagte schon vor Einführung der strikten Budgetierung der Gesamtvergütung durch das GSG Gebrauch gemacht, indem sie ab dem 1. Januar 1991 jeder der 18 Fachgruppen denjenigen Anteil an der Gesamtvergütung zugebilligt hat, den diese Arztgruppe jeweils im gleichen Quartal des vorangegangenen Jahres beansprucht hatte (dazu BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 164). Sie hat dieses zulässige Verteilungsprinzip im Grundsatz – ergänzt um Sonderregelungen für Leistungen nach § 85 Abs 3a Sätze 6 und 7 SGB V – auch unter der Geltung des GSG beibehalten und so die durch § 85 Abs 3a bis c SGB V idF des Art 1 Nr 43 f GSG für die Jahre 1993 bis 1995 vorgenommene Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütungen im Grundsatz sachgerecht umgesetzt (vgl dazu BSGE 77, 288, 293 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 68 und Urteil des Senats vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -).
Diese Honorarverteilung auf der Grundlage fester arztgruppenbezogener Kontingente hat zum Ziel, das Risiko der Leistungsmengenausweitung bei den Ärzten der jeweiligen Fachgruppe zu belassen. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, auch solche Arztgruppen in dieses System der Honorarverteilung einzubeziehen, die ihre Leistungen nur auf Überweisung von anderen Vertragsärzten erbringen können (vgl § 12 Abs 4 BMV-Ä idF vom 1. Oktober 1990, ≪heute § 13 Abs 4 BMV-Ä idF vom 1. Januar 1995≫). Die unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilung relevanten Unterschiede zwischen der Tätigkeit solcher Ärzte – es sind dies neben den Radiologen noch die Laborärzte, Nuklearmediziner und Pathologen – und derjenigen anderer Vertragsärzte sind nicht von solchem Gewicht, daß sie eine völlige Freistellung der ausschließlich auf Überweisung tätigen Ärzte von mengensteuernden Regelungen im HVM gebieten (so schon für die Fachgruppe der Laborärzte BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 164 f).
Wird daran angeknüpft, daß die genannten Arztgruppen im Unterschied zu den Ärzten der übrigen Fachgruppen, die Patienten sowohl unmittelbar auf Vorlage des Behandlungsausweises bzw der Krankenversicherungskarte („Originalfall”) als auch im Wege der Überweisung von anderen Ärzten („Überweisungsfall”) behandeln, ausschließlich auf Überweisung tätig werden, so könnte Differenzierungskriterium hinsichtlich der Anwendung von mengenbegrenzenden Regelungen im HVM konsequenterweise nicht die Zugehörigkeit eines Arztes zu einer bestimmten Arztgruppe, sondern nur die Tatsache sein, daß bestimmte Leistungen auf Überweisung eines anderen Vertragsarztes erbracht worden sind. Die an diese Unterscheidung anknüpfende Forderung der Revision nach einem festen bzw einem am durchschnittlichen Punktwert der übrigen Fachgruppen orientierten Punktwert für alle Leistungen, die ein Vertragsarzt auf Überweisung von anderen Ärzten erbringt, ist jedoch weder rechtlich geboten noch praktisch umsetzbar. Kein Vertragsarzt hat Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen mit einem bestimmten Punktwert, weder darauf, daß sie mit dem gleichen Punktwert wie Grundleistungen oder ebenso wie die Leistungen anderer Ärzte vergütet werden (vgl BSGE 73, 131, 141 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 29; BSGE 77, 288, 295 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 70), noch darauf, daß alle auf Überweisung erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden müßten (vgl Urteil des Senats vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -). Bei einer vom Mengenwachstum ganz oder teilweise unabhängigen Garantie eines festen Punktwertes für Auftragsleistungen bzw zumindest für die in § 21 Abs 7 Nr 1 BMV-Ä aF beschriebenen Zielaufträge besteht andernfalls wegen der Anreizwirkung, in Absprache mit anderen Ärzten bestimmte kostenintensive Leistungen möglichst nur auf Überweisung zu erbringen, unter Geltung einer begrenzten Gesamtvergütung die konkrete Gefahr der massiven Entwertung des Punktwertes für alle nicht auf Überweisung erbrachten Leistungen. Dies könnte dazu führen, insbesondere die hausärztliche Grundversorgung der Versicherten zu gefährden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 165).
Auch soweit der HVM der Beklagten vorsieht, innerhalb des festen Honorarkontingents einer Arztgruppe zwischen dynamischen und nicht-dynamischen Leistungen in der Weise zu differenzieren, daß für letztere ein fester Punktwert von 9,8 Pf garantiert wird, während der Punktwert für erstere je nach Mengenentwicklung schwankt, liegt darin keine gleichheitswidrige Benachteiligung der auf Überweisung arbeitenden Vertragsärzte. Diese Regelung im HVM verfolgt das Ziel, auf das Leistungsverhalten der einzelnen Arztgruppe dadurch einzuwirken, daß ein erheblicher Anreiz gesetzt wird, die auf jede einzelne Leistung des BMÄ entfallende Punktzahlanforderung von Quartal zu Quartal allenfalls geringfügig zu steigern, um so einen möglichst großen Teil von Leistungen mit einem festen Punktwert honoriert zu erhalten. Auch dieser allgemeine Lenkungszweck des HVM verstößt nicht deshalb gegen das dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Hinblick auf Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG immanente Differenzierungsgebot (vgl dazu BSGE 73, 131, 139, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 29 sowie BSG vom 21. Oktober 1998 - B 6 KA 71/97 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), weil der HVM keine Regelungen enthält, mit denen im Rahmen der Honorarverteilung auf das Überweisungsverhalten der anderen Arztgruppen reagiert wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 167).
Diese vom Senat bereits für die Einbeziehung der Laborärzte in das System der Differenzierung bei der Honorarverteilung zwischen dynamischen und nicht-dynamischen Leistungen angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen im Ergebnis auch die Erstreckung derartiger Regelungen auf Ärzte für Radiologie. Allerdings sind diese Ärzte – anders als Laborärzte – allenfalls in geringem Umfang selbst für Leistungsausweitungen in ihrem Fachgebiet verantwortlich. Insbesondere medizinisch-technische Untersuchungen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft – wie etwa die CT- und MRT-Untersuchungen – gelten zunehmend als aussagekräftigere und zT auch als schonendere Methode, so daß Mengenausweitungen in vielen und insbesondere in den durch modernste Technik kostenintensiven Leistungsbereichen vor allem durch das Überweisungsverhalten anderer Ärzte veranlaßt werden (vgl BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -). Zudem können die Ärzte der übrigen Fachgruppen durch ihr Behandlungsverhalten, insbesondere durch die Entscheidung, bestimmte Leistungen – wie die Kläger geltend machen – zB im Bereich der Mammographie selbst zu erbringen bzw die Patienten an einen Radiologen zu überweisen, mittelbar Einfluß auf die Höhe der Vergütung der Radiologen nehmen. Nicht völlig ausgeschlossen erscheinen zudem Absprachen zwischen den Ärzten einer Fachgruppe, Leistungen, die nicht ausschließlich von Radiologen erbracht werden können (zB konventionelle Radiologie durch Internisten und Chirurgen), nur in solchem Maße selbst zu erbringen, daß sie als nicht-dynamische Leistung weiterhin mit einem festen Punktwert vergütet werden, und im übrigen durch Überweisungen an Radiologen die dynamische Entwicklung solcher Leistungen in der eigenen Fachgruppe zu verhindern. Dies könnte zur Folge haben, daß eine bestimmte Leistung, die in anderen Fachgruppen als nicht-dynamische vergütet würde, für Radiologen zu einer dynamischen Leistung würde, ohne daß die Fachgruppe der Radiologen insoweit selbst für den Mengenzuwachs verantwortlich wäre.
Vor dem Hintergrund solcher möglichen Entwicklungen hat der Senat bereits entschieden, daß die Bildung von Teilbugets eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht der KÄV dahin auslöst, daß sie Verteilungsregelungen, mit denen sie in Verfolgung bestimmter Ziele vom Grundsatz der gleichmäßigen Honorarverteilung abweicht, regelmäßig zu überprüfen hat. Sie hat sie zu ändern bzw weiterzuentwickeln, wenn sich herausstellt, daß der Zweck der Regelung ganz oder teilweise nicht erreicht oder gar verfehlt wird (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 80 f) oder wenn andere Umstände als von den Vertragsärzten selbst verursachte Leistungsausweitungen, zB gesetzliche Leistungsausweitungen, vorliegen, die sich nur bei einzelnen Arztgruppen auswirken und nur dort zu einem deutlichen Abfall des Punktwertes führen (BSGE 77, 288, 293 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 69 und BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 168). Eine solche Korrekturverpflichtung setzt aber weiter voraus, daß es sich um eine dauerhafte, also nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt, die wesentlichen Einfluß auf den Umsatz einer Arztgruppe hat. Der Punktwertabfall muß erheblich sein; nicht jede Punktwertdifferenz zwischen verschiedenen Honorartöpfen gibt Anlaß zur Korrektur der Honorarverteilung. Die KÄV kann zudem berücksichtigen, daß auch bei von den Leistungserbringern nicht mitzuverantwortenden Leistungsausweitungen typischerweise Rationalisierungseffekte entstehen, die einen gewissen Ausgleich für den Punktwertabfall darstellen können. Werden gesonderte Honorartöpfe für Leistungen gebildet, die Ärzte nur auf Überweisung hin erbringen können, besteht nach der Rechtsprechung des Senats im Regelfall Anlaß zur Korrektur der Honorarverteilung, wenn der Punktwert der aus einem solchen Honorartopf vergüteten Leistungen auf Dauer um 15 % oder mehr niedriger ist als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen (so für die Festlegung von Honorarkontingenten für CT- und MRT-Leistungen Urteil vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -). Ob diese Grenze auch dann maßgeblich ist, wenn der Punktwert einer Fachgruppe, die nur überweisungsabhängig tätig wird, aber auch Leistungen erbringt, die von Ärzten anderer Arztgruppen abgerechnet werden dürfen, hinter dem allgemeinen Durchschnittspunktwert zurückbleibt, bedarf hier keiner Entscheidung. Es ist nämlich als Folge der hier zu beurteilenden HVM-Regelungen kein dauerhafter und einschneidender Punktwertverfall für die Fachgruppe der Radiologen erkennbar, von dem die Kläger mitbetroffen wären, so daß für die Beklagte kein Anlaß zur Korrektur des HVM besteht.
Im vorliegenden Verfahren betrug der durchschnittliche Punktwert für die Praxis der Kläger im Primärkassenbereich nach den Feststellungen des LSG in den beiden streitbefangenen Quartalen des Jahres 1993 7,796 Pf bzw 7,777 Pf gegenüber einem (fiktiven) durchschnittlichen Punktwert aller niedersächsischen Arztpraxen von 8,477 Pf bzw 8,297 Pf. Der Punktwert lag damit um 8,1 % bzw 6,3 % unter dem Durchschnitt des fiktiv von allen Arztgruppen erreichten Punktwertes. In der Folge sank er in den Quartalen I und II/1994 zwar weiter ab und blieb um 9,5 % und 11,3 % unter dem allgemeinen Durchschnittswert zurück, stieg dann jedoch wieder erheblich an und unterschritt ihn im Quartal III/94 nur um 5,5 % und im Quartal IV/94 um 7,2 %. Auch für spätere Zeiträume läßt sich aus den vom LSG ermittelten Zahlen der übrigen dokumentierten Quartale bezogen auf die Praxis der Kläger ein Trend zum Punktwertverfall, der für die Beklagte Anlaß zur Korrektur hätte sein müssen, nicht erkennen. Zwar hat das LSG zu den Durchschnittspunktwerten der Radiologen insgesamt keine Feststellungen getroffen, doch könnten die Kläger für sich nichts daraus herleiten, wenn der Durchschnittspunktwert der Radiologen stärker von dem (fiktiven) Durchschnittspunktwert aller Arztgruppen abwiche als ihr praxisindividueller Punktwert. Im übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß es in einzelnen Leistungsbereichen der Radiologie (zB bei MRT-Leistungen) zu so starken Abweichungen vom fiktiven Durchschnittspunktwert gekommen wäre, daß eine Nachbesserungspflicht der Beklagten zumindest bezogen auf diese Bereiche anzunehmen wäre, um die notwendige Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Das machen die Kläger auch nicht geltend.
Genausowenig wie aus der Differenz zwischen dem Punktwert der Praxis der Kläger und dem (fiktiven) Durchschnittspunktwert aller Arztgruppen läßt sich eine Verpflichtung der Beklagten zur Korrektur ihres HVM im Hinblick auf die Fallzahlentwicklung begründen. Die nicht näher belegte These der Kläger, der HVM der Beklagten bewirke einen überdurchschnittlichen Fallzahlenzuwachs bei den Radiologen als Folge des veränderten Überweisungsverhaltens anderer Arztgruppen, läßt sich auf der Grundlage der Auswertungen der vertragsärztlichen Abrechnungen seitens der Beklagten nicht bestätigen. In den Jahren 1993 und 1994 lag der Fallzahlenzuwachs der Radiologen in den einzelnen Quartalen teils über und teils unter demjenigen des Durchschnitts aller Ärzte. Lediglich in den Quartalen III/1993 und II/1994 war die Abweichung mit einem Zuwachs von 4,4 % bzw 7,7 % bei den Radiologen gegenüber 0 % bzw 3,4 % bei allen Ärzten (jeweils in Relation zum entsprechenden Vorjahresquartal) signifikant. Diese Werte rechtfertigen jedoch nicht den Schluß auf einen eindeutigen Trend, weil die Abweichungen in den Folgequartalen wieder sehr viel geringer ausgefallen sind.
Die Differenzierung zwischen dynamischen und nicht-dynamischen Leistungen im HVM der Beklagten verletzt Rechte der Kläger schließlich selbst dann nicht, wenn als Folge des Überweisungsverhaltens der auftraggebenden Ärzte der überwiegende Teil der von Radiologen erbrachten Leistungen zu den dynamischen Leistungen rechnet, die mit einem schwankenden Punktwert honoriert werden. Die Höhe des Punktwertes für die dynamischen Leistungen ist – ua – davon abhängig, wie viele Leistungen einer Arztgruppe mit einem festen Punktwert zu honorieren sind. Je größer der Anteil dieser Leistungen ist, desto geringer ist das für die Honorierung der dynamischen Leistung zur Verfügung stehende Kontingent. Ein hoher Anteil nicht-dynamischer Leistungen an den insgesamt von einer Arztgruppe abgerechneten Leistungen kann deshalb zu einem relativ niedrigen Punktwert für die dynamischen Leistungen führen. Umgekehrt wird aber der Punktwert für die dynamischen Leistungen vergleichsweise hoch sein, wenn nur wenige Leistungen mit dem festen Punktwert von 9,8 Pf zu honorieren sind. Solange nicht der durchschnittlich erzielte Punktwert einer Fachgruppe unter den zu tolerierenden Grenzwert fällt, ist in dieser Situation der Nachteil für die Ärzte einer Fachgruppe, der in einer Vergütung der Mehrzahl der Leistungen lediglich nach dem dynamischen Punktwert liegt, praktisch aufgehoben. Der einzelne Arzt hat allerdings nur begrenzten Einfluß darauf, ob eine bestimmte Leistung mit dem dynamischen oder nicht-dynamischen Punktwert honoriert wird, weil dies von dem Leistungsverhalten der Arztgruppe insgesamt abhängt. Das ist jedoch eine zwangsläufige Folge des dem HVM zugrundeliegenden Konzepts der Honorarverteilung im Rahmen fester arztgruppenbezogener Kontingente. Dieses ist sachgerecht, weil eine HVM-Regelung, die auf das Leistungsverhalten jedes einzelnen Arztes abstellt, zur notwendigen Folge hätte, daß für jeden einzelnen Arzt und jede einzelne Leistungsposition des BMÄ unterschiedlich hohe Punktwerte zur Anwendung kommen müßten, was schlechterdings nicht durchführbar ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 168 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 542974 |
ArztR 2000, 24 |
SGb 1999, 293 |
AusR 1999, 119 |
SozSi 1999, 226 |