Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Grenzgänger. Wohnortverlegung während Krankengeldbezug. Gleichstellung. Beschäftigungszeit
Leitsatz (amtlich)
- Verlegt ein Bezieher von Krankengeld während des Leistungsbezugs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Wohnsitz ins Ausland, wird er dadurch nicht zum echten oder unechten Grenzgänger, der unter Anwendung europäischen Rechts trotz fehlenden inländischen Wohnsitzes Arbeitslosengeld beanspruchen kann.
- Der Bezug von Krankengeld ist keine Beschäftigung iS des Art 71 EWGV 1408/71.
Normenkette
SGB I § 30 Abs. 1; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1997-03-24; EWGV 1408/71 Art. 1 Buchst. b, s, Art. 71 Abs. 1 Buchst. a, b Ziff. i, Buchst. b Buchst. i
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 2002 aufgehoben, soweit es die Gewährung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 14. Mai 1997 bis zum 30. August 1997 betrifft, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. August 1998 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten. Im Übrigen erstattet die Beklagte dem Kläger in Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts die Hälfte der außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten (nur noch) um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 14. Mai bis 30. August 1997.
Der 1952 geborene ledige Kläger war ab November 1979 bei der M.… AG beschäftigt; das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1995. Vom 14. November 1995 bis einschließlich 13. Mai 1997 bezog er Krankengeld (Krg). Bis Anfang 1997 wohnte der Kläger in dem ca 7,5 km südlich der deutsch-dänischen Grenze gelegenen Ort B.… in einem eigenen Haus. Dieses verkaufte er im November 1996 an ein Ehepaar aus Bochum; die Übergabe erfolgte am 1. Januar 1997. Die neuen Eigentümer wollten das Haus lediglich zu Ferienzwecken nutzen und beließen dem Kläger weiterhin Schlüssel, damit dieser das Haus beaufsichtigen konnte. Der Kläger hatte sich in dem grenznahen Ort H.… in Dänemark ein Haus gekauft und zog Anfang 1997 dorthin um.
Der Kläger meldete sich mit Wirkung zum 14. Mai 1997 beim Arbeitsamt Flensburg arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Im Leistungsantrag gab er als Anschrift “B.…, Dorfstraße 33” an, nachdem ihm zuvor beim Arbeitsamt mitgeteilt worden war, dass er bei einem Wohnsitz in Dänemark kein Alg von der Beklagten erhalten könne. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Alg für die Zeit ab 14. Mai 1997 ab (Bescheid vom 30. Juni 1997; Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1997), weil Alg mangels Wohnsitzes bzw gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland, aber auch mangels Verfügbarkeit, nicht gewährt werden könne. Am 31. August 1997 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf.
Das Sozialgericht (SG) hat die gegen den Bescheid vom 30. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 1997 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 4. August 1998), weil der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte (ua) verurteilt, dem Kläger Alg für den Zeitraum vom 14. Mai bis 30. August 1997 zu gewähren (Urteil vom 19. Februar 2002). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Alg für den noch streitigen Zeitraum ergebe sich unter Berücksichtigung von Art 71 Abs 1 Buchst b i der Verordnung 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71). Das Territorialitätsprinzip des § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) stehe dem Anspruch deshalb nicht entgegen. Der Kläger habe zwar nicht in B.… gewohnt und sich dort auch nicht gewöhnlich aufgehalten. Auf Grund des in § 30 Abs 2 SGB I enthaltenen Vorbehalts zu Gunsten überstaatlichen Rechts ergebe sich jedoch ein Anspruch des Klägers auf Alg, weil er Grenzgänger iS des Art 71 Abs 1 Buchst b i EWGV 1408/71 gewesen sei. Im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift müsse zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals “Beschäftigung” auf Art 1 Buchst s EWGV 1408/71 zurückgegriffen werden. Nach dessen Definition habe der Kläger auch zu einer Zeit, als er schon in Dänemark gewohnt habe, noch in Deutschland “in einer Beschäftigung gestanden”, weil er eine nach nationalem Recht einer Beschäftigung gleichgestellte Zeit zurückgelegt habe. Denn nach § 107 Abs 5 Buchst a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei der Bezug des Krg einer Beschäftigungszeit gleichzustellen. Mithin habe der Kläger schon während seiner Beschäftigungszeit seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) verlegt und sei als Grenzgänger zu behandeln. Der Kläger habe alle sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt; insbesondere habe er sich der Arbeitsvermittlung der Beklagten zur Verfügung gestellt und sei für diese unter der von ihm angegebenen Anschrift in B.… zur Zeit des üblichen Posteingangs nahezu immer erreichbar gewesen.
Die Beklagte rügt eine Verletzung des Art 71 Abs 1 Buchst b i EWGV 1408/71 sowie der §§ 100, 103 AFG. Das Bundessozialgericht (BSG) gehe zwar auch dann vom Vorliegen des Status als unechter Grenzgänger iS des Art 71 Abs 1 Buchst b EWGV 1408/71 aus, wenn der Betroffene während der Zeit des Erziehungsurlaubs aus dem Beschäftigungsstaat in den Wohnstaat umziehe. Dies sei jedoch insbesondere damit begründet worden, dass während der Zeit des Erziehungsurlaubs das Arbeitsverhältnis bei Freistellung von der Arbeitspflicht formal weiter bestehe (BSG SozR 6050 Art 71 Nr 10). Die vom LSG vorgenommene Gleichsetzung der Begriffe Beschäftigung und Beschäftigungszeit sei im Hinblick auf den Wortlaut der Artt 67, 71 EWGV 1408/71 fehlerhaft, weil in diesen Vorschriften beide Begriffe mit eigenständigen Regelungsinhalten verwandt würden. Im Übrigen könne die Frage der Verfügbarkeit nicht unabhängig von der Frage des Wohnsitzes geprüft werden. Allein die regelmäßige Entgegennahme der Post in B.… sei jedenfalls nicht ausreichend.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die Gewährung von Alg für den Zeitraum vom 14. Mai 1997 bis 30. August 1997 betrifft, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Revision sei bereits nicht ausreichend begründet, weil eine kritische Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG nicht vorliege, sondern lediglich behauptet werde, das Urteil des LSG sei unrichtig und könne nicht auf Entscheidungen des BSG gestützt werden. Unabhängig davon sei die Revision jedenfalls unbegründet. Ihm (dem Kläger) stehe trotz eines Wohnsitzes bzw gewöhnlichen Aufenthalts in Dänemark für den streitigen Zeitraum unter Anwendung des Art 71 Abs 1 Buchst b i EWGV 1408/71 Alg zu. Zu Recht habe das LSG eine Gleichstellung von Zeiten faktischer Arbeitsleistung mit solchen Zeiten vorgenommen, in denen eine Arbeitsleistung zwar nicht erbracht werde, diese Zeiten in Erfüllung der Arbeitnehmerschutzrechte aber so zu werten seien, als wäre eine Arbeitsleistung tatsächlich erfolgt. § 107 AFG enthalte umfangreiche Regelungen der Gleichstellung von faktischer Beschäftigung mit sog Beschäftigungszeiten, ohne dass insoweit eine Differenzierung stattfinde. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dies bei der Anwendung zwischenstaatlichen Rechts anders sein solle. Im Übrigen werde letztlich nur die vom LSG vorgenommene Gleichstellung des Bezugs von Krg mit einer Beschäftigung den Bestimmungen über die Freizügigkeitsregelungen innerhalb der EU gerecht.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig. Sie ist von der Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers formgerecht begründet. Gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Die Regelung verlangt zwar, dass die Revision auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig zu begründen ist; es sind die Gründe aufzuzeigen, die nach Auffassung des Revisionsklägers das Urteil unrichtig erscheinen lassen. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Beklagten jedoch. Entgegen dem Vorbringen des Klägers wird keineswegs lediglich behauptet, die Entscheidung des LSG sei unrichtig. Vielmehr wird in einer kritischen Auseinandersetzung mit den wesentlichen Ausführungen des LSG dargelegt, aus welchen Gründen die Beklagte das Urteil für unzutreffend hält.
Die Revision der Beklagten ist auch begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das Urteil des LSG verstößt gegen Art 71 Abs 1 Buchst b EWGV 1408/71 und § 103 AFG (hier idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes ≪AFRG≫ vom 24. März 1997 – BGBl I 594). Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Alg für den noch streitigen Zeitraum vom 14. Mai bis 30. August 1997 zu Recht abgelehnt.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist wegen der hierauf beschränkten Revision nur noch der Bescheid vom 30. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 1997, mit dem die Beklagte die Gewährung von Alg ab dem 14. Mai 1997 abgelehnt hat. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nicht die erneute Ablehnung von Alg für die Zeit ab 29. Mai 2001; über die Gewährung von Alg für die Zeit vom 6. Oktober bis 31. Dezember 1997 ist rechtskräftig entschieden.
Nach den vom LSG getroffenen, den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) hat der Kläger allein unter Anwendung deutschen Rechts keinen Anspruch auf Alg. Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG (in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung), wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Darüber hinaus beschränkt die Vorschrift des § 30 Abs 1 SGB I grundsätzlich den Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs (SGB), zu dem nach Art 2 § 1 Nr 1 SGB I auch das AFG gehörte, auf Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB, mithin in Deutschland, haben. Nach den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG und dem eigenen Vortrag des Klägers hatte dieser im streitige Zeitraum sowohl seinen Wohnsitz als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Dänemark, also außerhalb des Geltungsbereichs des SGB. Ob dies allein ausreicht, um einen Anspruch nach dem AFG zu verneinen, kann letztlich offen bleiben, weil es auch an einer weiteren Voraussetzung für diesen Anspruch fehlt (dazu später).
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte lässt sich entgegen der Auffassung des LSG jedenfalls nicht auf Grund des Vorbehalts in § 30 Abs 2 SGB I zu Gunsten des überstaatlichen Rechts herleiten. Insbesondere greifen die Bestimmungen der EWGV Nr 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABl EG Nr L 149/2, hier in der Neufassung der Verordnung Nr 118/97 vom 2. Dezember 1996, ABl EG 1997 Nr L 28/1) für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht ein.
Im Abschnitt der für die Arbeitslosigkeit maßgebenden Vorschriften der Artt 67 ff EWGV Nr 1408/71 sind lediglich in Artt 69 und 71 Regelungen enthalten, die über die nationale Voraussetzung des § 30 Abs 1 SGB I hinweghelfen können, also eine Alg-Leistung ermöglichen, ohne dass der Arbeitslose einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland besitzen muss. Dies ist zum einen der hier nicht einschlägige Art 69, der einen Leistungsexport für drei Monate ins Ausland an einen Arbeitslosen ermöglicht, der sich in einen anderen oder mehrere andere Mitgliedsstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen. Der Arbeitslose behält seinen nationalen Anspruch auf die Leistung dann unter bestimmten Voraussetzungen (vgl im Einzelnen nur Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 RdNr 141 ff). Ansonsten ermöglicht lediglich Art 71 EWGV 1408/71 die Gewährung von Leistungen an einen im Ausland wohnenden Arbeitslosen. Diese Regelung betrifft nur sog Grenzgänger, dh, arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen (Beschäftigungs-)Staats wohnen.
Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern, die während oder nach Beendigung der Beschäftigung in einem Mitgliedsstaat ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegen, wird demnach europarechtlich nur in begrenztem Maß geschützt (BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 44 ff mwN). Insoweit normiert Art 71 EWGV 1408/71 nur Ausnahmen vom sog Territorialitätsgrundsatz für den Fall, dass während der letzten Beschäftigung Wohnsitzstaat und Beschäftigungsstaat auseinander fallen (Steinmeyer in Hanau/Steinmeyer/ Wank, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, § 23 RdNr 343). Der Umstand, dass der Staat der letzten Beschäftigung des Arbeitnehmers mit dessen Wohnstaat identisch ist, steht der Anwendung des Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 lediglich dann nicht entgegen, wenn die zuständigen Behörden zweier Mitgliedsstaaten als Ausnahme von Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71 gemäß Art 17 EWGV 1408/71 vereinbart haben, dass der Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit eines dieser Mitgliedsstaaten unterliegen soll, der nicht derjenige ist, in dessen Gebiet der Arbeitslose beschäftigt war (EuGHE 1995, 1707, 1734). Das für die Anwendung des Art 71 EWGV 1408/71 insgesamt bestimmende Merkmal ist im Übrigen jedoch die Wohnung des Betroffenen in einem anderen Mitgliedsstaat als demjenigen, dessen Rechtsvorschriften für ihn bei seiner letzten Beschäftigung gegolten haben (EuGHE I 1994, 279, 295 mwN = SozR 3-6050 Art 71 Nr 4). Die Frage der Identität von Wohn- und Beschäftigungsstaat bestimmt sich damit nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw des Arbeitsverhältnisses (Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 RdNr 160). Das letzte Arbeitsverhältnis des Klägers bei der M.… AG war jedoch bereits zum 31. Dezember 1995 beendet worden, während der Kläger seinen Wohnsitz in Dänemark erst Anfang 1997 begründet hat. Damit fielen Wohnsitzstaat und Beschäftigungsstaat während des Arbeitsverhältnisses nicht auseinander.
Der Auffassung des LSG, die Zeit des Krg-Bezugs (November 1995 bis 13. Mai 1997) sei bei Anwendung des Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 wie eine Beschäftigung zu werten, und zwar mit der Folge, dass der Kläger während dieses als Beschäftigung zu wertenden Leistungsbezugs seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt habe und damit Grenzgänger sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Der in Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 verwendete Begriff der Beschäftigung ist in der Verordnung nicht näher erläutert. Zwar definiert Art 1 Buchst s EWGV 1408/71 den Begriff der Beschäftigungszeit. Entgegen der Ansicht des LSG umschreibt diese Norm jedoch nicht den Begriff der Beschäftigung. Der Begriff der Beschäftigungszeit hat eine eigenständige Bedeutung, etwa bei der Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten nach Art 67 EWGV 1408/71, wonach der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Beschäftigungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich, Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten berücksichtigt, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handele es sich um Beschäftigungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Hierfür ordnet Art 1 Buchst s EWGV 1408/71 an, dass Beschäftigungszeiten all die Zeiten sind, die nach den Rechtsvorschriften, unter denen sie zurückgelegt worden sind, als solche bestimmt oder anerkannt sind, ferner alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Beschäftigungszeiten gleichwertig anerkannt sind. Für das deutsche Recht ist dies insoweit von Bedeutung, als nach § 107 AFG gleichgestellte Zeiten, wie etwa die Zeit eines Krg-Bezugs, auch bei Geltendmachung eines Anspruchs gegen einen ausländischen Träger in die Berechnung einer evtl Anwartschaftszeit einzubeziehen sind. Art 1 Buchst s EWGV 1408/71 regelt hingegen nicht den Inhalt dessen, was Beschäftigung iS des Art 71 EWGV 1408/71 ist, wie schon sein Wortlaut deutlich macht, der gerade zwischen Beschäftigungszeiten und gleichgestellten Zeiten unterscheidet.
Ob der Ansicht zu folgen ist, dass sich die Beurteilung einer Beschäftigung iS des Art 71 EWGV 1408/71 aus dem Recht des Mitgliedstaats ergibt, in dem die Zeit der Beschäftigung zurückgelegt worden ist (so Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 RdNr 160), kann dahinstehen. Denn auch nach nationalem Verständnis verlangt eine Beschäftigung eine nicht selbstständige Arbeit (§ 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung), also nicht nur den reinen Bezug einer Sozialleistung. Die Zeit eines solchen Bezugs kann, wie § 107 AFG zeigt, der Zeit einer Beschäftigung für bestimmte Zwecke lediglich gleichgestellt werden, ohne dass der Bezug einer Sozialleistung dadurch zur Beschäftigung würde.
Gegen das vom LSG geäußerte Verständnis des Begriffs einer Beschäftigung spricht bereits die in Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 enthaltene Definition des echten Grenzgängers, die für die unmittelbare Anwendung des Art 71 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71 von Bedeutung ist. Denn in dieser Definition wird neben weiteren Voraussetzungen ausdrücklich auf die Ausübung einer Berufstätigkeit abgestellt. Ebenso übt aber auch der von Art 71 Abs 1 Buchst b EWGV 1408/71 erfasste sog unechte Grenzgänger grundsätzlich eine Berufstätigkeit in einem anderen als seinem Wohnsitzstaat aus; er unterscheidet sich vom echten Grenzgänger lediglich dadurch, dass er die spezifischen Voraussetzungen des Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 nicht erfüllt, weil er nicht mindestens einmal wöchentlich, sondern in größeren Abständen in seinen Wohnsitzstaat zurückkehrt (Schlegel, aaO, RdNr 159; Kretschmer in Niesel, SGB III; 2. Aufl, Anhang A Art 71 RdNr 17). Hat dagegen ein Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit durchgehend in seinem Wohnsitzstaat ausgeübt und verlegt er erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw Arbeitsverhältnisses den Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat, kann er dadurch, dass er sich in einem anderen als dem Wohnstaat um Arbeitsvermittlung und Aufnahme einer Beschäftigung bemüht, die Eigenschaft als echter oder unechter Grenzgänger nicht nachträglich begründen (vgl zu diesem Gesichtspunkt Urteil des Senats vom 8. Juli 1993 – 7 RAr 44/92 –, unveröffentlicht). Die Anwendung von Art 71 EWGV 1408/71 scheidet daher aus, wenn der Wohnsitz erst nach Eintritt der Arbeitslosigkeit vom Beschäftigungsort in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt wird (BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 44).
Unschädlich für die Anwendbarkeit des Art 71 EWGV 1408/71 ist es lediglich, wenn der Arbeitnehmer während seines rechtlich noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisses in einen anderen Mitgliedsstaat umzieht, ohne im Beschäftigungsstaat die Arbeit tatsächlich wieder aufgenommen zu haben, sei es, dass der Arbeitnehmer während eines das Arbeitsverhältnis abschließenden Mutterschaftsurlaubs (EuGHE I 1988, 5125 = SozR 6050 Art 71 Nr 10) oder eines das Arbeitsverhältnis abschließenden Erziehungsurlaubs (BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 5) den Wohnstaat wechselt. Ist dagegen, wie im Fall des Klägers, auch das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Wohnsitzwechsel beendet, ist für eine Anwendung des Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 kein Raum.
Der gegenteiligen Ansicht des LSG steht vor allem die oben geschilderte Systematik der Artt 67 bis 71 EWGV 1408/71 entgegen. Die Regelungen schützen, wie bereits ausgeführt, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern nur begrenzt und in unterschiedlicher Weise. Nach dem in den Vorschriften zum Ausdruck gekommenen Willen des Verordnungsgebers sollen Arbeitnehmer, die als Arbeitslose ihren Wohnstaat wechseln, ausschließlich nach Artt 67 und 69 EWGV 1408/71 behandelt werden (Urteil des Senats vom 8. Juli 1993 – 7 RAr 44/92 –, unveröffentlicht). Die Vergünstigung des Art 71 EWGV 1408/71 setzt demgegenüber ein Auseinanderfallen des Beschäftigungs- und des Wohnorts bereits zur Zeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus. Ein solches Auseinanderfallen von Beschäftigungsort und Wohnort verlangt aber zwangsläufig eine irgendwie geartete Tätigkeit. Mit anderen Worten: Der Bezug einer Sozialleistung kann einer Beschäftigung iS des Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 schon deshalb nicht gleichgestellt werden, weil insoweit von einem Auseinanderfallen von Beschäftigungsort und Wohnort nicht gesprochen werden kann. Art 71 Abs 1 erfasst mithin den vorliegenden Fall in keiner Weise.
Eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist damit auch nicht in entfernter Weise möglich (vgl zu dieser Voraussetzung einer Vorlagepflicht an den EuGH BVerfG SozR 3-1100 Art 101 Nr 2). Der Senat ist deshalb nicht durch Art 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) idF des Amsterdamer Vertrags vom 2. Oktober 1997 (BGBl II 1998, 387), gehindert, ohne Vorabentscheidung des EuGH zu entscheiden. Der bereits ergangenen Rechtsprechung des EuGH ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass Art 71 EWGV 1408/71 jedenfalls dann nicht einschlägig ist, wenn Arbeitslose ihren Wohnsitz erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Beschäftigungsstaat begründet haben (EuGHE 1984, 3507 = SozR 6050 Art 71 Nr 7). Speziell im Hinblick auf den Krg-Bezug des Klägers lässt das Urteil des EuGH vom 12. Juni 1983 (EuGHE 1983, 43 = SozR 6050 Art 18 Nr 2) sogar erkennen, dass der Bezug von Leistungen wegen Krankheit nicht mit einer Beschäftigung gleichgestellt werden kann. Denn der EuGH führt in dieser Entscheidung zu Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71 aus, diese Bestimmung erwähne (zwar) nicht ausdrücklich den Fall eines Arbeitnehmers, der zu dem Zeitpunkt, zu dem er Leistungen bei Krankheit in Anspruch nehmen möchte, nicht beschäftigt ist, die Vorschrift sei aber so auszulegen, dass sie für diesen Fall auf die Vorschriften des Staats abstelle, in dessen Gebiet der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war. Auch der EuGH hat damit den Leistungsbezug nicht einer Beschäftigung gleichgestellt. In diesem Sinne hat er auch zu Art 71 EWGV 1408/71 ausgeführt, dieser Artikel könne auf einen Arbeitslosen nicht angewandt werden, der nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen sei oder eine gleichgestellte “Tätigkeit” ausgeübt habe und der deshalb noch keinen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit erworben habe (BSG SozR 6050 Art 71 Nr 3 S 11).
Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, aus sozialpolitischen Erwägungen (s etwa zur Kritik am beschränkten Freizügigkeitsschutz für Arbeitslose Gagel in der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen der Sozialgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1994, 383, 397 ff, und Bieback, SGb 1996, 400, 402) diese Rechtsprechung selbst fortzuentwickeln. Es ist vielmehr Aufgabe des Verordnungsgebers auf europäischer Ebene, etwaige Regelungslücken zu schließen. Ausdrücklich weist Art 42 EGVtr dem Rat die Aufgabe zu, gemäß dem Verfahren des Art 251 EGVtr, also auf Vorschlag der Kommission, die für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu beschließen. Dementsprechend hat die Kommission bereits Vorschläge zur Änderung und Ergänzung der EWGV 1408/71 unterbreitet, die auch Änderungsvorschläge für den Bereich der Arbeitslosigkeit, insbesondere den Leistungsexport nach Art 69 EWGV 1408/71, enthielten (Eichenhofer, Sozialrecht der EU, 2001, RdNr 243 und 397). Eine einzelfallbezogene richterliche Ergänzung der in Art 71 EWGV 1408/71 allein für echte und unechte Grenzgänger getroffenen Regelungen auf eine weitere Personengruppe wäre damit nicht vereinbar, wie der 11. Senat des BSG bereits überzeugend dargelegt hat (SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 46 f).
Im Übrigen erfüllt der Kläger auch eine weitere Voraussetzung des Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 nicht. Er hat sich nicht der Kontrolle der Bundesanstalt für Arbeit (BA) unterworfen. Als sog echter Grenzgänger iS des Art 71 Abs 1 Buchst a ii EWGV 1408/71, dem der EuGH (EuGHE 1986, 837 = SozR 6050 Art 71 Nr 6 S 23) über die Regelung der Verordnung hinaus ein Recht zugesteht, sich beim Staat des Beschäftigungsorts arbeitslos zu melden, um dort Leistungen zu erhalten, wenn der Arbeitslose zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrecht erhält, dass er dort die besseren Aussichten auf Wiedereingliederung hat, kann der Kläger von vornherein nicht angesehen werden. Insoweit hat auch das LSG erkannt, dass der Kläger schon deshalb kein echter Grenzgänger sein kann, weil dieser Status nach der ausdrücklichen Definition des Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 die Ausübung einer Berufstätigkeit vorsieht. Konsequenterweise hat deshalb das LSG auf Art 71 Abs 1 Buchst b i EWGV 1408/71 zurückgegriffen, wonach Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und weiterhin der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staats zur Verfügung stehen (sog unechte Grenzgänger), bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staats erhalten, als ob sie in diesem Staat wohnten. Zu dieser Vorschrift hat der EuGH allerdings bereits entschieden (EuGHE I 1996, 207 = SozR 3-6050 Art 13 Nr 10), dass ein solcher unechte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu Lasten des zuständigen Staats (nur) erhalten kann, sofern er sich bei den Dienststellen dieses Staats als Arbeitssuchender meldet und sich ihrer Kontrolle unterwirft. Zwar hat der EuGH nicht im Einzelnen ausgeführt, wie diese Kontrolle zu verwirklichen ist. Das wesentliche Kriterium nach den Ausführungen des EuGH ist jedoch, dass für die Verfügbarkeit nichts verlangt werden kann, was sich unmittelbar oder mittelbar als Zwang zu einem Wohnortwechsel auswirkt. Aus Gründen der Gleichbehandlung muss dann aber auch von einem im Ausland lebenden Arbeitslosen, der sich bei der BA im Inland arbeitslos meldet, wie von einem inländischen Arbeitslosen nach nationalem Recht zumindest verlangt werden, dass er seine richtige Wohnanschrift angibt. Das hat der Kläger gerade nicht getan, wie im Zusammenhang mit § 103 AFG noch näher darzulegen ist.
Steht mithin die Wohnsitznahme in Dänemark europarechtlich einem Alg-Anspruch des Klägers entgegen, könnte seine Revision nur Erfolg haben, wenn § 30 Abs 1 SGB I aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar wäre und die übrigen Voraussetzungen für den materiellen Anspruch gegeben sind. Daran fehlt es.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 30. Dezember 1999 (SozR 3-1200 § 30 Nr 20) ausgeführt, Art 3 Abs 1 Grundgesetz gebiete eine verfassungskonforme Auslegung des § 30 Abs 1 SGB I dahin, dass dem Anspruch des zuvor in Deutschland beitragspflichtigen Grenzgängers auf Alg oder Arbeitslosenhilfe der Auslandswohnsitz jedenfalls dann nicht entgegenstehe, wenn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Dies bedeutet, dass unter den genannten Voraussetzungen § 30 Abs 1 SGB I nicht angewendet werden darf. Diese Rechtsprechung ist allerdings zur besonderen Situation von Grenzgängern, also Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Ausland und einer (gleichzeitigen) Beschäftigung im Inland, ergangen (vgl dazu Mutschler, SGb 2000, 110, 116) und nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, weil der Kläger seine berufliche Tätigkeit bis 1995 in Deutschland ausgeübt hat und bis zu diesem Zeitpunkt auch seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.
Das BVerfG hat im Beschluss vom 30. Dezember 1999 (SozR 3-1200 § 30 Nr 20) vielmehr seine bisherige Rechtsprechung grundsätzlich bestätigt, wonach eine durch § 30 Abs 1 SGB I bewirkte Ungleichbehandlung der Personen mit Auslandswohnsitz im Vergleich zu Personen mit Inlandswohnsitz sachlich gerechtfertigt sein kann (Hinweis auf BVerfGE 51, 1, 24; 81, 208, 222). Der Gesetzgeber kann also grundsätzlich den Wohn- und Aufenthaltsort als Kriterium wählen, nach dem sich neben anderen Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestimmt; er ist allerdings nicht frei darin, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Dabei hat das BVerfG ausdrücklich auf die Rechtslage von Grenzgängern abgestellt, die insoweit die Besonderheit aufweist, dass Arbeitnehmer, die im Inland beschäftigt sind, aber gleichzeitig im Ausland wohnen, wegen ihres Auslandswohnsitzes in Anbetracht der Regelung des § 30 Abs 1 SGB I von vornherein keinen unmittelbar auf die Vorschriften des AFG gestützten Leistungsanspruch erwerben könnten, obwohl sie trotz ihres Auslandswohnsitzes während ihrer Beschäftigung im Inland in die Arbeitslosenversicherung zwangsweise einbezogen sind, also auch Beiträge zu entrichten haben. Dies hat das BVerfG beanstandet und ausgeführt, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass das Wohnsitzprinzip zwar diesem Eingriff (Beitragserhebung) nicht entgegenstehe, territoriale Gründe aber dann (erstmals) gegen die Einlösung des mit Beiträgen für erworbenen Versicherungsschutzes ins Feld geführt würden. Auf diese Weise wären Grenzgänger von vornherein zu einem Wohnsitzwechsel ins Inland gezwungen, um einen Leistungsanspruch nach dem AFG überhaupt zu erwerben.
Ob diese Rechtsprechung auf den Fall übertragbar ist, dass ein Arbeitnehmer erst nach dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses im Inland freiwillig seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und erst dadurch seinen Anspruch gemäß § 30 Abs 1 SGB I verlieren würde, ist zweifelhaft. Allerdings bedarf es hierüber keiner Entscheidung. Denn ein Anspruch des Klägers scheitert bereits an § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG (hier idF, die die Vorschrift durch das AFRG erhalten hat). Danach steht der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung, wer das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Hinsichtlich dieser Voraussetzung hat der Verwaltungsrat der BA auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung in § 103 Abs 5 AFG in § 1 Satz 1 Aufenthaltsanordnung vom 3. Oktober 1979 (ANBA 1388) bestimmt, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen können muss. Mindestanforderung der Erreichbarkeit ist insoweit – wie auch nach § 119 Sozialgesetzbuch-Arbeitsförderung (SGB III) iVm der Erreichbarkeitsanordnung – die Mitteilung der richtigen Wohnanschrift des Arbeitslosen (BSG, Beschluss vom 25. März 2003 – B 7 AL 204/02 B –, unveröffentlicht; BSGE 88, 172, 175 = SozR 3-4300 § 119 Nr 3; BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 4 S 18 f). Nur so ist nämlich gesichert, dass dem Arbeitslosen Briefpost unmittelbar, dh ohne Verzögerung und ohne Einschaltung Dritter, zugehen kann (zu dieser Voraussetzung BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 22; SozR 3-4450 § 4 Nr 1).
Gerade diese Voraussetzung hat der Kläger jedoch vorliegend nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des LSG hat er vielmehr als Wohnsitz trotz seines Umzugs nach H.… B.… angegeben. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dies auch nicht unter Anwendung der Grundsätze über den sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (vgl dazu nur BSG SozR 3-4100 § 249c Nr 4 S 37 f; SozR 3-4100 § 110 Nr 2 S 9 ff) unschädlich. Der Kläger macht insoweit geltend, von der Beklagten vor der Stellung des Antrags auf Alg dadurch falsch beraten worden zu sein, dass man ihm mitgeteilt habe, bei einem Wohnsitz in Dänemark könne er kein Alg erhalten. Es kann dahinstehen, ob es sich hierbei überhaupt um eine Beratung oder eher um eine Auskunft gehandelt hat und ob diese tatsächlich – wie der Kläger meint – fehlerhaft war. Jedenfalls würde eine fehlerhafte Auskunft der Beklagten den Kläger nicht dazu berechtigen, der Beklagten gegenüber falsche Angaben über seinen Wohnsitz zu machen, um einen Alg-Anspruch, den er zu besitzen meint, einfacher realisieren zu können. Darüber hinaus entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass fehlende Verfügbarkeit im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ersetzt werden kann (BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36). Abgesehen von der fehlenden Verfügbarkeit wegen der falschen Angabe zum Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt würden sich Zweifel an der Verfügbarkeit ohnedies ergeben, weil der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht immer unter der angegebenen Adresse in B.… erreichbar war (vgl zur Verfügbarkeit des Arbeitslosen, wenn dieser nicht täglich erreichbar ist BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9).
Es bedarf deshalb letztlich auch keiner Entscheidung, ob der in der Literatur vertretenen Auffassung zu folgen ist, dass ein Arbeitsloser, der bei grenznahem ausländischen Wohnort für ein deutsches Arbeitsamt nicht schlechter erreichbar ist als ein Arbeitsloser mit Wohnsitz im Arbeitsamtsbezirk, unter verfassungskonformer Auslegung des § 30 Abs 1 SGB I bereits nach den Vorschriften des SGB III einen Anspruch auf Alg hat (Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37 RdNr 7 und 179; Steinmeyer in Gagel, SGB III, § 117 RdNr 25d, Stand August 2001). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob § 30 Abs 1 SGB I unter europarechtlichen Gesichtspunkten dahin auszulegen ist, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt danach bestimmt, zu welchem Ort oder Gebiet der Arbeitslose die engeren wirtschaftlichen Beziehungen unterhält (vgl dazu Bieback, SGb 1996, 400, 403; Mutschler, SGb 2000, 110, 116). Selbst wenn man § 30 Abs 1 SGB I in diesem Sinne auslegen würde, würde es gleichwohl an der Voraussetzung der Verfügbarkeit des Klägers mangeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Beklagte zwar im Revisionsverfahren – hinsichtlich eines von Anfang an beschränkten Streitgegenstands –, der Kläger jedoch auf Grund des bestandskräftigen Teils des Berufungsurteils teilweise Erfolg hatte.
Fundstellen
NWB 2003, 2303 |
FA 2003, 384 |
SozR 4-6050 Art. 71, Nr. 2 |
GuS 2003, 61 |