Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztlicher Notfalldienst. Sicherstellungsmaßnahme. Unkostenbeitrag. Unkostenumlage. Sonderabgabe. Beitrag. Gebühr. Kostendeckungsprinzip. Äquivalenzprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berechtigung der KÄV, von einer bestimmten Gruppe ihrer Mitglieder besondere Unkostenbeiträge (Sonderumlagen) zu erheben.

 

Orientierungssatz

1. Beiträge und Gebühren sind sogenannte Vorzugslasten, die als Entgelt für bestimmte Leistungen (besondere Vorteile) gefordert werden. Von Beiträgen spricht man, wenn das Entgelt unabhängig davon gefordert wird, ob die Vorteile der jeweiligen Einrichtung wirklich wahrgenommen werden, von Gebühren, wenn es sich um ein Entgelt für die Inanspruchnahme der Einrichtung handelt.

2. Nach dem Kostendeckungsprinzip darf das Gebühren- und Beitragsaufkommen die Aufwendungen in dem betreffenden Verwaltungszweig nicht dauernd übersteigen. Eine Verletzung dieses Prinzips wird angenommen, wenn von vornherein ein Überschuß angestrebt wird oder ein solcher tatsächlich dauernd entsteht. Nach dem Äquivalenzprinzip müssen die dem Abgabepflichtigen gewährten Leistungen (Vorteile) und die von ihm geforderte Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Aus dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit folgt, daß in die Gebührenbemessung keine sachfremden Maßstäbe eingehen dürfen, die sich nicht an dem Ausmaß der Benutzung orientieren.

3. Die Berechtigung und Verpflichtung des Kassenarztes an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen, erstreckt sich auch auf den Not- und Bereitschaftsdienst. Allerdings muß die KÄV auf Erfüllung der Verpflichtung nicht bestehen, wenn genügend Kassenärzte freiwillig teilnehmen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die nicht teilnehmenden Kassenärzte auch von den finanziellen Aufwendungen für diesen Dienst freizustellen wären. Bei Einrichtungen der KÄV, die der Gewährleistung und Verbesserung der Notfallversorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen dienen, handelt es sich um Maßnahmen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§ 368n Abs 7 RVO). Die finanziellen Aufwendungen für solche Maßnahmen sind grundsätzlich von allen Kassenärzten zu tragen, also auf diese nach dem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen. Eine Beschränkung der Umlage auf die am Notfalldienst teilnehmenden Kassenärzte ist nur in bezug auf solche Aufwendungen zulässig, die diesen Ärzten zum Vorteil gereichen.

 

Normenkette

RVO § 368m Abs 1 S 2 Nr 4 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs 7 Fassung: 1977-06-27

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 02.07.1986; Aktenzeichen L 7 Ka 9/85)

SG Berlin (Entscheidung vom 04.09.1985; Aktenzeichen S 71 Ka 7/85)

 

Tatbestand

Der als Kassenarzt zugelassene Kläger wendet sich dagegen, daß die Beklagte von seinem Honorar für Leistungen im Notfalldienst (NFD) im Jahre 1983 in Höhe von DM 76.498,97 einen Kostenbeitrag in Höhe von DM 6.565,-einbehielt. Am 9. Dezember 1982 hatte die Vertreterversammlung der Beklagten beschlossen, "von den im Ärztlichen Notfalldienst fahrenden Kassenärzten mit Wirkung ab 1. Januar 1983 einen Kosten-Beitrag in Höhe von DM 5,-- pro Besuch zu erheben".

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte aus folgenden Gründen zurück: Die Entscheidung ihrer Vertreterversammlung sei auf der Grundlage des § 368f Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ordnungsgemäß getroffen worden. Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) habe bei ihrer Haushaltsführung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Das bedeute den geringstmöglichen Einsatz der Mittel; andere zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten (Kassenzuschüsse, Privatversichertenpauschale, Beteiligung der Notfallärzte an den Fuhrkosten etc) müßten ausgeschöpft werden. Die Aufwendungen für den zentralen NFD hätten 1980 rd DM 2.540.000,--, 1981 rd DM 2.620.000,-- und 1982 rd DM 2.960.000,-- (für den fahrenden NFD rd DM 2.680.000,--) betragen. An Einnahmen (Krankenkassenzuschüsse und Privatbesuchspauschale) hätten 1980 rd DM 1.350.000,--, 1981 rd DM 1.400.000,-- und 1982 rd DM 1.570.000,-- erzielt werden können. Die an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte hätten deshalb unverhältnismäßig hohe Verwaltungskostenbeiträge für den NFD leisten müssen. Es sei ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, hier einen Ausgleich vorzunehmen. Die KÄV stelle die Notfallwagen, die Fahrer und die Funkeinrichtungen zur Verfügung und nehme den Notfallärzten jegliches wirtschaftliche Risiko ab. Im Gegensatz zum fahrenden Notfallarzt werde das Honorar des freipraktizierenden Arztes um etwa 50 vH durch Praxiskosten gemindert. Aus diesem Grunde sei eine Belastung der übrigen - am NFD nicht teilnehmenden - Ärzte mit Fuhrkosten in der bisherigen Größenordnung nicht mehr vertretbar. Bei dem Fuhrkostenbeitrag handele es sich nicht um ein Sonderopfer, sondern die fahrenden Ärzte nähmen die Organisation und wirtschaftliche Einrichtung der KÄV verstärkt in Anspruch.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten vom 6. August 1984 idF des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1984 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von DM 6.565,-- verurteilt. Nach seiner Ansicht sei die Vertreterversammlung der Beklagten nicht ermächtigt gewesen, einen Kostenbeitrag festzusetzen. Eine Ermächtigung ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung der Beklagten. Auf § 368f Abs 1 RVO und den dazu ergangenen satzungsrechtlichen Vorschriften - § 5 Abs 2 Buchst h der Satzung sowie § 9 der Regelung für die Honorarabrechnung, -prüfung und -verteilung, wonach die im ärztlichen NFD erbrachten Leistungen nach der jeweils geltenden Notdienstordnung und den entsprechenden Beschlüssen der Vertreterversammlung abzurechnen seien - könne sich die Beklagte nicht stützen, denn der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) habe dem Anspruch des Kassenarztes auf Vergütung seiner Leistungen nach dem Bewertungsmaßstab gerecht zu werden. Die einzige Ausnahme ergebe sich aus § 368f Abs 1 letzter Satz RVO. Der umstrittene Kostenbeitrag könne aber weder als Honorarbegrenzung verstanden werden, noch diene er dem Ziel, eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes zu verhindern. Es handele sich auch nicht um einen Mitgliedsbeitrag nach § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung, sondern um eine Benutzungsgebühr, zu deren Erhebung die Beklagte nicht befugt sei. Denn diese dürfe wie andere öffentliche Lasten nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung in einem festgelegten Tarif festgesetzt werden (das Berliner Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957 gelte entsprechend auch für die Beklagte). Unabhängig von der Frage, ob die Ermächtigung zum Erlaß einer Satzung ausreiche, um in den Katalog des § 5 Abs 2 der Satzung die Möglichkeit aufzunehmen, Benutzungsgebühren zu erheben, stehe jedenfalls fest, daß die zur Zeit geltende Satzung hierüber keine Regelung enthalte.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es bestätigt zwar die Auffassung des SG, daß der HVM keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Einbehaltung eines Fuhrkostenanteils vom Honorar des Klägers darstelle. Nach den Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den Krankenkassen beteiligten sich die Kassen an den Fuhrkosten des organisierten NFD mit einem festen Betrag je Einsatz des Notfallarztes. Damit sei die Wegepauschale abgegolten. Die von den Krankenkassen gezahlten Fuhrkosten würden für die Einrichtung des zentralen NFD verwendet, sie stünden also nicht den Ärzten zu. Sie seien ausdrücklich aus der Gesamtvergütung ausgeklammert.

Entgegen der Auffassung des SG entnimmt das LSG jedoch eine Rechtsgrundlage den Bestimmungen der RVO iVm der Satzung der Beklagten. Aus § 368n Abs 1, § 368 Abs 1 bis 3, § 368k Abs 1 und § 368n Abs 7 folge, daß die KÄV durchaus befugt sei, ihre Mitglieder zu den Aufwendungen für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung heranzuziehen. Ermächtigungsnorm dafür sei § 368m Abs 1 Satz 2 Nr 4 RVO iVm den die Aufgaben der KÄV regelnden Vorschriften (BSG 19. Dezember 1984 - 6 RKa 9/83 -). Danach müsse die Satzung Bestimmungen enthalten über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel. Die Satzung der Beklagten sehe in § 5 Abs 2 Buchst l vor, daß zu den Aufgaben der Vertreterversammlung die Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen gehöre. Die vom SG vertretene Rechtsauffassung, der Fuhrkostenanteil stelle rechtlich keinen Mitgliedsbeitrag dar, sondern eine Benutzungsgebühr, für deren Erhebung in der Satzung keine Regelung vorgesehen sei, teile der Senat nicht. Es sei zweifelhaft, ob die Satzung der Beklagten überhaupt die im allgemeinen Verwaltungsrecht herausgearbeitete begriffliche Unterscheidung zwischen Gebühren und Beiträgen streng nachvollziehe. Auch der von der Beklagten erhobene "normale" Mitgliedsbeitrag enthalte gebührenrechtliche Elemente (Beitrag nach der Höhe der Vergütung und damit abhängig von der Inanspruchnahme der Einrichtungen der Beklagten). Die andere Berechnungsart (fester Betrag pro Besuch) ändere nichts daran, den streitigen Fuhrkostenanteil als einen besonderen Mitgliedsbeitrag zu Lasten der im NFD tätigen Ärzte anzusehen, zu deren Festsetzung die Vertreterversammlung nach § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung befugt sei. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Grundrechte des Klägers, liege nicht vor. Die am NFD freiwillig teilnehmenden Ärzte bildeten innerhalb der KÄV eine durch gemeinsame Gegebenheiten und Interessen abgegrenzte besondere Gruppe. Der Grundsatz der Sachnähe (vgl BVerfGE 55, 274) rechtfertige es, sie zu einer Sonderabgabe heranzuziehen, um eine Finanzlücke im Bereich des NFD zu schließen. Dabei dürfe die Beklagte berücksichtigen, daß von den Einnahmen des Arztes im NFD keine Kosten für die Praxis abgingen. Auch eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (des Übermaßverbots) liege nicht vor. Die Erhebung des Beitrags für die Inanspruchnahme der Einrichtungen des NFD stehe in einem vernünftigen Verhältnis zu dem damit erstrebten Zweck, der Beseitigung einer Finanzlücke (vgl BSG 22. Januar 1986 - 8 RK 30/85 - = BSGE 59, 276). Den unterschiedlichen Berechnungen der Beteiligten über die Höhe des Defizits und dem Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe durch die Erhebung des Kostenbeitrags einen Gewinn in Höhe von mindestens DM 500.000,-- erzielt, müsse nicht nachgegangen werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit käme allenfalls in Betracht, wenn die geforderte Abgabe von vornherein als zusätzliche Einnahmequelle ausgestaltet worden oder wenn die Beklagte von sonstigen sachfremden Erwägungen ausgegangen wäre (BVerwGE 12, 162, 166; 13, 214, 225). Hierfür lägen Anhaltspunkte nicht vor.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Er beanstandet vor allem: Die Wertung des Kostenbeitrags als Mitgliedsbeitrag sei rechtsfehlerhaft. Es handele sich vielmehr um eine Benutzungsgebühr, die von der Inanspruchnahme des Fuhrparks abhängig sei. Für diese Gebühr gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Erhebung des Kostenbeitrags verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Aufwendungen seien von allen Mitgliedern der KÄV zu tragen. Die Finanzierungslücke dürfe nicht durch eine Sonderabgabe einer besonderen Gruppe geschlossen werden. Das Argument, die am NFD teilnehmenden Kassenärzte hätten keine Kosten für die Praxis aufzuwenden, sei unzutreffend. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei darin zu sehen, daß das LSG sein Vorbringen gegen die von der Beklagten behauptete Finanzlücke und zu den durch die Sonderabgabe erzielten Mehreinnahmen vom LSG nicht berücksichtigt worden sei. Die Frage der Verhältnismäßigkeit könne nur korrekt beurteilt werden, wenn die Finanzlücke auch der Höhe nach nachgewiesen sei. Das Berufungsurteil beruhe schließlich auf einer Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil seinen Anträgen auf weitere Sachaufklärung nicht entsprochen worden sei. Vor einer Entscheidung über die Angemessenheit der erhobenen Sonderabgabe sei durch Beweiserhebung festzustellen, welches Defizit im Haushaltsjahr durch den NFD allgemein, durch die Inanspruchnahme des Fuhrparks und durch Inanspruchnahme sonstiger Einrichtungen der KÄV besteht.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. Juli 1986 - L 7 Ka 9/85 - aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. September 1985 - S 71 Ka 7/85 - zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie verneint die vom Kläger behaupteten Rechtsverletzungen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als die Streitsache an das LSG zurückzuverweisen ist. Die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil reichen nicht aus, um über das Klagebegehren entscheiden zu können.

Die revisionsgerichtliche Prüfung hat davon auszugehen, daß der von der Vertreterversammlung der Beklagten am 9. Dezember 1982 beschlossene Kostenbeitrag, welcher von den am NFD teilnehmenden Kassenärzten erhoben wird, ein Mitgliedsbeitrag iS des § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung der Beklagten ist. Dies hat das LSG festgestellt, der Senat ist an diese Feststellung gebunden. Bei der hier in Frage stehenden Satzungsbestimmung handelt es sich um nichtrevisibles Recht, denn sie gilt nur im Bezirk des Berufungsgerichts (§ 162 SGG). Zwar müssen die Satzungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten (§ 368m Abs 1 Satz 2 Nr 4 RVO), diese müssen aber nicht den gleichen Inhalt haben. Es wird von den Beteiligten nicht behauptet, daß eine andere KÄV eine gleiche Regelung getroffen hat (zur Revisibilität solcher Vorschriften: BSGE 56, 45 = SozR 2100 § 70 SGB IV Nr 1; SozR 4100 § 117 AFG Nr 14). Die Entscheidung des LSG über den Inhalt des § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung ist deshalb für die Entscheidung des Senats maßgebend (§ 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung).

Insoweit ergibt sich eine Verletzung revisiblen Rechts auch nicht aus dem Einwand des Klägers, die vom LSG vorgenommene Wertung des Kostenbeitrags als Mitgliedsbeitrag sei rechtsfehlerhaft, vielmehr handele es sich um eine Benutzungsgebühr, die nicht auf § 5 Abs 2 Buchst l der Satzung gestützt werden könne und daher einer Rechtsgrundlage entbehre. Der Kläger geht dabei offenbar von einem verbindlichen bundesrechtlichen Gebührenbegriff aus. Einen solchen gibt es jedoch nicht (BVerwGE 22, 299, 305; 26, 305, 309; BVerwG DÖV 1973, 826). Beiträge und Gebühren sind sogenannte Vorzugslasten, die als Entgelt für bestimmte Leistungen (besondere Vorteile) gefordert werden. Von Beiträgen spricht man, wenn das Entgelt unabhängig davon gefordert wird, ob die Vorteile der jeweiligen Einrichtung wirklich wahrgenommen werden, von Gebühren, wenn es sich um ein Entgelt für die Inanspruchnahme der Einrichtung handelt (Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl, § 15 RdNrn 21 und 25; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, § 42 II a 2). Bundesrechtlich sind aber die Begriffe der Beiträge und Gebühren nicht so abschließend geregelt, daß den nachrangigen Normgebern für die Ausgestaltung im Einzelfall nicht ein beträchtlicher Spielraum verbliebe (BVerwGE 22, 299, 305). Der Satzungsgeber kann daher, soweit es die jeweilige gesetzliche Ermächtigung zuläßt, in einer Regelung über Vorzugslasten den Beitragsbegriff in einem weiteren Sinne verwenden und in diese Regelung auch Entgelte einbeziehen, die gebührenrechtliche Elemente enthalten.

§ 5 Abs 2 Buchst l der Satzung in der Auslegung durch das LSG verstößt nicht gegen Gesetzesrecht. Die KÄV ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Satzungsautonomie (§ 368k Abs 1, § 368m Abs 1 Satz 1 RVO). Ihr ist die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung übertragen (§ 368n Abs 1 RVO) und damit auch die Befugnis, die zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen Maßnahmen, insbesondere auch normative Regelungen, zu treffen. Hinsichtlich der Aufbringung der Mittel ist ihr ausdrücklich vorgeschrieben, Bestimmungen in ihre Satzung aufzunehmen (§ 368m Abs 1 Satz 2 Nr 4 RVO). Aus diesen Vorschriften ergibt sich nicht, daß die KÄV nur Beiträge im engeren Sinn erheben dürfte und alle Mitglieder nach einem einheitlichen Maßstab veranlagen müßte. Es ist ihr nicht verboten, die Höhe der Beitragsleistungen - Unkostenumlagen - nach den Vorteilen zu bestimmen, die ihre Mitglieder aus der Tätigkeit der Vereinigung haben (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 1. September 1986, § 368m Anm f S 17/1767). Mitglieder, die an erweiterten Aufgaben der KÄV teilnehmen (§ 368n Abs 2 Sätze 3 ff RVO), können zu Sonderbeiträgen herangezogen werden (Peters aaO S 17/1768). Es kann demgemäß auch nicht generell als unzulässig angesehen werden, Gegenleistungen für die Inanspruchnahme besonderer Einrichtungen der KÄV zu verlangen. Dem § 368m Abs 1 Satz 2 Nr 4 RVO ist Genüge getan, wenn die Satzung die grundlegenden Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthält und die betragsmäßige Festsetzung der Unkostenumlagen einer anderen normativen Regelung der Vertreterversammlung überläßt (Peters aaO; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: November 1986, § 368m RVO Anm 1 am Ende; vgl § 33 Abs 1 SGB IV).

Der den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zugrundeliegende Beschluß der Vertreterversammlung wird jedoch vom Kläger mit weiteren Einwendungen angegriffen, die seine Vereinbarkeit mit revisiblem Recht in Frage stellen. Im Zusammenhang mit der Rüge, die Erhebung des Kostenbeitrags verletzte den Gleichbehandlungsgrundsatz, macht der Kläger geltend, daß die für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Aufwendungen von allen Mitgliedern der KÄV zu tragen seien und auch die Finanzierungslücke im NFD nicht durch eine Sonderabgabe der am NFD teilnehmenden Ärzte geschlossen werden dürfe; keinesfalls dürfe die Sonderabgabe, wie im vorliegenden Fall, zu "Mehreinnahmen" führen. Mit diesem Vorbringen werden allgemeine Grundsätze des Beitrags- und Gebührenrechts angesprochen, die durch die gesetzliche Ausgestaltung des Kassenarztrechts für das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihren Mitgliedern besondere Geltung erlangt haben.

Im Schrifttum werden als Grundsätze für die Gebührenerhebung das Kostendeckungsprinzip, das Äquivalenzprinzip und das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit, die beiden ersten Prinzipien auch für die Beitragserhebung genannt (Achterberg aaO § 15 RdNrn 24 und 25; Wolff/Bachof aaO). Nach dem Kostendeckungsprinzip darf das Gebühren- und Beitragsaufkommen die Aufwendungen in dem betreffenden Verwaltungszweig nicht dauernd übersteigen. Eine Verletzung dieses Prinzips wird angenommen, wenn von vornherein ein Überschuß angestrebt wird oder ein solcher tatsächlich dauernd entsteht (Achterberg aaO RdNr 24 mwH). Nach dem Äquivalenzprinzip müssen die dem Abgabepflichtigen gewährten Leistungen (Vorteile) und die von ihm geforderte Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (Achterberg aaO mwH). Aus dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit folgt, daß in die Gebührenbemessung keine sachfremden Maßstäbe eingehen dürfen, die sich nicht an dem Ausmaß der Benutzung orientieren (Achterberg aaO mwH). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die allgemeine Geltung des Kostendeckungsprinzips verneint, aber die Geltung für den Fall bejaht, daß seine Einhaltung für bestimmte Gebühren gesetzlich festgelegt ist (BVerwGE 2, 246, 251; 12, 162, 167; 26, 305, 314). Dem Äquivalenzprinzip hat es als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allgemeine Geltung zuerkannt (BVerwGE 12, 162, 169; 22, 299, 305; BVerwG DÖV 1973, 826). Im Anschluß an BVerfGE 20, 257, 270 hat es entschieden, daß angefochtene Gebührenbescheide aufzuheben sind, wenn das Äquivalenzprinzip gröblich verletzt ist, dh, wenn zwischen Gebühr und öffentlicher Leistung ein Mißverhältnis besteht (BVerwGE 26, 305, 308 f). Aus dem Äquivalenzprinzip wird ferner gefolgert, daß eine Gebühr auch keine Nebenwirkung haben darf, die über den Zweck der Gebührenerhebung hinausgeht, zB die Wirkung, von der Beantragung bestimmter Amtshandlungen abzuschrecken (BVerwGE 12, 162, 170).

Diese Grundsätze haben in der kassenärztlichen Versorgung durch das gesetzliche Kassenarztrecht besondere Geltung erlangt. Die KÄV erfüllt die ihr übertragene Aufgabe, die ärztliche Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen sicherzustellen (§ 368n Abs 1 RVO) im wesentlichen durch die Kassenärzte, die ihre Mitglieder sind (§ 368k Abs 1 iVm § 368 Abs 1, § 368a Abs 1, Abs 4 Halbsatz 1 RVO). Die Kassenärzte einschließlich der beteiligten und ermächtigten Ärzte sind alle zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet (§ 368a Abs 1, Abs 4 Halbsatz 1 und Abs 8 RVO, § 18 BMV-Ärzte). Daraus folgt zum einen, was ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist, daß die KÄV die Gesamtvergütungen, die sie von den Krankenkassen für die gesamte kassenärztliche Versorgung erhält, unter die Kassenärzte nach einem einheitlich geltenden Maßstab zu verteilen hat (§ 368f Abs 1 RVO), und zum anderen, daß ihre eigenen Aufwendungen - hier kommen vor allem ihre Verwaltungskosten und ihre Aufwendungen für die besonderen Sicherstellungsmaßnahmen gemäß § 368n Abs 7 RVO in Betracht - grundsätzlich auf alle Kassenärzte nach einem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen sind. Das bedeutet erstens, daß die KÄV die gesamten Vergütungen, die sie von den Krankenkassen erhält, an die Kassenärzte und, soweit Ausnahmeregelungen gelten (zB § 368f Abs 5, § 368n Abs 2 Sätze 3 ff, Abs 3 und Abs 6 RVO), an andere Leistungserbringer weiterzugeben hat. Es bedeutet zweitens, daß die KÄV ihrerseits von ihren Mitgliedern Finanzmittel (Beiträge, Umlagen und dergleichen) nur insoweit fordern darf, als sie diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt (Kostendeckungsprinzip). Schließlich ergibt sich drittens, daß eine Sonderabgabe, die die KÄV lediglich von einem Teil ihrer Mitglieder erhebt, einer besonderen Rechtfertigung bedarf und nur in dem dadurch abgesteckten Rahmen zulässig ist. In Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung aller Kassenärzte, die notwendigen Aufwendungen der KÄV anteilig zu tragen, muß eine auf eine Gruppe von Kassenärzten beschränkte und mit der Gewährung von Vorteilen begründete Sonderabgabe dem Äquivalenzprinzip in besonderer Weise entsprechen. Die Grenzen für eine solche Sonderabgabe ergeben sich nicht erst aus dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit, der dem Normgeber einen relativ großen Regelungsspielraum beläßt, sondern bereits aus der gesetzlichen Ausgestaltung des kassenärztlichen Versorgungssystems, die den Regelungsspielraum der KÄV konkretisiert und damit einengt.

Ein ausreichender Not- und Bereitschaftsdienst, um dessen Kosten es im vorliegenden Fall geht, ist eine allgemeine Aufgabe der KÄV (§ 368 Abs 3 RVO). Wird ein solcher Dienst, weil nicht anderweitig bereitgestellt, von der KÄV eingerichtet, so erstreckt sich die Berechtigung und Verpflichtung des Kassenarztes, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen, auch auf diesen Dienst. Allerdings muß die KÄV auf Erfüllung der Verpflichtung nicht bestehen, wenn genügend Kassenärzte freiwillig teilnehmen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die nicht teilnehmenden Kassenärzte auch von den finanziellen Aufwendungen für diesen Dienst freizustellen wären. Bei Einrichtungen der KÄV, die der Gewährleistung und Verbesserung der Notfallversorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen dienen, handelt es sich um Maßnahmen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§ 368n Abs 7 RVO; vgl auch Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines KVWG, BT-Drucks 7/3336 S 42). Die finanziellen Aufwendungen für solche Maßnahmen sind grundsätzlich von allen Kassenärzten zu tragen, also auf diese nach dem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen. Eine Beschränkung der Umlage auf die am NFD teilnehmenden Kassenärzte ist nur in bezug auf solche Aufwendungen zulässig, die diesen Ärzten zum Vorteil gereichen.

Die Rechtmäßigkeit des umstrittenen Sonderbeitrags ist demnach davon abhängig, ob den abgabepflichtigen Kassenärzten generell aus der Teilnahme am NFD besondere Vorteile erwachsen und ob diese auf Aufwendungen beruhen, die zu der von der Beklagten behaupteten Finanzlücke geführt haben. Eine solche Gegenüberstellung ist weder dem Berufungsurteil noch den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zu entnehmen. Das LSG hat eine Sachaufklärung in dieser Richtung nicht für erforderlich gehalten, weil keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß die geforderte Abgabe von vornherein als zusätzliche Einnahmequelle ausgestaltet worden oder die Beklagte von sonstigen sachfremden Erwägungen ausgegangen sei. Diese Begründung reicht jedoch nach der oben dargelegten Rechtsauffassung des Senats zur Rechtfertigung des Sonderbeitrags nicht aus. Auch die im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebene, von der Beklagten errechnete Finanzlücke im Bereich des (gesamten) NFD in den Jahren 1980 bis 1982 und des fahrenden NFD im Jahre 1982 genügt hierfür nicht.

Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß allen Aufwendungen der Beklagten für den NFD dadurch bedingte Vorteile der zur Abgabe herangezogenen Kassenärzte gegenüberstehen. Es sind Aufwendungen denkbar, durch die vor allem eine bessere Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen erreicht werden soll (zB Aufwendungen für Einrichtungen, die eine schnellere Versorgung des Notfalls ermöglichen). Nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen ist auch nicht auszuschließen, daß der zentrale NFD der Beklagten zum Teil Aufgaben erfüllt, die den Trägern des Rettungsdienstes obliegen (vgl Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über das Rettungswesen vom 27. April 1973 mit einem Muster für ein Ländergesetz über den Rettungsdienst, BT-Drucks 7/489). Der allgemeine Rettungsdienst kommt nicht nur den Versicherten, sondern der gesamten Bevölkerung zugute. Übernimmt die KÄV Aufgaben des Rettungsdienstes (zB Rettungsdiensteinsätze mit Notarztwagen), so hat sie - durch Vereinbarungen mit den Trägern des Rettungsdienstes - für eine Kostenbeteiligung zu sorgen. Aufwendungen für den Bevölkerungsteil, der nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehört, dürfen jedenfalls nicht zu einer stärkeren finanziellen Belastung der Kassenärzte führen. Ausreichende Feststellungen fehlen ebenso hinsichtlich der Vorteile, die die Gruppe der betroffenen Kassenärzte von den Einrichtungen des NFD hat. Die Einsparung an Fahrkosten läßt einen Vorteil fraglich erscheinen, denn die Fahrkosten werden den selbstfahrenden Kassenärzten vergütet (Wegepauschale), während die Kassenärzte, die im NFD gefahren werden, diese Vergütung nicht erhalten. Dem Einwand der Beklagten, im Gegensatz zum fahrenden Notfallarzt werde das Honorar des freipraktizierenden Arztes um etwa 50 vH durch Praxiskosten gemindert, ist entgegenzuhalten, daß auch die am NFD teilnehmenden Kassenärzte in der Regel eine Praxis unterhalten (§ 24 Abs 2 Satz 1 der Zulassungsordnung für Kassenärzte). Einen Vorteil haben diese Ärzte jedoch insoweit, als die für die Notfallbehandlung erforderlichen Geräte und Mittel von der KÄV zur Verfügung gestellt werden. Da nur diejenigen Aufwendungen der Beklagten, die den am NFD teilnehmenden Kassenärzten Vorteile bringen, bei der Festsetzung des auf diese Arztgruppe beschränkten Kostenbeitrags berücksichtigt werden dürfen, ist eine entsprechende Aufteilung innerhalb der für den NFD anfallenden Kosten vorzunehmen (zur Notwendigkeit, die Kosten der Verwaltungseinrichtung eines Kassenverbandes bei unterschiedlicher Benutzung durch die Mitgliedskassen zu trennen: BSG 9. Dezember 1986 - 8 RK 25/85 -).

Wenn es auch naheliegend erscheinen mag, daß ein Kostenbeitrag von DM 5,-- pro Besuch den Vorteilen entspricht, die die am NFD teilnehmenden Kassenärzte durch Aufwendungen der KÄV für den NFD erlangen, so kann insoweit doch nicht auf tatsächliche Feststellungen verzichtet werden, zumal die Aufwendungen der KÄV hinsichtlich ihrer Höhe und ihres Verwendungszwecks umstritten sind. In Anbetracht der den Senat bindenden Auslegung des nichtrevisiblen Rechts durch das LSG ist nicht zu entscheiden, ob dem Umstand, daß die KÄV für die ärztlichen Leistungen im NFD Sachkosten übernimmt - zB durch die Bereitstellung der erforderlichen medizinischen Geräte und therapeutischen Mittel -, auch durch eine Sonderregelung im HVM Rechnung getragen werden könnte.

Dem LSG, das nun erneut über die Klage zu befinden hat, wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1663034

NJW 1988, 2972

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