Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts durch ein Leibgedinge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Leibgedinge, das den notwendigen Lebensunterhalt des Versorgungsberechtigten deckt, stellt ihn auch dann sicher, wenn sein in Geld umgerechneter Wert die Einkommensgrenzen des BVG § 33 Abs 1 nicht erreicht.

2. Umfaßt der Verfügungssatz eines Bescheides lediglich die Zuerkennung der Ausgleichsrente, so kann der Versorgungsberechtigte daraus, daß das Versorgungsamt Ausführungen über die Sicherung des Lebensunterhalts durch das Leibgedinge nicht mehr gemacht, sondern den Geldwert des Leibgedinges als sonstiges auf die Freigrenze anrechenbares Einkommen angesehen hat, keine der Bindung fähige Regelung dahin ableiten, daß sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei.

 

Normenkette

BVG § 32 Abs. 1 Fassung: 1957-07-01, § 33 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1956-06-06; KOVVfG § 24 Fassung: 1955-05-02; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 20. Februar 1959 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der am 28. Februar 1889 geborene Kläger bezog wegen einer im ersten Weltkrieg erlittenen Verletzung - Schrägdurchschuß durch das linke Becken, Lähmung des linken Beines und Stauungen verschiedener Venenbezirke infolge der Narben - Rente nach dem Reichsversorgungsgesetz (RVG) und dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. Im Jahre 1945 übergab er seinen im bayerischen Voralpenland gelegenen, 62 Tagewerke großen Hof im Einheitswert von 15.816 DM an den erstehelichen Sohn seiner im Jahre 1949 verstorbenen Ehefrau und schloß mit diesem einen Hofübergabevertrag, wonach er u.a. Anspruch auf freie Wohnung auf dem Hof, Brennmaterial, Licht, Verpflegung, Kleidung, Pflege bei Krankheit und im Alter, ärztliche Behandlung und Heilmittel, die erforderlichen Dienstleistungen des täglichen Lebens sowie ein wöchentliches Taschengeld von 3,-- DM und verschiedene Naturalien hat.

Durch Bescheid vom 13. Juni 1952 wurde die nach den bisherigen Vorschriften gewährte Rente unter Beibehaltung der anerkannten Schädigungsfolgen und der bisherigen MdE nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) umanerkannt und dem Kläger Grundrente gewährt; dagegen wurde Ausgleichsrente nicht gewährt, da der Lebensunterhalt als sichergestellt anzusehen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 1952 mit dem Antrag, ihm vom 1. Oktober 1950 an Ausgleichsrente zu gewähren, Berufung nach altem Recht beim Oberversicherungsamt (OVA) M... eingelegt, die am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG) München übergegangen ist. Mit Urteil vom 25. Mai 1954 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, das unbestritten erbrachte Leibgedinge stelle den Lebensunterhalt des Klägers in ausreichender Weise sicher.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 17. Juli 1954 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) München eingelegt und wiederum die Gewährung der Ausgleichsrente vom 1. Oktober 1950 an begehrt.

Bereits am 1. Juni 1954, also schon vor Einlegung der Berufung, hatte er beim Versorgungsamt (VersorgA) Rentenerhöhung wegen Leidensverschlimmerung beantragt. Mit Bescheid vom 25. November 1954 stellte daraufhin das VersorgA die Versorgungsbezüge des Klägers wegen wesentlicher Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen neu fest und gewährte ihm Grundrente nach einer MdE um nunmehr 80 v.H.; Ausgleichsrente wurde auch jetzt nicht zuerkannt, da der Lebensunterhalt als sichergestellt anzusehen sei. Gegen diesen am 23. Dezember 1954 abgesandten Bescheid legte der Kläger am 17. Januar 1955 Widerspruch ein, mit dem er den Wert des Leibgedinges mit 67,-- DM bezifferte und geltend machte, durch dieses sonstige anrechnungsfähige Einkommen sei sein Lebensunterhalt nicht sichergestellt. Am 3. März 1955 erließ das VersorgA München einen Abhilfebescheid, durch den dem Kläger unter Anrechnung eines sonstigen Einkommens von 67,-- DM Ausgleichsrente gewährt wurde; zu der Frage, ob der Lebensunterhalt auf sonstige Weise gesichert sei, nahm es in diesem Bescheid nicht Stellung. Die Versorgungsbezüge des Klägers wurden durch den weiteren Bescheid vom 8. November 1956 nach der Fünften Novelle zum BVG neu festgestellt; auch in diesem Bescheid wurde die Ausgleichsrente weitergewährt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1957 zurück.

Durch Bescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse Oberbayern vom 13. Januar 1958 wurde dem Kläger ein Altersgeld nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in Höhe von 40,-- DM vom 1. Oktober 1957 an gewährt. Daraufhin entzog das VersorgA dem Kläger durch Bescheid vom 11. März 1958 mit Wirkung vom 1. November 1957 an die Ausgleichsrente und teilte ohne Begründung mit, sein Lebensunterhalt sei vom 1. November 1957 an auf andere Weise sichergestellt, so daß ihm Ausgleichsrente nach dem BVG nicht mehr zustehe.

Unter Hinweis auf den Abhilfebescheid des VersorgA vom 3. März 1955 hat der Kläger vor dem LSG nunmehr beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm vom 1. Oktober 1950 an bis 31. Mai 1954 und vom 1. November 1957 an Ausgleichsrente zu gewähren. Mit Urteil vom 20. Februar 1959 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt die Berufung sei zwar zulässig, da nicht die Berechnung der Ausgleichsrente, sondern die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts streitig sei. Ein Anspruch des Klägers auf Ausgleichsrente sei indes nicht gegeben, da sein Lebensunterhalt durch das Leibgedinge aus dem Hofübergabevertrag gesichert sei. Dem stehe nicht entgegen, daß das VersorgA zwischenzeitlich Ausgleichsrente bewilligt habe. Denn diese Ausgleichsrente sei dem Kläger mit Recht wieder entzogen worden, nachdem sich in den für die Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen durch die Gewährung des Altersgeldes eine wesentliche Änderung ergeben habe. Das VersorgA habe auch sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichsrente nochmals nachprüfen dürfen.

Gegen dieses, ihm am 11. März 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. März 1959 Revision eingelegt; er beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Februar 1959 und des Urteils des Sozialgerichts München vom 25. Mai 1954 sowie der Bescheide des Beklagten vom 13. Juni 1952 und 11. März 1958 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Oktober 1950 an bis zum 31. Mai 1954 unter Anrechnung eines sonstigen Einkommens von 67,-- DM und vom 1. November 1957 an bis 31. Mai 1960 unter Anrechnung eines solchen von 107,-- DM Ausgleichsrente zu gewähren,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische. Landessozialgericht zurückzuverweisen.

In seiner am 16. April 1959 eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 32 und 33 BVG, eine Verletzung der Grundsätze über die bindende Wirkung bescheidsmäßiger Anerkenntnisse sowie mangelnde Sachaufklärung (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und Überschreitung der Grenzen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 SGG) dadurch, daß das LSG der Behauptung des Klägers nicht nachgegangen sei, das Leibgedinge werde von dem Hofübernehmer nicht mehr vollständig erbracht. Er vertritt mit der Revision wiederum die Ansicht, das Leibgedinge sichere seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend. Das ergebe sich auch aus dem Bescheid des VersorgA vom 3. März 1955, durch welchen der Anspruch auf Ausgleichsrente anerkannt worden sei. Das VersorgA habe auch nicht durch den Bescheid vom 11. März 1958 die Ausgleichsrente vollständig entziehen dürfen; denn es habe in dem Bescheid vom 3. März 1955 das sonstige Einkommen des Klägers aus dem Leibgedinge mit 67,-- DM festgestellt und sei an dieses Anerkenntnis gebunden mit der Folge, daß zwar weiteres Einkommen wie das Altersgeld bei der Berechnung der Ausgleichsrente berücksichtigt werden dürfe, dagegen eine völlige Neuprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen und damit die getroffene Feststellung, daß der Lebensunterhalt des Klägers wieder auf andere Weise sichergestellt sei, unzulässig gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er schließt sich im wesentlichen den Gründen des angefochtenen Urteils an.

Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist mithin zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Der Zulässigkeit der Berufung, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) von Amts wegen nachzuprüfen ist (vgl. u.a. BSG 2, 225; 3, 124; 4, 70), und damit einer Sachentscheidung des LSG stand nicht entgegen, daß Gegenstand des Rechtsstreits ein Anspruch auf Gewährung von Ausgleichsrente war. Wie der Senat schon wiederholt entschieden hat, ist die Berufung nach § 148 Nr. 4 SGG nur bei Streitigkeiten über die Berechnung, nicht aber auch bei solchen über den Grund der Ausgleichsrente ausgeschlossen (BSG 3, 124; 4, 70).

Da der Kläger infolge seines Alters und seines Gesundheitszustandes eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann, erhält er gemäß § 32 Abs. 1 BVG in den bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) gültigen Fassungen als Schwerbeschädigter (§ 29 Abs. 2 BVG) eine Ausgleichsrente dann, wenn sein Lebensunterhalt nicht auf andere Weise sichergestellt ist. Lebensunterhalt im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BSG 3, 124; 6, 126; vgl. auch 4, 70) der notwendige Lebensunterhalt, zu dem insbesondere die Aufwendungen für Nahrung, Wohnung, Bekleidung, Beschaffung von Gebrauchsgegenständen, ärztliche Behandlung, besondere Aufwendungen infolge der Schädigung sowie sonstige Ausgaben des täglichen Lebens gehören. Dieser notwendige Lebensunterhalt ist bei dem Kläger jedoch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sichergestellt; denn er hat nach dem Hofübergabevertrag vom 15. November 1945 gegenüber dem Hofübernehmer, dem erstehelichen Sohn seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau, u.a. Anspruch auf freie Wohnung auf dem Hof, Brennmaterial, Licht, Verpflegung, Kleidung, Pflege bei Krankheit und im Alter, ärztliche Behandlung und Heilmittel, die erforderlichen Dienstleistungen des täglichen Lebens sowie ein wöchentliches Taschengeld von 3,-- DM und auf die im Vertrag unter Ziffer VIII 4 c) näher bestimmten Naturalien. Dabei ist, wie der Senat bereits früher entschieden hat, ohne Bedeutung, welchen Wert das Leibgedinge des Klägers hat und ob der Wert desselben die Einkommensgrenze des § 33 Abs. 1 BVG erreicht. Die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts im Sinne des § 32 BVG ist vielmehr selbständig und ohne Berücksichtigung der Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG zu prüfen, da die Einkommensgrenzen, wie sich schon aus ihrer Staffelung ergibt, nicht den notwendigen Lebensunterhalt berücksichtigen, sondern den Arbeitswillen anerkennen, welchen der schwerer Beschädigte trotz der Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit aufweist (vgl. BSG 6, 126).

Angesichts der sonstigen, im Hofübergabevertrag festgelegten Leistungen an den Kläger kann es auch dahinstehen, ob dieser die Naturalien gemäß Ziffer VIII 4 c) des Hofübergabevertrages tatsächlich erhält oder ob er, wie er mit seiner insoweit eine mangelnde Sachaufklärung und eine Überschreitung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung rügenden Revision erneut behauptet, diese nur zur Hälfte und auch diese Hälfte angesichts der behaupteten Ertragslage des Hofes nicht regelmäßig erhält. Denn selbst wenn man die Richtigkeit dieser Behauptungen unterstellt, muß der Lebensunterhalt des Klägers als gesichert angesehen werden. Die übrigen Leistungen des Leibgedinges, die nach den insoweit nicht angegriffenen und daher gemäß § 163 SGG bindenden, im übrigen vom Kläger auch nie bestrittenen Feststellungen des LSG regelmäßig erbracht werden, sichern den notwendigen Lebensunterhalt des Klägers in ausreichendem Maße. Die Naturalleistungen, die der Kläger angesichts freier Beköstigung durch den Hofübernehmer zu seiner eigenen Verpflegung nicht benötigt, sind offenbar zum Verkauf und damit zur Erzielung weiterer, über das wöchentliche Taschengeld hinausgehender Bareinnahmen bestimmt. Diese zusätzlichen Bareinnahmen sind aber zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nicht erforderlich, da dieser durch die übrigen Leistungen bereits gesichert ist. Ein Recht des Klägers auf Ausgleichsrente besteht daher jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes nicht.

Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte dem Kläger durch den Abhilfebescheid vom 3. März 1955 bereits einmal Ausgleichsrente vom 1. Juni 1954 an gewährt hat, obwohl nach den vorstehenden Darlegungen ein Anspruch des Klägers hierauf nicht bestanden hat; sie ist dem Kläger durch den Neufeststellungsbescheid vom 11. März 1958 mit Wirkung ab 1. November 1957 an auch wieder entzogen worden. Dieser Neufeststellungsbescheid, der gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist (vgl. BSG 4, 24; 5, 13 und 158; 11, 146; BSG SozR SGG § 96 Bl. Da 4 Nr. 12), ist auch zu Recht ergangen. Denn dem Kläger ist durch Bescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse O... vom 13. Januar 1958 nach dem GAL ein Altersgeld von monatlich 40,-- DM zuerkannt worden. Die hierdurch eingetretene Änderung der für die frühere Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse, nämlich die Änderung des die Höhe der Ausgleichsrente bestimmenden sonstigen Einkommens des Klägers (§ 33. Abs. 1 BVG), berechtigte den Beklagten, gemäß § 62 Abs. 1 BVG die Ausgleichsrente des Klägers neu festzustellen. Der Beklagte war insoweit auch nicht; wie die Revision meint, gehindert, den Anspruch des Klägers auf Ausgleichsrente in vollem Umfang nachzuprüfen und dabei festzustellen, daß der Lebensunterhalt im Sinne des § 32 Abs. 1 BVG gesichert sei, obwohl das sonstige Einkommen, das nunmehr aus dem Wert des Leibgedinges und dem Altersgeld nach dem GAL bestand, die Einkommensgrenze des § 33 Abs. 1 BVG ziffernmäßig nicht erreichte. Die Auffassung der Revision hätte nur dann Erfolg haben können, wenn die in dem die Ausgleichsrente gewährenden Bescheid vom 3. März 1955 stillschweigend enthaltene Feststellung, daß das VersorgA den Lebensunterhalt des Klägers im damaligen Zeitpunkt als nicht mehr gesichert ansehe, von der Bindungswirkung der §§ 77 SGG, 24 VerwVG umfaßt und diese Bindung durch die Möglichkeit der Neufeststellung der Ausgleichsrente nach § 62 Abs. 1 BVG nicht beseitigt worden wäre. Das trifft aber nicht zu.

Der Umfang der Bindung ist zwar in den gleichlautenden Vorschriften der §§ 24 VerwVG, 77 SGG nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus der Rechtsnatur des Verwaltungsakts. Sein Wesen wird dadurch geprägt, daß er ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis gestaltet bzw. regelt. Daraus folgt, daß seine rechtsgestaltende Kraft und damit auch seine Bindung nur soweit reicht, wie eine Regelung in ihm getroffen ist. Die Bindung umfaßt daher nur den entscheidenden Teil des Verwaltungsakts, den sogenannten Verfügungssatz, nicht aber auch etwaige weitere, der Begründung dieses Verfügungssatzes dienende Ausführungen in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung, wie sie durch § 22 VerwVG für den Versorgungsbescheid gesetzlich vorgeschrieben sind. Diese können allenfalls dann Bedeutung erlangen, wenn der Verfügungssatz - wie etwa im Falle einer Ablehnung eines Antrags - aus sich heraus nicht verständlich ist, so daß eine erläuternde Heranziehung der Begründung zur genauen Bestimmung oder Abgrenzung des Inhalts der getroffenen Regelung erforderlich ist; bindend wird aber auch in solchen Fällen stets nur der Verfügungssatz selbst, so wie er sich durch die Begründung erläutert darstellt (BSG 6, 288; 10, 167; Mellwitz SGG § 77 Anm. 8; Haueisen, NJW 59, 698; vgl. auch Rechtsprechung und Schrifttum zu der der Bindung entsprechenden Rechtskraft von Urteilen, insbesondere BSG 9, 17; BSG SozR SGG § 141 Bl. Da 5 Nr. 8; Peters/Sautter/Wolff, SGG § 141 Anm. 3 b, bb; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 752; Stein/Jonas/Schönke, ZPO § 322 Anm. V).

Die in dem Bescheid vom 3. März 1955 nicht einmal ausdrücklich, sondern allenfalls stillschweigend enthaltene Feststellung, daß der Lebensunterhalt des Klägers nunmehr als nicht mehr gesichert angesehen werde, ist aber ausschließlich der Begründung des Bescheides zuzuordnen und nimmt daher an der Bindung desselben nicht teil. Zwar lassen sich bei dem Verwaltungsakt oftmals Verfügungssatz und Begründung nicht so klar trennen, wie etwa bei dem gerichtlichen Urteil, so daß zunächst ermittelt werden muß, was Inhalt des Verfügungssatzes ist und welche Ausführungen der Begründung zuzuordnen sind (vgl. Haueisen aaO; Schlegel, Der Versorgungsbeamte, 1959, 35). Im vorliegenden Falle ergibt sich aus dem Bescheid jedoch völlig eindeutig, daß Inhalt der in ihm getroffenen Regelung ausschließlich die Zuerkennung der Ausgleichsrente war, nicht aber, daß das VersorgA hiermit auch eine abschließende, für alle Zukunft verbindliche Regelung dahin treffen wollte, daß das Leibgedinge des Klägers, wie es in dem Vertrag vom 15. November 1945 festgelegt ist, zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr ausreiche. Umfaßt demnach der Verfügungssatz lediglich die Zuerkennung der Ausgleichsrente, so kann der Kläger daraus, daß das VersorgA in dem Bescheid vom 3. März 1955 Ausführungen über die Sicherung des Lebensunterhalts durch das Leibgedinge nicht mehr gemacht, sondern den Wert des Leibgedinges als sonstiges, auf die Freigrenze anrechenbares Einkommen angesehen hat, keine der Bindung fähige Regelung dahin ableiten, daß sein Lebensunterhalt nicht mehr gesichert sei. Die Bindung hinsichtlich der Zuerkennung der Ausgleichsrente wird aber durch die infolge Gewährung des Altersgeldes nach dem GAL bedingte wesentliche Änderung der Verhältnisse und die dadurch gemäß § 62 Abs. 1 BVG eingetretene Notwendigkeit, die Ausgleichsrente des Klägers neu festzustellen, durchbrochen. Der Beklagte war hiernach nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsrente neu zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung durfte er sich auch nicht nur auf eine Neuberechnung der Ausgleichsrente beschränken, sondern mußte den gesamten. Anspruch hinsichtlich all seiner rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, also auch hinsichtlich der Frage, ob der Lebensunterhalt des Klägers auf andere Weise gesichert sei, neu überprüfen (BSG SozR BVG § 33 Bl. Ca 5 Nr. 14). Die dabei getroffene Feststellung, daß der Lebensunterhalt des Klägers im Sinne des § 32 Abs. 1 BVG durch das Leibgedinge als in sonstiger Weise gesichert anzusehen sei, entspricht, wie bereits dargelegt, der Sach- und Rechtslage und war mit Erfolg nicht zu beanstanden.

Der Revision mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1917234

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