Leitsatz (amtlich)
Zur Heranziehung von Tarifverträgen für die qualitative Bewertung einer Verweisungstätigkeit.
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 11.09.1980; Aktenzeichen VI JBf 27/80) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 10.01.1980; Aktenzeichen 15 J 784/77) |
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente).
Der im Jahre 1925 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben war er in seiner Heimat seit 1947 als Dreher beschäftigt. In diesem Beruf legte er im Jahre 1964 die Prüfung der Fachausbildungsstufe "hochqualifizierter Facharbeiter" ab. Seit August 1968 war er in der Bundesrepublik Deutschland in einem Unternehmen der Fördertechnik zunächst als Bohrer, später als Fräser und schließlich als Dreher an verschiedenen Arbeitsplätzen ("Springer") beschäftigt. Seit dem 28. Juni 1977 war er arbeitsunfähig. Sein Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31. Januar 1979. Seither bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe.
Seinen Antrag vom 26. März 1976 auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 1977 ab. Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat nach weiterer Sachaufklärung ua durch Einholung ärztlicher Befundberichte und Gutachten die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Januar 1980). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat in der mündlichen Verhandlung am 11. September 1980 Beweis erhoben durch Vernehmung eines Facharztes für Orthopädie als medizinischen Sachverständigen und einer Beamtin des Arbeitsamts Hamburg als berufskundige Sachverständige. Sodann hat es die Berufung des Klägers, mit welcher er die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von BU-Rente nur noch ab 1. Februar 1979 begehrt hat, zurückgewiesen (Urteil vom 11. September 1980) und zur Begründung ausgeführt:
Der Kläger sei nicht berufsunfähig. Jedenfalls aufgrund dessen, daß er zuletzt drei Jahre lang als Dreher gearbeitet habe, sei er unter Berücksichtigung seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit in der Metallverarbeitung als Facharbeiter einzustufen, auch wenn er zwischenzeitlich zu weniger qualifizierten Arbeiten als Fräser oder Hobler eingesetzt worden sei. Als Dreher könne der Kläger wegen der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mehr arbeiten. Er müsse sich aber auf andere Tätigkeiten verweisen lassen. Nach seinem körperlichen Leistungsvermögen könne er nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken sowie ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und mit der Möglichkeit eines etwa stündlichen Wechsels der Körperhaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichten. Arbeiten mit besonderer Witterungsexposition müsse er vermeiden. Mit diesen Einschränkungen könne er noch vollschichtig tätig sein. Sein Leistungsvermögen reiche für eine Beschäftigung als Werkzeug- und/oder Materialausgeber in einem metallbe- oder -verarbeitenden Betrieb aus. Diese Tätigkeit komme vor allem dem Erfordernis des Haltungswechsels entgegen und könne vom Kläger unter Verwertung seiner Berufserfahrungen nach einer je nach Branche und Spezialisierung unterschiedlichen Einarbeitungszeit bis zu vier Wochen übernommen werden. Die Tätigkeit des Werkzeug- oder Materialausgebers sei dem Kläger sozial zumutbar. Sie werde nach den Angaben der berufskundigen Sachverständigen tariflich wie diejenige eines Facharbeiters der Lohngruppe VI des Lohnrahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Metallindustrie in Hamburg und Umgebung vom 3. Dezember 1974 (im folgenden: LRTV) entlohnt. Lediglich für branchenfremde Materialausgeber könne in der Einarbeitungsphase eine Einstufung in die Lohngruppe V in Betracht kommen, die nach dem LRTV eine Anlernausbildung oder gleichzubewertendes Können voraussetze. Aber auch eine derart eingestufte Tätigkeit sei dem Kläger als Facharbeiter zumutbar. Seine seit über anderthalb Jahren bestehende Arbeitslosigkeit stehe einer Verweisung auf die Tätigkeit des Werkzeug- oder Materialausgebers angesichts seiner Fähigkeit, noch vollschichtig tätig sein zu können, nicht entgegen. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich, daß bei Vollzeitarbeitskräften aus einer länger als ein Jahr dauernden Arbeitslosigkeit nicht auf das Fehlen geeigneter Arbeitsplätze geschlossen werden dürfe. Vielmehr könne in der Regel davon ausgegangen werden, daß es Arbeitsplätze in hinreichender Zahl jedenfalls dann gebe, wenn sie von Tarifverträgen erfaßt seien. Werde die tarifliche Einstufung nicht von Tätigkeitsmerkmalen, sondern von einer qualitativen Bewertung der Arbeitsplatzanforderungen abhängig gemacht, so könne zumindest dann eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen angenommen werden, wenn diese ihrer Art nach in einer Vielzahl von Betrieben vorhanden seien. Das sei nach der Aussage der berufskundigen Sachverständigen der Fall. Derartige Arbeitsplätze ließen sich auch nicht dem Kreis der Schonarbeitsplätze für leistungsgeminderte Betriebsangehörige zurechnen, welche allein bei der Beurteilung der Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze auszuklammern seien. Für weitere Ermittlungen über die Anzahl der für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplätze bestehe kein Anlaß. Der Umstand, daß Werkzeug- und Materialausgeber verhältnismäßig selten über das Arbeitsamt vermittelt würden, weil die vorhandenen Arbeitsplätze in der Praxis weitgehend nicht mehr voll einsatzfähigen Betriebsangehörigen vorbehalten blieben, falle in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung und besage nichts über das Bestehen von Berufsunfähigkeit. Etwas anderes könne nur beim Vorliegen von Einschränkungen außerhalb des Rahmens der gerade für Werkzeug- und Materialausgeber in der Metallbranche üblichen Arbeitsbedingungen gelten. Derartige Einschränkungen lägen beim Kläger nicht vor. Das Vorhandensein nur einer Verweisungstätigkeit schließe regelmäßig eine Berufsunfähigkeit aus.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der §§ 103, 128 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er (Kläger) verfüge durch Ausübung der Anlernberufe des Bohrers und Fräsers und des Ausbildungsberufes des Drehers über eine breite Berufsgrundlage. Das rechtfertige die Annahme, daß sein bisheriger Beruf der Gruppe der "Vorarbeiter mit Leitungsfunktion" einschließlich der hochqualifizierten Facharbeiter und nicht nur der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen sei. Feststellungen hierzu habe das LSG ebensowenig getroffen wie zum qualitativen Wert der von ihm in Betracht gezogenen Verweisungstätigkeit des Werkzeug- oder Materialausgebers. Den Bekundungen der berufskundigen Sachverständigen seien die darauf gegründeten Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Damit habe es die Grenzen des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung verletzt. Dasselbe gelte insoweit, als das LSG der Beurteilung seiner (Klägers) Fähigkeit zur Ausübung der Verweisungstätigkeit die Bekundungen der Sachverständigen zugrundegelegt habe. Sie habe im wesentlichen nur Ergebnisse mitgeteilt, nicht jedoch vollständige und nachprüfbare Tatsachen angegeben, aus welchen sich konkret die Anforderungen der Tätigkeit eines Werkzeug- oder Materialausgebers an seine (Klägers) beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten und die Voraussetzungen der subjektiven Zumutbarkeit dieser Tätigkeit ergäben. Durch ungeprüfte Übernahme der Bekundungen der Sachverständigen habe das LSG ihm (Kläger) den verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutz versagt, die Pflicht zur Vornahme eigener Feststellungen verletzt und mit dem von ihm praktizierten Verfahren eine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgegebene abstrakte Betrachtungsweise vorgenommen. Durch die Rückkehr zu dieser Betrachtungsweise werde die BU-Rente erneut obsolet. Deshalb bedürfe es der höchstrichterlichen Klärung, ob eine Verweisung von Facharbeitern auf Tätigkeiten zulässig sei, die weder im Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe erwähnt noch von den nach dem bisherigen Beruf anzuwendenden Tarifverträgen erfaßt und in der Regel älteren, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr voll einsatzfähigen Betriebsangehörigen vorbehalten seien. Schon zum Invaliditätsbegriff alten Rechts habe das Reichsversicherungsamt die Verweisung von Arbeitern auf Tätigkeiten, die nicht jedem zugänglich seien, für unzulässig erachtet. Das müsse dann aber in besonderem Maße für die Verweisung von Facharbeitern auf Tätigkeiten gelten, welche älteren Betriebsangehörigen vorbehalten seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. September 1980 und des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Januar 1980 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 7. Juli 1977 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 1979 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren; hilfsweise: das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. September 1980 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, das LSG habe einen Rentenanspruch des Klägers zu Recht verneint.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne des Hilfsantrages begründet.
Der Kläger begehrt Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 1246 RVO. Danach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO).
Bei der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem "bisherigen Beruf" auszugehen. Er ist, sofern der Versicherte zu seiner Ausübung aus den in § 1246 Abs 2 Satz 1 RVO aufgeführten gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande ist, von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, auf die der Versicherte gemäß § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann. Dabei bestimmt sich der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten hauptsächlich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes des Versicherten im Betrieb. Dieser qualitative Wert spiegelt sich relativ zuverlässig in der tariflichen Einstufung der jeweiligen Tätigkeit wieder. Sie ist daher ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich zur Bestimmung des Kreises der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zumutbaren Verweisungstätigkeiten. Dabei lassen sich in der Arbeitswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere durch unterschiedliche "Leitberufe" charakterisierte Gruppen von Arbeiterberufen auffinden. Leitberufe sind diejenigen des "Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion" bzw des "besonders hoch qualifizierten Facharbeiters", des "Facharbeiters" (anerkannte Ausbildungsberufe mit einer Ausbildungszeit von wenigstens zwei Jahren), des "angelernten Arbeiters" (sonstige Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildungszeit von weniger als zwei Jahren) und des "ungelernten Arbeiters". Grundsätzlich darf im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch bezüglich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern. Darüber hinaus darf ein Facharbeiter auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Qualifikationsmerkmale deutlich aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls dann verwiesen werden, wenn sie wegen ihrer Qualität - nicht jedoch wegen etwaiger Nachteile oder Erschwernisse - tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind und von daher ihre Gleichstellung mit der qualitativen Wertigkeit eines sonstigen Ausbildungsberufes gerechtfertigt ist (vgl zu alledem Urteil des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 86 S 267 f mit eingehenden weiteren Nachweisen).
Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend vollwertig die Tätigkeit des Drehers ausgeübt hat und deswegen sein bisheriger Beruf der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters angehört. Das beanstandet die Revision im Ergebnis zu Recht. Nicht durchgreifen kann allerdings ihr Einwand, der Kläger verfüge nach Ablegung der jugoslawischen Prüfung der Fachausbildungsstufe "hochqualifizierter Facharbeiter" und nach vorheriger Ausübung der Tätigkeiten eines Bohrers und Fräsers über eine breite Berufsgrundlage, welche die Annahme rechtfertige, daß sein bisheriger Beruf der Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Leitungsfunktion zuzuordnen sei, zu der auch die hochqualifizierten Facharbeiter zu rechnen seien. Mit diesem Vorbringen verkennt die Revision die Begriffe des "Vorarbeiters mit Leitungsfunktion" bzw des "besonders hoch qualifizierten Facharbeiters". Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BSG können als Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion nur Versicherte mit Leitungsfunktionen wie zB die des Meisters und Hilfsmeisters im Arbeiterverhältnis, des Hilfspoliers und bestimmter Vorarbeiter angesehen werden, deren Berufstätigkeit zufolge besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen die des Facharbeiters in ihrer Qualität noch deutlich überragt. Hierfür müssen regelmäßig Weisungsbefugnisse nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern gegenüber mehreren Facharbeitern und - wegen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa aufgrund des Lebensalters oder langjähriger Betriebszugehörigkeit - die Zugehörigkeit zur Spitzengruppe in der Lohnskala der Arbeiter verlangt werden. Erforderlich ist ferner, daß der Versicherte nicht seinerseits Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeitsverhältnis befolgen muß. Diesen Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion sind hinsichtlich ihrer engen Verweisbarkeit die besonders hoch qualifizierten Facharbeiter gleichzustellen. Dazu gehören Versicherte, die wesentlich höherwertige Arbeiten als ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen verrichten und diese nicht nur bezüglich der Entlohnung, sondern aufgrund besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen auch in der Qualität ihrer Berufstätigkeit deutlich überragen (vgl zu alledem Urteil des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 70 S 221 f mit eingehenden Nachweisen der vorhergegangenen Rechtsprechung der für Angelegenheiten der Arbeiterrentenversicherung zuständigen Senate des BSG; seither ferner BSGE 51, 135, 136 = SozR 2200 § 1246 Nr 77 S 241; BSG SozR aa0 Nr 79 S 245). Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe bietet allein das Vorbringen der Revision keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit in die Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw der besonders hoch qualifizierten Facharbeiter einzuordnen ist. Die Tatsache, daß er sich in Jugoslawien einer Prüfung der Fachausbildungsstufe "hochqualifizierter Facharbeiter" unterzogen hat, ist ungeachtet des Gegenstandes dieser Prüfung und der ihr vorausgegangenen Ausbildung für die qualitative Bewertung seiner in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeit ohne Belang (zur Bedeutung einer Ausbildung für die qualitative Bewertung des bisherigen Berufes vgl Senat in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 70 S 222 und Nr 85 S 263 mwN). Daß der Versicherte vor Aufnahme einer Facharbeitertätigkeit angelernte Arbeiten verrichtet hat, vermag für sich allein die Facharbeitertätigkeit nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG besonders hoch zu qualifizieren. Hierzu sind lediglich die der Tätigkeit selbst anhaftenden Merkmale geeignet.
Als ein solches für die qualitative Bewertung der bisherigen Berufstätigkeit möglicherweise erhebliches Merkmal ergibt sich jedoch aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, daß der Kläger in seinem Beruf des Drehers als "Springer" eingesetzt worden ist. Es ist nicht auszuschließen, daß eine solche Tätigkeit mit erhöhter Einsatzbereitschaft, gesteigerter Flexibilität, größerer Verantwortung und besonderen Anforderungen an Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit verbunden, dementsprechend qualitativ höher bewertet und von daher ihre Einordnung in die Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters gerechtfertigt ist. Darüber kann der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden. Dies erfordert weitere tatsächliche Feststellungen zur Tätigkeit des Klägers als "Springer" im einzelnen und insbesondere - unter Heranziehung des für diese Tätigkeit maßgebenden Tarifvertrages oder des mit dem Kläger geschlossenen Einzelarbeitsvertrages, gegebenenfalls auch durch Einholung einer Auskunft des früheren Arbeitgebers - zu der Frage, wie diese Tätigkeit entlohnt und damit qualitativ bewertet worden ist. Der Senat kann diese tatsächlichen Feststellungen nicht treffen. Das ist Sache des Tatsachengerichts. Bereits aus diesem Grunde ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG geboten (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Mangels ausreichender Feststellungen kann das angefochtene Urteil auch insoweit keinen Bestand haben, als das Berufungsgericht den Kläger als auf die Tätigkeit eines Material- und/oder Werkzeugausgebers verweisbar angesehen hat. Allerdings trägt die Entscheidung dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten Rechnung. Dieses ua bei der Verweisung von Facharbeitern zu beachtende Gebot bedeutet, daß der Versicherungsträger oder spätestens das Tatsachengericht wenigstens eine Verweisungstätigkeit konkret und mit nachprüfbaren Feststellungen zu benennen hat. Dabei muß es sich, um ein Auseinanderfallen der sozialen Wirklichkeit und des sozialen Leistungsrechts zu vermeiden (vgl Senat in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81 S 253), um eine Erwerbstätigkeit handeln, die im Arbeitsleben tatsächlich ausgeübt wird und als Arbeitsplatz in nicht nur unbedeutendem Umfange vorhanden ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229; Nr 82 S 255). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Verweisungstätigkeit in einem Tarifvertrag genannt wird. Entsprechende Feststellungen können aber auch unter Rückgriff auf Auskünfte von Arbeitsämter, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Großbetrieben oder von berufskundigen Sachverständigen getroffen werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229). Dem entspricht das angefochtene Urteil. Das LSG hat sich durch die Heranziehung der berufskundigen Sachverständigen die Überzeugung verschafft, daß es die von ihm in Betracht gezogene Verweisungstätigkeit eines Material- und/oder Werkzeugausgebers im Arbeitsleben gibt und hierfür betriebliche Arbeitsplätze vorhanden sind.
Indes fehlt es an ausreichenden Feststellungen zur Entscheidung der Frage, ob speziell der Kläger nach den in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO angeführten Kriterien auf die Tätigkeit des Material- und/oder Werkzeugausgebers verwiesen werden kann. Diese Feststellungen müssen in zwei Richtungen getroffen werden. Einmal ist festzustellen, welche beruflichen Anforderungen an die Verweisungstätigkeit gestellt werden und ob der Versicherte diesen Anforderungen nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen sowie nach seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen bzw zur Ausübung der Verweisungstätigkeit nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu höchstens drei Monaten imstande ist. Zum anderen ist primär unter Heranziehung der für den bisherigen Beruf des Versicherten maßgebenden und gegebenenfalls anderer Tarifverträge (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 41 S 126 mwN) oder in sonstiger Weise der qualitative Wert der Verweisungstätigkeit und damit ihre berufliche Zumutbarkeit zu ermitteln (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 69 S 215 f und Nr 86 S 269; jeweils mwN). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht.
Das gilt einmal für die Feststellung der beruflichen Anforderungen an die vom LSG in Erwägung gezogene Verweisungstätigkeit des Material- und/oder Werkzeugausgebers in einem metallbe- oder -verarbeitenden Betrieb. Das angefochtene Urteil (S 7) beschränkt sich insoweit im wesentlichen auf die Feststellung, daß die Tätigkeit vor allem dem Erfordernis des Haltungswechsels entgegenkomme und vom Kläger unter Verwertung seiner Berufserfahrungen nach einer Einarbeitungszeit von bis zu vier Wochen übernommen werden könne. Die Tätigkeitsmerkmale im einzelnen hat das LSG hingegen nicht aufgeführt. Derartige Feststellungen sind jedoch unabweisbar. Nur auf ihrer Grundlage ist es möglich, die gesundheitlichen und beruflichen Anforderungen an die Verweisungstätigkeit zum gesundheitlichen Leistungsvermögen und zum beruflichen Wissen und Können des Versicherten in Beziehung zu setzen und daraus Folgerungen für die Frage herzuleiten, ob er die Verweisungstätigkeit ausüben kann. Möglicherweise hat das LSG weitere Feststellungen deswegen für entbehrlich gehalten, weil sich die Anforderungen an die Verweisungstätigkeit bereits aus ihrer Bezeichnung als "Materialausgabe" bzw "Werkzeugausgabe" ergeben. Indes ist diese Bezeichnung zu pauschal und undifferenziert, um daraus die für die Verweisbarkeit unabdingbaren Schlußfolgerungen herleiten zu können. Sie läßt - bezogen auf die vom LSG festgestellten Einschränkungen des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - zB nicht erkennen, ob der Material- oder Werkzeugausgeber in der Metallbe- oder -verarbeitung schwere Lasten bewegen, sich häufig bücken, in Zwangshaltungen arbeiten oder (zB bei der Entnahme von Materialien oder Werkzeugen aus Regalen) Leitern besteigen oder Überkopfarbeiten leisten muß. Diese und weitere die Verweisungstätigkeit prägende Merkmale müssen daher ausdrücklich geprüft und festgestellt werden. Diese Feststellungen liegen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie nicht treffen. Vielmehr sind sie vom Berufungsgericht nachzuholen.
Was den qualitativen Wert der Verweisungstätigkeit anbelangt, so hat das LSG sie aufgrund der Angaben der berufskundigen Sachverständigen je nach ihrer Entlohnung nach Lohngruppe VI oder nach Lohngruppe V des LRTV als Facharbeitertätigkeit oder als angelernte Tätigkeit angesehen. Die Verweisung auf eine angelernte Tätigkeit kommt jedoch nur unter der - noch festzustellenden - Voraussetzung in Betracht, daß der bisherige Beruf des Klägers in die Gruppen mit dem Leitberuf des (einfachen) Facharbeiters und nicht in diejenige mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters einzuordnen ist. Davon abgesehen ist der vom LSG eingeschlagene Weg der Feststellung des qualitativen Wertes der Verweisungstätigkeit jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht zu billigen. Das Berufungsgericht hat sich insoweit auf die Bekundungen der berufskundigen Sachverständigen gestützt. Den für den bisherigen Beruf des Klägers maßgebenden oder einen anderen Tarifvertrag hat es nicht herangezogen. Ob dies - worauf die Ausführungen des LSG zur Begründung der Zulassung der Revision hindeuten - seine Ursache darin hat, daß die Tätigkeit des Material- und/oder Werkzeugausgebers tariflich nicht erfaßt ist, oder ob das Berufungsgericht die Heranziehung von Tarifverträgen als nicht erforderlich und statt dessen die Einvernahme eines berufskundigen Sachverständigen als genügend erachtet hat, ist dem angefochtenen Urteil nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Damit fehlt es auch für das Vorbringen der Revision, die Tätigkeit des Material- und/oder Werkzeugausgebers werde nicht von Tarifverträgen erfaßt, bisher an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen. Auf sie kann nicht verzichtet werden. Zwar ist die tarifliche Einstufung lediglich eines unter mehreren Hilfsmitteln zur Bestimmung der objektiven Qualität sowohl des bisherigen Berufes als auch einer Verweisungstätigkeit. Sie spiegelt jedoch relativ zuverlässig die qualitative Bewertung einer Tätigkeit durch die unmittelbar am Arbeitsleben teilnehmenden Bevölkerungskreise (Tarifpartner) wieder (vgl BSGE 51, 135, 137 = SozR 2200 § 1246 Nr 77 S 241). Deswegen kommt eine andersartige qualitative Bewertung lediglich ausnahmsweise etwa dann in Betracht, wenn die Tätigkeit tariflich nicht erfaßt ist oder wenn der einschlägige Tarifvertrag keine oder keine geeignete qualitative Wertung enthält (vgl BSGE 51, 50, 51 = SozR 2200 § 1246 Nr 71 S 225; BSG SozR aa0 Nr 73 S 233). Ob diese Ausnahmevoraussetzungen erfüllt sind, kann - wie dargelegt - dem angefochtenen Urteil mangels Feststellung der hierfür wesentlichen Tatsachen nicht entnommen werden. Auch diese Feststellungen muß das LSG noch treffen.
Erst danach und je nach dem Ergebnis der ergänzenden Feststellungen stellt sich möglicherweise die vom LSG als grundsätzlich erachtete Frage, welche Feststellungen zum Vorhandensein von Arbeitsplätzen erforderlich sind, wenn die für einen leistungsgeminderten Versicherten in Betracht kommenden Vollzeittätigkeiten tariflich nicht ausdrücklich erfaßt sind. Darauf kommt es hingegen nicht an, wenn die Verweisungstätigkeit tariflich erfaßt ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung, ob es für eine Verweisungstätigkeit in ausreichendem Umfange Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt also dem Versicherten offensteht, die hierzu vom Großen Senat des BSG (BSGE 43, 75, 79 ff = SozR 2200 § 1246 Nr 13 S 38 ff) für Teilzeittätigkeiten entwickelten Grundsätze auf Vollzeittätigkeiten jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn diese von Tarifverträgen erfaßt sind. Es besteht dann eine Vermutung dafür, daß es für die Verweisungstätigkeit Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl gibt und somit der Arbeitsmarkt dem Versicherten geöffnet ist. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt und deswegen auch bei Fähigkeit des Versicherten zur vollschichtigen Ausübung der Verweisungstätigkeit das Vorhandensein von Arbeitsplätzen entsprechend den Grundsätzen des Großen Senats festzustellen, wenn der Versicherte zwar an sich noch Vollzeittätigkeiten, diese aber nicht unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten kann, wenn er nicht uneingeschränkt zu der im Tarifvertrag genannten Tätigkeit fähig ist, sondern nur in einem Teilbereich dieser Tätigkeit eingesetzt werden kann, oder wenn er aus gesundheitlichen Gründen Arbeitsplätze der ihm zumutbaren Art von seiner Wohnung aus nicht aufsuchen kann (vgl jeweils mwN BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75 S 238; Nr 82 S 254 f; Nr 86 S 269). Eine weitere Ausnahme gilt dann, wenn die Verweisungstätigkeit, zu deren vollschichtiger Verrichtung der Versicherte in der Lage ist, nicht von Tarifverträgen erfaßt wird oder nur vereinzelt vorkommt (vgl vor allem BSG SozR 2200 § 1247 Nr 33 S 68). Auch in diesem Falle bedarf es der Feststellung, ob der Arbeitsmarkt dem vollschichtig einsatzfähigen Versicherten offensteht oder verschlossen ist.
Darüber zu entscheiden, welche Feststellungen im einzelnen getroffen werden müssen, und insbesondere ob bei tariflicher Einstufung der Verweisungstätigkeit nicht nach Tätigkeitsmerkmalen, sondern nach einer qualitativen Bewertung der Arbeitsplatzanforderungen zumindest dann eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen angenommen werden kann, wenn diese ihrer Art nach in einer Vielzahl von Betrieben vorhanden sind, sieht sich der Senat gegenwärtig nicht veranlaßt. Diese Fragen stellen sich nur unter den Voraussetzungen, daß der Kläger nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen und seinem beruflichen Können und Wissen die Tätigkeit eines Material- und/oder Werkzeugausgebers verrichten kann und daß die Tätigkeit tariflich nicht erfaßt ist. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, läßt sich gegenwärtig nicht entscheiden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Dann aber besteht kein Anlaß zur Entscheidung einer Rechtsfrage, die nach dem Ergebnis der nachzuholenden Tatsachenfeststellung möglicherweise gar nicht entscheidungserheblich ist.
Das LSG wird in seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen