Leitsatz (amtlich)
Seit der Verkündung des FANG dürfen Renten, auf die das RVUeblG anzuwenden war, nicht mehr nach AnVNG Art 3 § 5 Abs 2 berechnet werden.
Normenkette
FANG Art. 6 § 17 Fassung: 1960-02-25; AnVNG Art. 3 § 5 Fassung: 1957-02-23; RVÜblG BE Fassung: 1952-07-10; ArVNG Art. 3 § 6 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. Mai 1964 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der im November 1892 geborene Kläger erhält von der Beklagten seit Dezember 1957 ein Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, über dessen Höhe die Beteiligten streiten.
Auf den im Dezember 1960 gestellten Antrag hat die Beklagte die Rente erstmals durch Bescheid vom 27. April 1961 festgesetzt. Darin hat sie die Rente, weil der Kläger ua Beiträge zur einheitlichen Rentenversicherung in Berlin entrichtet hatte, nach Art. 3 § 5 Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) berechnet. Nach Satz 2 dieser Berechnungsvorschrift werden Renten, auf die das Berliner Rentenversicherungsüberleitungsgesetz ( RVÜG ) vom 10. Juli 1952 anzuwenden ist, bis zur Anpassung dieses Gesetzes an das AnVNG zunächst nach den vor 1957 geltenden Vorschriften errechnet und dann nach Art. 2 §§ 30 ff AnVNG mit den Werten der Anlagen 3 und 4 für den Rentenbeginn im Jahre 1956 umgestellt. (Hiernach ist Umstellungsfaktor die Zahl 3,8 gewesen, vgl. die Tabelle 3). Demgemäß hat die Beklagte aus den Versicherungszeiten vor 1957 den Gesamtsteigerungsbetrag ermittelt, ihn mit dem Umstellungsfaktor vervielfacht und das Produkt um 2/13 erhöht (Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG). Alsdann hat sie für die von Januar bis November 1957 noch geleisteten 11 freiwilligen Beiträge einen monatlichen Steigerungsbetrag von 6,40 DM hinzugeschlagen (addiert); diesen Betrag hatte sie unter Anwendung des letzten Satzes (Satz 4) der Berechnungsvorschrift ermittelt; dort ist bestimmt, daß für die nach dem Inkrafttreten des AnVNG nach den §§ 114, 115 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) entrichteten Beiträge 7 vom Hundert des Wertes in DM "als Steigerungsbetrag zu gewähren" sind. Den Endbetrag hat die Beklagte schließlich entsprechend dem 1. - 3. Rentenanpassungsgesetz den Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage seit 1957 angepaßt.
An dieser Berechnungsweise beanstandet der Kläger die Behandlung des Steigerungsbetrages für die 11 Beiträge des Jahres 1957. Er meint, daß dieser Steigerungsbetrag (6,40 DM) in die Umstellung einzubeziehen, also ebenfalls mit dem Umstellungsfaktor (3,8) zu vervielfachen - oder wie Landessozialgericht (LSG) und Beteiligte auch sagen: zu faktorisieren - sei.
Während des deswegen vom Kläger eingeleiteten Klageverfahrens hat die Beklagte die Rente am 1. November 1962 auf Grund des Art. 6 § 17 des Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur Anpassung der Berliner Rentenversicherung an die Vorschriften des ArVNG und des AnVNG (Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG -) vom 25. Februar 1960 in einem Zweitbescheid nach der neuen Rentenformel neu berechnet. Dabei hat sich ergeben, daß die Rente für die gesamte Bezugszeit (ab Dezember 1957) niedriger ist als der bisherige Rentenbetrag; nach Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 3 FANG ist deshalb die bisherige Rente weitergewährt worden; wegen der in dieser Vorschrift enthaltenen "Besitzstandsklausel" hat der Kläger auch die Klage gegen den Erstbescheid aufrechterhalten.
Damit hat er jedoch weder beim Sozialgericht noch beim LSG Erfolg gehabt. Das LSG ist der Ansicht gewesen, die Behandlung des Steigerungsbetrages für die 11 Beiträge des Jahres 1957, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, werde durch die Stellung des Satzes 4 in Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG nicht ausgeschlossen, sie sei vielmehr nach dessen Wortlaut und auch nach dem Sinn und Zweck der Berechnungsvorschrift geboten; das Gesetz habe hier für eine (vermeintlich) kurze Übergangszeit Zugangsrenten ausnahmsweise wie Bestandsrenten behandelt (behandeln müssen) und deswegen einen Rentenbeginn im Jahre 1956 unterstellt; dieser Gedanke verbiete es aber, Steigerungsbeträge für spätere Beiträge mit dem Umstellungsfaktor für den Rentenbeginn im Jahre 1956 zu vervielfachen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, den Bescheid vom 27. April 1961 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, in einem neuen Bescheid ein höheres Altersruhegeld zu gewähren und dabei den Steigerungsbetrag aus den Beiträgen für 1957 mit dem Faktor für 1956 zu multiplizieren.
Er rügt eine Verletzung des Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG. Der Gesetzgeber habe die Berechnung der Rente nach altem Recht "bis zur letzten Konsequenz", d. h. unter Multiplikation der Steigerungsbeträge für die nach 1956 noch geleisteten Beiträge gewollt. Deshalb habe er für die in den neuen Beitragsklassen entrichteten Beiträge (§§ 114, 115 AVG) neue Steigerungsbeträge schaffen müssen; die Steigerungsbeträge seien dabei in der Arbeiterrentenversicherung (vgl. Art. 3 § 6 Abs. 3 Satz 4 ArVNG) und in der Angestelltenversicherung wie bisher unterschiedlich festgesetzt worden; gerade dieser Unterschied, die Höhe des Steigerungsbetrages, aber auch die Stellung des Satzes 4 in der Berechnungsvorschrift - seine Anfügung ohne Absatz - zeigten die Richtigkeit der von ihm angestrebten Rentenberechnung.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 2, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), aber unbegründet. Das Urteil des LSG ist im Ergebnis zutreffend.
Ob Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG (= Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG) im Sinne des Klägers oder im Sinne der Beklagten und der Vorinstanzen auszulegen ist, muß hier dahingestellt bleiben (vgl. dazu einerseits Verbandskommentar Anm. 8 zu Art. 2 § 43 ArVNG - hinter § 1262 RVO - und Ludwig, ZfS 1961, 130, 131, andererseits Elsholz/Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Berlin 1963, Nr. Ü 45 Anm. 2 c auf S. 421). Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG ist nämlich - entgegen der Ansicht des LSG - schon bei Stellung des Rentenantrags (Dezember 1960), erst recht also zur Zeit der Erteilung des Erstbescheides vom 27. April 1961, nicht mehr anwendbar gewesen, weil inzwischen das FAnG verkündet und in Kraft getreten war. Die Berechnungsvorschrift hat nach ihren Wortlaut nur "bis zur Anpassung" des RVÜG an das AnVNG gegolten. Die Anpassung hat das FANG vollzogen. Dabei hat Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 1 FANG ergänzend bestimmt, daß das neue Recht "für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1956 auch auf Versicherungsfälle Anwendung" findet, "die vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1958 eingetreten sind". Versicherungsfall ist hier die Vollendung des 65. Lebensjahres gewesen (Urteil des Senats vom 1. Dezember 1964 - Az.: 11/1 RA 242/63 -). Dieser Versicherungsfall ist im November 1957 eingetreten. Die Beklagte hätte deshalb schon in ihrem Erstbescheid die Rente nach dem neuen Recht berechnen müssen; sie ist nach der Verkündung des FANG zur Berechnung der Rente nach Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG nicht mehr befugt gewesen. Wenn sie hier und in anderen Fällen diese Vorschrift dennoch weiterhin angewandt hat, dann ist dies nicht richtig gewesen; der Kläger kann daraus keinen Anspruch darauf herleiten, daß in seinem Falle die Rente so berechnet wird, wie wenn Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG noch gegolten hätte. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus den Sätzen 2 und 3 des Art. 6 § 17 Abs. 1 FANG. Beide Sätze beziehen sich nicht auf Renten, die erst nach der Verkündung des FANG festgestellt (berechnet) werden. Für diese Renten ist ausschließlich das neue Recht maßgebend (Elsholz/Theile aaO Nr. Ü 64 Anm. 4 auf S. 455; aA Verbandskommentar, 6. Aufl., Anm. 3 und offenbar auch Jantz/Zweng/Eicher, 2. Aufl. Anm. 6, jeweils zu Art. 6 § 17 FANG). Die Wahrung eines Besitzstandes hat Art. 6 § 17 Abs. 1 FANG nur für die Renten vorgesehen, die bei der Verkündung des FANG bereits nach Art. 3 § 5 AnVNG (Art. 3 § 6 ArVNG) berechnet gewesen sind. Die Rechtslage ist danach anders, als bei den Renten, auf die das FAG anzuwenden war; für jene Renten galten zwar vor der Verkündung des FANG ähnliche vorläufige Berechnungsvorschriften (Art. 2 § 43 ArVNG, Art. 2 § 42 AnVNG, Art. 2 § 28 Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz - KnVNG -); bei ihnen hat jedoch Art. 6 § 8 (i. V. m. § 7) FANG den Schutz des "Besitzstandes" ausdrücklich auf die bei der Verkündung des FANG noch nicht festgestellten Renten erweitert. Das Fehlen einer gleich weitreichenden "Besitzstandsklausel" in Art. 6 § 17 Abs. 1 FANG läßt sich nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückführen. Gegen eine Gesetzeslücke sprechen nicht nur die Unterschiede in Aufbau und Fassung der §§ 6 bis 8 und 17 in Art. 6 FANG, sondern auch die unterschiedliche Behandlung beider Rentengruppen in Art. 6 § 24 FANG, der das "Wirksamwerden der Verbesserungen" des FANG regelt. Gerade diese Vorschrift bestätigt, daß das FANG bei den Renten, auf die das RVÜG anzuwenden war, grundsätzlich die gesamte Zeit nach 1956 erfassen sollte, während es bei den Renten, für die das FAG galt, die Bezugszeiten vor 1959 von einer Rückwirkung ausnahm. Die unterschiedliche Behandlung beider Rentengruppen in der Rückwirkung und zugleich in der Besitzstandswahrung verstößt dabei nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz; sie läßt sich damit erklären, daß das FANG das Fremdrentenrecht nicht nur - wie das RVÜG - der neuen Rentenberechnung (nach den Neuregelungsgesetzen) angepaßt, sondern darüber hinaus auch im ganzen neu geordnet (umgestaltet) hat.
Der Kläger könnte daher nur dann eine höhere Rente verlangen, wenn ihm das neue Recht hierauf einen Anspruch gäbe. Das hat er aber selbst nicht behauptet; er hat gegen den Zweitbescheid der Beklagten vom 1. November 1962, in dem die Rente nach der neuen Rentenformel berechnet worden ist, keine Einwände erhoben.
Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen