Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenhöhe und Beitragszuschuß bei Auslandsaufenthalt
Orientierungssatz
Die durch das RAG 1982 neu gefaßten und rückwirkend ab 1.6.1979 in Kraft getretenen §§ 1315 bis 1323 RVO sind nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie für Inländer und Ausländer unterschiedliche Regelungen vorsehen. Die nur 70 %ige Rentenzahlung iS des § 1323 RVO ist deshalb ebensowenig zu beanstanden wie der auf § 1321 Abs 3 RVO beruhende Ausschluß eines Zuschusses für eine Krankenversicherung (vgl BSG 1982-09-09 5b RJ 40/81 = SozR 6805 Art 1 Nr 1).
Normenkette
RVO § 1323 Fassung: 1981-12-01, § 1316 Abs 3 Fassung: 1981-12-01, § 1321 Abs 3 Fassung: 1981-12-01; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.01.1987; Aktenzeichen L 2 J 247/86) |
SG Speyer (Entscheidung vom 11.02.1985; Aktenzeichen S 11 J 150/85) |
Tatbestand
Der Kläger, der von der Beklagten Altersruhegeld erhält, begehrt die ungekürzte Auszahlung der Rente nach Australien sowie einen Beitragszuschuß zu seiner Krankenversicherung.
Der am 29. Juli 1916 geborene Kläger war von 1931 bis 1933 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1934 bis 1936 war er Beamter und ab 1936 Berufssoldat. Von 1945 bis 1951 war er bei verschiedenen Firmen in der Bundesrepublik beschäftigt. Er wanderte 1951 nach Australien aus, wo er seither wohnt. 1957 erwarb er die australische Staatsangehörigkeit und gab die deutsche auf.
Auf Antrag des Klägers erließ die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz am 2. Juni 1981 einen Bescheid, worin sie dem Kläger den Versicherungsverlauf mitteilte und ihn unter Hinweis auf die §§ 1316 ff Reichsversicherung (RVO) belehrte, daß nach der damaligen Rechtslage Renten an Ausländer, die sich freiwillig gewöhnlich im Ausland aufhielten, ruhten, sofern nicht ein Sozialversicherungsabkommen etwas anderes vorsehe. Diese Rechtslage könne sich aber ändern. Er solle frühestens nach einem Jahr noch einmal rückfragen. Am 30. August 1982 stellte der Kläger sodann Antrag auf Gewährung des Altersruhegeldes. Mit Bescheid vom 27. April 1984 erkannte die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers ab dem 1. August 1981 an. Die Rentenhöhe beschränkte sie auf 70 % des Betrages, der sich aus den im Bundesgebiet und Berlin ab dem 1. Juli 1948 zurückgelegten Beitragszeiten ergab. Der Kläger wandte sich dagegen, daß die Beklagte die vor dem 30. Juni 1948 zurückgelegten Beitragszeiten nur als Höherversicherungsbeiträge berücksichtigt hatte. Gleichzeitig stellte er den Antrag, ihm einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung in Australien zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 1984 ab. Die Widersprüche gegen beide Bescheide wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1985 zurück.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte aufgrund einer Änderung des § 1318 Abs 1 Satz 1 und 3 RVO durch das Rentenanpassungsgesetz 1985 die Rente des Klägers unter Berücksichtigung der in der Zeit vor dem 1. Juli 1948 vom Kläger zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten neu berechnet (Bescheid vom 12. September 1985). Danach hat der Kläger beanstandet, daß sein Altersruhegeld auf 70 % gekürzt worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. März 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26. Januar 1987). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Kürzung der Rente aufgrund des § 1323 RVO verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Der Kläger habe gemäß § 1321 Abs 3 RVO auch keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß zu seiner Krankenkasse. Nach Art 2 § 41b Abs 3 S 6 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) könne ein Anspruch auf einen Beitragszuschuß für eine Krankenversicherung im Ausland nach dem 31. Dezember 1981 nicht neu erworben werden. Der Kläger habe vor diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Beitragszuschuß gehabt.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, § 1323 RVO verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG und gegen das Sozial- und Rechtsstaatsgebot, wie es in Art 20 GG seinen Niederschlag gefunden habe. Er habe auch Anspruch auf einen Beitragszuschuß zu seiner Krankenversicherung in Australien. Denn der Anspruch sei schon vor dem 1. Januar 1982 entstanden. Auf seinen Antrag vom 30. August 1982 hin erhalte er nämlich Altersruhegeld rückwirkend ab 1. August 1981. Auf jeden Fall ergebe sich sein Recht auf den Beitragszuschuß aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11. Februar 1985 aufzuheben und ihm in Abänderung der angefochtenen Bescheide Altersruhegeld ohne Anwendung des § 1323 RVO auszuzahlen sowie einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist nicht begründet.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger bis zum 10. Dezember 1957 deutscher Staatsbürger; er erwarb sodann die australische Staatsbürgerschaft und lebt auch in Australien. Da der Kläger somit nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und deshalb nicht Deutscher iS des Art 116 GG ist, gilt er als berechtigter Ausländer iS des § 1316 Abs 3 RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 (RAG 1982) vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205). Als solcher erhält er nach Maßgabe des § 1323 RVO einen Rentenbetrag in Höhe von 70 vH, jedoch steht ihm gemäß § 1321 Abs 3 RVO zu dieser Rente ein Beitragszuschuß für eine Krankenversicherung nicht zu. Diese durch das RAG 1982 rückwirkend zum 1. Juni 1979 in Kraft getretenen Vorschriften hat die Beklagte im Falle des Klägers zu Recht berücksichtigt, weil sie - entgegen dessen Auffassung - verfassungsgemäß sind.
Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 9. September 1982 (SozR 6805 Art 1 Nr 1) entschieden hat, sind die durch das RAG 1982 neu gefaßten §§ 1315 bis 1323 RVO nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie für Inländer und Ausländer unterschiedliche Regelungen vorsehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber damit für freiwillig im Ausland lebende Ausländer die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 20. März 1979 (SozR 2200 § 1315 Nr 5) geforderten Voraussetzungen für eine verfassungsgemäße Regelung erfüllt. Die vom Kläger vertretene gegenteilige Rechtsauffassung gibt dem Senat keinen Anlaß, seine Entscheidung vom 9. September 1982, auf deren Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, aufzugeben.
Der geltend gemachte Beitragszuschuß zu einer Krankenversicherung kann auch nicht - wie der Kläger meint - auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden. Voraussetzung hierfür wäre - und davon geht der Kläger insoweit auch aus -, daß er bei einer Rentenantragstellung noch bis zum 31. Dezember 1981 hinsichtlich des begehrten Beitragszuschusses besser gestellt wäre. Dies trifft indes nicht zu. Der erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte Antrag gilt gemäß Art 2 § 41b Abs 2 ArVNG für den Anspruch auf Rentenleistung nach den §§ 1315 bis 1323 RVO in der mit Wirkung vom 1. Juni 1979 durch das RAG 1982 eingeführten Fassung ohnehin als rechtzeitig gestellt. Für diesen, dem Kläger somit ab 1. August 1981 zustehenden Rentenanspruch schließt indes § 1321 Abs 3 RVO einen Beitragszuschuß für eine Krankenversicherung gerade aus. Art 2 § 41b Abs 3 ArVNG enthält lediglich eine Besitzstandsregelung für diejenigen Versicherten, die bereits nach den §§ 1315 bis 1323 RVO in der bis zum 31. Mai 1979 geltenden Fassung eine Rente ins Ausland ausgezahlt erhalten konnten. Nur für diesen Personenkreis, zu dem der Kläger nicht gehört, wird gemäß Satz 4 der genannten Vorschrift der am 31. Dezember 1981 erreichte Besitzstand auch hinsichtlich des Beitragszuschusses für eine Krankenversicherung erhalten.
Die Revision mußte nach alledem zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen