Beteiligte
Präsidenten des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung |
Bundesrepublik Deutschland |
Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Entschädigungsleistungen für die Zeit von Oktober 1989 bis Dezember 1996 wegen einer gesundheitlichen Schädigung streitig, die er bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR erlitten hat.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger leistete anstelle der Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht aufgrund einer freiwilligen Dienstverpflichtung für drei Jahre Dienst bei der NVA. Er erlitt dabei am 25. Februar 1978 einen Unfall, als er bei einem dienstlich angeordneten Handballspiel mit einem Mitspieler zusammenstieß, stürzte und sich dabei am rechten Knie verletzte.
Wegen der Unfallfolgen erhielt der Kläger zunächst vom Wehrbezirkskommando Dresden der NVA Entschädigungsleistungen ausgehend von einem Körperschaden von 20 %. Die gewährte Rente wurde von der NVA durch Bescheid des Wehrbezirkskommandos Potsdam vom 15. Januar 1987 unter Mitberücksichtigung der Folgen eines am 24. Juli 1983 als Student erlittenen Wegeunfalls erhöht. Dabei wurde von einem insgesamt bestehenden Körperschaden von 45 % ausgegangen. Diese Leistung bezog der Kläger bis 30. September 1989.
Am 5. September 1989 siedelte er in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland über.
Das Versorgungsamt Freiburg lehnte den im Oktober 1989 gestellten Antrag des Klägers auf einen Härteausgleich nach § 89 Abs 1 iVm § 82 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab (Bescheid vom 21. Januar 1992): Die Regelung des § 82 Abs 2 BVG schütze nur die Soldaten, die der gesetzlich normierten Wehrpflicht nachgekommen seien, weil sie sich dieser Pflicht nicht hätten entziehen können. Diese Regelung könne nicht durch § 89 BVG umgangen werden. § 82 Abs 2 BVG finde auf Personen, die als Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten der ehemaligen NVA körperlich geschädigt worden und vor dem 19. Mai 1990 in das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt seien, keine Anwendung.
Im Mai 1992 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm aus Anlaß des Unfalls vom 25. Februar 1978 Leistungen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu gewähren. Dies lehnte sie ab (Bescheid vom 7. April 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. April 1995): Der Anspruch richte sich nach den Bestimmungen des FRG, da sich der Unfall außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland im Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990 ereignet habe. Ein Anspruch hiernach scheide jedoch aus, weil der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei (§ 5 Abs 1 Nr 1 FRG). Die Versorgungsordnung (VersO) der NVA, nach der sich die Entschädigung in der ehemaligen DDR gerichtet habe, sei nicht als gesetzliche Unfallversicherung iS des FRG anzusehen. Im übrigen sei eine Entschädigung nach § 5 Abs 2 FRG ausgeschlossen, weil der Kläger, wenn er den Unfall in der Bundesrepublik Deutschland erlitten hätte, einen Anspruch nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG), nicht jedoch nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehabt hätte. Da sich Soldaten nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland auch nicht freiwillig gegen Arbeitsunfälle versichern könnten, seien Ansprüche gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem FRG nicht gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen (Urteil vom 2. April 1996): Dem Kläger stehe weder gegen die Beklagte noch gegen das beigeladene Land ein Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen des Unfalles vom 25. Februar 1978 zu. Nach § 5 Abs 2 FRG sei ein Anspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen. Ein Anspruch gegen den Beigeladenen sei zu verneinen, weil ein Härteausgleich nach § 89 BVG bei freiwillig zur NVA dienstverpflichteten Personen nicht in Betracht komme.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 18. März 1998): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dem FRG bestehe kein Entschädigungsanspruch. Denn der Kläger erfülle nicht die Voraussetzung, daß er im Unfallzeitpunkt bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei. Die NVA sei kein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung iS des § 6 FRG gewesen. Das Sonderversorgungssystem der NVA sei nicht als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen. Vielmehr handele es sich um eine der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbare soziale Sicherung. Nach den Bestimmungen der VersO der NVA vom 1. Juli 1957 sollte das Versorgungssystem keine soziale Versicherung darstellen. Gleiches gelte auch für die Neufassung der VersO vom 1. September 1982. Eine andere Beurteilung führte zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung der Personen, die in der ehemaligen DDR einen Anspruch aus einem Sonderversorgungssystem erworben hätten, gegenüber Soldaten und Beamten in den alten Bundesländern. Auch der Gesetzgeber sei bei der Schaffung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 davon ausgegangen, daß die Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR keine Sozialversicherung darstellten.
Der Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für den Kläger könne auch nicht auf § 215 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) iVm § 1150 Abs 2 RVO gestützt werden. Diese Vorschrift greife nicht zugunsten des Klägers ein, weil der Unfall kein Arbeitsunfall der Sozialversicherung gewesen sei. Eine Verurteilung des Beigeladenen entsprechend dem Hilfsantrag sei schon aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil der Beigeladene den bindenden Bescheid vom 21. Januar 1992 erlassen habe. Unabhängig davon habe der Beigeladene einen Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des BVG zu Recht abgelehnt. Mit den von der Wehrbereichsverwaltung VII während des Berufungsverfahrens erteilten Bescheiden, durch die dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1997 ein Dienstbeschädigungsausgleich gewährt worden sei, habe er sich einverstanden erklärt und sein Klagebegehren entsprechend geändert.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen des Dienstunfalls vom 25. Februar 1978. Die NVA sei als Träger der Unfallversicherung anzusehen bzw zumindest einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gleichzustellen. Er habe die Rentenzahlungen in der früheren DDR nicht aus einem Sonderversorgungssystem bezogen. Die NVA habe auf das Rechtshilfeersuchen des Versorgungsamtes Freiburg klargestellt, daß er eine Dienstbeschädigungsteilrente aufgrund einer anerkannten Dienstbeschädigung bei organisiertem Handballspiel in der NVA erhalten habe. Deshalb habe die Verordnung vom 11. April 1973 über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten gegolten. Das LSG habe verkannt, daß er eine Dienstbeschädigungsteilrente aufgrund einer Regelung bezogen habe, die als gesetzliche Unfallversicherung iS des § 6 FRG anzuerkennen sei. Die NVA sei als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen. Außerdem dürfe nicht verkannt werden, daß die zuständigen Rentenversicherungsträger der früheren DDR bei der Festsetzung der verschiedenen Rentenansprüche in der Praxis nicht differenziert hätten. Die Rentenzahlungen an ihn hätten weder auf einem Zusatzversorgungssystem noch auf einem Sonderversorgungssystem beruht. Selbst wenn man seine DDR-Rente als auf einem speziellen Sonderversorgungssystem beruhend ansehe, sei eine rechtliche Ungleichbehandlung von Unfallopfern, die in der früheren DDR bei der allgemeinen Sozialpflichtversicherung unfallversichert gewesen seien, und Soldaten, die einem anderen Versorgungssystem angehört hätten, als willkürliche und damit rechtsstaatswidrige Maßnahme abzulehnen. Die Versagung der Unfallrente sei eine nicht hinnehmbare auf deutsch-deutschem Teilungsunrecht beruhende Schlechterstellung. Im übrigen sei eine unterschiedliche Behandlung von ehemaligen Wehrpflichtigen der früheren NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die damalige Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt seien, und ehemaligen Soldaten auf Zeit sachlich nicht gerechtfertigt. Nach Einführung der gesetzlichen Wehrpflicht in der DDR zum 1. Februar 1962 habe sich grundsätzlich kein wehrtauglicher Bürger dem Wehrdienst in der NVA entziehen können. Er dürfe deshalb nicht anders behandelt werden als jeder andere Wehrpflichtige der NVA, der vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelt sei. Gerügt werde die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art 3 des Grundgesetzes (GG).
Hilfsweise sei der Beigeladene zu verurteilen. Der Bescheid vom 21. Januar 1992 stehe einer Verurteilung formal nicht entgegen. Er habe einen Anspruch auf Rücknahme des früheren Bescheides gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), weil Versorgungsleistungen nach dem BVG zu Unrecht abgelehnt worden seien. Zumindest habe er Anspruch auf einen Härteausgleich nach § 89 Abs 1 BVG. Das LSG habe auch diese Vorschrift verletzt. Gerügt werde ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Er sei gegenüber Soldaten, die den gesetzlichen Grundwehrdienst bei der NVA verrichtet hätten, schlechter gestellt, obwohl sachgerechte Erwägungen für die Ungleichbehandlung fehlten. Verfassungsrechtlich bedenklich sei auch die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Übersiedlung in das Gebiet der alten Bundesländer. Der Stichtagsregelung des 19. Mai 1990 lägen keine sachgerechten Erwägungen zugrunde. Es könne nicht sein, daß ausgerechnet Bürger wie er, die kurz vor der offiziellen Öffnung der Mauer eine riskante Flucht in die Bundesrepublik Deutschland unternommen hätten, gegenüber Bürgern, die in der DDR verblieben seien, benachteiligt würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2. April 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. April 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen seines Unfalls vom 25. Februar 1978 für die Zeit von Oktober 1989 bis Dezember 1996 zu gewähren,
hilfsweise,
- den Beigeladenen zu verurteilen, ihm Leistungen wegen der Folgen des Ereignisses vom 25. Februar 1978 für die Zeit von Oktober 1989 bis Dezember 1996 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt (sinngemäß),
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil ebenfalls für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Entschädigung für die Zeit von Oktober 1989 bis Dezember 1996 wegen des Unfallereignisses vom 25. Februar 1978.
Das LSG hat rechtlich zutreffend entschieden, daß für den Kläger kein Entschädigungsanspruch nach dem FRG besteht. Bis zum Inkrafttreten des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) am 1. Januar 1992 (Art 42 RÜG) war gemäß Art 24 § 1 Abs 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. Juni 1990 (≪StVertrG≫ BGBl II 518) auf bis zum 18. Mai 1990 in der DDR eingetretene Arbeitsunfälle das FRG weiterhin anzuwenden, wenn bis zu diesem Datum ein gewöhnlicher Aufenthalt in den alten Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland begründet worden war (Art 24 § 1 Abs 2 StVertrG) und bis zum 31. Dezember 1991 beibehalten worden ist (vgl § 1150 Abs 2 Nr 2 RVO ≪vgl Raschke BG 1993, 377 ff≫). Ob aus diesem Umstand für den Kläger sich daraus ein Entschädigungsanspruch auch für die Zeit ab Januar 1992 ergeben könnte, kann unentschieden bleiben, denn er hat nach dem FRG keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen des Unfalls vom 25. Februar 1978. Der Kläger siedelte am 5. September 1989 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland über. Gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 4 Satz 1 FRG wird in Ausnahme von dem in § 3 Nr 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) verankerten Territorialprinzip nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Geltungsbereichs des FRG eingetretener Arbeitsunfall entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Nach der Definition des § 6 FRG gelten als gesetzliche Unfallversicherung auf Gesetz beruhende Versicherungen gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder eines dieser Wagnisse. Der Kläger unterlag zur Zeit seines Unfalls vom 25. Februar 1978 bei der NVA nicht der allgemeinen Sozialversicherung, sondern einem der vier in der DDR geschaffenen Sonderversorgungssysteme, nämlich der VersO der NVA. Denn er erlitt den Unfall nicht als Wehrpflichtiger der ehemaligen NVA. In der ehemaligen DDR war die gesetzliche Wehrpflicht ab dem 1. Februar 1962 (Wehrpflichtgesetz vom 24. Januar 1962) eingeführt worden. Der Kläger war bei seinem Dienst in der NVA nicht nur der gesetzlich vorgeschriebenen Wehrpflicht nachgekommen. Vielmehr hatte er sich aufgrund eigener Entscheidung freiwillig zu einem längeren Dienst in der NVA verpflichtet. Er hatte damit nicht den Status eines Wehrpflichtigen, sondern eines Soldaten auf Zeit. Während Dienstbeschädigungen der Wehrdienstleistenden, die sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht bei der NVA erlitten haben, von Ausnahmen wie Unfällen beim Umgang mit Kampfmunition sowie bei Schädigungen durch einen rechtswidrigen Angriff abgesehen, generell wie Arbeitsunfälle behandelt und entsprechend den Vorschriften der Rentenverordnung der ehemaligen DDR von der Sozialversicherung entschädigt wurden, galt für Berufs- und Zeitsoldaten – jedenfalls zur Zeit des Unfalls des Klägers – die VersO der NVA (so auch Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991 - VIa1 - 52056 - = BArbBl 1991, 81). In der Zeit vom 1. Juli 1954 bis 30. Juni 1968 galt für Berufs- und Zeitsoldaten der NVA eine vorläufige VersO. Hiernach wurden bei Dienstbeschädigungen Leistungen aus der VersO erbracht, wenn der Beschädigte ein monatliches Bruttoeinkommen von mehr als 600 Mark erzielte. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von weniger 600 Mark wurde der Verletzte aus der Sozialversicherung entschädigt. Am 1. Juli 1968 trat die endgültige VersO der ehemaligen NVA in Kraft mit der Folge, daß unabhängig vom Bruttoeinkommen alle Dienstbeschädigungsteil- und Vollrenten, die ab diesem Zeitpunkt eingetreten waren, aus der VersO entschädigt wurden (vgl HV-Info 1992, 950, 954). Die am 1. Juli 1968 in Kraft getretene endgültige VersO der NVA war unter Einbeziehung der früheren Versorgungsordnungen durch die am 1. Januar 1983 in Kraft getretene Ordnung Nr 005/9/003 des Ministers für Nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee – Versorgungsordnung – (nicht veröffentlicht – abgedruckt bei Aichberger II Sozialgesetze, lfd Nr 230) ersetzt worden. Nach den bindenden Feststellungen des LSG wurde dem Kläger von der ehemaligen DDR bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland die Dienstbeschädigtenteilrente nach diesen Versorgungsordnungen gezahlt.
Dieses Sonderversorgungs-System der NVA (vgl HV-Info 1991, 1471, 1473) ist nicht als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen, wie das LSG überzeugend ausgeführt hat. Der grundlegende Unterschied zwischen der VersO der NVA und der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich bereits aus der Bezeichnung. Denn die VersO stellt keine Versicherung, sondern eine Versorgung der Angehörigen der NVA als Gegenleistung für die geforderte „Erfüllung der großen Aufgaben” (Einleitung der VersO vom 1. Juli 1954 - vgl HV-Info 1992, 193) dar. Das Sonderversorgungssystem der NVA gewährleistete eine eigenständige Sicherung der einbezogenen Staatsbediensteten außerhalb der Rentenversicherung. Es ist der bundesdeutschen Beamtenversorgung vergleichbar (Reimann, DAngVers 1991, 281, 282). Der Umstand, daß zur Finanzierung der Leistungen nach der VersO die Angehörigen der NVA mit 10 % ihrer Bezüge herangezogen wurden, reicht nicht aus, um aus der Aufopferungsregelung eine versicherungsrechtliche Behandlung der Dienstunfälle abzuleiten. Daher ist das Sonderversorgungssystem der NVA nicht als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung iS von § 6 FRG anzusehen.
Dem Kläger wurde die Dienstbeschädigungsteilrente wegen der Folgen des Unfalls vom 25. Februar 1978 nach der VersO der NVA gezahlt. Für die Personengruppe der ehemaligen Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der ehemaligen NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die ehemalige Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind, wurde von der ehemaligen DDR die bis zur Übersiedlung gezahlte Versorgung nach der VersO der NVA eingestellt (vgl Rundschreiben des BMA, aaO). Ein Wiederaufleben war nicht vorgesehen. Diese Rechtslage (vgl dazu Gelhausen, Soziales Entschädigungsrecht, 2. Aufl, RdNr 689) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1997 durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes – AAÜG-ÄndG – vom 11. November 1996 (BGBl I 1674) geändert. Nach dem in Art 3 AAÜG-ÄndG enthaltenem § 1 Satz 1 Nr 2 des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet haben Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich vom 1. Januar 1997 an Personen, die am 31. Dezember 1996 Ansprüche auf Dienstbeschädigungsrenten aus einem der Sonderversorgungssysteme nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht nicht mehr hatten, weil sie vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegt haben. Bei der Lösung dieses Problems ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß die Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR keine Sozialversicherung darstellten. In der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl BT-Drucks 13/4587, S 6, 12) wird die Einbeziehung des Personenkreises gerade damit begründet, daß sie einerseits durch die Übersiedlung ihren Anspruch aus dem Sonderversorgungssystem der DDR verloren haben, andererseits aber für ihre Dienstbeschädigung keine Leistung aus dem in den alten Bundesländern geltendem Sozialleistungssystem erhalten. Zutreffend weist das LSG darauf hin, daß es der Regelung des Art 3 AAÜG-ÄndG vom 11. November 1996 nicht bedurft hätte, wenn diese Personen einen Anspruch auf Entschädigung nach dem FRG gehabt hätten (vgl Gelhausen, aaO, RdNrn 678 ff).
Für den Kläger ergibt sich auch kein Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Unfalls vom 25. Februar 1978 gemäß § 215 Abs 1 SGB VII iVm § 1150 Abs 2 RVO. Nach § 1150 Abs 2 RVO gelten zwar Unfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle nach der RVO. § 215 SGB VII enthält die Sonderregelung, wonach auch nach dem Inkrafttreten des SGB VII Altfälle vor dem 1. Januar 1992 aus dem Beitrittsgebiet weiterhin so zugeordnet werden, wie dies nach § 1150 Abs 2 RVO vorgesehen ist. Der Kläger erfüllt aber nicht die Voraussetzung, daß es sich bei seinem Unfall vom 25. Februar 1978 nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht um einen Arbeitsunfall der Sozialversicherung handelte.
Die Revision des Klägers ist auch insoweit unbegründet, als er mit ihr einen Anspruch auf Entschädigung gegen den Beigeladenen weiterverfolgt. Dieser hatte mit bindend gewordenem Bescheid vom 21. Januar 1992 den Antrag des Klägers auf einen Härteausgleich gemäß § 89 Abs 1 iVm § 82 Abs 2 BVG abgelehnt. Ein Beigeladener kann aber nicht nach § 75 Abs 5 SGG verurteilt werden, wenn er bereits einen – den Streitgegenstand betreffenden – bindend gewordenen ablehnenden Bescheid erteilt hat (BSGE 50, 111, 114 = SozR 1500 § 181 Nr 1; BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; BSG Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 RU 67/87 -; HV-Info 1988, 1607). § 75 Abs 5 SGG läßt eine Verurteilung des Beigeladenen zu, ohne daß dieser zuvor einen Bescheid erlassen oder ein notwendiges Vorverfahren durchgeführt hat. Hierfür fehlt es an der Grundlage, wenn der Beigeladene bereits einen bindend gewordenen ablehnenden Bescheid erlassen hat. § 75 Abs 5 SGG ist nicht als eine andere Bestimmung des Gesetzes iS von § 77 SGG anzusehen, mit der die Schranke der Bindungswirkung durchbrochen werden kann. Dies gilt selbst für die Fälle, in denen der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme des früheren Bescheides nach § 44 Abs 1 SGB X geltend machen kann. Denn diese Vorschrift betrifft das Verwaltungsverfahren und regelt das Recht der Behörde zur Rücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes und die Pflicht zu einer evtl Neufeststellung. Dagegen kann sie prozessuale Befugnisse des Gerichts nicht erweitern. Dem stehen zudem der Ausnahmecharakter des § 75 Abs 5 SGG und die abschließenden besonderen Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens bei widersprechenden Entscheidungen (§§ 180, 181 SGG) entgegen. Liegen deren Voraussetzungen nicht vor, so besteht für das Gericht keine Möglichkeit, einen Beigeladenen etwa unter Aufhebung der bindend gewordenen Bescheide zur Leistung zu verurteilen (BSG Urteil vom 31. Mai 1998, aaO).
Die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung VII vom Oktober 1997 hat der Kläger nicht angegriffen. Er hat Leistungen für die Zeit von Oktober 1989 bis Dezember 1996 nur gegen die Beklagte, hilfsweise gegen den Beigeladenen geltend gemacht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung VII Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob der Leistungsbeginn mit dem 1. Januar 1997 gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 1999, 618 |
SozSi 2000, 106 |