Entscheidungsstichwort (Thema)
Unschädlichkeit sozialadäquaten Verhaltens
Leitsatz (amtlich)
Zahlt der Arbeitgeber dem Versicherten anläßlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses neben einer "globalen" Abfindungssumme monatliche Beträge für "entgehendes" Arbeitslosengeld und in zumindest dessen Höhe, so verliert der Versicherte, der sich als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt gemeldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, nicht dadurch seinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Ausfallzeit gemäß § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3 RVO, daß er beim Arbeitsamt kein Arbeitslosengeld beantragt (Abgrenzung zu BSG vom 24.3.1988 - 5/5b RJ 84/86).
Orientierungssatz
Ein Versicherter, der sich sozialadäquat verhält, indem er den Unterstützungsbetrag in der Arbeitslosenversicherung senken hilft, darf dadurch in der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Nachteil erleiden (vgl BSG vom 7.10.1982 - 4 RJ 85/81 = BSGE 54, 125, 127 = SozR 2200 § 1255 Nr 16).
Normenkette
RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3; AVG § 36 Abs 1 S 1 Nr 3; AFG § 100 Abs 1, § 117 Abs 2
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 19.03.1987; Aktenzeichen L 5 A 69/86) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 23.07.1986; Aktenzeichen S 1 A 259/85) |
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung einer Ausfallzeit.
Der im April 1925 geborene Kläger löste das am 1. Juli 1957 begonnene Beschäftigungsverhältnis mit seiner Arbeitgeberfirma durch eine am 9./11. Januar 1984 geschlossene Vereinbarung zum 30. Juni 1984 gegen eine einmalige Abfindung von 57.376 DM sowie monatliche Zahlungen von je 2.331 DM netto für zwölf Monate, beginnend mit Juli 1984, und Übernahme der Kosten für die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich der Arbeitgeberanteile. Zugleich übernahm er die Verpflichtung, sich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos zu melden, aber keine Zahlung von Arbeitslosengeld zu beantragen. Dementsprechend stellte er sich ab dem 1. Juli 1984 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, ohne einen Leistungsantrag zu stellen.
Durch den streitigen Bescheid vom 21. Juni 1985 bewilligte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger ab dem 1. Juli 1985 vorzeitiges Altersruhegeld wegen Vollendung des sechzigsten Lebensjahres und Arbeitslosigkeit. Mit weiterem Bescheid vom 10. Juli 1985 lehnte sie es aber ab, die Zeit vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 1985 als Ausfallzeit rentensteigernd anzuerkennen. Den Widerspruch wies sie zurück, weil zur "Umgehung der Erstattung von Arbeitslosengeld" durch den Arbeitgeber kein Leistungsantrag beim Arbeitsamt gestellt worden sei (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1985).
Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat durch Urteil vom 23. Juli 1986 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21. Juni 1985 und Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1985 verpflichtet, die Zeit vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 1985 als Ausfallzeit anzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und in der angefochtenen Entscheidung vom 19. März 1987 ausgeführt: Der Kläger sei seit dem 1. Juli 1984 als Arbeitsloser gemeldet gewesen, habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden und auch wegen "Zusammentreffens mit anderen Bezügen" keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Zwar erfordere der Wortlaut des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG = § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO), daß die Leistung nicht "gewährt" worden sei; dies bedeute aber nicht, daß der Versicherte beim Arbeitsamt einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und das Arbeitsamt darüber ablehnend entschieden haben müsse. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld habe bestanden und lediglich wegen der gezahlten Abfindung geruht. Das sei auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitslosengeldanspruch nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht während der gesamten streitigen Zeit geruht habe. Die Verpflichtung des Klägers gegenüber seinem Arbeitgeber, keinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen, könne nicht als Verzicht verstanden werden mit der Folge, daß deshalb die Anerkennung der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit entfalle. Schließlich sei auch nicht § 128 Abs 1 AFG umgangen worden; die vertraglichen Abmachungen hätten sich darauf beschränkt, sowohl den Anspruch auf Arbeitslosengeld wie auch einen Erstattungsanspruch des Arbeitsamtes gegen den Arbeitgeber auszuschließen.
Die Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision Verletzung materiellen Rechts. Da § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG voraussetze, daß Arbeitslosengeld oder andere Unterstützung wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen Einkommens oder wegen der Berücksichtigung von Vermögen nicht gewährt worden sei, müsse zunächst einmal ein Leistungsanspruch bestehen. Daran fehle es, weil der Kläger den zu den materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen gehörenden Antrag nicht gestellt und somit auf Arbeitslosengeld verzichtet habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß gegen Arbeitslose, die nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch einen Auflösungsvertrag Leistungen nach dem AFG beantragen, regelmäßig eine Sperrzeit gemäß § 119, § 119a AFG eintrete, während der unstreitig keine Ausfallzeit zurückgelegt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 23. Juli 1986 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Grundgesetzmäßigkeit vorzulegen, ganz hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Er wendet ein, die Ausfallzeit des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG erfordere keinen Leistungsantrag gegenüber dem Arbeitsamt; sonst müsse seine Verfassungsmäßigkeit angezweifelt werden. Auch habe er gegenüber der Arbeitsverwaltung keinen Verzicht auf Arbeitslosengeld erklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien entgegen dem Vorbringen der Revision dann, wenn ein Arbeitgeber in größerer Zahl Entlassungen vornehmen müsse, keine Sperrfristen zu verhängen. Im übrigen könne das Klagebegehren auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden; entsprechend dem Urteil des BSG vom 19. Februar 1987 - 12 RK 55/84 - hätte das zuständige Arbeitsamt darauf hinweisen müssen, daß ohne Antrag auf Arbeitslosengeld die Anerkennung der Zeit der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit zumindest gefährdet sei, so daß dann die Möglichkeit einer Abänderung des Abfindungsvertrages eröffnet worden wäre.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Beklagte verpflichtet, die streitige Zeit als Ausfallzeit beim Altersruhegeld zu berücksichtigen.
Nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG sind Ausfallzeiten ua Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch eine mindestens einen Kalendermonat andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, wenn der bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldete Arbeitslose a) versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld (Arbeitslosenunterstützung)
oder
b) Arbeitslosenhilfe (Krisenunterstützung, Arbeitslosenfürsorge)
oder
c) Unterstützung aus der öffentlichen Fürsorge oder d) Familienunterstützung bezogen hat oder eine dieser Leistungen wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen eines Einkommens oder wegen der Berücksichtigung von Vermögen nicht gewährt worden ist. Keiner Erörterung bedarf, daß der Kläger während der streitigen Zeit arbeitslos gewesen ist. Davon geht auch die Beklagte mit dem Hinweis darauf aus, daß sie sonst das vorgezogene Altersruhegeld nach § 25 Abs 2 AVG nicht bewilligt hätte. Auch der "Unterbrechungstatbestand" des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 ist erfüllt: Der Kläger hat sich unmittelbar nach Beendigung der Beschäftigung der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Außerdem steht fest, daß er sich beim zuständigen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet hat.
Da der Kläger kein "versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld" bezogen hat (die weiteren in § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG unter Buchstaben b), c) und d) genannten Leistungen scheiden für die streitige Zeit von vornherein aus), kommt es entscheidend darauf an, ob ihm diese Leistung "wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen eines Einkommens oder der Berücksichtigung von Vermögen nicht verwehrt worden ist." Der Senat hält in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen auch diese Voraussetzung für gegeben. Denn die Gewährung von Arbeitslosengeld entfiel, weil der Kläger - neben der "eigentlichen" Abfindungssumme von 57.376 DM - für die streitige Zeit und in dieser Zeit von seinem Arbeitgeber außer Beträgen in Höhe der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung monatliche Zahlungen von 2.331 DM netto erhalten hat, die nach den insoweit nicht angegriffenen und daher den Senat nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des LSG dem sonst zu gewährenden Arbeitslosengeld entsprachen oder es sogar überstiegen. Damit war, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, das Zusammentreffen mit anderen Bezügen ursächlich (... "wegen" ...) für die Nichtgewährung von Arbeitslosengeld.
Zunächst kann entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung nicht schon aus der Formulierung des Gesetzes, daß wegen des Zusammentreffens mit anderen Bezügen die Leistung "nicht gewährt worden ist", der Schluß gezogen werden, es müsse stets ein Leistungsantrag beim Arbeitsamt gestellt sein, um diese Alternativvoraussetzung des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG zu erfüllen. Zwar mag der Beklagten zuzugeben sein, daß für ihre Ansicht der Gesetzeswortlaut, sprachlich-logisch gesehen, sprechen könnte, zumal für die Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Antrag materiell-rechtliche Voraussetzung ist (§ 100 Abs 1 AFG). Indessen ist in diesem Zusammenhang bei der Auslegung des Gesetzes insbesondere die typische Interessenlage des Arbeitslosen zu berücksichtigen, der zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil er arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt und sich beim Arbeitsamt gemeldet hat (vgl § 100 Abs 1 AFG), dem aber andererseits bekannt ist, daß er wegen anderer Einkünfte keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten kann. In derartigen Fällen ist es nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung im Rahmen des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG unschädlich, wenn der Versicherte keinen Leistungsantrag beim Arbeitsamt gestellt hat (vgl VDR-Komm, Stand 1. Juli 1985, Anm 16 zu § 1259 RVO; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Stand Januar 1988, § 1259 RVO, Anm II 5 E am Ende; Bley/Lilge in SGB/RVO-Ges Komm Anm 12 zu § 1259; Eicher/Haase/Rauschenbach, Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Anm 7c zu § 1259 RVO). Im Anschluß daran hat der erkennende Senat im Urteil vom 10. Juni 1980 - 4 RJ 33/79 - den Antrag eines arbeitslosen Versicherten auf Fürsorgeleistungen für nicht erforderlich gehalten, wenn wegen anderweitiger Einkünfte oder wegen Unterhaltsansprüchen kein Anspruch auf diese Leistungen bestand. Übereinstimmend damit ist der 5. Senat des BSG im Urteil vom 24. März 1988 - 5/5b RJ 84/86 - davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Falle des Ruhens wegen Einkommens aus einer Abfindung nicht schon mangels des nach § 100 Abs 1 AFG notwendigen Antrags auf diese Leistungen entfalle, weil dem Versicherten nicht zuzumuten sei, eine ohnehin ruhende Leistung zu beantragen. Der erkennende Senat sieht die Richtigkeit dieser Auffassung durch den Sinn und Zweck der Ausfallzeiten des § 36 AVG bestätigt, nämlich den Versicherten vor Nachteilen zu schützen, die dadurch eintreten können, daß er durch bestimmte, in seiner Person liegende Umstände unverschuldet gehindert war, Pflichtbeiträge zu leisten, die er sonst entrichtet hätte (vgl zB den Großen Senat des BSG im Beschluß vom 9. Dezember 1975 - BSGE 41, 41, 49 = SozR Nr 13 zu § 1259 RVO mwN). Daß in § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG der Ausgleich für diese unverschuldete rentenschädliche Hinderung im Vordergrund gegenüber speziellen Gegebenheiten des Rechts der Arbeitslosenversicherung steht, verdeutlicht auch die von Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr (aaO) erwähnte Fallgestaltung, wonach die Berücksichtigung als Ausfallzeit auch nicht daran scheitert, daß der arbeitslose Versicherte, dem wegen Nichterfüllung der Anwartschaft nach § 104 AFG kein Leistungsanspruch gegen das Arbeitsamt zustand, den Antrag auf Sozialhilfe aufgrund mangelnder Bedürftigkeit unterlassen hat.
Die vorstehenden Gesichtspunkte und Erwägungen sind auch zur Beantwortung der Kernfrage heranzuziehen, ob der Kläger während der streitigen Zeit wegen des Zusammentreffens mit anderen Bezügen (Einkünften) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte, zumal das AFG im Grundsatz ebenfalls nur eine unverschuldete Arbeitslosigkeit "honoriert". So wäre gegen den Kläger, hätte er den Leistungsantrag gestellt, keine Sperrzeit nach § 119 AFG eingetreten, die den Beginn der Ausfallzeit verhindert oder (als sog Überbrückungstatbestand) zumindest verzögert haben würde. Denn der Eintritt einer Sperrzeit setzt ua voraus, daß der Arbeitslose (hier durch Lösung des Arbeitsverhältnisses) die Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Daran fehlt es, wenn - wie hier - ein älterer Arbeitnehmer auf Anregung des Arbeitgebers gegen Abfindung aus betrieblichen und betriebsdienlichen Gründen das Beschäftigungsverhältnis löst (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 14; BSGE 21, 98, 99 = SozR Nr 2 zu § 80 AVAVG; Urteil des 5. Senats vom 24. März 1988 - 5/5b RJ 84/86).
Unproblematisch ist die Rechtslage, soweit selbst im Falle des beim Arbeitsamt gestellten Leistungsantrages der Anspruch auf Arbeitslosengeld ohnehin wegen der vom Arbeitgeber gezahlten Abfindung nach § 117 AFG geruht hätte, weil insoweit die Kausalität des Zusammentreffens mit anderen Bezügen oder Einkünften für die Nichtgewährung offensichtlich wird. Zutreffend hat das LSG die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 AFG als erfüllt angesehen, wonach dann, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen erhalten hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage ruht, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (aaO Satz 1). Da der Kläger Jahrzehnte bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war, wäre nach § 117 Abs 2, Sätze 3 und 4 iVm aaO Abs 3 Satz 1 AFG ein Ruhen für die gesamte streitige Zeit von einem Jahr in Betracht gekommen.
Allerdings ruhte der Anspruch nicht für ein ganzes Jahr, sondern - wiederum im Hinblick auf die jahrzehntelange Zugehörigkeit zum selben Unternehmen, in diesem Zusammenhang aber auch unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers - nur solange, wie der Kläger bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 30 vH der Abfindung, Entschädigung oä Leistung als Arbeitsentgelt verdient hätte (§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 iVm Satz 3 AFG). Bereits eine überschlägige Berechnung zeigt, daß der Kläger, der mit seinem Bruttoarbeitsentgelt über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung lag, vor Ablauf der streitigen Zeit vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 1985 30 vH der Abfindung erreicht hätte. Daß das LSG diesen Zeitpunkt nicht bestimmt und auch keine Feststellungen getroffen hat, die dessen Festlegung zulassen, ist für diese Annahme unschädlich. Offen bleiben kann auch, ob die Umschreibung des Gesetzes "Abfindung, Entschädigung oä Leistung" neben dem Globalbetrag von 57.376 DM ua auch die für zwölf Monate geleisteten Zahlungen für entgehendes Arbeitslosengeld von jeweils 2.331 DM erfaßt, oder ob - wie der 5. Senat in dem erwähnten Urteil vom 24. März 1988 S 5 unter Bezug auf ein allerdings die Grundlohnbemessung in der Krankenversicherung betreffendes Urteil des BSG vom 23. Februar 1988 -12 RK 34/86- angenommen hat - der Teil der Abfindung nicht als Abfindung iS des § 117 Abs 2 AFG anzusehen ist, "der als Gegenleistung dafür gezahlt wird, daß der Arbeitnehmer auf die Geltendmachung von Arbeitslosengeld verzichtet hat." Denn für die nach Ablauf der Ruhenszeit verbleibende Zeit des streitigen Jahres kann hinsichtlich ihrer Berücksichtigung als Ausfallzeit nichts anderes gelten:
Der Kläger hat auch für die Zeit, für die kein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs 2 und Abs 3 AFG mehr in Betracht kam, nicht nach § 46 Abs 1 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB 1) auf das Arbeitslosengeld verzichtet, weil dies nur durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitsamt als dem zuständigen Leistungsträger möglich gewesen wäre, aber offenbar nicht geschehen ist; er hat es lediglich im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis unterlassen, einen Leistungsantrag zu stellen (zu dem Unterschied vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr aaO SGB I § 46 Anm II am Anfang). Schon mit Blick auf den oben umschriebenen Sinn und Zweck des § 36 AVG kann die Berücksichtigung einer Zeit der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit nicht deshalb entfallen, weil der - "an sich bestehende" - Anspruch auf Arbeitslosengeld lediglich nicht geltend gemacht worden ist, zumal folgende rechtsrelevante, typische Umstände und Besonderheiten hinzutreten: Der Kläger war wegen der vom Arbeitgeber neben der einmaligen Abfindung gezahlten zwölf Monatsbeträge von jeweils 2.331 DM für entgehendes Arbeitslosengeld, die nach den Feststellungen des LSG mindestens der Höhe des Arbeitslosengelds entsprachen, der Auffassung, daß er nicht auch noch gegenüber dem Arbeitsamt mit Erfolg und "mit Recht" diese Leistung - sozusagen ein zweites Mal - hätte beanspruchen können und dürfen. Diese Auffassung und das daraus abgeleitete Verhalten kann rentenrechtlich nicht mißbilligt werden. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgesprochen, daß ein Versicherter, der sich sozialadäquat verhält, indem er den Unterstützungsbetrag in der Arbeitslosenversicherung senken hilft, dadurch in der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Nachteil erleiden darf (BSGE 54, 125, 127 = SozR 2200 § 1255 Nr 16). Dementsprechend kann auch hier der Kläger nicht schlechter gestellt werden, als wenn er bei fehlender Arbeitgeber-Leistung Arbeitslosengeld beantragt und - da die sonstigen Voraussetzungen vorlagen - bezogen hätte. Für ihn traten die vom Arbeitgeber gezahlten speziellen monatlichen Leistungen an die Stelle von Arbeitslosengeld, so daß aus diesem Grund - also "wegen" Zusammentreffens von Leistungen iS von § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG - vom Arbeitsamt kein Arbeitslosengeld "gewährt worden ist."
Die Richtigkeit der dargelegten Rechtsauffassung ergibt sich auch aus folgendem: Wäre dem Kläger auf seinen Antrag Arbeitslosengeld gewährt worden und hätte das Arbeitsamt gemäß § 128 AFG das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld vom Arbeitgeber erstattet erhalten, so könnte der Arbeitgeber seinerseits diesen Betrag vom Kläger grundsätzlich selbst dann zurückfordern, wenn - wie der 5. Senat im Urteil vom 24. März 1988 -5/5b RJ 84/86- entschieden hat - die im Abfindungsvertrag eingegangene Verpflichtung des Klägers als Arbeitnehmer, keinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen, nichtig ist (vgl § 812 Abs 1 Satz 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB). Es kann nicht der Sinn des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG sein, vom Kläger zu verlangen, einen derartigen "Zirkel" von letztlich sich einander aufhebenden Ansprüchen allein zu dem Zweck auszulösen, seinen Anspruch gegen die Beklagte auf höheres Altersruhegeld - Berücksichtigung des gesamten Zeitraums der Arbeitslosigkeit von Juli 1984 bis Juni 1985 als Ausfallzeit - durchsetzen zu können.
Mit seiner Rechtsauffassung weicht der erkennende Senat nicht von dem erwähnten Urteil des 5. Senats vom 24. März 1988 ab. Er brauchte aus seiner Sicht anders als der 5. Senat weder zu entscheiden, ob der Teil des Abfindungsvertrages, mit dem sich der Kläger verpflichtete, einen Leistungsantrag beim Arbeitsamt zu stellen, nichtig war, noch hatte er Anlaß zu untersuchen, ob ein Herstellungsanspruch besteht, weil ein Bediensteter des Arbeitsamtes auf dem Rechtsgebiet der gesetzlichen Rentenversicherung den Kläger über - denkbare - Auswirkungen der Unterlassung des Antrags auf Arbeitslosengeld für die Berücksichtigung einer Ausfallzeit nicht oder nicht genügend aufgeklärt hat.
Die Revision der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen