Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zweckmäßigkeit der Förderung einer beruflichen Umschulung iS von AFG § 36, wenn es sich bei dem angestrebten Beruf nicht um einen sogenannten Mangelberuf handelt (Fortführung von BSG 1975-03-06 7 RAr 66/72 = SozR 4100 § 36 Nr 4 und BSG 1975-06-03 7 RAr 30/74).
Leitsatz (redaktionell)
1. Von der zeitlichen Beschränkung des AFG § 47 Abs 3 S 2 werden auch Maßnahmen mit berufsbegleitendem Unterricht erfaßt (vgl BSG 1974-08-29 7 RAr 39/72 = Dienstbl BA C AFG § 47 (Nr 1836).
2. Zur Zweckmäßigkeit der Umschulung vom Schriftsetzermeister zum "Praktischen Sozialwirt" (AFG § 36).
Normenkette
AFG § 36 Fassung: 1969-06-25, § 47 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 6 Fassung: 1969-12-18, § 8 Fassung: 1969-12-18; AFG § 47 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 7. November 1973 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Förderung seines Studiums an der Akademie für Arbeit und Sozialwesen in Saarbrücken.
Der 1933 geborene Kläger ist von Beruf Schriftsetzermeister. Seit dem 18. Oktober 1971 besucht er berufsbegleitend die Akademie für Arbeit und Sozialwesen in S, eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Ziel seines Studiums, das sich über 6 Semester erstreckt, ist die Erlangung des Diploms "Praktischer Sozialwirt (AfAS)".
Den Antrag des Klägers vom 1. September 1971 auf Gewährung von Förderungsleistungen für den Besuch der Akademie lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 1972 ab, weil die Umschulung des Klägers vom Schriftsetzermeister zum praktischen Sozialwirt unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig erscheine. Mit gleicher Begründung wurde sein Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1972).
Durch Urteil vom 23. November 1972 hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Studium des Klägers an der Akademie für Arbeit und Sozialwesen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu fördern. Das SG hat das Studium des Klägers als eine berufliche Umschulung im Sinne von § 47 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) angesehen, für die die gesetzlichen Voraussetzungen einer Förderung nach den Vorschriften des AFG vorlägen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 7. November 1973). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Es bestünden zunächst bereits Bedenken, ob der berufsbegleitende Besuch der Akademie für Arbeit und Sozialwesen überhaupt als Umschulung im Sinne des § 47 AFG angesehen werden könne. Der zuständige Ausschuß des Verwaltungsrates der Beklagten habe nämlich die Auffassung vertreten, daß der Besuch höherer Fachschulen für Sozialarbeit oder von Ausbildungsstätten entsprechender Art keine Umschulung darstellte.
Selbst wenn man jedoch diese Auffassung nicht teile, fehlten für eine Förderung des Klägers nach den Vorschriften des AFG die Anspruchsvoraussetzungen. Wie das SG ist das LSG davon ausgegangen, daß es sich bei dem Studium des Klägers inhaltlich um eine Maßnahme der beruflichen Umschulung im Sinne von § 47 AFG handele. Das Studium habe nämlich das Ziel, dem Kläger den Übergang in eine andere, vom Berufswissen seiner bisher ausgeübten Tätigkeit unabhängige Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Der Kläger sei jedoch nicht arbeitsuchend im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG. Wer nämlich eine neue Tätigkeit erst nach Abschluß des Studiums aufnehmen wolle und sie auch dann erst verrichten könne, suche bis zum Abschluß der Ausbildung keine andere Beschäftigung.
Selbst wenn der Kläger als Arbeitsuchender angesehen werde, stünde ihm ein Förderungsanspruch gleichwohl nicht zu, weil es an den Voraussetzungen des § 36 AFG fehle. Der Kläger sei zwar für das Studium an der Akademie geeignet; seine Ausbildung dort entspreche auch seinen beruflichen Neigungen. Es fehle jedoch an dem arbeitsmarktpolitischen Interesse an der Förderung im Sinne des § 36 AFG. Für diese Frage sei die Ausgangslage des Klägers zu berücksichtigen. Dazu hat das LSG festgestellt, daß es sich bei dem Beruf des Schriftsetzers um einen Mangelberuf handelt. Hierbei ist das LSG von der derzeitig erfaßbaren Lage des Arbeitsmarktes unter Beachtung der Entwicklung des Bedarfs an Schriftsetzern in den letzten Jahren ausgegangen. Möglichkeiten einer ungünstigen Entwicklung der Nachfrage nach Schriftsetzern zeichnen sich nach den Feststellungen des LSG gegenwärtig nicht ab. Es vertritt die Auffassung, daß eine bloße Möglichkeit ungünstiger Entwicklung jedenfalls keine Bedeutung haben könne. Aus der Sicht des Arbeitsmarktes sei demzufolge die Förderung des Klägers als eine Maßnahme der beruflichen Umschulung nicht als zweckmäßig anzusehen. Eine andere Entscheidung rechtfertige sich auch nicht aus § 8 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 in der Fassung vom 30. September 1970 (ANBA 1970, 85, 772 - AFuU 1969/1970 -), wonach bei der Frage der Zweckmäßigkeit der Förderung sozialpolitische Bedürfnisse zu berücksichtigen seien. Ob die Tätigkeit eines praktischen Sozialwirts ebenfalls als ein Mangelberuf anzusehen sei, könne dahinstehen. Gegenwärtig lägen diesbezüglich keine Ergebnisse vor. Im übrigen sei ein Wechsel von einem Mangelberuf in einen anderen ohnedies nicht sozialpolitisch zweckmäßig. Nur für den Fall, daß dem Kläger Arbeitslosigkeit drohte oder er aus anderen Gründen nicht in der Lage wäre, die Tätigkeit des Schriftsetzers weiter auszuüben, könnte die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit des Wechsels in einen anderen Mangelberuf bejaht werden. Schließlich sei nicht ersichtlich oder dargetan, daß der Bedarf an Arbeitskräften in dem angestrebten Beruf größer sei oder schwerer wiege als in dem bisherigen Beruf, und daß die Bedeutung des bisherigen Berufs gegenüber dem angestrebten Ziel eindeutig zurücktreten müßte.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts; er trägt hierzu insbesondere vor:
Mit Rücksicht auf seinen Antrag vom 1. September 1971 sei hier die Fassung der AFuU 1969 maßgebend. Für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Förderung nach § 36 AFG habe das LSG zu Unrecht lediglich den Ausgangsberuf des Klägers zugrunde gelegt. Das sei schon deswegen unrichtig, weil es nach den Regelungen der AFuU 1969 auch darauf ankomme, ob der Erwerbstätige beruflich aufsteigen wolle und ob durch die Teilnahme an einer Maßnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitische Bedürfnisse besser erfüllt werden könnten, als es ohne die Maßnahme möglich sei. Nach § 8 AFuU 1969 sei sonach unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des einzelnen und dem öffentlichen Interesse vorzunehmen. Dabei sei auch auf die Wertigkeit beider Berufe einzugehen. Die Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG diene in erster Linie dem beruflichen Aufstieg der Arbeitskräfte.
Die Verstärkung der beruflichen Bildung solle dazu beitragen, den Wachstumsprozeß der Wirtschaft zu erleichtern. Damit sei gleichzeitig die Wertigkeit einer Umschulung im Hinblick auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes charakterisiert. Das sozialpolitische Interesse habe ein größeres Gewicht als die arbeitsmarktpolitischen Bedürfnisse. Die Beklagte würde sonach dem Plan des Gesetzes entgegenwirken, wenn sie für ein vom Grundgedanken des Gesetzes gebilligtes Streben nach höherer beruflicher Bildung - wie hier - die Mittel vorenthalte.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 23. November 1972 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bringt ferner vor: Nach den in §§ 1 und 2 AFG sowie in § 1 AFuU 1969/1970 zum Ausdruck gebrachten Zielen diene das Gesetz in erster Linie dem Zweck, Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Die Situation des Klägers habe aus dieser vorrangigen arbeitsmarktpolitischen Sicht jedoch keinen Anlaß zu einer Umschulung geboten. Im übrigen zeige ein Vergleich des Wortlauts von § 8 AFuU 1969/1970 mit dem der §§ 41 und 47 AFG, daß die Sicherung und Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit ein ausdrückliches Ziel der Umschulung, die Ermöglichung des beruflichen Aufstiegs dagegen ein ebensolches der Fortbildung sei. Daraus folge, daß das Aufstiegsmotiv bei der Prüfung der Frage, ob eine Umschulung zweckmäßig sei, gegenüber den in § 8 AFuU 1969/1970 ebenfalls genannten arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen zurücktreten müsse. Der Kläger könne einen beruflichen Aufstieg auch in seinem Ausgangsberuf - durch Fortbildung - verwirklichen. Für den Fall des Klägers sei eine andere Meinung auch nach der Ergänzung von § 8 AFuU 1969/1970 durch die Änderungsanordnung vom 19. Dezember 1973 (ANBA 1974 S. 490) nicht gerechtfertigt. In dieser Regelung sei lediglich ein Regulativ für jene Fälle zu erblicken, in denen wegen Gleichgewichtigkeit oder annähernder Gleichgewichtigkeit der beruflichen Ausgangs- und Zielsituation des Antragstellers die Zweckmäßigkeit nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zureichend oder überhaupt nicht festgestellt werden könne. Nur in diesen Fällen sei der angestrebte Zielberuf allein maßgebend. Im übrigen habe das LSG im vorliegenden Fall zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in dem vom Kläger angestrebten Beruf des praktischen Sozialwirts keinerlei Feststellungen getroffen. Käme es hierauf jedoch an, müsse der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist begründet, denn sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.
Dem LSG ist darin beizupflichten, daß es sich bei dem Studium des Klägers an der Akademie für Arbeit und Sozialwesen um die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Umschulung im Sinne von § 47 AFG handelt. Die Akademie für Arbeit und Sozialwesen wurde durch Verordnung vom 1. Juni 1970 (Amtsblatt für das Saarland 1970 S. 558) errichtet. Die Ermächtigung zum Erlaß dieser Verordnung war dem Minister für Arbeit, Sozialordnung und Gesundheitswesen durch § 21 des Gesetzes über die Arbeitskammer des Saarlandes vom 5. Juli 1967 (Amtsblatt des Saarlandes 1967 S. 635) erteilt worden. Zweck des Studiums ist es, die Teilnehmer auf wissenschaftlicher Grundlage zu Fachkräften für die Wirtschaft und die Verwaltung heranzubilden, insbesondere für das Personal- und Sozialwesen (§ 2 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Die Akademie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Saarbrücken (§ 1 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Der Studienleiter der Akademie muß dem Lehrkörper einer Universität angehören oder hauptamtlich Professor oder Dozent an einer Hochschule sein; er stellt die Lehrpläne auf und überwacht deren Durchführung (§ 10 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Hörer der Akademie können Personen sein, die eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen oder eine mehrjährige Berufstätigkeit ausgeübt haben. In besonderen Ausnahmefällen können Bewerber, die diese Bedingungen nicht erfüllen, ebenfalls zugelassen werden (§ 12 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Die Vorlesungen sind berufsbegleitend und erstrecken sich über einen Zeitraum von drei Jahren (§ 13 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Der Besuch endet mit einer Abschlußprüfung. Bei bestandener Prüfung wird das Diplom der Akademie für Arbeit und Sozialwesen verliehen, das zur Führung der Berufsbezeichnung "Praktischer Sozialwirt (AfAS)" berechtigt. Absolventen, die bei der Prüfung die Gesamtnote gut erreichen, können auf Antrag vom Minister für Kultus, Unterricht und Volksbildung die Berechtigung zur Aufnahme eines Studiums der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität des Saarlandes erhalten (§ 14 der Verordnung vom 1. Juni 1970). Nach allem ergibt sich, daß die Tätigkeit des praktischen Sozialwirts gegenüber derjenigen des Schriftsetzermeisters, die der Kläger zuvor aufgrund seiner Berufsausbildung ausgeübt hat, eine solche mit neuem Inhalt im Sinne des § 47 AFG ist (vgl. BSGE 38, 138, 139).
Die Förderung des Studiums des Klägers scheitert entgegen der Auffassung des LSG nicht daran, daß er nicht als Arbeitsuchender im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG anzusehen sei. Das LSG verkennt diesen Begriff, wenn es meint, der Kläger scheide aus dem Kreis der Arbeitsuchenden aus, weil er zunächst ausschließlich am Fortgang und Abschluß seiner Umschulung und nicht an der Aufnahme einer Arbeit interessiert sei. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird mit dem Begriff des Arbeitsuchenden in § 47 Abs. 1 AFG der Personenkreis umschrieben, der für eine Umschulungsförderung durch die Beklagte in Betracht kommt. Dieser Begriff wird im Bereich der Arbeitsvermittlung ebenfalls in den §§ 13 und 14 AFG verwendet. Danach hat als arbeitsuchend jede Person zu gelten, die eine Tätigkeit, für die Arbeitskräfte eingestellt zu werden pflegen, ausüben kann (vgl. BSGE 26, 155). Arbeitsuchender ist hiernach auch derjenige, der erst in Zukunft eine Beschäftigung eingehen will, sofern er nur den Wunsch auf Vermittlung in eine berufliche Tätigkeit dem Arbeitsamt gegenüber äußert. An dieser rechtlichen Zuordnung hat sich auch durch die Neufassung der entsprechenden Vorschriften im AFG nichts geändert. Im Rahmen der Arbeitsvermittlung ist danach jede Person als arbeitsuchend anzusehen, die - ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Weise sie bisher beschäftigt gewesen ist - gegenüber dem Arbeitsamt den Willen zum Ausdruck bringt, in der Zukunft auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung aufzunehmen. Diese umfassende Auslegung des Begriffs Arbeitsuchender entspricht der Regelung in § 47 Abs. 1 AFG. Es würde dem Sinn und Zweck der Umschulungsmaßnahme widersprechen und die Förderung sogar praktisch ausschließen, wenn man den an einer Umschulungsmaßnahme teilnehmenden Personen generell die Eigenschaft als Arbeitsuchende absprechen würde, weil sie während ihrer Teilnahme nicht an der Aufnahme einer Beschäftigung interessiert sind. Ein arbeitsuchender Teilnehmer an einer Umschulungsmaßnahme kann gerade während der Umschulung dem Arbeitsmarkt unmittelbar nicht zur Verfügung stehen, wenn das mit dieser Maßnahme beabsichtigte Ziel, die berufliche Beweglichkeit zu sichern oder zu verbessern, nicht gefährdet werden soll (vgl. BSGE 38, 138, 140). Der Umstand, daß der Kläger während der Zeit seiner Umschulung nicht an der Aufnahme einer Berufstätigkeit interessiert ist, er also erst in Zukunft, nämlich nach Abschluß der Umschulung wieder berufstätig sein will, hindert infolgedessen nicht, ihn von Anfang an als Arbeitsuchenden i.S. des § 47 Abs. 1 AFG zu betrachten.
Dem LSG ist beizupflichten, daß der mit dem Studium beabsichtigte soziale (berufliche) Aufstieg die Annahme einer Umschulung nicht hindert; denn die Frage des beruflichen Aufstiegs ist kein Abgrenzungsmerkmal zu anderen Arten der beruflichen Bildung (vgl. BSGE 37, 223, 224; 38, 63, 64).
Das Studium selbst überschreitet mit seinen sechs Semestern zwar nicht den Zeitraum, der für eine förderungsfähige Maßnahme der beruflichen Umschulung nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 vorgeschrieben ist. Den Feststellungen des LSG ist jedoch nicht zu entnehmen, ob nach der planmäßigen Anlage dieser Bildungsmaßnahme auch die Prüfung regelmäßig innerhalb dieses Zeitraumes stattfindet. Der für die Prüfung regelmäßig erforderliche Zeitaufwand ist stets der Dauer der Bildungsmaßnahme hinzuzurechnen, weil die Prüfung Teil der Bildungsmaßnahme ist und erst mit ihrem Abschluß der auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Beruf erreicht wird (vgl. Urteil des Senats vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 17/74 -). Eine Überschreitung des Drei-Jahres-Zeitraumes im Einzelfall durch die Verzögerung der Prüfung aus technischen oder organisatorischen Gründen kann dabei außer Betracht bleiben, wenn nur dieser Zeitrahmen nach dem Plan der Bildungsmaßnahme eingehalten werden soll und regelmäßig eingehalten wird (vgl. Urteil des Senats vom 26. August 1975 - 7 RAr 68/74 -). Hierauf kommt es auch im vorliegenden Fall an, denn diese Frage ist bei Maßnahmen der beruflichen Umschulung nicht unterschiedlich danach zu beurteilen ob es sich um Maßnahmen im Vollzeitunterricht oder - wie hier - um Maßnahmen berufsbegleitender Art handelt. § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG, der ebenso wie § 41 Abs. 2 AFG die zeitliche Begrenzung von zwei Jahren bestimmt, enthält nämlich im Gegensatz zu Maßnahmen der beruflichen Fortbildung keine Ausnahme in Bezug auf Maßnahmen mit berufsbegleitendem Unterricht. Daraus muß gefolgert werden, daß im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme nicht nur diejenigen mit Vollzeitunterricht, sondern auch Maßnahmen mit berufsbegleitendem Unterricht (Teilzeitunterricht) von der zeitlichen Beschränkung des § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG erfaßt werden (vgl. BSGE 38, 104, 108). Ergänzende Feststellungen des LSG sind somit für die Entscheidung der Frage erforderlich, ob das vom Kläger betriebene Studium von seiner zeitlichen Dauer her zu den Maßnahmen gehört, deren Besuch nach § 47 AFG förderungsfähig ist.
Nach den Feststellungen des LSG kann ferner nicht abschließend die Frage entschieden werden, ob die vom Kläger begehrte Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig im Sinne von § 36 AFG erscheint. Die übrigen Voraussetzungen für eine Förderung, die in dieser Vorschrift geregelt sind, nämlich die Neigung und Eignung des Antragstellers für die angestrebte berufliche Bildung, sind nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG als gegeben anzusehen. Der Förderung der Teilnahme des Klägers an dem Studium steht es zunächst nicht entgegen, daß der Beruf, aus dem der Kläger kommt, eine hohe Zahl offener Stellen aufweist, also einen sogenannten Mangelberuf darstellt. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Beurteilung, ob die Förderung einer beruflichen Bildungsmaßnahme unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist, grundsätzlich auf die Verhältnisse in dem angestrebten Beruf an, nicht aber, wie das LSG meint, generell auf einen Vergleich mit den Verhältnissen im bisherigen Beruf (vgl. Urteile vom 6. März 1975 - 7 RAr 66/73 - und vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 30/74 -). Hiervon geht auch der Verwaltungsrat der Beklagten in seiner Neufassung von § 8 AFuU vom 19. Dezember 1973 (ANBA 1974 S. 490) - die hier nicht anzuwenden ist - selbst grundsätzlich aus. Die einschränkende Auffassung der Beklagten, diese Neuregelung sei nur bei "Gleichgewichtigkeit" der Situation im Ausgangs- und Zielberuf maßgebend, findet dort allerdings keinen Ausdruck.
Im vorliegenden Fall ist maßgebend die AFuU 1969 idF vom 30. September 1970 (ANBA S. 772), in Kraft seit 19. Dezember 1970. Die Fassung der AFuU vom 9. September 1971 gilt erst seit dem 1. Januar 1972 und ist auf vorher begonnene Maßnahmen nicht anzuwenden (vgl. § 24 Abs. 2 AFuU 1971 - ANBA 1971 S. 797 -). Nach § 8 AFuU in der Fassung von 1969/1970 ist die Förderung zweckmäßig, wenn der Erwerbstätige seine berufliche Beweglichkeit sichern oder verbessern oder beruflich aufsteigen will und "durch die Teilnahme an einer Maßnahme arbeits- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung oder Umschulung möglich wäre". Bereits der Wortlaut des § 36 AFG läßt erkennen, daß Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit lediglich berücksichtigt werden müssen. Diese Prüfung gibt keinen Raum für eine Ordnung des Arbeitsmarktes, insbesondere für eine Lenkung der Arbeitskräftefluktuation zwischen verschiedenen Berufen durch die Beklagte. Eine solche allgemeine Lenkungsbefugnis der Beklagten dem § 36 AFG zu entnehmen, würde den in § 2 AFG aufgeführten Zielen des Gesetzes nicht entsprechen. Ob eine Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint, orientiert sich vielmehr regelmäßig an den Zwecken, denen die jeweilige Maßnahme dient. Zweck der Umschulung ist es, in erster Linie die berufliche Beweglichkeit des Arbeitnehmers zu sichern oder zu verbessern (§ 47 Abs. 1; § 2 Ziff. 2 AFG). Dieses Ziel wird regelmäßig erreicht, wenn der Bildungswillige in dem neuen Beruf - zusätzlich zu seinem bisherigen Beruf - eine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Beschäftigungsmöglichkeit erhalten kann.
Wie der Senat in den vorgenannten Entscheidungen ausgesprochen hat, ist diese Voraussetzung grundsätzlich dann erfüllt, wenn es sich bei dem angestrebten Beruf um einen sogenannten Mangelberuf handelt. Von einem Mangelberuf in diesem Sinne ist regelmäßig dann auszugehen, wenn dem Angebot an freien Stellen für eine bestimmte Beschäftigung eine so geringe Nachfrage nach solchen Stellen auf Arbeitnehmerseite gegenübersteht, daß der Bedarf in dem entsprechenden Beschäftigungszweig nicht in der für eine ausgeglichene Arbeitsmarktsituation erforderlichen Weise gedeckt werden kann. Hierbei ist auch die vorhersehbare Entwicklung dieses Beschäftigungszweiges zu beachten. Ein zahlenmäßiger Maßstab dafür, wenn diese Situation gegeben ist, läßt sich generell nicht festlegen. Es kommt dabei sowohl auf die Besonderheiten des jeweiligen Berufs wie auf seine Bedeutung für den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftsleben an. In besonderen Fällen kann bereits eine geringe Zahl von nicht besetzbaren Stellen dazu führen, den entsprechenden Beruf als einen Mangelberuf zu bezeichnen. In anderen Fällen wird man zu diesem Ergebnis erst gelangen können, wenn in einem größeren, nennenswerten Umfang der Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft nicht gedeckt werden kann. Die Beurteilung dieser Fragen kann auch von der konjunkturellen Lage auf dem Arbeitsmarkt abhängen. Im vorliegenden Fall hat das LSG für die Verhältnisse in dem vom Kläger angestrebten Beruf des praktischen Sozialwirts keinerlei Feststellungen getroffen, weil es von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt aber von diesen Feststellungen ab, so daß der Rechtsstreit auch insoweit an das LSG zurückverwiesen werden muß. Ergibt die weitere Sachaufklärung des LSG, daß es sich bei dem Beruf des praktischen Sozialwirts um einen Mangelberuf in dem vorstehend angeführten Sinne handelt, so ist die Voraussetzung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit für eine Förderung im Sinne von § 36 AFG entsprechend der Rechtsprechung des Senats zu bejahen.
Im anderen Fall ist folgendes zu beachten: Es könnte sich einmal ergeben, daß der Beruf des praktischen Sozialwirts zwar nicht ein Mangelberuf ist, daß Angebot und Nachfrage in diesem Berufszweig jedoch ausgeglichener sind. In diesem Fall kommt es darauf an, ob der Kläger durch die Fähigkeiten und Kenntnisse, die er mit Hilfe seines Studiums als praktischer Sozialwirt erworben hat, seine berufliche Beweglichkeit dadurch gesichert oder verbessert hat, daß er neben der Beschäftigungsmöglichkeit in seinem alten Beruf nunmehr eine zusätzliche zweite Beschäftigungsmöglichkeit erhalten hat. Auf diese Weise wäre sowohl arbeitsmarktpolitischen wie sozialpolitischen Bedürfnissen durch die Teilnahme an dieser Maßnahme besser entsprochen als ohne die berufliche Umschulung (§ 8 AFuU 1969/1970). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, ob die Verhältnisse in dem bisherigen Beruf für den Kläger im wesentlichen unverändert bleiben. Es ist denkbar, daß der Wechsel in den neuen Beruf die Möglichkeit des Einsatzes auf dem Arbeitsmarkt nicht erweitert, weil eine Rückkehr in den bisherigen Beruf ausgeschlossen erscheint oder sehr erschwert ist, z.B. bei besonders schneller Entwicklung der Anforderungen an die Berufskenntnisse oder weil ständige Übung bestimmter Tätigkeiten in dem bisherigen Beruf erforderlich ist (vgl. Urteil vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 30/74 -). In einem solchen Fall würde sich ergeben, daß der Kläger nach absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage wäre, in seinem Beruf als Schriftsetzermeister eine gesicherte Existenzgrundlage zu finden. Würde er darüber hinaus in dem neuen Beruf des praktischen Sozialwirts nur eine gegenüber seiner bisherigen Berufstätigkeit geringere Möglichkeit des beruflichen Einsatzes gewinnen, wäre es nicht zweckmäßig im Sinne des § 36 AFG, diese Umschulung zu fördern. Ebenso wäre es, wenn sich aus den Feststellungen des LSG ergeben sollte, daß für die Tätigkeit eines praktischen Sozialwirts nicht nur kein ausgeglichener Arbeitsmarkt vorhanden ist, sondern sich sogar gegenüber der Nachfrage von arbeitsuchenden Sozialwirten ein nur geringeres oder gar minimales Angebot freier Stellen zeigen sollte. In diesem Fall würde sich durch die Umschulung die berufliche Sicherung des Klägers nicht nur nicht verbessern, sondern sogar verschlechtern; er würde nämlich die Möglichkeiten zur Ausübung seines Berufs als Schriftsetzer nach und nach einschränken, ohne eine gleichwertige Beweglichkeit in dem Beruf des praktischen Sozialwirts zu erlangen. Auch in diesem Fall wäre sonach die Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig und demgemäß zu versagen.
Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren vertretene Auffassung, die Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit mit Blickrichtung auf den vom Kläger gewählten Zielberuf sei deswegen nicht möglich, weil noch keine Erfahrungen über die beruflichen Einsatzmöglichkeiten eines praktischen Sozialwirts vorlägen, rechtfertigen jedenfalls nicht eine ablehnende Entscheidung. Sofern die Beklagte als die zuständige Arbeitsmarktbehörde nicht in der Lage sein sollte, für die abschließende Entscheidung des LSG ausreichende tatsächliche Angaben über die Möglichkeiten für eine Beschäftigung als praktischer Sozialwirt zu machen, wäre das LSG gehalten, gegebenenfalls durch gutachtliche Stellungnahmen von Sachverständigen hierzu nähere Feststellungen zu treffen. Ohne diese Feststellungen kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß eine von staatlicher Seite eingerichtete Akademie mit dem Ziel, Fachkräfte für Wirtschaft und Verwaltung, insbesondere auf dem Personal- und Sozialsektor heranzubilden, ohne praktische Anwendungsmöglichkeiten ist.
Die Entscheidung des LSG ist demnach aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung an dieses Gericht zurückzuverweisen. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen