Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Versicherungsträger vor Inkrafttreten des ArVNG durch Bescheid nur über den allein gestellten Antrag auf Gewährung von Invalidenversicherungsrente entschieden, beantragt der Kläger aber nach Inkrafttreten des ArVNG vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - in Änderung seiner bereits vor Inkrafttreten des ArVNG erhobenen zusammengefaßten Aufhebungs- und Leistungsklage (SGG § 54 Abs 4) - nunmehr auch die Verurteilung zur Zahlung von Rente wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit, so können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über diese Ansprüche entscheiden.

2. Die Verweisung einer landwirtschaftlichen und gärtnerischen Hilfsarbeiterin auf die Tätigkeit einer Küchenhilfe in Gaststätten, Kantinen und Krankenhäusern ist zumutbar iS des RVO § 1246 Abs 2 S 2.

3. Ein Versicherter, der noch eine Erwerbsfähigkeit ausüben kann, ist nicht deshalb erwerbsunfähig, weil er häufig krank feiern muß.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1247 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. November 1957 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben soweit es den Rentenanspruch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1956 betrifft.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die im Jahre 1902 geborene Klägerin war - mit Unterbrechungen - von 1919 bis 1945 als Landarbeiterin und danach bis zum 31. Dezember 1950 als Gartenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1919 bis 1945 war sie bei der früheren Landesversicherungsanstalt Brandenburg und von 1945 bis 1950 bei der Berliner Versicherungsanstalt und der Beklagten pflichtversichert und anschließend bis 1954 bei der Beklagten freiwillig weiterversichert. Im August 1954 stellte sie Antrag auf Gewährung von Invalidenrente. Sie berief sieh auf ihre behandelnde Ärztin, Dr. B… und gab an, sie leide an einer Nervenentzündung des Oberschenkels, dauernder Erschöpfung und Kreislaufstörungen. Der beratende Arzt der Beklagten, Dr. E. untersuchte die Klägerin, stellte Arthrosis deformans der Kniegelenke ohne Funktionsbehinderung sowie Unterschenkelgeschwüre, Krampfadern, ein Unterschenkelekzem und Senk-Spreizfüße fest, hielt mittelschwere und leichte, im Stehen und im Sitzen fortgesetzt zu verrichtende Arbeiten für zumutbar und beurteilte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) mit 30 v.H. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 18. Oktober 1954 den Rentenantrag ab.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG.). Sie berief sich auf das ärztliche Gutachten des Dr. G. vom 30. April 1955, nach welchem sie an immer wieder rezidivierenden Unterschenkelgeschwüren links und alten Unterschenkelgeschwüren rechts mit Bewegungseinschränkung sowie Hypotonie und Herzmuskelschwäche mit schweren Kreislaufstörungen litte und 100 v.H. arbeits- und erwerbsunfähig und daher praktisch invalide sei. Das SG. ließ die Klägerin noch durch den ärztlichen Direktor des Städtischen Krankenhauses W…, Dr. D… untersuchen. Dieser zog einen gynäkologischen Gutachter, Dr. G. und einen orthopädischen Gutachter, Dr. F… zu. Dr. G... gelangte zu dem Ergebnis, daß die Klägerin weder arbeitsunfähig noch invalide sei, und Dr. F… daß orthopädischerseits eine MdE. um 30 v.H. vorliege, so daß die Klägerin nicht erwerbsunfähig sei. Der Hauptgutachter Dr. D… kam zu dem Ergebnis, daß unter Berücksichtigung des orthopädischen und des gynäkologischen Gutachtens zur Zeit Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege. Durch Urteil vom 16. Februar 1956 wies das SG. daraufhin die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin sei noch nicht invalide.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG.) holte noch ein Gutachten von Dr. S… und Dr. K… vom Städt. R… V. Krankenhaus ein. Internistischerseits wurden ein mäßiges Lungenemphysem und eine beginnende Hypertonie mit einer MdE. von 30 v.H. seit dem 1. Januar 1957 festgestellt. Von der Antragstellung bis zum 1. Januar 1957 habe internistischerseits mit Wahrscheinlichkeit die MdE. nicht mehr als 20 v.H. betragen. Orthopädischerseits wurden eine ausgeprägte Krampfadernbildung an beiden Beinen mit chronischer Geschwürsbildung am linken Unterschenkel, ein chronischer Knorpelschaden beider Kniegelenke ohne Bewegungseinschränkung, ein leichterer chronischer Knorpelschaden beider Hüftgelenke, eine chronische Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule und in geringerem Grade der Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkungen und Muskelverspannungen und eine Abflachung der Längs- und Quergewölbe an beiden Füßen sowie Ballenbildung an beiden Großzehen festgestellt. Der Gutachter nahm an, daß eine deutliche Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens eingetreten sei, da jetzt erstmalig Muskelverspannungen und Bewegungseinschränkungen festzustellen seien; im Bereich der Halswirbelsäule habe dies auch röntgenologisch bestätigt werden können. Zusammenfassend kam er zu dem Ergebnis, daß die Klägerin ab Antragstellung bis zum 31. Dezember 1956 nicht invalide, aber als Landarbeiterin bereits berufsunfähig gewesen sei. Zweifellos aber sei sie ab 1. Januar 1957 berufsunfähig; allein ihre orthopädischen Leiden machten eine Beschäftigung als Land- oder Gärtnereiarbeiterin unmöglich. Schwieriger zu beantworten sei die Frage nach der Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 1957. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, daß es sich bei der Berufungsklägerin um eine Frau handele, die des Lesens, Schreibens und Rechnens nur unvollkommen kundig sei; sie werde daher ihre Erwerbstätigkeit kaum auf andere Wirtschaftsgebiete ausdehnen können. Ferner sei zu bedenken, daß es sich zumindest von orthopädischer Seite durchweg um chronische Leiden handele, die eher zu einer Verschlimmerung als zu einem Stillstand neigten. Selbst wenn man für die Berufungsklägerin theoretisch eine leichte bis mittelschwere Arbeit finden würde, die mit Unterbrechungen vorwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen ausgeübt werden könne, würde sie doch heute auf Grund ihres offenen Beines, morgen durch einen Reizzustand ihrer Kniegelenke und ein andermal vielleicht wegen eines Hexenschusses oder einer Ischialgie mit glaubhaften und auch größtenteils objektivierbaren Beschwerden dieser Arbeit fernbleiben müssen; von einer gewissen Regelmäßigkeit der Erwerbstätigkeit könne daher keine Rede sein. Daher sei ab 1. Juni 1957 Erwerbsunfähigkeit anzunehmen.

Das LSG. verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 29. November 1957 - unter Abänderung des Urteils des SG. vom 16. Februar 1956 und des Bescheids der Beklagten vom 18. Oktober 1954 - dem Grunde nach, der Klägerin vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Mai 1957 Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab 1. Juni 1957 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen, und wies die Berufung im übrigen zurück. Es ließ die Revision zu. Der Anspruch der Klägerin richte sich nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FremdRG) in Verbindung mit dem Berliner Rentenversicherung - Überleitungsgesetz (RVÜG) und der Reichsversicherungsordnung (RVO). Nach Art. 2 § 6 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) sei auch schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 der Begriff der Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs. 2 RVO anzuwenden. Die Klägerin sei während dieser Zeit noch nicht berufsunfähig gewesen. Das Gutachten des Dr. S… sei so zu verstehen, daß ihr während dieser Zeit noch andere Arbeiten zuzumuten gewesen seien. Ab 1. Januar 1957 aber sei die Klägerin berufsunfähig. Dieses Gutachten sei dahin aufzufassen, daß die Klägerin keine Arbeiten mehr verrichten könne, mit denen sie noch die Lohnhälfte zu verdienen in der Lage sei. Ab 1. Juni 1957 sei sie, wie sich aus diesem Gutachten ergebe, sogar erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 RVO.

Gegen das ihr am 2. Januar 1958 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Januar 1958 unter Antragstellung Revision eingelegt und diese begründet. Sie rügt die Verletzung des § 1246 Abs. 2 RVO. Das LSG. habe den Begriff der Berufsunfähigkeit verkannt. Da die Klägerin ungelernte Arbeiterin gewesen sei, könne sie auf alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld verwiesen werden. Sollte man aber davon ausgehen, daß es einen Beruf der ungelernten landwirtschaftlichen Arbeiterin gebe, dann müsse man auch von der von ihr ausgeübten speziellen Einzeltätigkeit ausgehen; das LSG. hätte dann durch Befragen der Klägerin klären müssen, welcher Art ihre Tätigkeit im einzelnen gewesen sei. Wenn dies geklärt worden wäre, hätte sich ergeben, daß die Klägerin noch eine Reihe der danach zumutbaren landwirtschaftlichen Tätigkeiten verrichten könnte, z.B. die einer Blumen- und Kranzbinderin oder Tätigkeit in der Geflügel- oder Kleintierzucht sowie in der Milchverarbeitung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG. aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen und der Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist, da sie vom LSG. zugelassen ist, auch statthaft. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen daher nicht.

Es konnte ihr auch der Erfolg nicht versagt bleiben.

Da nur die Beklagte Revision eingelegt hat, steht wegen des Verbots der reformatio in peius für das Revisionsgericht bindend fest, daß der Klägerin kein Anspruch für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 zusteht, so daß ausschließlich nach den geltenden Vorschriften der RVO zu prüfen war, ob seit dem 1. Januar 1957 ein Anspruch besteht.

Der von der Klägerin in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung am 29. November 1957 gestellte Antrag, ihr "Rente" ab Antragstellung zu gewähren, ist dahin aufzufassen, daß sie alle ihr nach der derzeitigen Gesetzeslage zustehenden Renten begehren wollte. Spätestens durch den Inhalt des ihr vor der letzten mündlichen Verhandlung zugestellten Gutachtens des Dr. S… war ihr offensichtlich bewußt geworden, daß nach der inzwischen eingetretenen Gesetzesänderung auch die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Frage kommen konnte. Es ist also anzunehmen, daß ihr Wille dahin ging, auch die Verurteilung zur Zahlung dieser Renten zu beantragen.

Die Aufhebungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nur gegen Verwaltungsakte der Leistungsträger möglich. Die Klage richtet sich im vorliegenden Fall zwar gegen einen Verwaltungsakt, den Bescheid vom 18. Oktober 1954, dieser betrifft jedoch nur die Invalidenrente, nicht aber die Rente wegen Berufsunfähigkeit und die wegen Erwerbsunfähigkeit, über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden werden konnte, weil sie erst durch das ArVNG eingeführt worden sind. Dennoch müssen nach Ansicht des erkennenden Senats in diesen Fällen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, falls entsprechende Leistungsanträge im sozialgerichtlichen Verfahren erhoben werden, auch über diese Ansprüche mitentscheiden, da es sich nur um verschiedene, im engen Zusammenhang stehende Stufen der dem Versicherten aus der Rentenversicherung der Arbeiter zur Verfügung stehenden Rentenleistung handelt. Jedenfalls hat dies in Übergangsfallen zu gelten, in welchen der Versicherte vor Inkrafttreten des ArVNG überhaupt noch nicht in der Lage war, dem Versicherungsträger gegenüber die neu eingeführten Rentenarten zu beantragen.

Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ist, da die Wartezeit zweifellos erfüllt ist, davon abhängig, ob sie ab 1. Januar 1957 berufsunfähig im Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO ist. Bei der Prüfung dieser Frage war zunächst der Kreis der der Klägerin nach § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO zumutbaren Tätigkeiten zu bestimmen. Da sie Hilfsarbeiterin in landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betrieben war, hat sie eine Ausbildung nicht erfahren. Besondere Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit sind nicht festgestellt. Es kam daher lediglich darauf an, welche Tätigkeiten ihr unter Berücksichtigung ihres bisherigen Berufes zugemutet werden können. Der erkennende Senat kam zu dem Ergebnis, daß ein Hilfsarbeiter grundsätzlich auf alle anderen Hilfsarbeitertätigkeiten verwiesen werden kann, da für ihn hiermit ein sozialer Abstieg nicht verbunden ist. Ein Hilfsarbeiter kann also, wie auch schon nach § 1254 RVO a.F., grundsätzlich auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden.

Es war weiter zu prüfen, ob und ggf. welche dieser Tätigkeiten noch den Kräften und Fähigkeiten der Klägerin entsprechen. Für die Entscheidung, ob die Klägerin nach ihren Kräften noch in der Lage ist, eine solche Tätigkeit zu verrichten, reichen die getroffenen Feststellungen jedoch nicht aus. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind dahin zu verstehen, daß es die Klägerin deshalb nicht mehr für fähig hält, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu verrichten, weil sie wegen ihrer Leiden gezwungen ist, häufig krank zu feiern. Diesem Schluß aber kann nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Auch wenn ein Versicherter häufig krank feiern muß, kann nicht ausgeschlossen werden, daß er die betreffende Tätigkeit noch verrichten kann. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn er so häufig krank feiern muß, daß die von ihm während eines Arbeitsjahres erbrachten Arbeitsleistungen nicht mehr die Mindestanforderungen, welche ein vernünftig und billig denkender Arbeitgeber zu stellen berechtigt ist, erfüllen, so daß eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines solchen Versicherten praktisch ausgeschlossen ist. Da die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um entscheiden zu können, ob diese Voraussetzungen vorliegen, mußte die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht wird weiter noch zu prüfen haben, ob und ggf. welche dieser Tätigkeiten die Klägerin nach ihren Fähigkeiten noch zu verrichten imstande ist. Da sie praktisch ihr gesamtes Arbeitsleben ausschließlich in landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betrieben tätig gewesen ist, sie zudem am 1. Januar 1957 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatte, erscheint es immerhin zweifelhaft, ob sie noch fähig ist, erstmalig die Tätigkeit einer gewerblichen Hilfsarbeiterin aufzunehmen. Andererseits aber bestehen keine Bedenken anzunehmen, daß sie noch zur Verrichtung von solchen Hilfsarbeitertätigkeiten fähig ist, die mit ihrer bisherigen Tätigkeit eine gewisse Verwandtschaft haben, wie z.B. die einer Küchenhilfe in Gastwirtschatten, Krankenhäusern und Kantinen.

Das Berufungsgericht wird nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO weiterhin zu prüfen haben, ob die Erwerbsfähigkeit der Klägerin infolge ihrer Krankheit auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Auch für diese Entscheidung reichen die bisher getroffenen Feststellungen nicht aus. Wenn die Klägerin nach ihren Kräften noch in der Lage ist, die Tätigkeit einer Küchenhilfe zu verrichten, würde zwar grundsätzlich angenommen werden dürfen, daß, da sie bei Ausübung einer solchen Tätigkeit tariflich mindestens die Hälfte des durchschnittlichen Tariflohnes der für sie maßgebenden Berufsgruppe verdienen würde, ihre Erwerbsfähigkeit nicht unter die nach dieser Vorschrift maßgebliche Hälfte herabgesunken ist. Im einzelnen aber wäre noch zu prüfen, ob die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht etwa deshalb unter diese Grenze herabgesunken ist, weil sie, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, häufig krank feiern muß. Das Berufungsgericht wird aber zu beachten haben, daß dies nur dann angenommen werden könnte, wenn die Klägerin während eines Arbeitsjahres mehr als die Hälfte dieser Zeit krank feiern müßte, da nur dann ihre Erwerbsfähigkeit die hier maßgebende Grenze unterschreiten würde. Die bisher getroffenen Feststellungen sind zu unbestimmt, um diese Entscheidung treffen zu können.

Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hängt davon ab, ob sie erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO ist. Das LSG. stützt sich auch bei der Entscheidung dieser Frage ohne eigene nähere Ausführungen auf das Gutachten des Dr. S… Diese sind wohl dahin zu verstehen, daß die Klägerin zwar an sich noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen mit Unterbrechungen in geschlossenen Räumen verrichten könne, daß sie aber häufig krank feiern müsse. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind damit aber die Voraussetzungen des § 1247 Abs. 2 RVO nicht erfüllt; denn Erwerbsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn der Versicherte nach seinem Gesundheitszustand noch eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit verrichten kann. Der Umstand, daß er häufig krank feiern muß, begründet allein jedenfalls keinen Anspruch auf Rente. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn ein Versicherter so häufig und so lange krank feiern muß, daß von einer gewissen Regelmäßigkeit seiner Erwerbstätigkeit keine Rede mehr sein könnte. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies hier der Fall ist. Die Feststellungen des Berufungsgerichts sind so unbestimmt, daß eine eigene Entscheidung nicht getroffen, werden konnte. Das angefochtene Urteil mußte vielmehr auch insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 192

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