Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.03.1967) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1967 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
Der 1925 geborene Kläger, der wegen Verlust des rechten Beines, Verlust des rechten 5. Fingers Mittelhandknochen, Versteifung der Finger und des Handgelenks rechts, Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk sowie Stecksplitter in mehreren Körperteilen Versorgung wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, ist aktiver Justizoberinspektor. Er beantragte am 29. September 1961 Berufsschadensausgleich mit dem Vorbringen, daß er das Reifezeugnis habe und ursprünglich nach der Verwundung den Beruf eines Juristen angestrebt habe. Das Versorgungsamt Köln lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Februar 1962 ab, weil der Kläger 1946 das Studium an der Universität Köln hätte aufnehmen können, wenn er gewollt hätte. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) ist mit Urteil vom 10. März 1967 der Stellungnahme des Regierungsmedizinalrats Dr. M… vom 26. Juli 1962 gefolgt, wonach die Schädigungsfolgen nicht ursächlich für die Nichtaufnahme eines Studiums gewesen seien. Dr. R… (Äußerung vom 9. März 1962) habe ausgeführt, daß vor allem der Zeigefinger und der Daumen (der rechten Hand) noch ungehindert gebraucht werden können. Der Kläger sei noch in der Lage gewesen, Stenogramme aufzunehmen. Die Schädigungsfolgen seien daher nicht Ursache für die Nichtaufnahme des Studiums gewesen, so daß dahingestellt bleiben könne, ob der Kläger aus wirtschaftlichen Gründen (Unterhaltszuschuß während der Vorbereitung zum gehobenen Dienst) ein Hochschulstudium unterlassen habe.
Der Kläger rügt mit der nicht zugelassenen Revision, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) Dr. von W… (Stellungnahme vom 4. Juni 1963) sei die Hand kaum noch gebrauchsfähig. Es lägen Mängel in der Beweiswürdigung und zugleich eine Verkürzung des rechtlichen Gehörs vor. Die ärztlichen Äußerungen aus den Verwaltungsakten, auf die sich das LSG gestützt habe, seien dem Kläger nicht mitgeteilt worden; sie seien auch nicht in der mündlichen Verhandlung erörtert worden; erst die schriftlich niedergelegten Entscheidungsgründe hätten erkennen lassen, daß das LSG sie zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1967 aufzuheben und unter Abänderung des erstinstanz1ichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger vollen Berufsschadensausgleich zu gewahren,
hilfsweise,
das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unzulässig zu verwerfen.
hilfsweise,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger habe erstmals in der Berufungsbegründungsschrift vom 28. November 1964 geltend gemacht, daß er noch zusätzlich einen technischen Beruf habe er- Gründe zurückzuführen sei. Es hat festgestellt, daß die Schädigungsfolgen nicht Ursache für die Nichtaufnahme eines Studiums seien. Es hat dies aus der Stellungnahme des Regierungsmedizinalrats Dr. M… vom 26. Juli 1962 gefolgert, wonach der Kläger trotz seiner Körperbeschädigung in der Lage gewesen sei, ein akademisches Studium aufzunehmen und fortzusetzen. Das LSG hat insoweit auch als bedeutsam angesehen and auf Grund der Äußerungen der genannten Ärzte festgestellt, der Kläger sei – entgegen seiner Behauptung in der Lage gewesen, Stenogramme aufzunehmen. Auf die Möglichkeit eines technischen Studiums ist der Arzt, auf den sich das LSG gestützt hat, wie auch das LSG selbst, nicht eingegangen. Es kann dahingestellt bleiben ob das LSG in dieser Richtung zu weiterer Sachaufklärung von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus verpflichtet gewesen wäre, weil die Revision in anderer Hinsicht Erfolg hat.
Das LSG hat zur Stütze seiner Feststellung die Äußerung des Dr. R… vom 9. März 1962 dahin übernommen, daß “vor allem der Zeigefinger und der Daumen noch ungehindert gebraucht werden können”. Tatsächlich hat aber Dr. R… an der bezeichneten Stelle dargelegt: “Nach den Befunden von 1951 (HA) können vor allem der Zeigefinger und Daumen noch eingeschränkt gebraucht werden”. Das LSG ist mithin zum Nachteil des Klägers von einem unrichtigen Inhalt der ärztlichen Äußerung ausgegangen; es hat damit wegen der Übernahme eines unzutreffenden oder auch nur eingeschränkt geltenden Beweisinhalts die Grenzen des Rechts der richterlichen Beweiswürdigenügt hat, hat es auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art. 103 GG) nicht voll erfüllt. Die Rügen des Klägers, welche die Beweiswürdigung und das rechtliche Gehör betreffen, greifen mithin durch. Diese Verfahrensmängel sind auch wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, daß das LSG bei Vermeidung; der gerügten Mängel zu einer anderen Tatsachenfeststellung gelangt wäre. Die Revision ist daher auch begründet.
Auf die Revision des Klägers war demgemäß das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die nicht mit Erfolg angegriffenen Feststellungen zu einer Sachentscheidung nicht ausreichen, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Sonnenberg, Petersen, Dr. Schwankhart
Fundstellen