Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsschadensausgleich. Legaldefinition des Einkommensverlustes. Kleinlandwirt. Durchschnittseinkommen bei verschiedenen Tätigkeiten. Selbstbindung des Berufungsgerichts

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage, ob ein selbständiger (Klein-)Landwirt, der seinen Beruf trotz der Schädigungsfolgen nachgeht, eine Nebenbeschäftigung schädigungsbedingt aber nicht ausüben kann, einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat.

2. Zur Frage, ob das Berufungsgericht durch eine Selbstbindung entsprechend SGG § 159 Abs 2 gehindert war, einen Berufsschadensausgleich auf der Grundlage einer Nebenbeschäftigung oder einer anderen Hauptbeschäftigung außerhalb der Landwirtschaft für zuständig zu halten.

3. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich nach BVG § 30 Abs 3 muß konkret festzustellen sein (vgl BSG vom 1975-12-10 9 RV 246/74 = SozR 3100 § 30 Nr 10). Er läßt sich aber allein mit Hilfe der Definitionsnorm des BVG § 30 Abs 4 S 1 ermitteln; diese Bestimmung schreibt vor, wie sich der "Einkommensverlust" iS des Abs 3 nachweisen läßt (vgl BSG vom 1971-07-06 9 RV 514/68 = SozR Nr 47 zu § 30 BVG und Urteil des erkennenden Senats vom 1980-03-05 9 RV 81/78). Insbesondere ist der maßgebende Beruf, in dem der Schwerbeschädigte wahrscheinlich ohne die Schädigung tätig wäre, nach den in Abs 4 aufgeführten Merkmalen festzulegen. Allerdings ist nicht stets beim Unterschreiten des für die Vergleichsberechnung pauschalierten Durchschnittseinkommens (vgl ua BSG vom 1977-12-15 10 RV 51/76 = SozR 3100 § 30 Nr 33 und BSG vom 1979-01-24 9 RV 58/77 = SozR 3100 § 30 Nr 42 S 186) ein rechtserheblicher Einkommensverlust gegeben. Vielmehr muß dieser auch aufgrund sachgemäßer Prüfung, die uU mit Hilfe von Sachverständigen vorzunehmen ist, ursächlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sein.

4. Falls ein Schwerbeschädigter seinen Hauptberuf oder denjenigen von zwei Berufen gleichen Umfanges, für den ein höheres Durchschnittseinkommen festgesetzt ist, ohne erhebliche wirtschaftliche Einbuße ausüben kann, ist in bezug auf diese Tätigkeit ein schädigungsbedingter Einkommensverlust als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich ausgeschlossen; dann kann eine solche Versorgungsleistung nicht nach dem für diesen Beruf maßgebenden Durchschnittseinkommen zu bemessen sein.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs 3 Fassung: 1966-12-28; BVG § 30 Abs 4 S 1 Fassung: 1971-12-16; BVG§30Abs3u4DV § 2 Abs 2 Buchst a Fassung: 1974-04-11; BVG§30Abs3u4DV § 2 Abs 2 Buchst b Fassung: 1974-04-11; BVG§30Abs3u4DV § 2 Abs 2 Buchst c Fassung: 1974-04-11; BVG§30Abs3u4u5DV § 2 Abs 2 Nr 1 Fassung: 1977-01-18; BVG§30Abs3u4u5DV § 2 Abs 2 Nr 2 Fassung: 1977-01-18; BVG§30Abs3u4u5DV § 2 Abs 2 Nr 3 Fassung: 1977-01-18; SGG § 159 Abs 2 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 14.11.1978; Aktenzeichen L 4 V 1121/76)

SG Fulda (Entscheidung vom 16.09.1976; Aktenzeichen S 3a V 101/75)

 

Tatbestand

I

Der 1909 geborene Kläger arbeitete vor seinem Wehrdienst und danach in der elterlichen Landwirtschaft von etwa acht Hektar (ha) und daneben vor dem Krieg in der arbeitsarmen Zeit als Holzschäler in der Holzwirtschaft (1929 bis 1939 je sechs Monate jährlich). 1952 hat er den elterlichen Betrieb übernommen. Er bezieht Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 vH hauptsächlich wegen Verletztenfolgen am rechten Arm - Beugebehinderung im Schultergelenk, fast völlige Versteifung des Ellenbogengelenks und Teilversteifung der Finger - (Bescheide vom 14. Juni 1951 und 21. Februar 1953). Ein Berufsschadensausgleich wurde mangels des notwendigen Einkommensverlustes im Beruf des selbständigen Landwirts abgelehnt (Bescheid vom 4. Januar 1966) und sodann nochmals wegen der Rechtsverbindlichkeit jener Entscheidung (Bescheid vom 9. April 1969 und Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1969). Nachdem das Sozialgericht (SG) den Beklagten dem Grunde nach verurteilt hatte, dem Kläger einen Berufsschadensausgleich zu gewähren (Urteil vom 27. März 1973), das Landessozialgericht (LSG) den Rechtsstreit an das Vordergericht zurückverwiesen hatte (Urteil vom 5. März 1974) und die Revision erfolglos war (Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 7. August 1975 in SozR 1500 § 162 Nr 7), verurteilte das SG den Beklagten, dem Kläger ab 1. März 1969 Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen eines Arbeiters der Leistungsgruppe 2 in der Grundstoffindustrie und Produktionsgüterindustrie - Sägewerke und holzverarbeitende Industrie - zu zahlen; im übrigen, soweit der Kläger den Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 2 aller Industriearbeiter begehrt hatte, wies das Gericht die Klage ab (Urteil vom 16. September 1976). Das LSG hat diese Entscheidung insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Leistung verurteilt worden ist, und im übrigen die Berufung der Verwaltung zurückgewiesen (Urteil vom 14. November 1978): Die Ablehnung eines Zugunstenbescheides (§ 40 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung -KOV-VfG-) sei ermessenswidrig; denn die rechtsverbindliche Versagung eines Berufsschadensausgleichs sei unrichtig. Allerdings sei deshalb nur der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen. Der Kläger habe dadurch einen Einkommensverlust, daß er wegen der Schädigungsfolgen am rechten Arm nicht mehr zusätzlich als Holzschäler arbeiten könne, während er noch imstande sei, seine Hauptbeschäftigung als Landwirt fortzusetzen. Auf die wirtschaftliche Schädigung im Hauptberuf sei nach § 2 Durchführungsverordnung (DV) zu § 30 Abs 3 und 4 BVG allein bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs abzustellen. Außerdem hätte der Kläger als Gesunder nach dem Krieg auch andere Nebentätigkeiten in Gewerbe und Industrie aufnehmen können, wie dies drei andere von fünf Landwirten mit entsprechend großen Betrieben in seinem Heimatort täten. Da die eigene Landwirtschaft dem Kläger keine ausreichende Existenzgrundlage biete, hätte er stets nebenher erwerbstätig sein müssen. Es gebe keine allgemeine Erfahrung, daß Kleinlandwirte aus wirtschaftlichen Gründen in die Industrie abgewandert seien; vielmehr seien die Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen. Mitte der 50er Jahre, als die Umstellung begonnen habe, hätte den Kläger sein Alter nicht gehindert, im Nachbarort in einem Metallverarbeitungsbetrieb oder in einem Papierverarbeitungsbetrieb nebenher tätig zu werden. Wegen der Schädigungsfolgen hätte der Kläger eine solche Arbeit nicht aufnehmen können. Bei der Schadensermittlung sei nach § 2 Abs 2 Buchstabe b DV das günstigste Durchschnittseinkommen in den ohne die Schädigungsfolgen ausgeübten Berufen, dh hier nach Besoldungsgruppe A 7 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) für selbständige Landwirte, maßgebend. Das Bruttoeinkommen des Klägers sei geringer; es sei nach dem Wert der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung entsprechend dem Gehaltstarifvertrag für landwirtschaftliche Angestellte zu bestimmen und um die Hälfte zu kürzen. Das entfallende Holzarbeiter-Entgelt könne nicht unberücksichtigt bleiben.

Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 sowie der §§ 131 und 159 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie in sachlich-rechtlicher Hinsicht des § 30 Abs 3 und 4 BVG iVm den §§ 2 und 5 DV sowie des § 40 KOV-VfG. Verschiedene Feststellungen des LSG wichen vom Akteninhalt ab. Die verneinende Antwort des Bürgermeisters von G auf die an ihn gerichtete Frage, ob auch Landwirte im Alter des Klägers noch andere Beschäftigungen aufnähmen, sei nicht wiedergegeben. Wenn der Beklagte erfahren hätte, daß dies unerwähnt bleibe, hätte er eine Vernehmung des Bürgermeisters beantragt. Gleiches gelte für die nicht mitgeteilte Auskunft des Dr. B vom Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung A, daß der Kläger durchaus andere leichte Arbeiten hätte finden können. Die Feststellung, er wäre ohne die Schädigung nach dem Krieg in der Holzwirtschaft tätig geworden, widerspreche der weiteren, daß er auch anderen Arbeiten nachgegangen wäre, und diese Annahme einer Nebentätigkeit stehe im Gegensatz dazu, daß das LSG von zwei gleichstarken Einkommensquellen ausgegangen sei. Insoweit fehlten die Entscheidungsgründe und die Spruchreife für eine Anwendung des maßgebenden Tatbestandes des § 2 DV. Auch hätte das LSG endgültig über die gesamte Kausalkette entscheiden müssen, habe aber offen gelassen, welche konkrete Beschäftigung der Kläger wegen der Schädigungsfolgen nicht ausüben könne. Darüber hätte erst nach genauer Arbeitsplatzermittlung und Anhörung eines medizinischen Sachverständigen entschieden werden können. Armbeschädigten sei nach allgemeiner Erfahrung der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Schädigungsfolgen hätten nach dem Beweis des ersten Anscheins einer Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft nicht entgegengestanden. Auch hätte geklärt werden müssen, ob der Kläger eine Halbtagsbeschäftigung oder Halbjahresbeschäftigung gefunden hätte; denn Teilzeitarbeitsplätze beständen bekanntlich für Männer nur in beschränktem Umfang. Das LSG habe unter Verletzung der Selbstbindung das von ihm aufgehobene Urteil des SG vom 27. März 1973 praktisch wiederhergestellt; nach seiner damaligen Auffassung sei nur noch zu prüfen gewesen, ob die Einkünfte des Klägers aus der Landwirtschaft oder aus einer anderen hauptberuflichen Tätigkeit schädigungsbedingt gemindert seien. Die Verwaltung hätte auch nicht auf einen Berufsschadensausgleich entsprechend einem Vergleichseinkommen der Besoldungsgruppe A 7 BBesG festgelegt werden dürfen; dies wäre nur auf eine Anschlußberufung des Klägers zulässig gewesen. Entgegen der Auffassung des LSG sei § 2 Abs 2 DV nicht nur bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs, sondern auch bereits bei der Feststellung eines Einkommensverlustes anzuwenden. Die generalisierte Betrachtung gelte in allen Fällen, nicht allein bei schädigungsbedingtem Berufswechsel. Zudem habe das LSG die verschiedenen Tatbestände des § 2 DV unrichtig angewendet. Da auch gesunde Landwirte ein Einkommen entsprechend der Besoldungsgruppe A 7 BBesG nicht erreichten, sei der Kläger in seinem Hauptberuf nicht durch die Verwundungsfolgen geschädigt.

Der Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung beruht das Berufungsurteil nicht auf Verfahrensfehlern. Es sei auch inhaltlich nicht unrichtig.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist insoweit erfolgreich, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Das Berufungsurteil beruht auf erfolgreich gerügten Verfahrensmängeln.

Die Rüge, das LSG habe das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt (§ 128 Abs 2 SGG), die nicht im einzelnen erörtert zu werden braucht, enthält zugleich den Vorwurf, das Berufungsgericht habe die dazu vorgetragenen Tatsachen bei der Beweiswürdigung unbeachtet gelassen und damit die der richterlichen Überzeugung gesetzten Grenzen verletzt, statt aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu entscheiden. Dies wird in zweifacher Hinsicht erfolgreich geltend gemacht (§§ 162, 163, 164 Abs 2 Satz 3, § 128 Abs 1 Satz 1 SGG; BSGE 1, 268, 271; BSG SozR Nrn 40 und 56 zu § 128 SGG; Meyer- Ladewig, Kommentar zum SGG, 1977, § 128, RdNrn 4 und 13). Von den Auskünften des Bürgermeisters der Gemeinde vom 27. Juni 1978 und des Amtes für Landwirtschaft und Landentwicklung A vom 12. Juni 1978, die das LSG wohl dem Beklagten mitgeteilt hatte, hat es jeweils eine Antwort bei der Auswertung der Beweismittel nicht berücksichtigt. Der Bürgermeister hatte die Frage, ob in der Gemeinde Landwirte im Alter des Klägers eine andere Beschäftigung aufgenommen hätten, verneint. Das Landwirtschaftsamt hatte geäußert, der Kläger hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, leichtere Arbeit zu finden. Diese beiden Tatsachen, auf die die Verwaltung in ihrer Stellungnahme besonders hingewiesen hatte, waren aber von der Rechtsauffassung des LSG her, die für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers maßgebend ist (BSGE 2, 84, 87), rechtserheblich. Das Berufungsgericht hat den rechtsverbindlich gewordenen Bescheid vom 4. Januar 1966 für unrichtig gehalten, weil dem Kläger doch ein Berufsschadensausgleich zustehe, und hat deshalb die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 KOV-VfG für geboten erachtet (Urteile des erkennenden Senats in SozR 1500 § 103 Nr 16 und vom 30. Januar 1980 - 9 RV 40/79 -). Der Kläger habe, so das LSG, einen schädigungsbedingten Einkommensverlust (§ 30 Abs 3 BVG; BSG, Bundesversorgungsblatt -BVBl- 1971, 95 mN) erlitten, denn er könne neben seinem Beruf als selbständiger Landwirt, den er auch ohne die Schädigungsfolgen ausgeübt hätte und dem er trotz derselben nachgehe, wegen der Verwundungsfolgen seine frühere Beschäftigung als Holzschäler nicht fortsetzen und ebensowenig eine andere Nebentätigkeit in Gewerbe oder Industrie verrichten, die ihm nach gesunder Heimkehr zugänglich gewesen wäre (§ 30 Abs 3 und 4 BVG iVm § 2 Abs 2 und § 5 DV). Eine solche unselbständige Erwerbsarbeit kann jedoch ohnedies nicht als für den Einkommensverlust maßgebend angesehen werden, falls Landwirte im Alter des Klägers, wie der Bürgermeister mitgeteilt hat, nicht mehr einen anderen Beruf aufgenommen haben. Allein im Landwirtsberuf hat das LSG keinen wirtschaftlichen Schaden infolge der kriegsbedingten Schädigung angenommen. Andererseits wäre selbst der Ausfall von Einkünften aus einer Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft nicht auf die Schädigungsfolgen ursächlich zurückzuführen, falls der Kläger entsprechend der Auskunft des Landwirtschaftsamtes trotz seiner Behinderung eine leichtere Arbeit in seiner Gegend hätte finden können.

Da das Berufungsurteil allein wegen dieser Verletzungen einer Verfahrensvorschrift aufzuheben ist, kann dahingestellt bleiben, ob es auch auf weiteren Mängeln im Verfahren beruht.

Das LSG hat bei seiner neuen Beweiserhebung und -würdigung die aufgezeigten Widersprüche zu klären. Es darf allerdings bei der gebotenen Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Zugunstenbescheid nach § 40 KOV-VfG, dh die Unrichtigkeit des rechtsverbindlichen Bescheides, gegeben ist (BSG SozR 1500 § 103 Nr 16), nicht mehr von derselben Rechtsgrundlage ausgehen, die es seiner aufgehobenen Entscheidung zugrundegelegt hat.

Soweit der Kläger einen Berufsschadensausgleich begehrt hatte, der entsprechend einem ohne die Schädigung wahrscheinlich als Arbeiter der Leistungsgruppe 2 der gesamten Industrie erzielten Durchschnittseinkommen bemessen werden soll (§ 30 Abs 4 BVG iVm §§ 1 und 2 Abs 1 Buchstabe a, § 3 Abs 1 Sätze 1 und 2 Buchstabe a, Satz 4, Abs 3 iVm Abs 2 Satz 2 Halbs 1 DV idF vom 28. Februar 1968 - BGBl I 194-;vgl auch die Fassungen vom 11. April 1974 - BGBl I 927 - und vom 18. Januar 1977 - BGBl I 162 -), hat das SG die Klage abgewiesen. Dies hat der Kläger weder mit einer selbständigen Berufung noch mit einer Anschlußberufung (§ 202 SGG iVm §§ 521 ff Zivilprozeßordnung; BSGE 2, 229; Meyer-Ladewig, aaO, § 143, RdNr 5 mwN) angefochten. Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde durch die Berufung des Beklagten lediglich ein Zugunstenbescheid über einen Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen als Arbeiter der Leistungsgruppe 2 der Sägewerke und holzverarbeitenden Industrie (BSGE 2, 233f). Jene ablehnende Entscheidung des SG ließ zwar keinen Bemessungsfaktor für die Bestimmung des Vergleichseinkommens iS des § 30 Abs 4 Satz 1 BVG, insbesondere keinen Beruf als Teil des Einstufungsgerüstes in Bindungswirkung (§ 141 Abs 1 SGG) erwachsen (BSGE 42, 283, 285, 287 = SozR 3100 § 40a Nr 4). Aber ohne eine Anschlußberufung des Klägers, die allerdings im neuen Berufungsverfahren nachgeholt werden könnte, durfte und darf das LSG nur noch prüfen, ob der Beklagte verpflichtet werden darf, dem Kläger einen Zugunstenbescheid über einen Berufsschadensausgleich bis zu einer bestimmten Höhe zu erteilen (Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1980), wobei das Vergleichseinkommen höchstens nach dem Durchschnittseinkommen der Arbeiter der Leistungsgruppe 2 der Sägewerke und der holzverarbeitenden Industrie zu bemessen wäre. An diesen oberen Rahmen des Durchschnittseinkommens ist das LSG unabhängig davon, welchen Beruf es als für das Vergleichseinkommen maßgebend erachtet, gebunden.

Entgegen der Ansicht des Beklagten war und ist das Berufungsgericht allerdings nicht durch eine Selbstbindung entsprechend § 159 Abs 2 SGG daran gehindert, einen Berufsschadensausgleich auf der Grundlage einer Nebenbeschäftigung oder einer anderen Hauptbeschäftigung außerhalb der Landwirtschaft für zuständig zu halten. Allgemein ist wohl ein Gericht im zweiten Berufungsverfahren - ebenso wie anschließend das Revisionsgericht - an die Rechtsauffassung selbst gebunden, die der rechtskräftigen Aufhebung des ersten SG-Urteils zugrunde lag, wie auch das Gericht der ersten Instanz davon nach § 159 Abs 2 SGG bei seiner zweiten Entscheidung nicht abweichen darf (BSG SozR Nr 6 zu § 159 SGG mN; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BSGE 35, 293, 295f). Jedoch geht diese Selbstbindung nicht weiter als die rechtliche Begrenzung der erstinstanzlichen Entscheidungsfreiheit und besteht daher nur gemäß der der Aufhebung zugrunde liegenden Beurteilung (BSGE 15, 127 = SozR Nr 4 zu § 170 SGG), also zB nicht nach der Feststellung eines anderen Sachverhalts als dem, von dem das erste Berufungsurteil ausgegangen ist (BSG SozR Nr 4 zu § 159 SGG). Im gegenwärtigen Fall hatte das LSG rechtskräftig lediglich begründend festgestellt, daß das SG auf bestimmte Weise ermitteln müsse, ob der Kläger nach den Verhältnissen seiner Berufskollegen in seiner Umgebung auch ohne die Schädigung selbständiger Landwirt geworden oder in eine abhängige Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft abgewandert wäre. Das Ergebnis der Ermittlung, für die das Urteil in seinem begründenden Teil nähere Weisungen enthält, konnte das LSG nicht verbindlich im voraus bestimmen. Solche tatsächlichen Feststellungen können überhaupt nicht Gegenstand der "rechtlichen Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist" (§ 159 Abs 2 SGG), werden. Das Berufungsgericht hat auch nicht bindend festlegen können, ob sich die Entscheidung auf eine außerlandwirtschaftliche Beschäftigung als Hauptberuf oder als Nebentätigkeit beschränken müsse.

Wenn nun eine umfassende Sachaufklärung über die berufliche Entwicklung, die der Kläger ohne die Schädigung nach allgemeiner Erfahrung eingeschlagen hätte, ergibt, daß er überhaupt außerhalb der Landwirtschaft tätig wäre, müßte sodann geprüft werden, ob er in diesem Beruf, und zwar in einem ganz bestimmten, deshalb iS des § 30 Abs 3 BVG wirtschaftlich geschädigt wäre, daß er ihn wegen der Schädigungsfolgen gar nicht oder nicht mit üblichem Ertrag ausüben könnte. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs 3 BVG muß konkret festzustellen sein (BSGE 41, 65, 67 = SozR 3100 § 30 Nr 10). Er läßt sich aber allein mit Hilfe der Definitionsnorm des Absatzes 4 Satz 1 ermitteln; diese Bestimmung schreibt vor, wie sich der "Einkommensverlust" iS des Abs 3 nachweisen läßt (BSG, BVBl 1971, 95; BSGE 33, 60, 61f = SozR Nr 47 zu § 30 BVG; Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 1980 - 9 RV 81/78 -). Insbesondere ist der maßgebende Beruf, in dem der Schwerbeschädigte wahrscheinlich ohne die Schädigung tätig wäre, nach den in Abs 4 aufgeführten Merkmalen festzulegen. Allerdings ist nicht stets beim Unterschreiten des für die Vergleichsberechnung pauschalierten Durchschnittseinkommens (BSGE 45, 227, 234 = SozR 3100 § 30 Nr 33; SozR 3100 § 30 Nr 42 S 186; vgl auch BSG SozR Nr 56 zu § 30 BVG; Nr 4 zu § 3 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964) ein rechtserheblicher Einkommensverlust gegeben. Vielmehr muß dieser auch aufgrund sachgemäßer Prüfung, die uU mit Hilfe von Sachverständigen vorzunehmen ist, ursächlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sein.

Im gegenwärtigen Fall kann ein schädigungsbedingter Einkommensverlust und zugleich die Bemessung eines Berufsschadensausgleichs je nach dem festzustellenden Sachverhalt unterschiedlich rechtlich einzuordnen sein.

Falls der Kläger überhaupt ohne die Schädigung außerhalb der Landwirtschaft beschäftigt wäre, daran aber, ungeachtet seines Alters, durch die Verwundungsfolgen gehindert wäre oder einen sonstigen wirtschaftlichen Schaden bei einer solchen Betätigung hätte, könnte sich dies auf den Hauptberuf beziehen, der die selbständige landwirtschaftliche Erwerbsarbeit völlig ersetzte, oder auf einen solchen, der noch eine Nebentätigkeit in der Landwirtschaft zuließe. Jedenfalls wäre dann das Durchschnittseinkommen jener nichtlandwirtschaftlichen Beschäftigung maßgebend, im zweiten Fall nach § 2 Abs 2 Buchstabe a - neuerdings Nr 1 - DV. Wäre hingegen der Kläger ohne die Schädigung zusätzlich zur Arbeit als selbständiger Landwirt in einem anderen Wirtschaftszweig nebenberuflich (§ 2 Abs 2 Buchstabe a - Nr 1 - DV) oder mit gleichem Zeitaufwand an Arbeitskraft (§ 2 Abs 2 Buchstabe b - Nr 2 - DV) tätig und hätte er überhaupt durch die Schädigungsfolgen in dieser Erwerbsquelle einen wirtschaftlichen Schaden, so soll wohl nach der Auffassung des LSG in beiden Fällen das Durchschnittseinkommen aus Landwirtschaft nach § 5 DV maßgebend sein, im zweiten Fall deshalb, weil es das günstigste ist (Besoldungsgruppe A 7 BBesG).

Diese Rechtsauffassung trifft aber in Fällen, wie er hier gegeben sein wird, nicht zu. Einen wirtschaftlichen Schaden im Landwirtsberuf, der durch die Verwundungsfolgen verursacht sein müßte, hat das LSG bisher nicht angenommen. Dies deckt sich bei Kleinlandwirten, die trotz einer kriegsbedingten Körperschädigung ihrem Beruf nachgehen und deshalb allerdings grundsätzlich nach § 2 Abs 3 Satz 1 DV einen Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen dieses Berufes erhalten könnten (BSG, BVBl 1971, 95), mit allgemeinen Erfahrungen (Urteil des erkennenden Senats vom 10. Oktober 1972 - 9 RV 748/71 -; vgl auch Hessisches LSG, Rechtsprechungsdienst 7000 § 30 BVG S 63). Genauere Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht allerdings von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht für notwendig erachtet. Falls aber ein Schwerbeschädigter seinen Hauptberuf oder denjenigen von zwei Berufen gleichen Umfanges, für den ein höheres Durchschnittseinkommen festgesetzt ist, ohne erhebliche wirtschaftliche Einbuße ausüben kann, ist in bezug auf diese Tätigkeit ein schädigungsbedingter Einkommensverlust als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich ausgeschlossen; dann kann eine solche Versorgungsleistung nicht nach dem für diesen Beruf maßgebenden Durchschnittseinkommen zu bemessen sein. Das folgt sowohl aus den Grundbestimmungen über den Einkommensschaden in einem bestimmten Beruf (§ 30 Abs 3 und 4 BVG) als aus § 2 Abs 2 DV, wo die verschiedenen Tätigkeiten ausdrücklich danach bestimmt werden, daß sie sämtlich "ohne die Schädigung" ausgeübt würden.

In solchen Fällen kann ein Berufsschadensausgleich nicht nach § 2 Abs 2 Buchstaben a oder b - Nrn 1 oder 2 - DV bemessen werden. Vielmehr kommt er ausschließlich wegen des wirtschaftlichen Schadens in der anderen Erwerbsarbeit, die schädigungsbedingt nicht mit vollem Ertrag verrichtet werden kann, in Betracht. Dazu bietet sich eine systemgerechte Lösung allein aus § 2 Abs 2 Buchstabe c - Nr 3 - DV an. Demnach ist in dem Fall, in dem ein Beschädigter ohne die Schädigung einer Tätigkeit nachginge, die nur einen Teil seiner Arbeitskraft erfordert, und in dem er aus dieser Erwerbsquelle wegen der Schädigungsfolgen nicht die üblichen Einkünfte erzielen kann, ein Teilbetrag des dafür maßgebenden Durchschnittseinkommens, der dem Arbeitsaufwand entspricht, anzusetzen. Dieser Maßstab ist unter den hier unterstellten tatsächlichen Voraussetzungen mit den beiden anderen Regelungen des § 2 Abs 2 DV (Buchstaben a und b - Nr 1 und 2 -), die den Berufsschadensausgleich vom günstigeren Durchschnittseinkommen abhängig machen, vereinbar; diese Vorschriften sind allein anwendbar, falls zugleich jeweils in der Tätigkeit mit dem höheren Vergleichseinkommen eine wirtschaftliche Einbuße durch die Schädigungsfolgen eingetreten ist. Wenn der 10. Senat in seinem Urteil vom 12. August 1969 (BSGE 30, 48 = SozR Nr 40 zu § 30 BVG) einer Hausfrau, die außerdem als Telefonistin tätig, aber nur in jenem Beruf schädigungsbedingt behindert ist, einen Berufsschadensausgleich entsprechend dem für Hausfrauen gemäß § 30 Abs 4, letzter Satz BVG aF maßgebenden Einkommen zuerkannt hat, so weicht dieses Ergebnis von der hier für zutreffend erachteten Auslegung des § 2 Abs 2 DV nicht ab. Der 10. Senat hat bei der analogen Anwendung des § 2 Abs 2 DV über die hier erörterte Problematik gar nicht entschieden; er ist zudem später von der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf Hausfrauenfälle abgerückt (BSG SozR 3100 § 30 Nr 21). Daher erübrigt sich eine Anfrage beim 10. Senat wegen einer Abweichung im Hinblick auf § 42 SGG. In einem Urteil vom 9. Dezember 1969 (BVBl 1970, 100) hat der 10. Senat im Ergebnis ebenfalls nicht anders entschieden, als dies dem erkennenden Senat richtig erscheint; einer Beschädigten, die im Hauptberuf als Stenotypistin nicht durch die Schädigungsfolgen beeinträchtigt ist, hat er einen Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen aus dieser Beschäftigung versagt, wenn sie allein in ihrer Nebentätigkeit als Hausfrau behindert ist.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654054

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