Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufopferungsanspruch. Impfschaden vor Inkrafttreten des GG. Anerkennung eines Impfschadens durch außergerichtlichen Vergleich. Besitzstand
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob BSeuchG § 51 Abs 3 S 1 Halbs 2 (Fassung: 1971-08-25) bei einer Leistungsgewährung nach anderen gesetzlichen Vorschriften (zB AKG), eine Entschädigung nach dem BSeuchG grundsätzlich ausschließt.
2. Zur Frage, ob aus einem außergerichtlichen Vergleich die Anerkennung eines Impfschadens nach bisherigem Recht iS des BSeuchGÄndG 2 Art 2 Abs 1 S 1 abgeleitet werden kann.
3. Zur Auslegung der Besitzstandsregelung in BSeuchGÄndG 2 Art 2 Abs 1.
Normenkette
BSeuchG § 51 Abs 3 S 1 Halbs 2 Fassung: 1971-08-25; BSeuchG § 51 Abs 1 S 1 Fassung: 1971-08-25; BSeuchGÄndG Art 2 Abs 1 S 1 Fassung: 1971-08-25; ALR PR Art. 75; BVG § 85; AKG § 5 Abs 1 Fassung: 1957-11-05
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 05.12.1978; Aktenzeichen L 4 V 740/76) |
SG Gießen (Entscheidung vom 01.06.1976; Aktenzeichen S 8 Vi 145/74) |
Tatbestand
I.
Die Klägerin macht Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) geltend. Sie war am 17. Oktober 1944 in D gegen Pocken geimpft worden (Impfgesetz vom 8. April 1974). Am neunten Tag danach erkrankte sie an einer Impf-Encephalitis. Ihre Mutter, der ihre Personensorge obliegt, ist im Besitz eines Flüchtlingsausweises C, worin die Klägerin als deren Kind eingetragen ist. Den Antrag der Klägerin vom 20. April 1959, ihr Impfentschädigung zu gewähren, hatte der Regierungspräsident in W mit der Begründung abgelehnt, § 1 des Impfschadensgesetzes des Landes H vom 6. Oktober 1958 sehe nur Entschädigung für Impffälle vor, die nach einer Impfung im Land H aufgetreten seien (Bescheid vom 31. Juli 1959). Im Verlaufe eines zivilgerichtlichen Verfahrens war es zwischen der Klägerin und der beigeladenen B D im Juni 1964 zu folgender außergerichtlicher Vereinbarung gekommen:
"Zur außergerichtlichen Beilegung des bei dem Landgericht Hannover über den von der Klägerin im Jahre 1944 in Dresden als Folge der Pockenschutzimpfung erlittenen Gesundheitsschaden anhängigen Rechtsstreits - 6 0 122/62 - schließen die Parteien folgenden Vergleich:
1. Die B D zahlt an die Klägerin zur Abgeltung aller eventuellen Aufopferungsansprüche a) für die Zeit bis 31. März 1964 11.500,-- DM b) für die Zeit ab 1. April 1964 eine monatliche Rente von 255,-- DM
Diese Rente ist den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz angepaßt. Ausgangspunkt ist die gegenwärtig bestehende MdE der Klägerin von 80 % aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung vom 25. Mai 1961 in G mit vorausgegangener fachärztlicher Untersuchung in der Universitäts-Nervenklinik G und eine dementsprechende gegenwärtige Grundrente und Ausgleichsrente von zusammen 340,-- DM; hiervon zahlt die B D zur vergleichsweisen Regelung des Rechtsstreits 75 % = 255,-- DM.
Tritt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ein, die für den Vergleichsabschluß und für die Zahlung der Zukunftsrente nach Höhe oder Dauer maßgebend waren bzw sind, so ist jede der beiden Vergleichsparteien berechtigt, eine entsprechende Änderung des Vergleichs zu verlangen. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß sich die MdE der Klägerin oder die Leistungen nach dem BVG ändern. Für die von der B D vergleichsweise übernommene Befriedigung der Ansprüche der Klägerin in Höhe von 75 % bleibt dieser Prozentsatz grundsätzlich jedoch unabänderbar. ...
2. . . .
3. Mit diesem Vergleich sind alle Ansprüche abgegolten, die die Klägerin selbst . . . aus dem Impfschaden . . . gegen das D R bzw. die B D in Vergangenheit und Zukunft geltend machen könnte.
4. bis
8. . . ."
Im August 1973 beantragt die Klägerin Versorgung nach dem Zweiten Gesetz zur Änderung des BSeuchG (2. ÄndG vom 25.8.1971). Diesem Antrag gab die Versorgungsverwaltung nicht statt (Bescheid vom 12. September 1973; Widerspruchsbescheid vom 5. September 1974). Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, der Klägerin Versorgung nach § 51 Abs 1 BSeuchG iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom Inkrafttreten des 2. ÄndG an zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) änderte die Verurteilung des Beklagten dahin ab, daß die Versorgung für den Impfschaden unter Anrechnung der bisher von der Beigeladenen gewährten Leistungen ab 1. September 1971 zu zahlen sei. Im übrigen wies es die Berufung zurück und ließ die Revision zu. Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, die Versorgung sei nach § 51 Abs 3 Satz 1, 2. Halbsatz BSeuchG nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin zur Abgeltung eines Aufopferungsanspruches nach § 5 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) eine Impfschadensrente erhalte. Art 2 des 2. ÄndG gebiete eine Gleichbehandlung aller Impfgeschädigten, was auch die Gesetzesmaterialien bestätigten. Der Gesetzgeber habe nicht nur bisher unberücksichtigt gebliebene Personen in den Kreis der Beschädigten aufgenommen, sondern auch die nach altem Recht gewährten, aber recht unterschiedlichen Leistungen vereinheitlichen und verbessern wollen. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem Wortlaut "soweit" in § 51 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz BSeuchG sei zu schließen, daß der dort zum Ausdruck gekommene Vorrang nur dann gelte, wenn die bisherigen Leistungen höher oder zumindest gleich hoch seien, als sie nach dem BVG wären. § 51 BSeuchG solle alle Altfälle möglichst lückenlos erfassen. Zu diesen seien auch diejenigen Impfgeschädigten zu rechnen, die Ansprüche nach Art 75 der Einleitung zum Allgemeinen Preußischen Landrecht (Einl.ALR) über das AKG gegen die Beigeladene hätten.
Der Beklagte hat Revision eingelegt. Er meint, die Feststellung des LSG, es bestünde ein Impfschaden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH, sei verfahrensfehlerhaft zustandegekommen. Bisher sei eine medizinische Klärung des Impfschadens sowie die Festsetzung des Grades einer Erwerbsminderung unterblieben. Die Feststellungen seien aber gerade vom Rechtsstandpunkt des LSG aus nicht entbehrlich gewesen. Ein Grundurteil, wie das Berufungsurteil, sei nur sinnvoll, wenn die vermeintlichen Versorgungsleistungen höher wären als die gewährten Leistungen nach dem AKG. Zudem sei das Urteil unter Verletzung des rechtlichen Gehörs auf die vom Akteninhalt abweichende Erwägung gestützt worden, der Impfschaden sei als solcher anerkannt. Der Vergleich könne dafür nicht angeführt werden; er habe sich lediglich auf das AKG bezogen. Damit sei keine Anerkennung eines Impfschadens verbunden gewesen. Im übrigen hätte hierzu der Finanzverwaltung auch die Zuständigkeit gefehlt. Hingegen habe der nach früherem Recht zuständige Regierungspräsident Entschädigungsleistungen wegen des Impfschadens abgelehnt. Wegen der nach dem AKG gewährten Leistungen sei die Versorgung nach § 51 Abs 3 BSeuchG ausgeschlossen. Das "Soweit" in der genannten Gesetzesvorschrift bedeute nichts anderes als "wenn". Das AKG sei kein bisheriges, durch die Änderung des BSeuchG außer Kraft getretenes, sondern geltendes Recht. Deshalb könne die Überleitungsvorschrift des 2. ÄndG keine Anwendung finden. Die Klägerin habe auch in dem außergerichtlichen Vergleich alle Ansprüche aus dem Impfschaden gegen das D R bzw die B D für Vergangenheit und Zukunft für abgegolten erklärt. Darin liege ein zulässiger Verzicht auf Auszahlung weiterer, damals noch unbekannter öffentlich-rechtlicher Leistungen.
Der Beklagte beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.
Streitig ist die Anwendung des BSeuchG vom 18. Juli 1961 (BGBl I S 1012) idF des 2. ÄndG vom 25. August 1971 (BGBl I S 1401). Nach § 51 Abs 1 Satz 1 des BSeuchG nF erhält derjenige, der ua durch eine nach dem Impfgesetz vom 8. April 1874 (RGBl S 31) vorgeschriebene Impfung einen Impfschaden erleidet, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, "soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt". Nach § 51 Abs 3 sind Deutsche in den Versorgungsschutz mit einbezogen, die infolge einer aufgrund des Impfgesetzes vom 8. April 1874 vorgeschriebenen Pockenimpfung einen Impfschaden erlitten hatten oder erleiden, "soweit" nicht aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Anspruchsberechtigt ist dabei, wer als Vertriebener, Flüchtling oder durch Familienzusammenführung (§§ 1, 3 und 94 des Bundesvertriebenengesetzes) seinen ständigen Aufenthaltsort im Geltungsbereich des Gesetzes genommen hat. Daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 3850 § 51 Nr 1 = BSGE 42, 28) ein weiterer Personenkreis nach § 51 Abs 3 BSeuchG entschädigungsberechtigt ist, kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben.
Ein Anspruch auf Versorgung gemäß § 51 Abs 3 Satz 1 letzter Halbs BSeuchG könnte zu verneinen sein, weil die Klägerin in Ausführung des mit der Beigeladenen geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs zur Abgeltung aller eventueller Aufopferungsansprüche Leistungen erhält. Die Revision meint, damit sei der in der genannten Gesetzesvorschrift enthaltene Ausschlußtatbestand "soweit nicht aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird" verwirklicht. Dabei will der Beklagte den Wortsinn der Vorschrift dahin verstanden wissen, daß die Leistungsgewährung nach anderen Gesetzen eine Entschädigung nach dem BSeuchG schlechthin ausschließt. Eine solche Auffassung findet in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 51 Abs 3 BSeuchG idF des 2. ÄndG eine Stütze (BT-Drucks VI/1568 S 8). Danach "soll durch diese Regelung die Gesetzeslücke geschlossen werden und dem bisher ausgeschlossenen Personenkreis eine Entschädigungsmöglichkeit verschafft werden. Soweit Impfgeschädigte bereits Leistungen aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften erhalten (zB AKG) erscheint es zweckmäßig, diesen den Vorrang zu geben".
Ein solcher in § 51 Abs 3 BSeuchG enthaltener Leistungsausschluß - "soweit" - ist nur verständlich, wenn hierunter solche gesetzliche Vorschriften rechnen, die keine Impfschadensregelung im eigentlichen Sinne beinhalten, wie dies bei haftungsrechtlichen (zB § 839 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) oder unfallrechtlichen Vorschriften gegeben ist. In diesen Fällen erfolgt die Entschädigung nicht oder weniger deswegen, weil der Geschädigte ein Sonderopfer für die Allgemeinheit erbracht hat. Vielmehr ist die Entschädigungsmotivation eine andere. Andererseits wurde durch Art 2 Abs 1 des 2. ÄndG klargestellt, daß "nach Inkrafttreten des 2. ÄndG die Regulierung a l l e r nach bisherigem Impfschadensrecht anerkannter Impfschäden fortgesetzt" wird (so Begründung des Gesetzentwurfs aaO S 10). Diese Übergangsvorschrift spricht schlichtweg aus: "Ein nach bisherigem Recht anerkannter Impfschaden gilt als Impfschaden im Sinne dieses Gesetzes". Dieser Übergangsbestimmung liefe es zuwider, wenn mit § 51 Abs 3 BSeuchG bisherige spezifische Impfschadensregelungen - auch in Teilbereichen - ausgeklammert werden sollten. Weder den Gesetzesmaterialien noch dem Sinn und Zweck des 2. ÄndG ist eine solche Absicht zu entnehmen. Im Gegenteil sollte mit diesem Gesetz eine Gleichbehandlung "aller" Impfgeschädigten erreicht werden.
Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts war der Impfschaden der Klägerin schon nach bisherigem Recht im Sinne des Art 2 Abs 1 Satz 1 2.ÄndG anerkannt. In diesem Sinne sind unter "bisherigem Recht" nicht nur das BSeuchG in seiner bis zum 31. August 1971 gültigen Fassung bzw die zuvor ergangenen Impfgesetze der Länder zu verstehen (vgl ua BT-Drucks VI/1568 S 10, 6 zu Art 2 Abs 2 Satz 1). Denn auch die nach allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen vor dem Inkrafttreten der genannten Seuchengesetze anerkannten Impfschäden sind aufgrund des - seinerzeit - geltenden Rechts anerkannt worden. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits frühzeitig einen Entschädigungsanspruch wegen einer nach dem Impfgesetz vom 8. April 1874 erfolgten Impfung als Aufopferungsanspruch angenommen. Dieser habe sich, so führt der BGH aus, gewohnheitsmäßig aus dem in Art 75 Einl ALR enthaltenen Rechtsgrundsatz entwickelt (BGHZ 9, 83, 86; 24, 45; 29, 95; 31, 187; 45, 290). Der wegen eines Impfschadens entstandene Aufopferungsanspruch galt auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes -GG- (BGHZ 9, 91) und richtete sich gegen das Land als dem zuständigen Hoheitsträger, da der Vollzug des Impfgesetzes vom 8. April 1874 eine Aufgabe der Länder war (BGHZ 9, 93; 29, 96; BGH LM Nr 24 zu PrALR Einl Art 75). Folglich stand auch der Klägerin wegen des 1944 in Dresden eingetretenen Impfschadens nach den allgemeinen und über die altpreußischen Provinzen hinaus geltenden Aufopferungsgrundsätzen ein Entschädigungsanspruch zu. Dieser richtete sich an sich entsprechend dem Verursacherprinzip gegen das Land Sachsen, war jedoch wegen der politischen Gegebenheiten nicht durchsetzbar und erst späterhin gegenüber der Beigeladenen zu realisieren.
Im Streitfalle hat das Berufungsgericht ausgenommen, das AKG vom 5. November 1957 (BGBl I S 1747), das am 1. Februar 1958 in Kraft getreten ist, sei Grundlage für die vergleichsweise Regelung zwischen der Beigeladenen und der Klägerin gewesen. Dafür ergibt sich indessen aus dem Vergleichswortlaut nichts. Dagegen spricht vielmehr, daß als Leistungsmaßstab der vergleichsweise zugebilligten Impfentschädigung die Vorschriften des BVG herangezogen worden sind. Bei Anwendung des AKG hätte man statt dessen einen Rückgriff auf das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) vom 29. Juni 1956 idF vom 19. August 1957 - BGBl I S 1250 - erwarten dürfen. Denn § 5 Abs 1 Ziff 2 AKG bestimmt für Ansprüche vergleichbarer Art, daß deren Höhe nach dem BEG begrenzt ist. Auf welche rechtliche Basis der Vergleich zurückgehen sollte, ist offen. Somit ist der Vergleich als solcher Fundament der streitigen Rechtsbeziehung. Dies erlaubt es, ihn nicht dem Tatbestand des § 51 Abs 3 Satz 1 letzter Halbs BSeuchG unterzuordnen.
Nach dem Wortlaut des außergerichtlichen Vergleichs hatte die Klägerin der Beigeladenen gegenüber einen Aufopferungsanspruch wegen eines durch die Pockenschutzimpfung erlittenen Gesundheitsschadens gerichtlich geltend gemacht. Hierauf verpflichtet sich die Beigeladene zur Abgeltung aller eventueller Aufopferungsansprüche, Entschädigung zu leisten. Dies kann verständigerweise dahin gewertet werden, daß der Impfschaden nach allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen entsprechend Art 75 Einl ALR Anerkennung fand.
Der Annahme einer solchen Anerkennung eines Impfschadens steht nicht, wie die Revision meint, die in Ziff 3 des Vergleichs enthaltene Vereinbarung entgegen, wonach alle Ansprüche abgegolten seien, die die Klägerin aus dem Impfschaden gegen das D R bzw die B D in Vergangenheit zu Zukunft geltend machen könnte. Die Bedeutung dieser Regelung liegt allein in der Beschränkung der Klägerin auf die ihr vergleichsweise zugebilligten Entschädigungsansprüche für Vergangenheit und Zukunft. Sie verzichtete damit lediglich auf möglicherweise bestehende weitergehende Impfschadensansprüche, nicht aber auf den Aufopferungsanspruch als solchen, der gerade vergleichsweise zuerkannt worden war.
Nachdem andererseits mit dem 2. ÄndG geplant war, der vereinheitlichten Entschädigungsregelung auch die Altfälle zu unterstellen, die das BSeuchG bis dahin den landesgesetzlichen Entschädigungsbestimmungen oder der Heranziehung des allgemeinen Aufopferungsanspruchs (Art 75 Einl ALR) überlassen hatte (vgl auch BSGE 42, 28 = SozR 3850 § 51 Nr 1), bestehen keine rechtlichen Bedenken, aus dem außergerichtlichen Vergleich die Anerkennung eines Impfschadens nach bisherigem Recht im Sinne des Art 2 Abs 1 Satz 1 2. ÄndG abzuleiten. Die Auffassung, daß nämlich auch ein vergleichsweise anerkannter Impfschaden Art 2 Abs 1 2. ÄndG Anwendung finden läßt, teilte auch die Bundesregierung (BReg) in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks VI/1568 S 13 Art 2). Ferner geht der Einwand des Beklagten fehl, die Finanzverwaltung sei nie für die Feststellung eines Impfschadens zuständig gewesen und habe bei Vergleichsabschluß ausschließlich nach dem AKG gehandelt. Art 75 Einl ALR ermöglicht nämlich, wie ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Durchsetzbarkeit eines bereits bestehenden Aufopferungsanspruchs. Dieser richtet sich gegen die Beigeladene, die im Streitverfahren von dem Bundesminister der Finanzen (BMF) und dieser wiederum von dem Oberfinanzpräsidenten der jeweils örtlich zuständigen Oberfinanzdirektion vertreten wird.
Auf die Ablehnung des von der Klägerin gegenüber dem Land H geltend gemachten Impfschadens durch den Regierungspräsidenten in W hat es nicht anzukommen. § 1 des Hessischen Impfschadensgesetzes vom 6. Oktober 1958 (GVBl 147) sah eine Haftung nur für diejenigen Personen vor, die im Land Hessen aufgrund gesetzlicher Vorschrift geimpft worden sind oder sich aufgrund einer öffentlichen Aufforderung der obersten Gesundheitsbehörde des Landes haben impfen lassen. Diese Voraussetzungen lagen, wie auch dem Ablehnungsbescheid zu entnehmen ist, bei der Klägerin nicht vor. Überdies hatte die Beigeladene erst danach den Impfschaden vergleichsweise anerkannt. Allein hierauf ist abzustellen.
Das LSG war, wie der Beklagte mit Recht rügt, nicht befugt, ein Grundurteil der Art zu erlassen, wie es hier geschehen ist. Damit hat es gegen das Gebot der Spruchreife (§ 131 Abs 2 SGG; BSG SozR 1500 § 103 Nr 16) sowie gegen das Verbot der Zurückverweisung an die Verwaltung (BSGE 7, 126; SozR Nr 9 zu § 123 SGG) verstoßen. Mit dem Inkrafttreten des BSeuchG war den früheren gesetzlichen Bestimmungen, aufgrund dessen den Impfgeschädigten Leistungen zuerkannt worden waren, die Grundlage entzogen. Damit finden die Rechtsgrundsätze analog Anwendung, von denen das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung ausgegangen ist, wenn frühere durch neuere Versorgungsgesetze abgelöst worden sind (BSGE 1, 164; 3, 255; 4, 23; 10, 251; 19, 247, 251). Als Ausnahme von dem Grundsatz einer Neufeststellung ausschließlich nach den Vorschriften des nunmehr geltenden BSeuchG ist zur Wahrung des Besitzstandes in Art 2 Abs 1 Satz 1 ÄndG bestimmt, daß ein nach bisherigem Recht anerkannter Impfschaden als Impfschaden im Sinne des 2. ÄndG gilt. Hiervon ist das LSG zu Recht ausgegangen. Daneben wollte der Gesetzgeber bei der Neufeststellung nach dem BSeuchG die früher festgesetzte MdE nicht übernehmen. Andernfalls hätte eine solche Ausnahme von allgemeinen Überleitungsgrundsätzen einer gesonderten Regelung bedurft. Statt dessen bestimmt Art 2 Abs 1 Satz 2 ÄndG, daß die für Impfschäden im Zeitpunkt des Inkrafttretens (1. September 1971) gewährten Leistungen in der bisherigen Höhe nur bis zur Feststellung der Versorgung nach dem BSeuchG weiter zu gewähren sind. Die darin enthaltene Besitzstandregelung gilt, wie überdies Art 2 Abs 1 Satz 4 ÄndG verdeutlicht, nur für die Höhe des Zahlbetrages. Dort ist nämlich vorgesehen, daß bei bisher höheren Leistungen als nach dem BSeuchG zu zahlen wären, die höhere Leistung so lange zu zahlen ist, bis die nach dem BSeuchG zu gewährenden Leistungen deren Höhe erreichen. Abgesehen davon entspricht nur eine solche Gesetzesauslegung dem Willen des Gesetzgebers. Er ging bei seinen Überlegungen (BT-Drucks VI/1568 S 6) davon aus, daß in § 51 des BSeuchG vom 18. Juli 1961 (BGBl I S 1012) erstmalig Entschädigungsansprüche der Impfgeschädigten bundesgesetzlich als Anwendungsfall des Aufopferungsanspruchs geregelt worden waren. Jedoch hatte diese Gesetzesvorschrift keine gleichmäßigen Entschädigungsleistungen nach Umfang und Bemessung in den Bundesländern sicherstellen können. Die seinerzeitige Zielvorstellung, die Höhe der Entschädigung im Gesetz nicht festlegen zu sollen, weil deren Festsetzung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls günstiger wäre, hatte sich nicht erfüllt. Daraus würde der Schluß gezogen, "eine bundeseinheitliche, klare und umfassende Entschädigungsregelung ist unerläßlich, um eine Gleichbehandlung aller Impfgeschädigten zu sichern und eine angemessene Entschädigung in allen Fällen zu gewährleisten. In der vorliegenden Fassung des 2. ÄndG soll dieses Ziel durch eine entsprechende Änderung der Vorschriften des BSeuchG erreicht werden" (BT-Drucks aaO). Somit ist die Impfentschädigung aufgrund des tatsächlich bestehenden MdE-Grads zu ermitteln. Für die Bemessung der MdE bei der Neufeststellung des Impfschadens nach dem BSeuchG ist die Rechtslage nicht anders als bei der Einführung des BVG (BSGE 2, 263, 264). Art 2 Abs 1 Satz 1 2. ÄndG entspricht § 85 BVG, der eine Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den schädigungsbedingten Ursachenzusammenhang auch nach dem BVG für rechtsverbindlich erklärt. Nichts anderes besagt Art 2 Abs 1 Satz 1 2. ÄndG, wenn der nach bisherigem Recht anerkannte Impfschaden als Impfschaden im Sinne dieses Gesetzes gilt. Infolgedessen sind keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Auslegung erkennbar, zumal auch der in § 86 BVG und Art 2 Abs 1 Satz 2 bis 4 2. ÄndG geregelte Besitzstand ähnlich ausgestaltet ist.
Sonach hat das LSG den Impfschadensanspruch nach dem BSeuchG in eigener Zuständigkeit festzustellen. Es ist darin nicht deshalb gehindert, weil etwa die zuständige Versorgungsverwaltung noch nicht, wie dies Art 2 Abs 1 Satz 2 2. ÄndG vorschreibt, verwaltungsmäßig tätig geworden ist. Eine solche Rechtsansicht wäre rechtsirrig. Mit der Ablehnung des Impfschadensanspruches, der streitbefangen ist, hat die Versorgungsverwaltung eine wenn auch negative Feststellung im Sinne der vorgenannten Übergangsvorschrift getroffen.
Das LSG hat bei der nunmehr gebotenen Entscheidung, die die vorstehenden rechtlichen Gesichtspunkte beachten muß, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen