Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarbegrenzungsregelung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit eines Kassenarztes. Kürzung der Honorarforderungen eines Kassenarztes wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis
Orientierungssatz
1. Zwischen der Verteilung der Gesamtvergütung nach Art und Umfang einerseits und der Honorarbegrenzung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis andererseits besteht kein Widerspruch, sondern ein Sachzusammenhang, der es rechtfertigt, einer übermäßigen Ausdehnung der Praxis im kassenärztlichen Bereich gerade durch den Honorarverteilungsmaßstab entgegenzuwirken.
2. § 7 des Honorarverteilungsmaßstabes der KÄV Nordrhein idF vom 19.11.1977 hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 368f Abs 1 S 5 RVO) und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 12 Abs 1 S 2 Fassung: 1968-06-24; RVO § 368f Abs 1 S 5 Fassung: 1955-08-17
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.07.1979; Aktenzeichen S 2 Ka 24/79) |
Tatbestand
Umstritten ist die Kürzung eines Kassenarzthonorars wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis.
Der Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin und als solcher in Duisburg-Walsum zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Im ersten Quartal 1978 hat er 2.063 RVO-Fälle (Behandlungsfälle der Krankenkassen iS des § 225 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) mit einer anerkannten Honoraranforderung von 49.277,51 DM (vor Quotierung) abgerechnet. Diese Honoraranforderung kürzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gem § 7 ihres Honorarverteilungsmaßstabes idF vom 19. November 1977 (HVM), weil der Kläger sowohl die durchschnittliche Vierteljahres-Honoraranforderung seiner Arztgruppe im Bereich Nordrhein im Vergleichszeitraum (in den Quartalen I - IV/1977) in Höhe von 23.038,04 DM als auch die entsprechende Honoraranforderung aller Kassenärzte in Höhe von 24.238,74 DM um mehr als 80 vH und die durchschnittliche RVO-Fallzahl seiner Arztgruppe von 822 um mehr als 100 vH überschritten habe. Nach Ziffer 2 des § 7 HVM errechnete sie unter Berücksichtigung der Honorarbeträge vor Quotierung einen Kürzungsbetrag in Höhe von 2.824,04 DM, der sich um einen Zuschlag von etwas über 50 vH auf 4.287,56 DM erhöhte.
Der Kläger, der die in § 7 HVM getroffene Regelung für rechtswidrig hält, hatte weder mit seinem Widerspruch noch mit seiner Klage Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: § 7 HVM idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 19. November 1977 sei formell wirksam zustande gekommen. Insbesondere sei die beschlossene Änderung mit der Veröffentlichung im Rheinischen Ärzteblatt entsprechend der Bestimmung des § 12 der Satzung der Beklagten ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Auf die Wirksamkeit der beschlossenen Änderung habe es keinen Einfluß, daß gleichzeitig mit der Änderung zusätzlich der gesamte HVM abgedruckt worden und dabei die beschlossene ersatzlose Streichung von Ziffer 1 Satz 3 des § 7 unberücksichtigt geblieben sei. Die getroffene Regelung sei, wie das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits entschieden hätten, auch materiell-rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 368f Abs 1 Satz 5 RVO. Die Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit sei nicht nur ein vernünftiger, sondern ein überragender Grund des Gemeinwohls. Die Honorarkürzung sei geeignet, eine übermäßige kassenärztliche Tätigkeit einzuschränken und damit gleichzeitig eine zweckmäßige und ausreichende kassenärztliche Versorgung zu fördern. Ein weniger einschneidendes Mittel zur Erreichung des erstrebten Zweckes stehe nicht zur Verfügung. Die getroffene Regelung sei hinreichend differenziert. Die Honorarkürzung sei dem betroffenen Arzt zumutbar. Das gelte auch für Fälle, in denen der betroffene Arzt keine Möglichkeit sehe, den Umfang seiner kassenärztlichen Tätigkeit einzuschränken, ohne dadurch gleichzeitig die kassenärztliche Versorgung im Bereich seiner Niederlassung zu gefährden. Wenn für diese Fälle die Neufassung des § 7 HVM nicht mehr die Möglichkeit der Befreiung von Kürzungsmaßnahmen vorsehe, so stehe das dem mit der Regelung verfolgten Ziel nicht entgegen, denn die Verhütung übermäßiger Ausdehnung kassenärztlicher Tätigkeit brauche nicht nur in der Zurückweisung von Patienten zu liegen, sie könne auch schon in der Einschränkung von Leistungen bestehen, die der einzelne Arzt im Rahmen seiner kassenärztlichen Tätigkeit erbringe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts, vorsorglich auch eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Sozialgerichts. Zur Begründung trägt er vor: § 7 HVM verletze § 368f Abs 1 Satz 3 bis 5 RVO. Die Honorarbegrenzung stelle eine unzulässige Einschränkung der Berufsausübung über das zumutbare Maß hinaus dar (Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-). Sie verletze den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 GG). Die Kürzung des Kassenarzthonorars sei weder erforderlich noch geeignet, eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes zu verhüten und ein persönliches Tätigwerden des Kassenarztes sicherzustellen. Dies könne durch ein geringeres Mittel, durch eine strengere Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise, erreicht werden. Die Neufassung des § 7 HVM sei nicht differenziert genug, um verfassungsgemäß zu erscheinen (Streichung der bisherigen Befreiungsmöglichkeit, Behinderung einer weitergehenden Spezialisierung des Arztes, Fehlen von verfeinernden Unterscheidungsmerkmalen, keine Berücksichtigung der Privat- und Ersatzkassenpatienten). Das angefochtene Urteil beruhe auch auf Verfahrensmängeln, insbesondere auf einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht, denn das SG habe nicht untersucht, ob die Neufassung des § 7 HVM durch den Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 19. November 1977 ordnungsgemäß zustande gekommen sei, vor allem habe es nicht die Einberufung und Durchführung der Vertreterversammlung überprüft. Entgegen der Auffassung des SG bedeute der Abdruck des gesamten HVM ohne Berücksichtigung der beschlossenen Streichung des bisherigen § 7 Ziffer 1 Abs 3 keine ordnungsgemäße Bekanntmachung. Selbst bei Rechtmäßigkeit der Regelung wäre zu prüfen gewesen, ob nicht wegen der Besonderheiten im Einzelfall eine Befreiung aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten hätte erfolgen müssen. Das SG habe gegen das Amtsermittlungsprinzip auch insoweit verstoßen, als es dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens (zur Frage, ob bei der Belastung des Klägers durch den Praxisdienst noch eine ordnungsgemäße kassenärztliche Versorgung möglich gewesen sei) nicht nachgegangen sei. Schließlich hätte geprüft werden müssen, ob der Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1979 (unterzeichnet vom Justitiar, nicht von dem Mitglied des Vorstandes) gültig gewesen sei und ob ihn der Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1979 nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ersetzt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom
5. Juli 1979 abzuändern und den Bescheid der
Beklagten vom 14. August 1978 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1979
aufzuheben,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung an das
Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Einwendungen des Klägers gegen die Recht- und Verfassungsmäßigkeit der vorgenommenen Honorarkürzung und der dieser zugrunde liegenden gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen für nicht gerechtfertigt. Im übrigen macht sie geltend: Die Zweifel des Klägers an dem ordnungsgemäßen Zustandekommen des Beschlusses ihrer Vertreterversammlung vom 19. November 1977 entbehrten jeder Grundlage. Die ab 1. Januar 1978 geltende Neufassung des § 7 HVM sei auch ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Die Rüge, das SG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, sei unbeachtlich, denn der Kläger habe hierfür nicht einmal andeutungsweise Tatsachen angegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des SG wird vom Kläger lediglich behauptet, diese Rüge aber in keiner Weise substantiiert begründet. Anhaltspunkte für einen solchen Verfahrensmangel sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere haben bei der Entscheidung des SG zu Recht zwei Kassenärzte als ehrenamtliche Richter mitgewirkt, handelt es sich doch bei der vorliegenden Streitsache um eine Angelegenheit der Kassenärzte iS des § 12 Abs 3 Satz 2 SGG (vgl BSGE 44, 244, 246). Das SG war auch berechtigt, in der Sache zu entscheiden. Die Beklagte hatte das gesetzlich vorgeschriebene Vorverfahren durchgeführt. Sollte der Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1979, wie vom Kläger behauptet, nicht von einem Mitglied der zur Entscheidung über den Widerspruch berufenen Stelle, sondern vom Justitiar der Beklagten unterschrieben worden sein, so wäre er eventuell fehlerhaft, aber noch nicht unwirksam (vgl BSGE 47, 3 ff; 278 ff). Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht kann das angefochtene Urteil durch das Revisionsgericht nicht beanstandet werden.
Der hier umstrittenen Kürzung des Kassenarzthonorars des Klägers für das I. Quartal 1978 liegt § 7 des HVM der Beklagten in der durch Beschluß ihrer Vertreterversammlung vom 19. November 1977 geänderten Fassung zugrunde. Nach Ziff 1 dieser inzwischen erneut geänderten Vorschrift waren die nach Prüfung anerkannten Honoraranforderungen eines Kassenarztes - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis einer Kürzung zu unterziehen, wenn die durchschnittliche Vierteljahres Honoraranforderung der jeweiligen Fachgruppe der Kassenärzte, mindestens jedoch die aller Ärzte im Bereich Nordrhein im Vergleichszeitraum - in dem dem Abrechnungszeitraum vorangegangenen Jahr - um mehr als 80 % und die entsprechende durchschnittliche Zahl der Behandlungsfälle um mehr als 100 % überschritten wurden. Ziff 2 der Vorschrift regelte die Berechnung des Kürzungsbetrages auf folgende Weise: Für jeweils 1 %, um das die gemäß Ziff 1 erhöhte Fallzahl überschritten wurde, war derjenige Betrag, um den die Honoraranforderung den gemäß Ziff 1 erhöhten Durchschnitt überstieg, um 2 % zu kürzen; die Kürzung durfte jedoch höchstens 50 % der Überschreitungssumme betragen. Der Vorstand der Beklagten war früher ermächtigt, auf Antrag eines Arztes im Einzelfall Befreiung von Kürzungsmaßnahmen für einen begrenzten Zeitraum zu erteilen, wenn eine Ablehnung der Behandlung zwecks Verhütung übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis nicht möglich war, ohne die kassenärztliche Versorgung im Bereich des betroffenen Arztes zu gefährden. Diese in Abs 3 des § 7 Ziff 1 HVM enthaltene Ausnahmeregelung wurde durch den Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 19. November 1977 mit Wirkung ab 1. Januar 1978 aufgehoben.
Das SG hat § 7 HVM in der geänderten Fassung für gültig gehalten sowie seine Anwendung im vorliegenden Fall als rechtmäßig angesehen. Insbesondere hat es festgestellt, daß die Änderung dem § 12 der Satzung der Beklagten entsprechend ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist. Davon hat auch der Senat auszugehen. Die Satzung und der HVM der Beklagten sind nichtrevisibles Recht. Ihr Geltungsbereich erstreckt sich nicht über den Bezirk des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen hinaus, das hier als Berufungsgericht zuständig gewesen wäre (§ 162 SGG). Die Entscheidung des SG über das Bestehen und den Inhalt des von ihm herangezogenen Satzungsrechts ist für den Senat bindend. Die revisionsgerichtliche Prüfung muß sich darauf beschränken, ob dem nichtrevisiblen Satzungsrecht, so wie es angewendet worden ist, revisibles Recht - also höherrangiges, über den Bezirk des LSG hinaus gültiges Gesetzesrecht - entgegensteht (vgl BSGE 4, 156, 161; Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 1977, § 162 RdNr 7; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand: 1pril 1980, S III/80-85 Anm 3; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl, § 144 II 3; Stein/Jonas/Grunsky, Komm zur ZPO, 19. Aufl, § 562 Anm I; Zöller/Wolfsteiner, Zivilprozeßordnung, 12. Aufl, § 562 Anm 3). Dem Senat ist es außerdem verwehrt, in seine Prüfung die Verfahrensrügen des Klägers einzubeziehen, denn die unter Übergehung der Berufungsinstanz eingelegte Revision kann nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden (§ 161 Abs 4 SGG).
Revisibles Recht wird durch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten nicht verletzt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Rechtsetzungsbefugnis (§§ 368k ff RVO). Sie haben im Rahmen des Gesetzes die satzungsrechtlichen Regelungen zu treffen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Für die ihnen obliegende Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte (§ 368f Abs 1 Satz 2 RVO) wird ihre Befugnis und Verpflichtung zur Rechtssetzung gesetzlich konkretisiert. Sie haben im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen einen Verteilungsmaßstab festzusetzen (Satz 3 des § 368f Abs 1 RVO). Dabei haben sie zu beachten, daß bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zugrunde zu legen sind und dementsprechend eine Verteilung nur nach der Zahl der Behandlungsfälle nicht zulässig ist (Satz 4). Außerdem soll der Verteilungsmaßstab zugleich sicherstellen, daß eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes verhütet wird (Satz 5). Die vom Kläger angegriffene Regelung in § 7 HVM hält sich im Rahmen dieser gesetzlichen Ermächtigung. Sie ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Senat hat bereits zu früheren Fassungen des HVM der Beklagten die Rechtmäßigkeit von Honorarbegrenzungen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis anerkannt. Er ist dabei davon ausgegangen, daß die Begrenzungsregelung der autonomen Rechtsetzung der Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen ist (BSGE 21, 235 ff) und die gesetzliche Ermächtigung in § 368f Abs 1 Satz 5 RVO nicht gegen Art 12 GG verstößt (BSGE 12, 218 ff). Das BVerfG hat die gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken für unbegründet erklärt (BVerfGE 33, 171 ff). Der Senat sieht auch heute keinen Grund, von seiner Rechtsprechung abzuweichen.
Das BVerfG hatte über Verfassungsbeschwerden zu entscheiden, die sich gegen die Honorarbegrenzung im HVM der Beklagten vom 28. Mai 1960 richteten. Es kam zu dem Ergebnis, daß die Begrenzungsregelung den Anforderungen entsprach, die gemäß Art 12 Abs 1 GG an normative Berufsausübungsregelungen zu stellen sind (BVerfGE aaO S 185 ff). Nach seiner Ansicht wäre die im HVM vom 28. Mai 1960 getroffene Begrenzungsregelung lediglich mangels ausreichender Differenzierung auf längere Sicht nicht tragbar gewesen (BVerfGE aaO S 189). Seine diesbezüglichen Bedenken bezogen sich allein darauf, daß nicht zwischen den Fachärzten der verschiedenen Disziplinen unterschieden worden war (BVerfGE aaO S 190). Trotz dieser Bedenken hatte das BVerfG die "Anfangsregelung" noch als verfassungsmäßig angesehen, weil sie in der Folgezeit immer weiter in einer Weise verfeinert worden sei, daß nunmehr unter dem Gesichtspunkt mangelnder Differenzierung keine Bedenken mehr bestünden (BVerfGE aaO S 189).
Aus der Entscheidung des BVerfG ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß § 7 HVM der Beklagten in der hier maßgebenden Fassung zunächst insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, als er eine grundsätzliche Regelung der Honorarbegrenzung enthält. Diese Regelung genügt dem Erfordernis, daß die freie Berufsausübung nur im Interesse des Gemeinwohls beschränkt werden darf, denn es soll mit ihr verhindert werden, daß der zu den Kassen zugelassene Arzt aufgrund einer Überbeschäftigung für die Versorgung und ärztliche Betreuung der Kassenpatienten nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht (BVerfGE aaO S 186). Sie erfüllt ferner die weitere Voraussetzung, daß das eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich sein muß, um den angestrebten Zweck zu erreichen; es bietet sich keine andere wirksame und weniger einschneidende Möglichkeit an, eine Kassenpraxis von außen her in Grenzen zu halten (BVerfGE aaO S 187). Schließlich ist die Grenze der Zumutbarkeit eingehalten, denn einerseits handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte - Honorarbegrenzung erst bei übersteigen der durchschnittlichen Honoraranforderung der Fachgruppe und aller Ärzte um mehr als 80 % und der durchschnittlichen Zahl der Behandlungsfälle um mehr als 100 %, Höchstbetrag der Kürzung 60 % der Überschreitungssumme -, andererseits ist die angestrebte Verhütung einer Überbelastung der Kassenpraxis ein vernünftiger, wenn nicht sogar überragender Grund des Gemeinwohles (BVerfGE aaO S 188).
Die umstrittene Regelung ist auch hinreichend differenziert. Sie entspricht dem aus Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG sich ergebenden verfassungsrechtlichen Gebot, bei Berufsausübungsregelungen die Unterschiede zu berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der Berufsgruppe bestehen (BVerfGE aaO S 188 unter Bezugnahme auf BVerfGE 30, 292, 327). Sie stellt auf den Durchschnitt der einzelnen Facharzt-Gruppen ab, wie es das BVerfG für erforderlich gehalten hat (BVerfGE aaO S 190). außerdem macht sie die Honorarbegrenzung von zwei Voraussetzungen abhängig, die kumulativ nebeneinander vorliegen müssen: Sowohl die Honoraranforderung des Kassenarztes als auch die Zahl seiner Behandlungsfälle müssen auf eine übermäßige Ausdehnung der Kassenpraxis hinweisen. Überschreitungen des Grenzwertes in nur einem Bereich, die uU auf ein anderes Fehlverhalten des Kassenarztes (zB unwirtschaftliche Behandlungsweise) oder auf Praxisbesonderheiten oder auf besondere Behandlungsweisen des Kassenarztes zurückgeführt werden könnten, bleiben sonach außer Betracht.
Eine weitere Differenzierung, wie sie vom Kläger gefordert wird, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht derzeit (noch) nicht zwingend geboten. Dem Umstand, daß besonders erfahrene und leistungsfähige Ärzte auch bei sorgfältiger Behandlung mehr Patienten versorgen und höhere Honoraransprüche erarbeiten können, ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß eine Honorarbegrenzung erst bei einer Überschreitung des Durchschnitts um 80 % (Honoraranforderung) bzw 100 % (Fallzahl) einsetzt.
Gewichtiger ist der Einwand des Klägers, der sich gegen die Nichtberücksichtigung der Ersatzkassen- und Privatpraxis richtet. Es ist zuzugestehen, daß zumindest die Ersatzkassenpraxis - die Privatpraxis kann insoweit wohl vernachlässigt werden - den Kassenarzt in erheblichem Umfang in Anspruch nehmen kann und nicht alle Kassenärzte in gleicher Weise belasten muß. Es ist deshalb möglich, daß Kassenärzte mit gleicher Gesamtbelastung nicht in gleichem Umfang kassenärztlich tätig sind und deshalb bei übermäßiger Ausdehnung ihrer Kassenpraxis unterschiedliche Honorarbegrenzungen hinnehmen müssen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß der HVM eine Regelung ausschließlich für die kassenärztliche Tätigkeit ist und daher auch die in ihm vorgenommene Honorarbegrenzung nur auf das Honorar für die kassenärztliche Tätigkeit - im Rahmen der Verteilung der von den Krankenkassen für die kassenärztliche Versorgung zu entrichtende Gesamtvergütung - Anwendung finden kann. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß die vertragsärztlichen Tätigkeiten für die Ersatzkassen zwar die einzelnen Kassenärzte unterschiedlich belasten können, aber die durch sie gegebene durchschnittliche Belastung der Kassenärzte mittelbar auch die Durchschnittswerte im kassenärztlichen Bereich beeinflußt, besteht doch die durchschnittliche Gesamtbelastung des Kassenarztes im wesentlichen auf den durchschnittlichen Belastungen im kassenärztlichen und im vertragsärztlichen Bereich; je mehr die durchschnittliche Gesamtbelastung von den Vertragsärztlichen Tätigkeiten für die Ersatzkassen bestimmt wird, desto geringer wird sie von der kassenärztlichen Tätigkeit für die RVO-Kassen beeinflußt. Das BVerfG hat es als zulässig angesehen, bei einer Honorarbegrenzung iS einer typisierenden Regelung davon auszugehen, daß der Durchschnitt aller Kassenärzte durch eine neben der Kassenpraxis ausgeübte Privat- oder Ersatzkassen-Praxis belastet ist (BVerfGE aaO S 190). Diese Erwägungen rechtfertigen eine Honorarbegrenzungsregelung der vorliegenden Art, solange anhand der Durchschnittszahlen im kassenärztlichen Bereich allein die übermäßige Ausdehnung einer Kassenpraxis festgestellt werden kann. Das ist für die hier strittige Zeit - I. Quartal 1978 - der Fall. Die von der Beklagten unter ausschließlicher Berücksichtigung der Durchschnittszahlen im RVO-Kassenbereich ermittelten Grenzwerte (Honorar vor Quotierung: 43.629,73 DM, Fallzahl: 1.644) liegen so hoch, daß sie selbst dann eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes (§ 368f Abs 1 Satz 5 RVO) ergeben, wenn man unterstellt, daß die über jenen Grenzwerten liegende Kassenpraxis durch sonstige ärztliche Tätigkeiten insbesondere durch eine Ersatzkassenpraxis nur unterdurchschnittlich belastet ist.
Ob das auch in Zukunft noch so sein wird, ist jetzt nicht zu entscheiden. Bedenken können sich insoweit ergeben, wenn eine Verlagerung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung von dem kassenärztlichen auf den Ersatzkassen-Bereich dazu führen sollte, daß die Durchschnittszahlen im RVO-Kassenbereich allein nicht mehr den Schluß auf eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes zulassen. Einer solchen Änderung der Verhältnisse müßten die KÄVen Rechnung tragen. Sie haben zwar als Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum; ob sie jeweils im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden haben, ist verfassungsrechtlich nicht nachzuprüfen. Ist jedoch eine ursprünglich gerechtfertigte Regelung offensichtlich sachwidrig geworden, so hat der Normgeber tätig zu werden (vgl BVerfGE aaO S 189, 190; 8, 1, 19; 12, 341, 353; 16, 147, 187 f; 18, 224, 239 f; 42, 374, 396). Daß sich die Beklagte um sachgerechtere Lösungen bemüht, zeigt § 7 ihres HVM idF vom 9. August 1979. Hier werden anstelle der durchschnittlichen Honoraranforderungen und Fallzahlen genau bestimmte Punkt- und Fallzahlen angegeben, die für jeden Kassenarzt klare Verhältnisse schaffen und die sich nicht auf statistische Zahlen des RVO-Kassenbereichs beschränken müssen. Ob diese Zahlen zukünftig den (unwiderlegbaren) Schluß auf eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes zulassen werden, ist eine Frage, die im Streitfall unter Umständen auch durch die SGe zu entscheiden sein wird.
Eine einschneidende Änderung zum Nachteil der betroffenen Kassenärzte hat die Neufassung des HVM vom 19. November 1977 allerdings insoweit gebracht, als Abs 3 des § 7 Ziff 1 HVM aF aufgehoben und damit die Möglichkeit einer Befreiung von der Honorarbegrenzung beseitigt worden ist. Ob die Beklagte dazu berechtigt gewesen wäre, wenn man in der Honorarbegrenzung lediglich eine Maßnahme gegen ein dem Gesetzeszweck zuwiderlaufendes Verhalten des Kassenarztes sehen wollte, erscheint fraglich. Einem Kassenarzt, der allein deshalb eine übermäßige Ausdehnung seiner Kassenpraxis hinnimmt, weil er - zB in einem ärztlich unterversorgten Gebiet - zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung beitragen möchte, kann sicherlich nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe sich nicht dem Gesetz entsprechend verhalten. Die gesetzliche Ermächtigung zur Honorarbegrenzung kann aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen darauf hingewiesen, daß die Honorarbegrenzung auch deshalb gerechtfertigt ist, weil es der Erfahrung entspricht, daß bei einer "übergroßen Praxis" in der Regel auf die einzelnen ärztlichen Leistungen weniger Zeit und Mühe verwendet wird (BSGE 22, 218, 225). Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß in einem solchen Fall die Leistungen des Kassenarztes im einzelnen nach Art und Umfang geringer sind als bei einer Kassenpraxis mit durchschnittlicher Belastung. Mit der übermäßigen Ausdehnung der ärztlichen Praxis werden in der Regel die Leistungen des Kassenarztes nicht im gleichen Verhältnis zunehmen. Zwischen der Verteilung der Gesamtvergütung nach Art und Umfang einerseits und der Honorarbegrenzung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Praxis andererseits besteht somit kein Widerspruch, sondern ein Sachzusammenhang, der es rechtfertigt, einer übermäßigen Ausdehnung der Praxis im kassenärztlichen Bereich gerade durch den Verteilungsmaßstab entgegenzuwirken.
Ein weiterer Gesichtspunkt verdient hier noch Beachtung. Die KÄVen haben die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Sie sind deshalb auch verpflichtet, in ärztlich unterversorgten Gebieten die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zu treffen, ua durch finanzielle Anreize - zB durch Umsatzgarantien - die Niederlassung weiterer Ärzte zu fördern (§ 368n Abs 7 Satz 1 RVO; vgl auch § 368r Abs 3 RVO). Ein solcher finanzieller Anreiz kann auch darin bestehen, in einem ärztlich unterversorgten Gebiet vorübergehend die übermäßige Ausdehnung von Kassenpraxen ohne Honorarbegrenzung zu dulden. Die Entscheidung, ob Ausnahmeregelungen dieser Art veranlaßt oder gar notwendig sind, fällt in den Verantwortungsbereich der KÄV. Gleiches gilt für die Entscheidung, ob eine solche Ausnahmeregelung aufzuheben ist. Auch diese Entscheidung kann der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung dienen, denn die Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis wird, wie bereits dargelegt, dazu beitragen, dem Arzt eine ausreichende persönliche Betreuung seiner Patienten zu ermöglichen. Es ist den KÄVen überlassen, im Rahmen des Gesetzes die geeigneten Maßnahmen zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat insoweit der Wertung derer, die es angeht, den Vorrang gelassen (BSGE 22, 218, 224).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen