Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersuchungsmaterial. Körpermaterial
Orientierungssatz
Die Gebühr der früheren BMÄ Nr 2720 fiel nicht schon durch die (Teil-) Untersuchung eines Einzelpräparates, sondern grundsätzlich erst durch das Erbringen der Untersuchungsgesamtleistung an. Die durch die Nr 4852 des BMÄ (J: 1978) eingeführte Formulierung "je Untersuchungsmaterial" ergibt nicht nur eine Klarstellung dahin, unter welchen Umständen der gebührenmäßige Leistungsinhalt unterschritten wird (- nämlich wenn nicht alle aus einem Untersuchungsmaterial stammende Präparate untersucht wurden -), sondern auch dahin, wann er (- nämlich bei der Untersuchung verschiedener Untersuchungsmaterialien -) überschritten wird.
Normenkette
RVO § 368g; BMÄ Nr 2720; BMÄ Nr 4852, 1978
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.11.1978; Aktenzeichen L 1 Ka 25/77) |
SG München (Entscheidung vom 22.06.1977; Aktenzeichen S 31 Ka 76/76) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin zu Recht eine Honorarkürzung um insgesamt 84,47 DM vorgenommen hat.
Die Klägerin, Fachärztin für innere Krankheiten und als Kassenärztin in D niedergelassen, die ein zytodiagnostisches Labor betreibt, hat im Quartal I/1973 für die zytologische Untersuchung eines Organpunktates - bei der Diagnose eines Prostatakrebses - nach dem Bewertungsmaßstab - Ärzte (BMÄ) Nr 2720 mit dreimal 12,-- DM und im Quartal II/1974 für die zytologische Untersuchung eines Pleurapunktates ebenfalls nach BMÄ Nr 2720 mit viermal 12,-- DM gegenüber den beigeladenen Betriebskrankenkassen abgerechnet. Durch die Bescheide vom 13. September 1974 und 21. Mai 1975 hat die Beklagte das Honorar für das Quartal I/1973 um (2 mal 12,-- DM = 24,-- DM plus 9,96 DM Zuschlag =) 33,96 DM sowie das Honorar für das Quartal II/1974 um (3 mal 12,-- DM = 36,-- DM plus 14,51 DM Zuschlag =) 50,51 DM gekürzt. Die Widersprüche der Klägerin hat sie (durch die Bescheide vom 18. Februar 1975 und 15. April 1976) zurückgewiesen. Ihre Entscheidungen hat sie damit begründet, daß für "mehrere Punktate eines Organs" oder für "ein Organpunktat, ... auch bei mehrmaligen zytologischen Untersuchungen" die Gebühr nur einmal anfalle. Die Klage hatte keinen Erfolg. Durch Urteil vom 23. November 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Hierzu trägt sie vor: Die zur Zeit des Gebührenanfalls geltende BMÄ-Nr 2720 sei dahin auszulegen, daß auf die einzelnen Präparate abzustellen sei. Der ab 1. Juli 1978 geltende Einheitliche Bewertungsmaßstab-Ärzte (BMÄ 78) habe mit der Neuformulierung dieser Leistung (Nr 4852) diese Auslegung ausdrücklich klargestellt. Selbst wenn der maßgebliche Text aber mehrere Auslegungen zugelassen habe, sei eine Honorierung pro Präparat als die allein leistungsgerechte vorzuziehen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 23. November 1978 - L 1 Ka 25/77 - und des
Sozialgerichts München vom 22. Juni 1977 -
S 31 Ka 76/76 - sowie die Bescheide der Beklagten
vom 13. September 1974 und 21. Mai 1975 in der
Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. Februar
1975 und 15. April 1976 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für richtig.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Die hier maßgebliche Gebührenordnung ist der (als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) für die RVO-Kassen geltende Bewertungsmaßstab-Ärzte (BMÄ).
Der unter Nr 4852 neuformulierten Leistungsbeschreibung des seit dem 1. Juli 1978 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes-Ärzte (BMÄ 78) kann die von der Klägerin beigelegte Bedeutung nicht entnommen werden. Dort heißt es:
"Zytologische Untersuchung von Punktaten, Sputum,
Sekreten, Spülflüssigkeiten ect mit besonderem
Aufbereitungsverfahren, je Untersuchungsmaterial,
gegebenenfalls einschließlich der Beurteilung
nichtzytologischer mikroskopischer Befunde an
demselben Material ... 173,5".
Die (erstmals) ausdrückliche Formulierung "je Untersuchungsmaterial" zeigt vielmehr, daß nicht auf die Anzahl der Abstriche bzw Präparate, sondern auf das von der (Gesamt-) Untersuchung umfaßte einheitliche Körpermaterial abzustellen ist (Brück, Kommentar zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab, 1. Aufl 1980, RdNr 1 zu Nr 4852, S 2451). Demnach ist es auch gleichgültig, ob die von der Klägerin untersuchten Präparate von einem Punktat oder - worauf ihr Vorbringen hinweist - von mehreren Punktaten (aus einem Körpermaterial) stammten. Schon vor dem Inkrafttreten des BMÄ 78 hatte Brück zur Leistungsbeschreibung Nr 5852, bei der die Worte "je Untersuchungsmaterial" noch fehlten, diese Ansicht vertreten (vgl Kommentar zum BMÄ, 2. Aufl 1978, S 966/39). Die vom LSG hiergegen - mit dem Hinweis, der Begriff des Körpermaterials (iS des Kommentars) sei mit dem Begriff "Untersuchungsmaterial" (iS des BMÄ 78) nicht identisch - geäußerten Bedenken vermag der Senat nicht zu teilen. Durch die Worte "je Untersuchungsmaterial" wird zum Ausdruck gebracht, daß die Untersuchung eine einzige Leistung jedenfalls dann darstellt, wenn eine gewisse Gleichartigkeit des Untersuchungsmaterials gegeben ist. Diese Gleichartigkeit entsprechend seinem Funktionszusammenhang als "ein Körpermaterial" zu bestimmen, wie es in der zitierten Kommentarstelle geschieht, ist durchaus überzeugend.
Die ab 1. Juli 1978 geltende Regelung des BMÄ 78 (die mit der gleichlautenden Nr 4852 der nicht an Punkten, sondern an DM-Sätzen orientierten Ersatzkassen-Adgo übereinstimmt) hat somit durch die Einfügung der Worte "je Untersuchungsmaterial" eine Klarstellung gegenüber der früheren, für den Zeitraum 1973/1974 maßgeblichen Leistungsbeschreibung Nr 2720 gebracht. Dort hatte es geheißen:
"Zytologische Untersuchung von Organpunktaten,
Sputum, Mammasekret , Spülflüssigkeiten oä
einschließlich aller Aufbereitungsverfahren ... 12,-- DM".
Wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, ist dieser Text im Sinne der angefochtenen Bescheide der Beklagten auszulegen. Demnach konnte nicht jede Präparatuntersuchung als die (mit der Gebühr von 12,-- DM abzugeltende) Leistung angesehen werden. Das ergibt sich aus der naheliegenden Überlegung, daß derartige Gebührenfestsetzungen notwendigerweise nach zweckorientierten Leistungseinheiten vorgenommen werden müssen, nicht aber nach den separaten Bemühungen, aus denen sich eine solche Leistungseinheit zusammensetzt. Die hier beschriebene Leistung ist aber "die Untersuchung" eines Körpermaterials, also eine gesamteinheitliche, den Untersuchungszweck erst verwirklichende Bemühung, nicht aber sind es ihre in diesem Sinne unselbständigen Teile.
Zwar hieß es in der damaligen (textlich unmittelbar nachfolgenden) Gebührennummer 2721:
"Zytologische Untersuchung von Abstrichmaterial
(auch mehrere Präparate) aus dem weiblichen
Genitale zur Krebsdiagnostik ... 9,-- DM".
Aus dem umklammerten Text - "auch mehrere Präparate" - läßt sich jedoch nicht der Umkehrschluß ziehen, daß die voranstehende Gebühr der Nr 2720 schon für jedes einzelne Präparat anfalle. Denn ein solcher Schluß wäre allenfalls dann erlaubt, wenn die Gebühr der Nr 2721 (Abgeltung mehrerer Präparate) höher liegen würde als die Gebühr der Nr 2720, während es sich hier gerade umgekehrt verhält.
Ergibt sich danach, daß die Gebühr der früheren BMÄ-Nr 2720 nicht schon durch die (Teil-) Untersuchung eines Einzelpräparates anfiel, sondern grundsätzlich erst durch das Erbringen der Untersuchungsgesamtleistung, dann wird auch deutlich, daß die durch die Nr 4852 des BMÄ 78 eingeführte Formulierung "je Untersuchungsmaterial" nicht nur eine Klarstellung dahin ergibt, unter welchen Umständen der gebührenmäßige Leistungsinhalt unterschritten wird ( - nämlich wenn nicht alle aus einem Untersuchungsmaterial stammende Präparate untersucht wurden -), sondern auch dahin, wann er (- nämlich bei der Untersuchung verschiedener Untersuchungsmaterialien -) überschritten wird. Eine solche Überschreitung lag bei den Untersuchungen der Klägerin aber unstreitig nicht vor.
Demgegenüber vermag die Klägerin mit ihrem Vorbringen, der Gebührenansatz der BMÄ-Nr 2720 sei - auch unter besonderer Berücksichtigung ihrer Laboratoriumstätigkeit - bei der durch die Beklagte praktizierten Auslegung nicht leistungsgerecht, nicht durchzugreifen. Abgesehen davon, daß der Gebührensatz zwischenzeitlich erhöht wurde, vermochte der Senat keine derart gravierende Differenz zwischen Leistung und Vergütung festzustellen, daß eine andere Auslegung hätte zwingend sein müssen. Auch das Argument, es hänge nicht von ihr ab, wieviel Präparate (aus einem Körpermaterial) ihr die Ärzte zusenden würden, geht ins Leere, da davon auszugehen ist, daß der Gebührensatz nur am Durchschnitt der notwendigerweise, nicht aber der überflüssigerweise zu untersuchenden Präparate orientiert wird und daß die zusendenden Ärzte sich an ein entsprechendes Wirtschaftlichkeitsgebot, dem sie gemäß § 368e der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet sind, auch halten.
Die Revision der Klägerin konnte demnach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen