Verfahrensgang
Thüringer LSG (Urteil vom 25.01.1994) |
KreisG Suhl (Urteil vom 22.02.1993) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Januar 1994 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Kreisgerichts Suhl vom 22. Februar 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung des Klägers ab 1. Juli 1990, insbesondere darüber, ob dem Kläger neben seiner Rente aus der Sozialpflichtversicherung eine solche aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zu gewähren ist.
Der 1939 geborene Kläger war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Seit Oktober 1972 gehörte er der FZR an und entrichtete Beiträge. Seit 1. Juni 1985 war er in der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI) vom 17. August 1950 (GBl Nr 93 S 844); danach war ihm eine monatliche Rente iH von 60 vH des im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalls bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts zugesichert worden.
Mit Bescheid des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung – vom 5. Februar 1987 erhielt der Kläger seit 1. März 1987 eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung von 345,00 Mark (einschließlich eines Kinderzuschlages von 45,00 Mark) und eine Zusatzinvalidenrente von 1.276,00 Mark (60 vH des Durchschnittsbruttogehalts vom 1. Januar 1986 bis 28. Februar 1987) gemäß §§ 28, 29 der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR-VO) vom 17. November 1977 (GBl I Nr 35).
Durch Bescheid zum 1. Juli 1990 wurden die beiden Renten des Klägers im Nominalwert 1:1 auf DM umgestellt. Der Gesamtzahlbetrag belief sich insoweit (einschließlich des Kinderzuschlags) auf 1.706,00 DM (Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten gemäß Art 20 und 23 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland: 430,00 DM – Invalidenrente; 1.276,00 DM – Zusatzinvalidenrente). Der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung verfügte mit Bescheid nach der 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S 2867) den Gesamtzahlbetrag ab 1. Januar 1991 auf 1.706,00 DM. Mit Bescheid über die Rentenanpassung nach der 2. Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S 1300) bestimmte der Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – den Gesamtauszahlbetrag ab 1. Juli 1991 – weiterhin – auf 1.706,00 DM. In den beiden – undatierten und nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen – Bescheiden war die Rente des Klägers aus der Sozialpflichtversicherung erhöht worden unter gleichzeitiger Kürzung der Renten “aus dem Zusatzversorgungssystem”. Durch Bescheid vom 2. Dezember 1991 ”über die Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” wurden die bisherigen Renten als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iH von monatlich 1.758,59 DM (ohne Kinderzuschlag) gewährt; nach Abzug des Beitragsanteils des Klägers zur Krankenversicherung wurde ein monatlicher Auszahlbetrag von 1.646,04 DM festgesetzt. Die Rentenberechnung erfolgte im maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend gemacht hatte, er habe keine Rente aus dem Zusatzversorgungssystem, sondern eine solche aus der FZR erhalten, die nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen anzupassen und zu dynamisieren sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1992 zurück. Sie führte aus, der Kläger sei als Empfänger einer Zusatzrente in Höhe der AVI entsprechend § 28 Abs 2 der FZR-VO bei der Berechnung der Rente den Empfängern einer zusätzlichen AVI gleichgestellt.
Das Kreisgericht Suhl hat die Klage durch Urteil vom 22. Februar 1993 abgewiesen, weil es sich bei der Zusatzrente des Klägers nicht um eine auf eigener Beitragsleistung beruhende Rente gehandelt habe, sondern um eine solche aus dem Zusatzversorgungssystem; die nach den Regeln der FZR-VO aufgrund von Beiträgen berechnete Rente hätte allenfalls etwa 160,00 DM monatlich betragen können.
Das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 25. Januar 1994 das Urteil des Kreisgerichts Suhl “aufgehoben”, die Bescheide nach der 1. und 2. RAV und den Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1992 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Berücksichtigung der ab 1. August 1991 geltenden Höchstleistung von 2.700,00 DM die Altersversorgung aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR seit dem 1. Juli 1990 gemäß § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz ≪RAG≫ vom 28. Juni 1990, GBl I Nr 38 S 495, 1457), §§ 1 und 2 der 1. RAV sowie §§ 3 und 4 der 2. RAV zu erhöhen und ab 1. Januar 1992 bis zur endgültigen Berechnung der Rente nach § 307b SGB VI mindestens den für den 31. Dezember 1991 ermittelten Zahlbetrag weiterhin zu zahlen. Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei begründet. Die Zusatzrente sei bis zum 31. Dezember 1991 als Zusatzinvalidenrente aus der FZR zu behandeln und als solche ab 1. Juli 1990 zu dynamisieren. Nach § 2 Abs 1 RAG seien ab 1. Juli 1990 auch Zusatzrenten aus der FZR in Abhängigkeit vom Jahr des Rentenbeginns und der Anzahl der Arbeitsjahre entsprechend der Anlage des Gesetzes zu erhöhen. Das RAG habe bis zum 31. Dezember 1991 nach Art 9 Abs 2 des Einigungsvertrages (EinigVtr – im folgenden: EV), Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 fortgegolten. Der Kläger sei seit 1972 durchgängig in der FZR gewesen. Daran habe die Einbeziehung in die AVI nichts geändert. Nach § 28 Abs 1 Buchst a FZR-VO erhielten Werktätige, die der FZR beigetreten seien und danach in die zusätzliche AVI einbezogen worden seien, anstelle der AVI eine Zusatzrente in Höhe der zugesicherten AVI, sofern die Zusatzrente aufgrund ihrer Beitragszahlung und der Beitragszahlung des Betriebes nicht höher gewesen sei. Voraussetzung für die Zahlung der Zusatzrente in dieser Höhe sei gewesen, daß die Zugehörigkeit zur FZR nicht durch Austritt beendet gewesen und zum Zeitpunkt des Eintritts des Rentenfalles eine Tätigkeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung ausgeübt worden sei, die zur Einbeziehung in die zusätzliche AVI berechtigt habe. Nach § 28 Abs 2 FZR-VO seien Werktätige, die nach Abs 1 aaO die Zusatzrente in Höhe der AVI erhielten, bei der Berechnung der Renten aus der Sozialpflichtversicherung den Empfängern einer zusätzlichen Altesversorgung gleichgestellt. Nach der Absicht des DDR-Gesetzgebers habe die Zugehörigkeit zur FZR durch die Einbeziehung in die AVI nicht geendet. Die FZR-Rente in Höhe der AVI-Rente habe als echte Zusatzrente qualifiziert werden sollen. Sie habe nicht als Leistung aus der AVI gegolten. Nach diesen Kriterien, nicht nach dem Rechtsverständnis des bundesrepublikanischen Gesetzgebers, müsse die Auslegung der DDR-Gesetze erfolgen. § 2 Abs 3 des Gesetzes zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606, 1677) zuletzt idF von Art 3 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038) könne zur Auslegung des § 28 FZR-VO nicht herangezogen werden, weil die Vorschrift erst ab 1. Januar 1992 Wirkung entfalte. Entsprechendes gelte auch für die anderen Bestimmungen des AAÜG. Die streitigen Verwaltungsakte nach der 1. und 2. RAV hätten also rechtswidrig die Anpassung nach § 2 bzw § 4 aaO unterlassen. Das Ergebnis widerspreche nicht EV Nr 9 Buchst b, weil keine unrichtige oder überhöhte Leistung in Frage stehe. Die Begrenzungsregelung des § 8 Abs 2 der 2. RAV greife nicht ein, weil es sich insoweit nicht um eine Leistung der Zusatzversorgung handle. Jedoch unterliege der Kläger seit Januar 1992 nach § 1 Abs 2 AAÜG iVm den Anlagen I Nr 1 der Umrechnung nach § 307b Abs 1 SGB VI iVm § 2 Abs 3 AAÜG; allerdings sei der nach der 2. RAV richtig zu berechnende Betrag als Besitzschutzbetrag über den 31. Dezember 1991 hinaus gemäß § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI weiter zu zahlen.
Die Beklagte rügt mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision, das Berufungsgericht habe die Zusatzrente des Klägers zu Unrecht als FZR-Rente, nicht aber als Zusatzversorgungsleistung behandelt. Es komme nicht auf die Bezeichnung der Leistung als FZR-Rente, sondern auf die in § 28 FZR-VO angeordneten Rechtsfolgen an. Danach werde diese Zusatzrente nicht nach den für FZR-Renten maßgeblichen Vorschriften berechnet, sondern gemäß der Versorgungszusage aus der AVI. § 28 FZR-VO sei bis zum 31. Dezember 1991 gültig gewesen. Insbesondere sei die Dynamisierungsregel des § 24 RAG nicht in Kraft getreten. Nach § 34 RAG gelte die FZR-VO umfassend fort. Sie sei zwar im EV nicht ausdrücklich erwähnt worden; jedoch sei das Leistungsrecht der Zusatzversorgungssysteme für maßgeblich erklärt worden. Die Fortgeltung des § 28 FZR-VO ergebe sich auch aus §§ 2 Abs 3 und 10 Abs 3 AAÜG; diese Bestimmungen zeigten, daß der Bundesgesetzgeber von einer bis zum 31. Dezember 1991 bestehenden Gleichstellung der FZR-AVI-Rente mit den anderen AVI-Renten ausgegangen sei.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Januar 1994 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Kreisgerichts Suhl vom 22. Februar 1993 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Streitig sei die Frage, ob § 2 Abs 3 AAÜG auch auf Ansprüche anzuwenden sei, die auf § 28 Abs 1 Buchst a der FZR-VO beruhten. Dies könne schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht der Fall sein, der auf Zeiten aus einem Versorgungssystem abstelle, weil § 28 Abs 1 FZR-VO nur die Höhe der FZR-Zusatzrente betreffe. In der AVI seien Beiträge ausschließlich von den Betrieben im Wege einer nachträglichen Umlage an die Staatliche Versicherung entrichtet worden. Demgegenüber hätten der Kläger und sein Betrieb regelmäßig Beiträge entsprechend der Höhe des Einkommens an den FDGB als den Träger der FZR abgeführt. Der Kläger habe auch die Leistungen von der Staatlichen Versicherung der DDR aus der AVI erhalten. § 28 FZR-VO regele für einen bestimmten Personenkreis einen Mindestzahlbetrag. Denn die FZR sei erst 1971 eingeführt worden, so daß ältere Versicherte einen Schutz hätten nicht mehr erreichen können, der dem entsprochen hätte, was ihnen bereits ggf in dem Zusatzversorgungssystem gewährleistet gewesen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente.
Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt, ob der Kläger einen Anspruch auf höhere Versorgung für die Zeit ab 1. Juli 1990 hat, ob ua die Bescheide nach der 1. RAV, nach der 2. RAV und derjenige vom 2. Dezember 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1992 den Gesamtanspruch des Klägers auf Versorgung bis zu dessen Überführung in die Rentenversicherung am 31. Dezember 1991 sowie den diesen ersetzenden Anspruch auf Rente wegen EU nach dem SGB VI ab 1. Januar 1992 gemäß den jeweils maßgeblichen übergangsrechtlichen Grundlagen (§ 6 der 1. RAV, § 8 der 2. RAV, § 307b Abs 5 SGB VI) in der monatlich richtigen Höhe zuerkannt haben. Unerheblich ist, daß der Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1992 lediglich den Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 betrifft. Der Senat hat bereits entschieden, daß im Hinblick auf die für die Bürger des Beitrittsgebietes besonders schwierige tatsächliche und rechtliche Umbruchsituation in den Jahren 1990 und 1991 es ausnahmsweise unbeachtlich ist, daß ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden ist; dies gilt auch hier, zumal beide Beteiligte sich nicht darauf berufen haben (vgl BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 8 S 20).
Zu Recht hat die Beklagte entschieden, daß dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt (bis zur bindenden individuellen Rentenfestsetzung) ein Anspruch auf eine höhere als ihm durch die angefochtenen Bescheide zuerkannte Versorgung zusteht. Insbesondere kann er einen derartigen Anspruch auch nicht auf einen ihm nach dem Recht der ehemaligen DDR zuerkannten Anspruch auf eine Rente nach der FZR-VO stützen, der nach dem RAG und den beiden RAV zu dynamisieren und nach § 307a SGB VI zu beurteilen wäre.
Eine bundesdeutsche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch – ua – auf Zahlung und Dynamisierung sowie auf Anpassung der Sozialpflichtversicherungsrente und zusätzlich der Rente aus der FZR (zumindest in Höhe der Rente nach der AVI) für die Zeit ab 1. Juli 1990 ergibt sich weder nach den Vorschriften der ehemaligen DDR, die nach dem EV übergangsrechtlich weiter anzuwenden waren, noch nach dem EV selbst, noch nach den Bestimmungen des AAÜG oder denjenigen des SGB VI. Der Anspruch auf die Invalidenrenten in der zuerkannten Höhe ist dem Kläger durch den bindenden und nach Art 19 EV wirksam gebliebenen Bescheid des FDGB zuerkannt und in den Verfügungssätzen der Bescheide zur 1. und 2. RAV sowie des Bescheides vom 2. Dezember 1991 fortgeschrieben worden. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei dem in das bundesdeutsche Recht überführten Anspruch auf die “Zusatzrente” um einen solchen aus einem Zusatzversorgungssystem gehandelt hat.
1.1. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, daß die Beklagte § 23 RAG, § 6 der 1. RAV, § 8 der 2. RAV und § 307b Abs 5 SGB VI in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen inhaltlich zutreffend umgesetzt hat, falls diese Vorschriften auf den Kläger anwendbar und gültig sind.
2. Die von der Beklagten herangezogenen Vorschriften sind nicht zu beanstanden. Dies hat der Senat bereits entschieden. Er hält an den Grundsätzen seiner Rechtsprechung fest, die er in der Grundentscheidung vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; dazu BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 7. Juli 1993 – 1 BvR 620/93 –: “Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010,00 DM”) zusammengefaßt sowie in einer Vielzahl von Urteilen und Beschlüssen zu verschiedenen Bereichen des Rentenüberleitungsrechts näher entfaltet hat; vor allem: Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 1/93 –; ”Übergangszeit vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991”; Urteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-1300 § 44 Nr 8: “Keine Einstandspflicht für DDR-Rentenansprüche vor dem 1. Juli 1990”; Beschluß vom 30. März 1994 – 4 RA 33/92 –, SGb 1995, 37 ff: “Zahlbetragsbegrenzung MfS”; Urteil vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93 –, AuA 1994, 224, 256: “Systementscheidung und Rechtmäßigkeit der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung”; Urteil vom 10. Mai 1994, BSGE 74, 184 ff = SozR 3-8570 § 11 Nr 1: “Dienstbeschädigungsteilrente I”; Beschluß vom 24. August 1994, SozR 3-8570 § 17 Nr 1: “Berufsbezogene Zuwendung an Ballettänzer”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 2: “Kürzung der Übergangsrente”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 12 Nr 1: “Krankenversicherung von Sonderversorgungsrentnern”; Urteil vom 31. August 1994 – 4 RA 56/93 –: “Fortsetzung zur Dienstbeschädigungsteilrente I”; Urteil vom 29. September 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3: “Dienstbeschädigungsteilrente II”; Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 67/93 –, BSGE 75, 262 ff = SozR 3-8560 § 26 Nr 2: “Unanwendbarkeit von § 26 Abs 1 Rentenangleichungsgesetz”; Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94 –, SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9, Nr 1: “Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung”; Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995 – 4 RA 98/94 (§ 6 Abs 2 AAÜG) und 4 RA 54/94 (§ 7 AAÜG) – sowie – 4 RA 28/94: “Zahlbetragsbegrenzung auf 2.700,00 DM” –; vgl im übrigen auch Urteil vom 14. September 1995 – 4 RA 90/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen: “Anzuwendendes Übergangsrecht bei der Überführung von Ansprüchen eines ‘FZR’-Versicherten mit Zusage aus einem Zusatzversorgungssystem”. Danach ist von folgendem auszugehen:
a) Bundesrecht gilt für Ansprüche, die für die Zeit ab 1. Juli 1990 geltend gemacht werden. Nach dem EV, der durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl II S 885) in innerstaatliches Recht transformiert und damit – einfaches – Bundesgesetz geworden ist, findet Bundesrecht seit dem 3. Oktober 1990 auch für die Zeit ab 1. Juli 1990 mit den Maßgaben des EV rückwirkend Anwendung. Das Recht der früheren DDR gilt nur weiter, soweit es im EV angeordnet worden ist, und zwar nachrangig, lückenfüllend und übergangsrechtlich kraft bundesrechtlichen Anwendungsbefehls und in dessen Grenzen.
b) § 23 Abs 1 RAG, der am 1. Juli 1990 in Kraft getreten und aufgrund des Art 20 des Staatsvertrages beschlossen worden ist, hat zwar nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 grundsätzlich bis 31. Dezember 1991 mit den Maßgaben des EV als sekundäres Bundesrecht weitergegolten. Er gibt jedoch keinen Anspruch auf eine Dynamisierung der Zusatzversorgungsrenten. Danach waren Renten aus der Sozialpflichtversicherung und Renten aus Zusatzversorgungssystemen lediglich nominell in unveränderter Höhe, umgestellt im Verhältnis 1:1 von Mark auf DM weiter zu zahlen.
c) Die in § 24 Abs 5 RAG vorgesehene schonende Überführung in Form einer Abschmelzung der Zusatzversorgungsrente bei Erhöhung des Gesamtzahlbetrages gelangte nach Inkrafttreten des EV – im Gegensatz zu § 23 RAG – als “Bundesrecht” nicht mehr zur Anwendung.
d) Die aufgrund von EV Nr 9 Buchst f zum 1. Januar und zum 1. Juli 1991 ergangenen Rechtsverordnungen, die 1. und 2. RAV, entsprechen der Rechtslage. Verfahrensrechtlich konnte der Bescheid des FDGB, der gemäß Art 19 EV auch über den 3. Oktober 1990 bindend war, wegen Änderung der rechtlichen Verhältnisse gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Hinblick auf die RAV (Art 19 Satz 3 EV) und das Angleichungsziel des EV, Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen in eine SGB VI-Rente einmünden zu lassen, um ein einheitliches Rentenversicherungsrecht in ganz Deutschland herzustellen, geändert werden.
Sowohl die Ermächtigungsnorm der beiden RAV, EV Nr 9 Buchst f, als auch die darauf beruhenden RAV entsprechen in formeller und materieller Hinsicht geltendem Recht. Die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen RAV und auch die Ermächtigungsnorm genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 80 Abs 1 Grundgesetz (GG). Das Überführungsprogramm des EV Nr 9 selbst, das Grundlage für die Auslegung der Ermächtigungsnorm EV Nr 9 Buchst f ist, und deren Inhalt bestimmt, steht im Einklang mit dem GG.
e) § 307b Abs 5 SGB VI ermächtigte die Beklagte, für Rentenbezugszeiten ab 1. Januar 1992 die für die Höhe der überführten Rente maßgeblichen Entgeltpunkte in einem “maschinellen Verfahren” zu ermitteln. Sie konnte, solange die für die Rentenberechnung in jedem Einzelfall erforderlichen Daten aus dem gesamten Versicherungsverlauf noch nicht ermittelt werden konnten, die Rentenhöhe vorab aufgrund abstrakter, gesetzlich vorgegebener Werte verbindlich feststellen. Der Anspruch des Versicherten auf eine seinen individuellen Verhältnissen entsprechende Festsetzung der Höhe seines Rentenanspruchs blieb dadurch dem Grunde nach unberührt, wurde aber zunächst hintangehalten (vgl § 307c SGB VI). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht. Denn das maschinelle Verfahren soll gerade für eine Übergangszeit ermöglichen, daß bis zur individuellen Rentenberechnung einerseits Überzahlungen vermieden werden, andererseits aber den Betroffenen ein monatlicher Rentenanspruch wenigstens auf der Grundlage eines Entgeltpunktes gewährt werden kann.
II.1. Das Begehren des Klägers könnte nach alledem nur Erfolg haben, wenn er keine “Rente mit Zusatzversorgung” iS von § 6 der 1. RAV und § 8 der 2. RAV bzw keinen Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente iS von § 307b Abs 1 SGB VI gehabt hätte. Er ist der Ansicht, dies sei deswegen der Fall gewesen, weil die ihm aus der AVI im Jahre 1985 zugesagte und seit 1987 fortlaufend gewährte Rente von 1.276,00 Mark (bzw DM) monatlich nach § 28 der FZR-VO in Wirklichkeit als Zusatzrente aus der FZR in Höhe der zugesicherten AVI und an deren Stelle gezahlt worden sei, er mithin eine Rente aus der FZR erhalten habe. Träfe dies zu, hätte die Beklagte die übergangsrechtlichen Bestimmungen für Zusatzversorgungsberechtigte (§ 23 Abs 1 RAG, § 6 der 1. RAV, § 8 der 2. RAV, § 307b SGB VI) zu Unrecht angewandt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
2. Der dem Kläger zuerkannte Anspruch auf Zusatzinvalidenrente in Höhe der zugesicherten Invalidenrente der AVI ist nach Bundesrecht ein Recht aus der Zusatzversorgung, er geht auf eine Rente, die nach § 4 Abs 1 Nr 1 AAÜG in die Rentenversicherung überführt ist. Es kommt nämlich entscheidend darauf an, wie das Bundesrecht Ansprüche auf diese Leistungen rechtlich qualifiziert. Nach Bundesrecht ist aber die sog FZR-AVI-Rente als Zusatzversorgungsrente einzuordnen.
a) EV Nr 9 enthält als originäres Bundesrecht eine spezielle und grundsätzlich abschließende Regelung für die Überführung von Ansprüchen ua wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Alters, die nach Maßgabe eines ua Zusatzversorgungssystems “erworben” worden sind (EV Nr 9 Buchst b Satz 1). Das bundesrechtliche Übergangsrecht unterscheidet bei der Überführung von Bestandsrenten danach, ob der Gesamtanspruch ua auf Altersversorgung sich nach Grund und Höhe ausschließlich aus individuellen Beiträgen zur Sozialpflichtversicherung und zur FZR-Versicherung ergab; dann sind die für die überwältigende Mehrzahl der Bestandsrentner gültigen Überführungsregelungen anzuwenden. Beruht der Gesamtanspruch des Bestandsrentners jedoch auch nur zum Teil auf einem Rentenanspruch, der durch eine Erwerbstätigkeit erworben wurde, derentwegen eine Zusatzversorgung (oder Sonderversorgung) zugesagt worden ist, findet für die Überführung in das SGB VI – übergangsrechtlich – das Sonderrecht von EV Nr 9 iVm den Vorschriften des AAÜG und § 307 Abs 5 (oder Abs 6) SGB VI Anwendung.
Das Bundesrecht trennt also zwischen “echten” Sozialversicherungsansprüchen und -anwartschaften (Sozialpflicht- und FZR-Versicherung) einerseits und Ansprüchen und Anwartschaften kraft Zusage einer Zusatz- oder Sonderversorgung andererseits. Der Sachgrund hierfür besteht wesentlich in folgendem:
Nur bei Ansprüchen der ersten Gruppe konnte annähernd von der das Rentenversicherungssystem des SGB VI kennzeichnenden konkreten Entgelt- und Beitragsbezogenheit der Renten ausgegangen werden. Ferner war aufgrund der Entgeltverhältnisse und der Beitragshöhe in der früheren DDR absehbar, daß insoweit das Niveau der SGB VI-Renten nicht überschritten und damit die Gleichheit gegenüber den westdeutschen Versicherten nicht verletzt werden würde. Außerdem war hier mit der Dynamisierung dieser einzelnen Renten die Gefahr einer gleichheitswidrigen Überzahlung gegenüber den anderen Rentnern im Beitrittsgebiet in aller Regel nicht verbunden. Schließlich waren (nur) insoweit verwaltungstechnisch für das SGB VI brauchbare Versicherungsunterlagen vorhanden.
Demgegenüber war die Ausgangslage bei den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen sehr unübersichtlich: Rechtsgrundlagen waren häufig nicht veröffentlicht, Leistungsvoraussetzungen ungeklärt, individuelle Beitragsleistungen nur teilweise und in unterschiedlicher Höhe erforderlich. Das Leistungsniveau lag zumeist, wenn auch in den verschiedenen Systemen in unterschiedlicher Höhe, über dem der Sozialpflichtversicherung und der FZR. Rentenversicherungsrechtlich verwertbare Unterlagen über Versicherungsverläufe der Begünstigten waren zumeist nicht vorhanden. Schließlich waren wegen der augenfälligen, wenn auch in sich unterschiedlich begründeten Systemnützlichkeit der von Versorgungssystemen umfaßten Tätigkeiten Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die der Berechnung der Zusatzrenten zugrundeliegenden Arbeitsentgelte möglicherweise aus politischen Gründen gegenüber den sonstigen Erwerbstätigen in der früheren DDR überhöht oder sogar Unrechtsentgelte waren.
Vor diesem Hintergrund ist für Ansprüche, die aufgrund von Zusagen einer (Sonder- oder) Zusatzversorgung “erworben” worden sind, das besondere Überführungsprogramm in EV Nr 9 angeordnet worden, nach dem zunächst die bisherigen leistungsrechtlichen Regelungen (soweit zu sekundärem Bundesrecht geworden) bis zur Überführung der überführbaren Ansprüche in die Rentenversicherung des SGB VI weiterhin anzuwenden sind.
b) Im Rahmen von EV Nr 9 Buchst b Satz 2 ist § 28 FZR-VO sekundär bundesrechtlich als eine Bestandsschutznorm für solche Zusatzrenten zu verstehen, die aufgrund der Zusage einer Versorgung iS von EV Nr 9 nämlich der AVI, “erworben” worden sind; keinesfalls qualifiziert er bundesrechtlich die von ihm geschützten Renten als solche aus der FZR: Hierfür spricht schon, daß die nach § 28 FZR-VO garantierte Höhe der Zusatzrente sich aus den Beiträgen zur FZR nicht, nämlich nur unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) herleiten läßt; denn es ist kein Sachgrund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, daß zwei Arbeitnehmer, die gleich hohes Arbeitsentgelt mit gleich hohen individuellen Beiträgen versichert haben, hieraus unterschiedlich hohe Rentenansprüche erwerben. Darüber hinaus muß der Berechtigte nach § 28 Abs 1 Satz 2 FZR-VO auch im Leistungsfall weiterhin die Voraussetzungen der Versorgungszusage erfüllen. Außerdem wird er gemäß § 28 Abs 2 FZR-VO bei der Berechnung der Rente aus der Sozialpflichtversicherung den Empfängern einer zusätzlichen AVI gleichgestellt. Genau dies ist auch in § 6 der 1. RAV und § 8 der 2. RAV sowie in § 307b SGB VI geschehen.
Demgegenüber kommt der früheren Entscheidungs- und Zahlungszuständigkeit des FDGB (§ 31 FZR-VO) keine (sekundär bundesrechtliche) Bedeutung zu. Denn in der früheren DDR war den Zusatzversorgungsberechtigten gerade nahe gelegt worden, sich vorbildlich dadurch zu verhalten, daß man auch in die FZR eintrat; umgekehrt war es vorteilhaft, wenn ein FZR-Versicherter es außerdem erreichte, die ihm wesentlich günstigere Zusage einer Zusatzversorgung zu erhalten. Dementsprechend ist es (sekundär bundesrechtlich) gleichfalls ohne Belang, daß die in § 28 Abs 3 Satz 1 FZR-VO vorgesehene Rechtsfolge für den Austritt aus der FZR nach Satz 2 aaO gerade dann nicht galt, wenn die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die zusätzliche AVI vorlagen. Hierauf ist schon deswegen nicht näher einzugehen, weil § 28 Abs 3 FZR-VO schon seit dem 1. Juli 1990 keinen Anwendungsbereich mehr hat.
c) Die übergangsrechtliche Qualifizierung des zusätzlichen Invalidenrentenanspruchs hängt mithin nach EV Nr 9 Buchst b Satz 2 iVm § 28 FZR-VO davon ab, ob er nach den für alle FZR-Versicherten geltenden Vorschriften der FZR-VO (als fortgeltendem sekundärem Bundesrecht) ausschließlich durch individuelle Beiträge zur FZR “erworben” worden ist, ob also in Anwendung des § 20 FZR-VO ein die zugesagte Zusatzversorgung übersteigender Zahlungsanspruch festgestellt worden ist. Dies hätte ggf zur Folge, daß der Berechtigte (mit Zusatzversorgungszusage) bis zur individuellen Rentenfestsetzung nach § 307b Abs 1 bis 4 SGB VI bei Anwendung der 1. und 2. RAV gleichwohl wie ein FZR-Versicherter zu behandeln wäre.
Der Kläger hat seinen Anspruch auf eine monatliche zusätzliche Invalidenrente iH von 1.276,00 Mark/DM jedoch nicht durch seine Beiträge zur FZR-Versicherung erworben; dieser beruhte vielmehr allein auf der 1985 erteilten Zusage, ihm nach der AVI zumindest eine Rente iH von 60 vH des letzten maßgeblichen Bruttogehalts zu zahlen. Demgegenüber sind die Voraussetzungen für eine Rentenberechnung gemäß § 20 FZR-VO, insbesondere die Gesamtzeit der Zugehörigkeit zur FZR-Versicherung sowie das während dieser Jahre erzielte monatliche Durchschnittseinkommen über 600,00 DM, soweit dafür Beiträge entrichtet wurden, in keiner Weise berücksichtigt. Durch seine Beiträge zur FZR-Versicherung hat er nur einen deutlich niedrigeren Anspruch erworben. Der Träger der Sozialversicherung hat ihm deshalb (neben dem Anspruch aus der Sozialpflichtversicherung) zu Recht auch nur den durch die Versorgungszusage begründeten Anspruch, nicht aber den durch Beiträge finanzierten niedrigeren Anspruch – von allenfalls 160,00 DM – aus der FZR zuerkannt.
Nach alledem hat die Revision der Beklagten Erfolg. Das Kreisgericht hat zu Recht die Klage gegen die Bescheide abgewiesen. Das Urteil des LSG mußte aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichts zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen