Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Sachsen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1947 geborene Kläger schloß 1966 eine zweijährige Lehre als Berufskraftfahrer ab und war anschließend bis April 1991 im wesentlichen in diesem Beruf versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war er arbeitslos. Von November 1992 bis Oktober 1993 nahm er an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) des Arbeitsamtes teil.
Den im November 1995 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 mit der Begründung ab, der als Facharbeiter einzustufende Kläger sei auf Tätigkeiten als Mitarbeiter in der Funkleitstelle eines Taxiunternehmens, als Mitarbeiter in der Poststelle von Behörden oder größeren Unternehmen sowie als Telefonist verweisbar. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Dresden ≪SG≫ vom 1. Dezember 1998 und des Sächsischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 29. November 1999). Das LSG hat seine Entscheidung hauptsächlich auf folgende Erwägungen gestützt:
Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Zwar könne er seinen bisherigen Beruf als Kraftfahrer (die ABM-Tätigkeit bleibe insoweit außer Betracht) nicht mehr ausüben, im Hinblick auf seine zweijährige Berufsausbildung sei er jedoch nur dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter zuzurechnen und als solcher auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verweisbar. Hierfür bestehe unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen – insbesondere der Gutachten von Prof. Dr. F. und der Gutachterärztin J. S. – ein ausreichendes vollschichtiges Leistungsvermögen. Für die vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Diagnosen (Spondylolisthesis sowie deutlich sichtbare Überlastungsfraktur der seitlichen Wirbelbögen bei L 4 und L 5, hochgradiger Bandscheibenaufbrauch) fänden sich keine Anhaltspunkte.
Eine Falschdiagnose oder eine über die gutachterlichen Feststellungen hinausgehende qualitative oder quantitative Leistungseinschränkung auf orthopädischen Fachgebiet habe sich nicht feststellen lassen, da der Kläger die mehrfachen Begutachtungsangebote nicht angenommen und gegenüber dem Gericht ausdrücklich erklärt habe, zu einer erneuten Begutachtung nicht bereit zu sein. In dieser Begutachtung hätten die angeblich nicht berücksichtigten Diagnosen sowie das Leistungsvermögen des Klägers geklärt werden sollen. Hierzu sei der Senat selbst nicht in der Lage, da er nicht über den notwendigen medizinischen Sachverstand verfüge, um Röntgenbilder auf orthopädische Diagnosen hin auszuwerten und das daraus folgende Leistungsvermögen, das für eine Rentengewährung ausschlaggebend sei, festzustellen. Eine erneute Anfrage bei der Gutachterärztin der Beklagten, Frau S., erübrige sich, da diese sich bezüglich der Diagnosen festgelegt habe und damit den diagnostischen Feststellungen der Röntgenbildauswertungen gefolgt sei. Eine Spondylolisthesis sowie eine Überlastungsfraktur seien nicht festgestellt worden.
Das Gericht habe zwar nach § 103 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dabei treffe die Beteiligten jedoch unter anderem die Mitwirkungslast, sich körperlich untersuchen zu lassen. Das Gericht könne die Mitwirkung nicht erzwingen. Die Folgen der Verweigerung ergäben sich aus den Regeln der objektiven Beweislast.
Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger als Verfahrensmangel eine Verletzung von § 103 SGG. Dazu trägt er im wesentlichen vor: Im Hinblick auf seine Weigerung, sich einer erneuten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, habe das LSG verkannt, daß die von ihm behauptete Tatsache – Erkennbarkeit zusätzlicher krankhafter Befunde auf vorhandenen Röntgenbildern – nicht durch eine neue Untersuchung habe bewiesen werden sollen. Eine Auswertung der vorhandenen Aufnahmen wäre möglich gewesen durch Befragung der Gutachterärztin S. oder auch durch Einschaltung eines Röntgenfacharztes, der die Aufnahmen auf Erkennbarkeit der von ihm, dem Kläger, behaupteten krankhaften Befunde hin hätte untersuchen können. Wäre die Richtigkeit seiner Behauptung bestätigt worden, hätte festgestanden, daß die erstellten Gutachten auf einer falschen medizinischen Grundlage beruhten und deshalb nicht verwertbar gewesen seien. Dann wäre auch die Behauptung des LSG, weitere quantitative oder qualitative Leistungseinschränkungen seien nicht feststellbar, nicht haltbar gewesen. Vielmehr sei nicht auszuschließen, daß im weiteren Verlauf der Ermittlungen eine stärkere Leistungseinbuße angenommen worden wäre.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG vom 29. November 1999 sowie des SG vom 1. Dezember 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 23. November 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der gerügte Verfahrensmangel liege nicht vor. Zur Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers hätten dem LSG umfangreiche sachdienliche medizinische Unterlagen zur Verfügung gestanden. Es habe den Sachverhalt mit einleuchtenden Gründen als geklärt angesehen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es bedarf noch weiterer Tatsachenfeststellungen zum Eintritt eines Versicherungsfalls.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997, soweit darin die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU), abgelehnt worden ist. Die in diesem Verwaltungsakt ebenfalls ausgesprochene Versagung von Invalidenrente nach Art 2 § 7 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) hat der Kläger bereits im Berufungsverfahren nicht mehr angegriffen.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Erforderlich ist danach zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI). Darüber hinaus muß entweder BU oder EU vorliegen (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI).
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 3 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hingegen besteht EU bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Da der Versicherungsfall der EU an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der BU, folgt aus der Verneinung von BU ohne weiteres das Fehlen von EU. Insofern ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG zunächst geprüft hat, ob der Kläger berufsunfähig ist.
Ausgangspunkt für die Prüfung von BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der „bisherige Beruf”, den der Versicherte ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG zutreffend als bisherigen Beruf des Klägers den eines Berufskraftfahrers angenommen. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanz dabei davon ausgegangen ist, der Kläger habe sich durch die Ausübung der befristeten Tätigkeit im Rahmen einer ABM (von November 1992 bis Oktober 1993) nicht von seinem bisherigen Beruf gelöst (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 130). Den Kraftfahrerberuf kann der Kläger nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) nicht mehr ausüben. Damit ist er aber noch nicht berufsunfähig; dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 132, 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten, förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5).
Gemessen an diesen Kriterien ist es revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanz den bisherigen Beruf des Klägers dem oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter zugeordnet hat. Jedenfalls besteht nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles kein Anlaß, diese Bewertung in Zweifel zu ziehen. Zutreffend hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, daß die nur zweijährige Berufsausbildungszeit des Klägers nicht ausreicht, um den Berufsschutz eines Facharbeiters zu vermitteln. Zwar hat es das BSG gerade bei Berufskraftfahrern für möglich erachtet, daß diese im Einzelfall aufgrund besonderer Qualitätsmerkmale der zuletzt verrichteten Tätigkeit, die sich auch in einer entsprechenden tarifvertraglichen Einstufung widerspiegeln können, Facharbeitern gleichzustellen sind (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 18, 28, 29, 32; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15). Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß derartige berufliche Gegebenheiten beim Kläger vorgelegen haben. Nicht zuletzt hat er sich auch im Revisionsverfahren nicht gegen seine rentenversicherungsrechtliche Eingruppierung als (oberer) angelernter Arbeiter gewandt.
Ausgehend von einer Einstufung des Klägers in den oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, hat das LSG die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte rechtsfehlerfrei für sozial zumutbar gehalten. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen „obere Angelernte” nicht schlechthin auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden. Soweit ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, müssen sich diese durch Qualitätsmerkmale auszeichnen, zB das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung (Einarbeitung) oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Derartige Merkmale hat das LSG in Bezug auf die von ihm ins Auge gefaßte Art von Pförtnertätigkeiten allgemein bezeichnet (kurze Einweisung und betriebliche Vorkenntnisse). Zwar handelt es sich dabei um eine sehr pauschale Bemerkung, dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß sich eine Pförtnertätigkeit schon im Hinblick auf die ihr innewohnende Kontrollfunktion typischerweise aus dem Kreis einfachster ungelernter Tätigkeiten heraushebt. Im übrigen hat der Kläger gegen die soziale Zumutbarkeit einer derartigen Pförtnertätigkeit keine Einwendungen erhoben.
Ob der Kläger eine solche Pförtnertätigkeit allerdings (noch) vollschichtig verrichten kann, läßt sich anhand der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden. Zwar hat das LSG ein hierfür ausreichendes Leistungsvermögen bejaht. Diese Feststellung kann der erkennende Senat seiner Entscheidung jedoch nicht zugrunde legen, weil sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist. Insoweit greift die auf § 103 SGG gestützte Verfahrensrüge des Klägers durch. Das LSG hat seine Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts verletzt. Nach den Umständen des vorliegenden Falles hätte es sich in diesem Punkt zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen.
Bei seiner tatrichterlichen Würdigung des Leistungsvermögens des Klägers hat sich das LSG im wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. F. und der Ärztin S. gestützt. Mit der Auswertung dieser Beweismittel hätte sich die Vorinstanz nicht begnügen dürfen.
Abgesehen davon, daß Prof. Dr. F. sein Gutachten vom 13. März 1997 zum Vorliegen einer Berufskrankheit erstattet und sich infolgedessen nicht zum allgemeinen Restleistungsvermögen des Klägers geäußert hat, weisen die von ihm festgestellten Befunde und Diagnosen gegenüber denen, die im Gutachten der Ärztin S. vom 13. Januar 1997 mitgeteilt werden, gewisse Abweichungen auf, die bereits eine weitere Sachaufklärung hätten nahelegen können. Während die für die Beklagte tätige Gutachterärztin aufgrund eines CT-Befundes vom 3. Januar 1997 ua von einem drei Millimeter großen linksbetonten mediolateralen Prolaps ausgeht, hat Prof. Dr. F. neben anderen Wirbelsäulenveränderungen eine geringe Dorsalverschiebung von L 5 gegenüber S 1 ermittelt. Nach der Beurteilung der Ärztin S. macht der Prolaps die geklagten Beschwerden nur zum Teil erklärbar, wobei es sich zusätzlich um eine deutliche psychogene Überlagerung handele. Hingegen spricht Prof. Dr. F. von einem chronischen vertebragenen lumbalen lokalen Schmerzsyndrom, ohne eine psychische Komponente zu erwähnen.
Darüber hinaus waren im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren weitere medizinische Ermittlungen geboten. Dieser hatte nämlich ua konkret geltend gemacht, bei ihm lägen ein hochgradiger Bandscheibenaufbrauch, eine Spondylolisthesis sowie eine Überlastungsfraktur der seitlichen Wirbelbögen bei L 4 und L 5 vor, was in den bislang erstatteten Gutachten nicht berücksichtigt worden sei. Bei den genannten Wirbelsäulenveränderungen handelt es sich um Erscheinungen, bei denen ein nennenswerter Einfluß auf das Leistungsvermögen des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte. Zwar hat der Kläger seinen Vortrag nicht durch Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen gestützt. Auch finden sich entsprechende Diagnosen – wie das LSG zutreffend ausgeführt hat – weder in den Gutachten noch in den beigezogenen Befundberichten oder Röntgenbildauswertungen, die Vorinstanz hat den Kläger jedoch auch nicht zur Beibringung entsprechender Belege aufgefordert (vgl dazu § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Immerhin hätten sich gewisse Anhaltspunkte für das Bestehen einer Spondylolisthesis aus einer vom Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgelegten Hilfsmittelverordnung des Dipl-Med D. K. vom 20. Mai 1999 ergeben können, auf der als Diagnose „chron Lumbalsyndrom bei Spondylolisthesis L 5, Osteochondrose L 4-S 1, Spondylarthorse L 4-S 1” vermerkt ist.
Unter diesen Umständen hat das LSG zu Recht auch selbst zunächst eine ergänzende Klärung des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der bei diesem bestehenden Leistungseinschränkungen für erforderlich gehalten und eine entsprechende Begutachtung in Auftrag gegeben. Es hätte dann aber die Weigerung des Klägers, sich der vorgesehen persönlichen Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu unterziehen, nicht zum Anlaß nehmen dürfen, jegliche weitere Beweiserhebung zu unterlassen. Ein Gericht verletzt nämlich seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), wenn es, ohne festzustellen, ob es für die Erstattung eines weiteren Gutachtens einer erneuten Untersuchung des Beteiligten bedarf, allein wegen dessen Weigerung, sich erneut untersuchen zu lassen, von der Einholung eines Gutachtens über medizinische Fragen absieht (vgl BSG Nr 43 zu § 103 SGG). Hier war es zur Prüfung der vom Kläger gegen die vorliegenden Gutachten erhobenen Einwände möglich, entsprechend dessen Begehren zunächst alle Röntgen- und CT-Befunde noch einmal von einem kompetenten Sachverständigen begutachten zu lassen. Hätte dieser festgestellt, daß weitere Wirbelsäulenveränderungen zu berücksichtigen seien, deren Auswirkung auf das Leistungsvermögen des Klägers aber nur aufgrund einer erneuten körperlichen Untersuchung beurteilt werden könne, ist nicht auszuschließen, daß sich der Kläger dazu bereit gefunden hätte. Umgekehrt wäre eine röntgenologische Beurteilung, daß sich die vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Normabweichungen anhand der vorliegenden Aufnahmen nicht feststellen ließen, geeignet gewesen, das entsprechende Vorbringen des Klägers überzeugend zu entkräften.
Steht demnach des Restleistungsvermögen des Klägers nicht fest, so läßt sich auch insgesamt nicht beurteilen, ob er berufs- oder erwerbsunfähig ist. Da der erkennende Senat die danach erforderlichen weiteren Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses Gericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 600160 |
SozSi 2003, 180 |