Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Ausdrucks "bedingen" in § 64c Abs 5 S 1 BVG. Anwendbarkeit des BVG § 62 Abs 3 S 1 in der Ostversorgung
Leitsatz (amtlich)
§ 62 Abs 3 S 1 BVG gilt grundsätzlich auch für Versorgungsberechtigte in der Volksrepublik Polen.
Orientierungssatz
In § 64c Abs 5 S 1 BVG ist ausgesprochen, wann § 62 BVG ausnahmsweise nicht anzuwenden ist. Das ist nur der Fall, wenn Besonderheiten der Teilversorgung dies bedingen.
Mit dem Ausdruck "bedingen" hat das Gesetz festgelegt, daß nicht jede Besonderheit der Teilversorgung, die vielleicht schon eine andere Behandlung als angemessen, wünschenswert, verwaltungsvereinfachend oder bequemer erscheinen ließe, ausreicht; die Besonderheit muß vielmehr die Abweichung erforderlich, notwendig, nahezu zwingend machen.
Normenkette
BVG § 62 Abs 3 S 1, § 64 Abs 2, § 64c Abs 5 S 1, § 64e Abs 1, § 62 Abs 1, § 64 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 30.10.1980; Aktenzeichen L 7 V 21/80) |
SG Münster (Entscheidung vom 18.10.1979; Aktenzeichen S 4 V 170/78) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die dem Kläger gewährte Teilversorgung mit Ablauf des Monats Februar 1977 entziehen durfte.
Mit Bescheid vom 15. Februar 1965 gewährte der Beklagte dem im Jahre 1918 geborenen Kläger eine Beschädigtenteilversorgung nach § 64 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) als Kann-Leistung in Höhe von monatlich 45,-- DM. Dabei ging er davon aus, daß bei dem Kläger eine Gebrauchsbehinderung der linken Hand, verschiedene Schußverletzungen und Narben vorlägen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH bedingten. Als Grundlage hierfür sah der Beklagte die eigenen Angaben des Klägers, ein Attest eines polnischen Arztes sowie die von der Deutschen Dienststelle in Berlin übersandten Fotokopien über Verwundungsmeldungen des Klägers in der deutschen Wehrmacht in der Zeit von September 1941 bis April 1944 an.
Als der Kläger sich in der Zeit vom 22. Oktober bis 5. Dezember 1976 in der Bundesrepublik aufhielt, veranlaßte das Versorgungsamt Münster seine Untersuchung durch verschiedene Ärzte. Diese gelangten zu der Überzeugung, daß eine wesentliche Besserung eingetreten sei und die MdE insgesamt nur noch 10 vH betrage. Daraufhin entzog der Beklagte mit Bescheid vom 6. Januar 1977 dem Kläger die Teilversorgung; der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. April 1978).
Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 18. Oktober 1979). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 30. Oktober 1980). Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Die vom Beklagten und vom SG gehörten Ärzte hätten überzeugend dargelegt, daß die schädigungsbedingte Gesamt-MdE nur noch 10 vH betrage. Auf § 62 Abs 3 Satz 1 BVG, wonach bei Versorgungsberechtigten, die das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet haben, die MdE wegen Besserung des Gesundheitszustandes nicht niedriger festzusetzen ist, wenn sie in den letzten zehn Jahren seit der Feststellung unverändert geblieben ist, könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Diese Vorschrift sei bei Gewährung einer Beschädigtenversorgung als Kann-Leistung nach § 64 Abs 2 BVG weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn nach entsprechend anwendbar. § 62 Abs 3 Satz 1 BVG setze eine bindende Feststellung einer bestimmten MdE-Höhe voraus. Hieran fehle es jedoch bei dem Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 1965, der lediglich den Ausspruch enthalte, daß eine Kann-Leistung nach § 64 Abs 2 BVG im Betrage von 45,-- DM monatlich gezahlt werde. Hierin sei die Festsetzung einer bestimmten MdE-Höhe nicht zu finden. § 62 Abs 3 Satz 1 BVG gehe davon aus, daß die festgesetzte MdE objektiv der wirklichen Sachlage entspreche. Das setze voraus, daß eine Kontrollmöglichkeit bestehe, bevor die Rechtsfolgen der Norm eintreten. Dies sei aber bei Berechtigten außerhalb des Geltungsbereiches des BVG in aller Regel nicht gegeben, jedenfalls nicht in gleicher Weise wie bei Gewährung von Versorgung an einheimische Beschädigte. Würde man § 62 Abs 3 Satz 1 BVG auch auf Berechtigte außerhalb des Geltungsbereiches des BVG anwenden, so träte eine ungleiche Behandlung insofern ein, als diese gegenüber einheimischen Beschädigten, die stets mit einer Nachuntersuchung rechnen müßten, bevorzugt würden. Außerdem werde, wenn der Bezieher einer Kann-Leistung später seinen Wohnsitz in den Geltungsbereich des BVG verlege, eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge gem § 62 BVG notwendig, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe. Eine Einbeziehung der Kann-Leistung nach § 64 Abs 2 BVG in den Besitzstandsschutz nach § 62 Abs 3 Satz 1 BVG würde also dem Wechsel des Wohnsitzes in den Geltungsbereich des BVG oder der Absicht dazu nur hinderlich sein und nicht der Beruhigung des Beschädigten dienen. Vom Ergebnis her sei es nicht unbillig, eine in einem vereinfachten Verfahren zugebilligte Kann-leistung nicht in gleicher Höhe am Bestandsschutz teilnehmen zu lassen wie eine Leistung aufgrund eines Bescheides, in dem in Verfügungssatz der Grad der MdE nach eingehender Prüfung als Maßstab der Rentenhöhe festgelegt sei.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung von § 62 Abs 3 Satz 1, § 62 Abs , § 64 Abs 2 und § 64c Abs 5 BVG. Der Kläger sei über 55 Jahre alt und beziehe die Teilversorgung seit mehr als zehn Jahren. Das Versorgungsamt habe die Versorgungsangelegenheit des Klägers mehrfach überprüft und die MdE nicht herabgesetzt. § 64 Abs 2 Satz 5 BVG verweise auf § 64c Abs 5 BVG, wonach die §§ 60, 62 und 66 BVG gelten, soweit nicht Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine Abweichung bedingten. Daraus ergebe sich, daß auch die Vorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG gelte. Dem LSG sei zuzustimmen, daß die Bewilligung von Teilversorgung nicht die verbindliche Feststellung einer bestimmten MdE-Höhe enthalte; dann sei es aber sinnwidrig, die vorgeschriebene Anwendung des § 62 BVG - und damit auch die des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG - nur dann eintreten zu lassen, wenn eine verbindliche Feststellung der MdE getroffen worden sei. Die "entsprechende" Anwendung einer Vorschrift setze gerade voraus, daß nicht alle Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt seien. Dies könne hier nur bedeuten, daß eine nach § 64 Abs 2 BVG gewährte Teilversorgung einem über 55 Jahre alten Versorgungsberechtigten nicht mehr entzogen werden dürfe, wenn dieser sie zehn Jahre lang unverändert erhalten habe. Das BSG habe entschieden, daß auch eine nach § 64 Abs 2 BVG gewährte Teilversorgung nach § 62 BVG neu festgestellt werden könne. Das bedeute aber, daß dann auch die Vorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG anwendbar sei, denn es gehe nicht an, nur die dem Beschädigten nachteiligen Vorschriften anzuwenden. Der Kläger habe zunächst zu den Kriegsopfern iS des § 64 Abs 2 BVG gehört; nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland sei er aber ein Kriegsopfer iS des § 64 Abs 1 BVG geworden. Jederzeit hätte eine Untersuchungsmöglichkeit bestanden; er sei aber vom Versorgungsamt nicht dazu aufgefordert worden. § 62 Abs 3 Satz 1 BVG sei daher auf ihn anwendbar. Es diene nicht der Beruhigung älterer Kriegsbeschädigter, wenn diese trotz mehr als zehnjährigem Bezug von Teilversorgung bei einem Besuch in ihrer angestammten Heimat damit rechnen müßten, daß ihnen Versorgungsleistungen aberkannt würden. Wenn schon Gesichtspunkte der Billigkeit herangezogen würden, so müsse auch bedacht werden, daß die dem Kläger nach § 64 Abs 2 BVG gewährte Teilversorgung denkbar gering sei. Billig und gerecht sei allein, dem Kläger die Schutzvorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG zugute kommen zu lassen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Berufung des
Klägers das Urteil des SG Münster abzuändern und den
Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Versorgungsamtes
Münster zu verurteilen, ihm die Teilversorgung über Februar 1977
hinaus weiterzugewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die beigeladene Bundesrepublik gibt zu erwägen, ob das Problem des Vertrauensschutzes für den Personenkreis der Deutschen und deutschen Volkszugehörigen mit Wohnsitz in Ost- und Süd-Osteuropa gerade auch im Hinblick auf den humanitären Charakter der Teilversorgung für die Beurteilung durch das Gericht von Bedeutung sein könnte.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Dem Kläger ist für die Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) zu gewähren. Er war wegen Armut gehindert, rechtzeitig die erforderlichen Prozeßhandlungen vorzunehmen. Er ist für die Einlegung des Rechtsmittels so zu behandeln, als ob er seine verfahrensrechtliche Position fristgerecht wahrgenommen hätte. Dies ist gerechtfertigt, weil er innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe an seinen Prozeßbevollmächtigten durch diesen die Revision eingelegt hat (BSGE 8, 207; SozR 1500 § 164 Nr 9).
Die Revision ist begründet. Der Kläger gehört jedenfalls zu den deutschen Volkszugehörigen iS des § 7 Abs 1 Nr 2 BVG, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in den zum Staatsgebiet des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 gehörenden Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder im Ausland haben. Das ergibt sich aus dem LSG-Urteil insgesamt und wird in der Revisionserwiderung des Beklagten erhärtet.
Die Versorgung des Klägers beruht seit Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen (14.9.1972) nicht mehr auf § 64 Abs 2 BVG, sondern auf § 64 Abs 1 iVm § 64e Abs 1 Satz 1 BVG, der seinerseits auf § 64 Abs 2 Satz 2 bis 4 BVG verweist (BSG SozR 3100 § 65 Nr 2). Ob damit die dem Kläger 1965 bewilligte Teilversorgung den Charakter einer Ermessensleistung verloren hat (vgl LSG NW in Breithaupt 1979, 999), kann hier dahinstehen. Für die Annahme eines Rechtsanspruchs ist allerdings bedeutsam, daß die über § 64e BVG geleistete Versorgung von der Regelung in § 64 Abs 1 BVG ausgeht, wonach dem dort genannten Personenkreis grundsätzlich ein Anspruch auf Versorgung wie im Geltungsbereich des BVG eingeräumt wird. Von der Vollversorgung ist lediglich bei Vorliegen besonderer Gründe abzusehen. Das Ausmaß der Leistungskürzung ergibt sich aus dem Zweck des jeweils vorliegenden Ausnahmetatbestandes (BVerfGE 56, 1 = SozR 3100 § 64e Nr 3).
Sowohl bei Annahme eines Rechtsanspruches (§ 64 Abs 1 iVm § 64e Abs 1 Satz 1 und § 64 Abs 2 Satz 2 bis 4 BVG) als auch einer Ermessensleistung (§ 64 Abs 2 BVG) ist die den Kläger begünstigende Vorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG anzuwenden.
Nach § 62 Abs 1 Satz 1 BVG ist der Anspruch auf Versorgung (§ 9 BVG) entsprechend neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für seine Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Das LSG geht davon aus, daß sich die Gesundheitsstörungen des Klägers wesentlich gebessert haben und die bei ihm bestehende MdE nur noch 10 vH beträgt. Der Kläger hat dies nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen; der erkennende Senat ist deshalb daran gebunden (§ 163 SGG).
Nach § 62 Abs 3 Satz 1 BVG ist aber die MdE eines über 55 Jahre alten Berechtigten wegen Besserung des Gesundheitszustandes dann nicht niedriger festzusetzen, wenn sie in den letzten zehn Jahren seit Feststellung nach diesem Gesetz unverändert geblieben ist. Der Kläger ist im Jahre 1918 geboren und bezieht schon dann länger als zehn Jahre die unveränderte Teilversorgung, wenn man das Datum der Erstanerkennung - 15. Februar 1965 - nimmt. Es braucht daher nicht Stellung dazu genommen zu werden, ob die Zeit der rückwirkenden Gewährung der Rente in diesem Zeitraum eingerechnet werden kann. Das LSG meint, § 62 Abs 3 Satz 1 BVG sei auf eine Kann-Leistung der Auslandsversorgung nicht anwendbar, weil hier die Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen und die Höhe der durch sie bewirkten MdE nicht in den Verfügungssatz aufgenommen würden, der allein an der Bindung teilnehme. Dem ist nicht zuzustimmen.
Das BSG hat in dem vom LSG zitierten Urteil (vgl SozR Nr 6 zu § 64 BVG) ausgesprochen, daß grundsätzlich auch die Festsetzung einer Kann-Leistung, die nach Polen zu gewähren ist, verbindlich wird (ebenso BSGE 50, 82, 84 = SozR 1500 § 54 Nr 40) und § 62 Abs 1 BVG auf sie anzuwenden ist.
Auch der Anwendung des § 62 Abs 3 BVG steht hier nichts im Wege. Für den Rechtsanspruch aus § 64 Abs 1 BVG sind die allgemeinen Vorschriften anzuwenden, weil er ein Anspruch wie der der im Geltungsbereich des BVG Berechtigten ist. Allerdings kann sich Abweichendes auch für § 62 BVG insbesondere aus § 64c Abs 5 Satz 1 BVG wegen Besonderheiten, die eine Abweichung bedingen, ergeben. Die Geltung von § 62 BVG ist für den Ermessensanspruch aus § 64 Abs 2 BVG dort in Satz 5 durch die doppelte Verweisung über § 64c Abs 5 Satz 1 BVG auf die §§ 60 bis 62 und § 66 BVG angeordnet.
In § 64 Abs 2 Satz 5 BVG bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß § 64c Abs 5 BVG "entsprechend" gelte; § 64c Abs 5 Satz 1 BVG hingegen besagt, daß § 62 BVG gelte, soweit nicht Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine Abweichung bedingen.
Das angefochtene Urteil geht zunächst davon aus, daß der § 62 Abs 3 BVG nicht "entsprechend" anzuwenden sei, weil eine rechtsähnliche Lage wie sonst bei § 62 Abs 3 BVG bei der Auslandsversorgung nicht vorliege. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß sowohl das LSG als auch das BSG jedoch § 62 Abs 1 BVG für die Teilversorgung angewendet haben, obwohl hinsichtlich der verweisenden Norm zwischen Absatz 1 und Absatz 3 des § 62 VG kein Unterschied gemacht worden ist. Im übrigen hat das Gesetz bereits für die Auslandsversorgung die entsprechende Anwendung des § 64c Abs 5 BVG, der auf § 62 BVG verweist, angeordnet, ohne sie davon abhängig zu machen, daß eine rechtsähnliche Lage erkannt wird; diese hat das Gesetz als bestehend angenommen. Allerdings mag allgemein der Inhalt der in Bezug genommenen Regelung von dem der verweisenden Norm beeinflußt werden können (vgl BSG 14.3.1978 - 9 RV 2/77 - in SozR 3100 § 64 Nr 3 mwN). Hier ist im Gesetz bereits ausgesprochen, wann § 62 BVG ausnahmsweise nicht anzuwenden ist. Das ist nur der Fall, wenn Besonderheiten der Teilversorgung dies bedingen.
Das LSG bejaht auch derartige Besonderheiten. In der Tat liegen sie nicht nur darin, daß die MdE nicht im Verfügungssatz eines Bescheides über die Teilversorgung festgehalten wird, sondern auch darin, daß die Voraussetzungen für eine Rechts- oder Ermessensleistung nach dem BVG praktisch schwieriger festzustellen und zu überprüfen sind als im Geltungsbereich des BVG. Allein, diese Besonderheiten sind nicht so gewichtig, daß sie ein Abweichen von der allgemeinen Norm bedingen. Mit dem Ausdruck "bedingen" hat das Gesetz festgelegt, daß nicht jede Besonderheit der Teilversorgung, die vielleicht schon eine andere Behandlung als angemessen, wünschenswert, verwaltungsvereinfachend oder bequemer erscheinen ließe, ausreicht; die Besonderheit muß vielmehr die Abweichung erforderlich, notwendig, nahezu zwingend machen.
Diese Voraussetzungen sind in dem formellen Fehlen einer bezifferten MdE im Verfügungssatz nicht gegeben; das Gesetz selbst hat darin - wie oben ausgeführt - keinen hinreichenden Grund erkannt.
Die Schwierigkeiten bei der Erforschung des Sachverhaltes sind ebenfalls vom Gesetz nicht als ausreichend empfunden worden, die Teilversorgung deshalb von den allgemeinen Vorschriften des BVG zu lösen. Darüber hinausschießende Widrigkeiten ergeben sich speziell für die laufende Überprüfung eines Berechtigten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das LSG hat im übrigen die Erschwernisse überbewertet, die bei der Überprüfung des erheblichen Sachverhalts in Polen eintreten, weil es nicht bedacht hat, daß bereits seit 1967 zwischen zuständigen Verwaltungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen eine Vereinbarung besteht, die die ärztliche Kontrolle und Nachuntersuchung der Versorgungsberechtigten und auch die Kostenverrechnung regelt.
Schließlich kann nicht eingewendet werden, bei der hier vertretenen Meinung würde die Versorgungsverwaltung verpflichtet, eine Leistung zu zahlen, auf die dem Grunde nach kein Anspruch bestünde. Dies ist die klare Folge des Gesetzesbefehls in § 62 Abs 3 Satz 1 BVG. Wo eine Änderung nicht eingetreten ist, kann schon nach Abs 1 des § 62 keine neue Feststellung ergehen; nur wenn eine niedrigere Neufeststellung an sich für den Berechtigten zu besorgen ist, greift die Schutzvorschrift des§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG ein. Das hat der Gesetzgeber gesehen und in Kauf genommen (vgl BSG 12.12.1974 - 10 RV 317/73 - in SozR 3100 § 62 Nr 1). Die für ihn maßgebenden Motive, insbesondere der Vertrauensschutz, treffen auch auf Versorgungsleistungen nach Polen zu, wie sich aus den Darlegungen über die Kontrollmöglichkeiten ergibt.
Das LSG hat daher zu Unrecht die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Beide Urteile und der Bescheid des Beklagten müssen aufgehoben werden. Einer besonderen Verurteilung zur Weiterzahlung der Teilversorgung bedarf es hingegen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen