Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einem privatrechtlichen Rentenversicherungsvertrag. befreiende Lebensversicherung. betriebliche Altersversorgung. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Eine Kapitalzahlung aus einer befreienden Lebensversicherung, die aus einem privatrechtlichen Rentenversicherungsvertrag resultiert, ist nicht als beitragspflichtige Einnahme in entsprechender Anwendung des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 zu berücksichtigen.
2. Eine die Beitragspflicht des Auszahlungsbetrages aus einer befreienden Lebensversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern begründende verfassungskonforme Auslegung der §§ 237, 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 durch Art 3 Abs 1 GG ist nicht geboten.
Normenkette
SGB 5 §§ 228, 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 3, § 237 S. 1 Nr. 2, S. 2; AnVNG Art. 2 § 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2009 aufgehoben, soweit es den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2006 sowie die Bescheide vom 7. Dezember 2005 und 27. März 2007 aufgehoben hat. Die Beklagte wird verpflichtet, diese Bescheide aufzuheben.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Kapitalzahlung aus einer befreienden Lebensversicherung für die Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde zu legen ist, in der der Kläger als Rentner pflichtversichert ist.
Der im Oktober 1940 geborene Kläger schloss zum 1.9.1967 eine Kapitallebensversicherung ab. Seine Arbeitgeber übernahmen 30 % der zu zahlenden Prämien zu dieser Versicherung. Der Rentenversicherungsträger befreite ihn mit Bescheid vom 26.2.1968 wegen der Absicherung durch diese Lebensversicherung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, jedoch blieb der Kläger freiwillig versichert und zahlte Mindestbeiträge. Zum 1.9.2005 wurde ihm aus der Lebensversicherung ein Betrag in Höhe von 411 033 Euro ausgezahlt. Seit dem 1.11.2005 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie monatliche Zahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung seines Arbeitgebers und aus einer von seinem Arbeitgeber zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherung. Wegen des Bezugs der Altersrente ist der Kläger seit dem 1.11.2005 Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse.
Mit Bescheid vom 2.11.2005 setzte die Beklagte einen aus der Auszahlung der Lebensversicherung ab 1.11.2005 zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von monatlich 492,09 Euro fest. Der Berechnung legte sie als beitragspflichtige Einnahme monatlich 1/120 des Auszahlungsbetrages aus der Versicherung, wegen der Beitragsbemessungsgrenze und der Berücksichtigung der Höhe der beitragspflichtigen Rente begrenzt auf den Betrag von 3347,56 Euro, zugrunde. Mit Bescheid vom 7.12.2005 änderte sie die Höhe des zu zahlenden monatlichen Beitrags wegen einer Änderung der Beitragsbemessungsgrenze ab 1.1.2006 auf 497,60 Euro monatlich ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2006 zurück. Mit weiterem Bescheid vom 27.3.2007 setzte sie den Krankenversicherungsbeitrag wegen einer Beitragssatzerhöhung ab 1.4.2007 auf monatlich 521,30 Euro fest. Die gegen die Bescheide vom 2.11.2005 und 7.12.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 15.5.2006 erhobene Klage nahm der Kläger am 13.7.2007 zurück. Er beantragte, die Beitragsbescheide vom 2.11.2005, 7.12.2005 und 27.3.2007 gemäß § 44 SGB X zu überprüfen. Mit Bescheid vom 23.8.2007 und Widerspruchsbescheid vom 7.11.2007 lehnte die Beklagte eine Rücknahme der Beitragsbescheide ab.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 4.3.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, der Beitragsbemessung sei als beitragspflichtige Einnahme wegen einer durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebotenen extensiven Auslegung der für pflichtversicherte Rentner geltenden Beitragsbemessungsvorschrift des § 237 Satz 2 SGB V iVm § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V die Zahlung aus der befreienden Lebensversicherung zugrunde zu legen. Das LSG hat mit Urteil vom 28.5.2009 das Urteil des SG geändert und den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.11.2007 sowie den Beitragsbescheid vom 2.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006 und die Beitragsbescheide vom 7.12.2005 und 27.3.2007 aufgehoben. Die Zahlung aus der befreienden Kapitallebensversicherung sei keine für die Beitragsbemessung zu berücksichtigende Rente der betrieblichen Altersversorgung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke, eine befreiende Kapitallebensversicherung sei auch nicht mit den Renten der betrieblichen Altersversorgung vergleichbar.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Bei der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung gehörten hierzu auch Zahlungen aus befreienden Kapitallebensversicherungen. Angestellte mit hohen Verdiensten, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze bis zum 31.12.1967 nicht versicherungspflichtig gewesen und ab dem 1.1.1968 versicherungspflichtig geworden waren und sich auf Antrag wegen eines bestehenden Versicherungsvertrages von der Versicherungspflicht hatten befreien lassen, hätten in diese quasi "substitutive" Versicherung eine als "Surrogat" wirkende Prämie eingezahlt. Zwischen Versicherten mit Zahlungen aus zur betrieblichen Altersversorgung gehörenden Direktversicherungen und solchen mit Zahlungen aus zur Befreiung führenden Lebensversicherungen beständen keine Unterschiede von solchem Gewicht, die eine geringere Beitragslast Letzterer rechtfertigen würden. Es entspreche dem die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmenden Solidaritätsprinzips, die Zahlung aus einer befreienden Lebensversicherung, die bei dem Kläger der wesentliche Teil der Altersversorgung sei, der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dortmund vom 4. März 2008 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das LSG den Beitragsbescheid vom 2.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006 sowie die Beitragsbescheide vom 7.12.2005 und 27.3.2007 aufgehoben hat, statt die Beklagte hierzu zu verpflichten. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Zu Recht hat das LSG das die Klage abweisende Urteil des SG geändert und die die Rücknahme der Beitragsbescheide ablehnenden Bescheide aufgehoben. Die Zahlung aus der befreienden Lebensversicherung ist nicht zur Bemessung der Beiträge des in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentner pflichtversicherten Klägers heranzuziehen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Anfechtungsklage, mit der der Kläger die Aufhebung des die Rücknahme der früheren Bescheide ablehnenden Bescheides vom 23.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.11.2007 begehrt. Daneben ist über eine damit verbundene Verpflichtungsklage zu entscheiden, die darauf gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, den Beitragsbescheid vom 2.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006 sowie die Beitragsbescheide vom 7.12.2005 und 27.3.2007 zurückzunehmen, wie die Auslegung der vom Kläger gestellten Anträge gemäß § 123 SGG ergibt. Der Kläger verfolgt die Rücknahme dieser Beitragsbescheide der Beklagten nach Überprüfung gemäß § 44 SGB X. Dies kann er zulässig nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen (vgl BSG Urteile vom 25.4.1991 - 12 RK 40/90 - BSGE 68, 264 = SozR 3-2400 § 26 Nr 3, vom 4.6.1991 - 12 RK 4/90 - SozR 3-2200 § 511 Nr 1 und vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 9 mwN).
2. Zu Recht hat das LSG den die Rücknahme der Beitragsbescheide ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.11.2007 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte war verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 2.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006 sowie die Beitragsbescheide vom 7.12.2005 und 27.3.2007 zurückzunehmen, weil mit ihnen zu Unrecht Beiträge erhoben werden.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beitragsbescheid vom 2.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006 sowie die Beitragsbescheide vom 7.12.2005 und 27.3.2007 sind rechtswidrig, weil der Beitragsbemessung der Auszahlungsbetrag der Kapitallebensversicherung des als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Klägers nicht zugrunde zu legen war und deshalb die Beklagte die in diesen Bescheiden festgesetzten Beiträge zu Unrecht erhoben hat.
Gemäß § 237 Satz 1 SGB V sind bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Beiträge, die nach den der Rente vergleichbaren Einnahmen sowie dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind nur zu entrichten, wenn diese beitragspflichtigen Einnahmen insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV übersteigen (§ 237 Satz 2 iVm § 226 Abs 2 SGB V). Als neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Höhe wegen allein in Betracht kommende weitere beitragspflichtige Einnahme hat die Beklagte in den zur Überprüfung gestellten Beitragsbescheiden ausschließlich den Auszahlungsbetrag der Kapitallebensversicherung der Beitragsbemessung zugrunde gelegt und hieraus Beiträge erhoben. Der Auszahlungsbetrag der befreienden Lebensversicherung ist jedoch nicht bei der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner heranzuziehen. Er ist keine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, auch wenn der Abschluss der Lebensversicherung Voraussetzung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung war (vgl BSG Urteil vom 27.1.2000 - B 12 KR 17/99 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 32 S 146 f). Der Auszahlungsbetrag ist auch keine einer solchen Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) iS von § 237 Satz 2 SGB V iVm § 229 SGB V (dazu unter a). Weder ist eine Berücksichtigung der befreienden Lebensversicherung als beitragspflichtige Einnahme in entsprechender Anwendung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V möglich (dazu unter b) noch ist eine Auslegung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V, die zur Beitragspflicht dieser Zahlung führen würde, durch Art 3 Abs 1 GG geboten (dazu unter c).
a) Der Auszahlungsbetrag aus der Kapitallebensversicherung ist nicht als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) gemäß § 237 Satz 2 SGB V iVm § 229 Abs 1 SGB V der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Neben den in den Nr 1 bis 4 des § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten, hier nicht in Betracht kommenden Einnahmen gelten nach Nr 5 dieser Vorschrift als Versorgungsbezüge die Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle dieser Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 1.1.2004 anzuwendenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge längstens für 120 Monate.
Als Renten der betrieblichen Altersversorgung hat der Senat Leistungen angesehen, die entweder vom Arbeitgeber oder, soweit sie von Dritten gezahlt werden, von Institutionen der betrieblichen Altersversorgung wie etwa Pensionskassen erbracht werden oder aus vom Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitnehmers abgeschlossenen Direktversicherungen iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) stammen oder hierauf beruhen, weil dann bei typisierender Betrachtung zwischen dem Erwerb der Versicherungsleistung und der früheren Berufstätigkeit ein hinreichender Zusammenhang besteht. Die Heranziehung der in den §§ 237, 229 Abs 1 Satz 1 SGB V im Einzelnen genannten Einnahmen zur Beitragsbemessung neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht einerseits dem die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmenden Solidaritätsprinzip und ist andererseits in Anknüpfung an die ursprüngliche Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung als Beschäftigtenversicherung beschränkt auf solche Einkunftsarten, die typischerweise mit einer Berufstätigkeit in Zusammenhang stehen. Einnahmen aus rein privat veranlasster Vorsorge sind nicht beitragspflichtig. Auf die Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs oder darauf, wer zur Finanzierung der Altersversorgung beigetragen hat, kommt es nicht an (vgl BSG Urteile vom 27.1.2000 - B 12 KR 17/99 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 32 und vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 14 ff, 28 mwN).
Die Kapitalzahlung aus der befreienden Lebensversicherung an den Kläger ist danach keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Sie wurde nicht von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt, sondern von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages. Dieser Vertrag begründete keine Direktversicherung (vgl zum Begriff BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 14), weil er nicht vom Arbeitgeber des Klägers abgeschlossen worden war, um Letzterem eine zusätzliche Altersvorsorge zu verschaffen, sondern vom Kläger selbst.
Entgegen der Auffassung der Revision besteht ein für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung erforderlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerbsleben und der Kapitalzahlung aus dieser Kapitallebensversicherung auch nicht deshalb, weil der Lebensversicherungsvertrag aufgrund der 1968 bestehenden Möglichkeit abgeschlossen worden ist, sich gemäß Art 2 § 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG - eingefügt durch Art 2 § 2 Nr 1 Finanzänderungsgesetz 1967 vom 21.12.1967, BGBl I 1259) von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen, wenn wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze vor dem 1.1.1968 keine Rentenversicherungspflicht bestand, aufgrund des Finanzänderungsgesetzes 1967 Versicherungspflicht eintrat und eine der Altersversorgung dienende Versicherung bei öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen mit Prämien in Höhe der sonst zu zahlenden Rentenversicherungspflichtbeiträge abgeschlossen worden war. Wie bereits dargelegt, hat der Senat den Begriff der "betrieblichen Altersversorgung" iS des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V ohne Bindung an die Legaldefinition des § 1 BetrAVG in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass nicht auf den - im Einzelfall - nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend an einen Zusammenhang mit dem Erwerbsleben anzuknüpfen ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 24 f). So hat der Senat zur typisierenden Anknüpfung insbesondere im Hinblick auf die Leistung von Pensionskassen ausgeführt, dass nur, wer aufgrund einer bestimmten früheren Berufstätigkeit Mitglied einer entsprechenden Einrichtung werden kann und dieses Recht ausübt, sich für seine zusätzliche Sicherung nicht irgendeiner Form der privaten Vorsorge bediene, sondern sich der betrieblichen Altersversorgung anschließe und sich damit im gewissen Umfang deren Vorteile nutzbar mache (vgl BSGE 70, 105, 109 = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 5; SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 25 f). Die Kapitallebensversicherung des Klägers war eine von ihm abgeschlossene, nicht seinen Arbeitgebern zurechenbare Versicherung, die auch ohne Berufstätigkeit in dieser Form hätte abgeschlossen werden können. Allein der Umstand, dass die befreiende Kapitallebensversicherung der Altersversorgung dient, was bei Kapitallebensversicherungen regelmäßig der Fall sein dürfte, schafft keine Anknüpfung an die Berufstätigkeit und rechtfertigt es deshalb nicht, sie als betriebliche Altersversorgung anzusehen. Auch die teilweise Finanzierung durch die Arbeitgeber begründete keine Zurechnung zur betrieblichen Altersversorgung, weil die Art der Finanzierung nicht entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung ist. Dementsprechend hat der Senat bereits früher eine die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach Art 2 § 1 AnVNG ermöglichende Kapitallebensversicherung nicht als betriebliche Altersversorgung iS von § 180 Abs 8 Nr 5 RVO angesehen (BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 32 S 147 f).
b) Für die von der Revision in Betracht gezogene entsprechende Anwendung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V fehlt es an der für eine analoge Rechtsanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.8.1966 - 3 RK 24/64 - BSGE 25, 150 = SozR Nr 2 zu § 65 AVAVG). Die Heranziehung weiterer Einnahmen zur Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner ab 1.1.1982 gemäß § 180 Abs 6 RVO iVm § 180 Abs 8 RVO durch das Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung 1982 sowie gemäß §§ 237, 229 Abs 1 SGB V ab 1.1.1989 beschränkte sich auf abschließend benannte Einnahmearten. Zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehören im Einzelnen benannte Einnahmen, die im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehen. Deren Aufzählung wurde im Gesetzgebungsverfahren als abschließend angesehen, Einnahmen aus betriebsfremder privater Eigenvorsorge sollten nicht beitragspflichtig sein (vgl BT-Drucks 9/458 S 29, 34). Nach dem Regelungskonzept sind die beitragspflichtigen Einnahmen der pflichtversicherten Rentner durch Einzelanknüpfung auf im Einzelnen benannte Einkunftsarten beschränkt, die typischerweise mit einer Berufstätigkeit in Zusammenhang stehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 28). Dies schließt es aus, die fehlende Beitragspflicht von sonstigen Einnahmen als Folge einer lückenhaften planwidrigen Regelung anzusehen und durch eine Analogie Beiträge auf weitere Einnahmen, wie hier aus einer befreienden Kapitallebensversicherung, zu erheben. Vielmehr bedürfte es einer gesetzlichen Regelung, um die Zahlung aus einer befreienden Lebensversicherung der Beitragspflicht zu unterwerfen. Insoweit weist der Kläger zutreffend daraufhin, dass auch durch das GMG trotz des Urteils des Senats vom 27.1.2000 (SozR 3-2500 § 240 Nr 32) keine Heranziehung solcher Einnahmen zur Beitragsbemessung erfolgte, obwohl diese Entscheidung auch auf die Beitragsbemessung nach dem SGB V bei pflichtversicherten Rentnern übertragen werden konnte.
c) Eine die Beitragspflicht des Auszahlungsbetrags aus einer befreienden Lebensversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern begründende verfassungskonforme Auslegung der §§ 237, 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V ist nicht geboten. Es kann offen bleiben, inwieweit sich die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erhebung von Beiträgen auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Versicherten durch Regelungen über die Beitragsbemessung berufen kann (vgl BVerfG Beschlüsse vom 9.4.1975 - 2 BvR 879/73 - BVerfGE 39, 302 vom 9.6.2004 - 2 BvR 1248/03 ua - SozR 4-2500 § 266 Nr 7 RdNr 14 und vom 11.12.2008 - 1 BvR 1665/08 - NVwZ-RR 2009, 361), weil der Senat nicht davon überzeugt ist, dass der von der Revision geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vorliegt.
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Abgrenzung der beitragspflichtigen Einnahmen aus einer betrieblichen Altersversorgung iS des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V von den beitragsfreien sonstigen Einnahmen nach der Institution, die sie zahlt (Pensionskasse), bzw dem Versicherungstyp (Direktversicherung) und damit nach dem hinreichenden Zusammenhang zum Berufsleben mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, und damit die unterschiedliche Beitragsbemessung bei Einnahmen aus von Versicherten abgeschlossenen Lebensversicherungen im Vergleich zur Beitragserhebung bei Einnahmen aus Direktversicherungen gebilligt. Er hat darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums darauf beschränken durfte, nur die aus dem früheren Berufsleben herrührenden, der Altersvorsorge dienenden Versorgungsbezüge der Beitragsbemessung zu unterwerfen. Unerheblich ist, in welchem Verhältnis Einnahmen aus privaten, der Altersvorsorge dienenden Versicherungen zu anderen beitragspflichtigen Einnahmen stehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 16 ff, 30 ff mwN).
Auch im Vergleich zu freiwillig gesetzlich krankenversicherten Rentnern ist ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des Senats ist es verfassungsrechtlich zulässig, zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten - anders als bei der Beitragsbemessung bei Pflichtversicherten - auch andere als mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehende Einnahmen, ua solche aufgrund privater Eigenvorsorge, heranzuziehen (vgl BVerfG Beschluss vom 3.2.1993 - 1 BvR 1920/92 - SozR 3-2500 § 240 Nr 11; BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - mwN zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass umgekehrt der Auszahlungsbetrag einer Kapitallebensversicherung zwingend bei der Beitragsbemessung der pflichtversicherten Rentner Berücksichtigung finden muss.
3. Zu Unrecht hat das LSG allerdings die bestandskräftigen Beitragsbescheide vom 2.11.2005, 7.12.2005 und 27.3.2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 15.5.2006 selbst aufgehoben statt die Beklagte zu deren Rücknahme zu verurteilen. Ist gemäß § 44 SGB X ein rechtswidriger Bescheid zurückzunehmen, so ist die Behörde im Klageverfahren zu dessen Rücknahme gemäß § 131 Abs 2 SGG zu verurteilen (vgl BSG Urteil vom 28.6.1995 - 7 RAr 20/94 - BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52). Dementsprechend war das Urteil des LSG insoweit aufzuheben und die Beklagte zur Rücknahme dieser Bescheide zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Revision der Beklagten im Wesentlichen keinen Erfolg hatte und, soweit die Beklagte obsiegt hat, ihre Beitragsbescheide keinen Bestand haben können, ist es angemessen, ihr im vollen Umfang die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 2380562 |
DStR 2010, 2414 |
NZS 2010, 7 |
SGb 2010, 409 |
StX 2010, 720 |
VP 2010, 147 |