Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermächtigung für § 3 Abs 2 WinterbauUmlV
Leitsatz (amtlich)
1. Die Forderung der Bundesanstalt für Arbeit auf rückständige Winterbau-Umlage und die damit zusammenhängenden Nebenforderungen ab 20.7.1974 sind gemäß § 28 Abs 3 RVO (Fassung: 1974-07-17) im Konkursverfahren Masseschulden.
2. Zur Ermächtigungsgrundlage des § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung (Anschluß an BSG 1978-02-02 12 RK 38/76 = SozR 4230 § 3 Nr 1).
Leitsatz (redaktionell)
Die Ermächtigung in § 186a Abs 3 S 1 AFG ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt iS von Art 80 Abs 1 S 2 des GG für die in § 3 Abs 2 der WinterbauUmlV über § 179 S 1 AFG enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der RVO über die Beitreibung rückständiger Beiträge. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang nur das in § 179 S 1 Nr 2 AFG enthaltene Zitat des "§ 27" RVO. Diese die Sicherheit von Grundpfandrechten betreffende Bestimmung hat zu keiner Zeit Aussagen über die Beitreibung rückständiger Beiträge enthalten, so daß mit der Verweisung in § 179 S 1 Nr 2 AFG sinngemäß § 28 RVO gemeint war.
Normenkette
AFG § 179 Fassung: 1976-12-23, § 186a Abs 2 Fassung: 1972-05-19; RVO § 28 Abs 3 Fassung: 1974-07-17; WinterbauUmlV § 3 Abs 2 Fassung: 1972-07-13; KO § 59 Abs 1 Nr 3; AFG § 186a Abs 3 S 1, § 179 S 1 Nr 2; RVO § 27; GG Art 80 Abs 1 S 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte vom Kläger als Konkursverwalter zu Recht den der Höhe nach unstreitigen Betrag von 2.477,22 DM rückständiger Winterbau-Umlage nebst Mehraufwendungen, Säumniszuschlägen und Verzugszinsen "als Masseschuld" gefordert hat.
Der Kläger ist Konkursverwalter der B T GmbH, über deren Vermögen am 26. November 1976 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Nach vergeblicher Aufforderung mit Schreiben vom 23. Februar 1977, eine Winterbau-Umlage für die Zeit vom 27. Mai bis zum 22. September 1976 mit 2.200,59 DM, Mehraufwendungen hierzu gemäß § 186a Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 6 der Winterbau-Umlageverordnung in Höhe von 220,06 DM, Säumniszuschläge gemäß § 369a Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Höhe von 47,80 DM und Verzugszinsen gemäß § 397a Abs 2 RVO von 8,77 DM - insgesamt 2.477,22 DM - als Masseschulden anzuerkennen, erließ die Beklagte über diesen Betrag den Leistungsbescheid vom 30. Juni 1977; den Widerspruch wies sie durch Bescheid vom 30. Mai 1978 zurück.
Der Kläger hat den von der Beklagten geforderten Betrag gezahlt, mit der Klage aber den Standpunkt vertreten, die Forderung sei nur eine Konkursforderung (§ 61 der Konkursordnung -KO), nicht aber eine Masseschuld nach § 59 KO. Mit § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung iVm § 179 AFG und § 28 Abs 3 RVO könne die Beklagte ihren Anspruch nicht als Masseforderung qualifizieren. Denn mit der Verweisung auf § 179 AFG verstoße die Winterbau-Umlageverordnung, die insoweit nicht durch die Ermächtigung des § 186a Abs 3 Satz 1 AFG gedeckt sei, gegen Art 80 des Grundgesetzes (GG). Auch auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Februar 1978 - 12 RK 38/76 - (SozR 4230 § 3 Nr 1) könne sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen, weil dieses Urteil das Konkursvorrecht nach § 61 Nr 1 KO in der bis zum 19. Juli 1974 geltenden Fassung, nicht aber die Frage der Masseschuld iS des § 59 KO betreffe.
Das Sozialgericht (SG) München hat die Klage abgewiesen, weil der Begriff der Einziehung in § 186a Abs 3 AFG auch die Beitreibung im Konkursverfahren umfasse (Urteil vom 29. Oktober 1979).
Die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. November 1980 aus den gleichen Gründen zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision wiederholt der Kläger sein Vorbringen, § 186a Abs 3 AFG ermächtige nicht dazu, durch Rechtsverordnung bestimmten Forderungen einen konkursrechtlich bevorzugten Rang einzuräumen. Diese Auffassung finde ihre Bestätigung im 4. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB 4), das die Umlagen ausdrücklich in den Katalog der Masseschulden aufnehme und somit die erforderliche Rechtsänderung vornehme.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts München vom
29. Oktober 1979 und des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 14. November 1980
sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1977
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
30. Mai 1978 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide hängt davon ab, ob § 186a Abs 3 AFG eine ausreichende Ermächtigung für § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung vom 13. Juli 1972 (BGBl I S 1201), insbesondere für die hierin enthaltene Verweisung auf § 179 Satz 1 AFG, enthält. Denn nur wenn das der Fall ist, haben die angefochtenen Bescheide eine ausreichende Rechtsgrundlage. Entgegen der Auffassung des Klägers trifft das zu.
Die angefochtenen Bescheide enthalten Forderungen aus dem Jahre 1976. Für diese Zeit galt - bereits ab 20. Juli 1974 - § 28 Abs 3 RVO in der Fassung des Gesetzes über Konkursausfallgeld (3. Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes) vom 17. Juli 1974 (BGBl I S 1481). Danach sind Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens Masseschulden im Sinne des § 59 Abs 1 Nr 3 KO. Insoweit unterscheidet sich hier die Rechtslage von der dem Urteil des BSG vom 2. Februar 1978 (SozR 4230 § 3 Nr 1) zugrunde liegenden, nach der Rückstände das Vorzugsrecht des § 61 Nr 1 der KO hatten (vgl § 28 Abs 3 RVO idF vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. Juli 1974) und somit nur rangbevorrechtigte Konkursforderungen waren.
Der Inhalt der Verweisung des § 3 Abs 2 der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für die produktive Winterbauförderung (Winterbau-Umlageverordnung) vom 13. Juli 1972 (BGBl I S 1201) hat somit durch das Gesetz vom 17. Juli 1974, nicht etwa durch einen Rechtsetzungsakt des Verordnungsgebers, die hier wesentliche Änderung erfahren. Die Revision meint allerdings, unbeschadet dieser Rechtsänderung sei der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) durch § 186a Abs 3 Satz 1 AFG nicht in einer dem Art 80 Abs 1 Satz 2 genügenden Weise ermächtigt gewesen, durch § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung auf § 179 Satz 1 AFG und damit auch auf die dort bezeichneten Vorschriften der RVO über die Beitreibung rückständiger Beiträge zu verweisen. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Mit dem 12. Senat des BSG (aaO) erachtet auch der erkennende Senat nach eigener Prüfung die Ermächtigung in § 186 Abs 3 Satz 1 als nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt iS von Art 80 Abs 1 Satz 2 GG für die in § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung über § 179 Satz 1 AFG enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der RVO über die Beitreibung rückständiger Beiträge. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang nur das in § 179 Satz 1 Nr 2 enthaltene Zitat des "§ 27" RVO. Diese die Sicherheit von Grundpfandrechten betreffende Bestimmung hat zu keiner Zeit Aussagen über die Beitreibung rückständiger Beiträge enthalten, so daß mit der Verweisung in § 179 Satz 1 Nr 2 AFG sinngemäß § 28 RVO gemeint war (vgl hierzu § 179 AFG idF des Gesetzes vom 25. Juni 1969 - BGBl I S 582 - mit Art II § 9 Nr 7 des Gesetzes vom 23. Dezember 1976 SGB Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - BGBl I S 3845 -).
Mit der vom 12. Senat angeführten einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung sich sowohl unmittelbar aus dem Gesetz als auch aus dem Sinnzusammenhang des Gesetzes ergeben kann, wobei zur Ermittlung des gesetzgeberischen Willens auf das ganze Gesetz, in das die Ermächtigungsnorm hineingestellt ist und darüber hinaus sogar auf andere Gesetze - selbst auf supranationale Gesetze (BVerfGE 29, 198, 210) - zurückgegriffen werden kann. Die Ermächtigung zur Regelung der "Einziehung" umfaßt auch nach der Auffassung des erkennenden Senats die Verfolgung des Anspruchs der Bundesanstalt auf die Winterbau-Umlage nebst Mehraufwendungen, Säumniszuschlägen und Verzugszinsen im Wege der Zwangsvollstreckung und im Konkurs. Denn die mit der Winterbauförderung als hoheitliche Aufgabe betraute Beklagte (vgl §§ 3 Abs 2 Nr 5, 74 AFG) ist gemäß § 186a Abs 1 AFG auch berechtigt und verpflichtet, die zur Aufbringung der Mittel für die produktive Winterbauförderung erforderliche Umlage zu erheben. Daß dabei Fälle der Zahlungsunfähigkeit auftreten und im Wege der Zwangsvollstreckung sowie des Konkurses zu erledigen sein würden, war vorauszusehen. Es bedurfte deshalb nicht einer besonderen Ermächtigung, auch diese Fälle durch Rechtsverordnung zu regeln; der Begriff "Erziehung" umfaßt vielmehr jede Form der Durchsetzung des Umlageanspruchs. Deshalb spricht ohne eine gesetzliche Einschränkung nichts dafür, daß dem BMA die Ermächtigung hätte versagt werden sollen, auch die Einziehung der Umlage nach § 186a AFG den Bestimmungen zu unterwerfen, die für die Einziehung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch die Einzugsstellen gelten, zumal § 28 Abs 3 RVO in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 1974 nicht etwa nur Beitragsrückstände, sondern allgemein Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens mit dem Rang der Masseschuld ausstattet.
Die Auffassung der Revision, das SGB 4 habe insofern neues Recht geschaffen, als es die Umlagen ausdrücklich in den Katalog der Masseschulden aufgenommen habe, geht fehl. Denn - wie bereits ausgeführt - war schon durch den hier anzuwendenden § 28 Abs 3 RVO bestimmt, daß Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens Masseschulden im Sinne des § 59 Abs 1 Nr 3 KO sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen