Leitsatz (amtlich)
Auf die wiederaufgelebte Witwenrente ist das Altersgeld, das eine Witwe nach GAL § 3 Abs 1 erhält, nicht anzurechnen (BVG § 44 Abs 5 S 1), wenn die Witwe das landwirtschaftliche Unternehmen nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes zunächst weitergeführt, dann abgegeben hat und unter den Voraussetzungen des GAL § 27 Abs 1 Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse weiterentrichtet hat.
Leitsatz (redaktionell)
Das Altersgeld, das einer Witwe gemäß GAL § 3 Abs 1 Buchst b gewährt wird, ist eine Leistung iS des BVG § 44 Abs 5 S 1.
Normenkette
BVG § 44 Abs. 5 S. 1 Fassung: 1966-12-28; GAL § 3 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1977 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente ohne Anrechnung des ihr von der Alterskasse der Rheinischen Landwirtschaft gewährten Altersgeldes für eine Witwe.
Die Klägerin war in erster Ehe mit dem 1945 gefallenen Landwirt Karl J... (J) und in zweiter Ehe mit dem am 30. November 1968 verstorbenen Wilhelm K... (K) verheiratet. Sie erhielt von der Alterskasse der Rheinischen Landwirtschaft von Mai 1969 bis Juni 1970 wegen Erwerbsunfähigkeit das vorzeitige Altersgeld. Von Juli 1973 an wird ihr - nach Vollendung des 60. Lebensjahres - als Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers das Altersgeld gewährt. Sie hatte mit ihrem zweiten Ehemann Pachthöfe bewirtschaftet. Den letzten landwirtschaftlichen Betrieb hatte sie nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes noch fünf Monate lang weitergeführt und dann aufgegeben. Ihr Ehemann hatte bis zu seinem Tode an die Landwirtschaftliche Alterskasse für 134 Kalendermonate Beiträge abgeführt. Die Klägerin selbst hatte anschließend für weitere 56 Monate Beiträge aufgewendet, und zwar zunächst als Unternehmerin und dann aufgrund einer Erklärung, daß sie die Beitragsentrichtung fortsetzen wolle (§ 27 Abs 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte -GAL-). Ab Januar 1969 bezieht die Klägerin außerdem nach ihrem ersten Ehemann die wiederaufgelebte Witwenversorgung. Auf die Hinterbliebenenrente rechnete die Versorgungsverwaltung das von der Landwirtschaftlichen Alterskasse geleistete Altersgeld in voller Höhe an (Neufeststellungsbescheide vom 23. Oktober 1973 und 10.Juli 1974, Widerspruchsbescheid vom 25. März 1975). Die Verwaltung hielt sich hierzu nach § 44 Abs 5 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) für verpflichtet.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat ihr stattgegeben. Das Berufungsgericht hat in dem Altersgeld nach dem GAL keine gem § 44 Abs 5 BVG anrechenbare Leistung gesehen. Auch leite sich der Anspruch auf dieses Altersgeld nicht, wie es § 44 Abs 5 BVG voraussetze, aus der neuen Ehe her. Diese soziale Leistung weise Eigentümlichkeiten auf, die es nicht zuließen, sie mit den Begriffen Versorgung, Rente oder Unterhalt schlechthin gleichzusetzen. Das Altersgeld habe nämlich nicht die Funktion des Unterhaltsersatzes. Vielmehr diene es neben ergänzender Bedarfsdeckung dem agrar- und strukturpolitischen Zweck, die Hofübergabe an junge Kräfte zu fördern. Schon die Bezeichnung "Altersgeld" verdeutliche, daß es auf einer durch die unternehmerische Mitarbeit der Frau während der Ehe und durch ihre eigenen Beiträge erdienten Berechtigung beruhe. Diese Berechtigung sei von einem Hinterbliebenenrentenanspruch zu unterscheiden. Die landwirtschaftliche Altershilfe stehe dem Empfänger oder der Empfängerin regelmäßig ungeschmälert zu; nach § 4 Abs 5 GAL könne nur das vorzeitige Altersgeld und dieses höchstens um ein Viertel gekürzt werden. Eine solche Kürzung komme überdies nur wegen bestimmter Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Beamtenversorgung, nicht aber im Hinblick auf Geldleistungen nach dem BVG in Betracht.
Der Beklagte hat die zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung der §§ 44 Abs 5 BVG, 3 Abs 1 und 3 GAL, 128 Abs 1, Satz 2, 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das Altersgeld der Witwe sei eine Rente ... iS des § 44 Abs 5 BVG. Trotz des agrarpolitischen Zwecks des GAL sei nicht zweifelhaft, daß das Altersgeld auch für den Lebensunterhalt der Klägerin bestimmt sei und einen Unterhaltsanspruch ersetzen solle. Die Bezeichnung "Altersgeld" habe sich angeboten, weil die Leistungen nach dem GAL überwiegend für die Zeit nach der Hofabgabe bestimmt seien. Bei Anwendung des § 44 Abs 5 BVG werde nicht das Altersgeld gekürzt, sondern die subsidiäre Witwenrente nach § 44 Abs 2 BVG. Der Anspruch auf das Altersgeld leite sich auch aus der neuen Ehe her. Dies sei nach dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom. 10. Juli 1972 (BVBl 1972, 87, Nr 49) lediglich dann nicht der Fall, wenn die Witwe für einen längeren Zeitraum als ihr verstorbener Ehemann selbst beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse oder für einen längeren Zeitraum landwirtschaftliche Unternehmerin gewesen sei. Obwohl die Mitarbeit der Ehefrau bei landwirtschaftlichen Betrieben üblich sei, handele es sich bei dem Altersgeld der Klägerin um einen nach dem zweiten Ehemann abgeleiteten Anspruch. Im übrigen sei die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin wäre auch ohne die zweite Ehe Unternehmerin gewesen und hätte einen eigenen Anspruch nach dem GAL erworben, verfahrensfehlerhaft. Die alsbaldige Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes nach dem Tode des zweiten Ehemannes lasse eher den Schluß zu, daß die Klägerin nicht gewillt bzw in der Lage gewesen sei, den Betrieb allein weiterzuführen. Aus den Versorgungsakten ergebe sich, daß die Klägerin in den Jahren 1969/70 vorübergehend erwerbsunfähig gewesen sei. Das Berufungsgericht habe aufklären müssen, ob die Klägerin die zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt habe und auch gesundheitlich hierzu in der Lage gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1977 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8. Oktober 1976 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß das Altersgeld nicht angerechnet werden dürfe. Der Anspruch auf Altersgeld sei nur entstanden, weil sie selbst nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes Beiträge an die Alterskasse gezahlt habe. Sie sei in den vom zweiten Ehemann und ihr geführten landwirtschaftlichen Betrieben als Ehefrau in gleicher Weise wie ihr Ehemann an der Erwerbstätigkeit beteiligt gewesen. Außerdem seien die Betriebe zu einem großen Teil mit dem Inventar und den finanziellen Mitteln ausgestattet worden, die sie aus ihrer ersten Ehe eingebracht habe.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
Das Altersgeld, das einer Witwe gem § 3 Abs 1 Buchst b GAL gewährt wird, ist eine Leistung iS des § 44 Abs 5 Satz 1 BVG. Dem Berufungsgericht, das eine andere Auffassung vertreten hat, ist in dieser Hinsicht nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf den Gebieten der Kriegsopferversorgung, der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Altershilfe und des Lastenausgleichsrechts beziehen sich die Begriffe "Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenansprüche" nicht jeweils nur auf eng begrenzte und voneinander deutlich zu unterscheidende Ansprüche des Familien-, Rentenversicherungs- oder Versorgungsrechts (BSGE 25, 262, 263 = SozR Nr 9 zu § 44 BVG; 38, 183, 185 - SozR 2200 § 1291 Nr 2; 39, 101, 102 = SozR 2200 § 1291 Nr 3). Vielmehr gelten als Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüche alle Ansprüche auf entsprechende Leistungen, die laufend oder einmal zu gewähren sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie auf gesetzlicher Vorschrift oder auf Vertrag beruhen, mit Ausnahme solcher Leistungen oder Leistungserhöhungen, die mit Rücksicht auf Kinder gewährt werden (so zutreffend Nr 5 der Verwaltungsvorschriften -VV- zu § 44 BVG). Der weitgespannte Bogen von Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüchen deutet in seiner Offenheit und Weite darauf hin, daß es auf die wirtschaftliche Funktion der Ansprüche ankommt. Entscheidend ist, ob die Leistungen für den Lebensunterhalt bestimmt sind.
Das Altersgeld verfolgt neben dem agrarpolitischen Ziel, die Hofabgabe an jüngere Kräfte zu fördern, den sozialpolitischen Zweck, den zusätzlichen Bargeldbedarf zu decken (BSGE 37, 70, 72 = SozR Nr 2 zu § 3 GAL 1965; SozR Nr 2 zu § 4 GAL 1965; Noell, Kommentar zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte, 2. Ausgabe, 1973, Teil B,S30/7, 9. Aufl, 1978, S 87 und 97; Begründung zum Referenten-Entwurf - 1956 - GAL, Allgemeiner Teil, S 9, abgedruckt bei Noell aaO 1973, Teil H I - 5). Bei den Leistungen aus den Hofübergabeverträgen handelte es sich in der Regel lediglich um Naturalleistungen und ein geringes Taschengeld. Das Altersgeld war für den zusätzlichen Bargeldbedarf der alten Landwirte bestimmt, der aufgrund der allgemeinen ländlichen Strukturwandlung im modernen Sozialstaat gestiegen war und den der Hofübernehmer oft nicht aufbringen konnte. Dieser Betrag hat sich im Laufe der Zeit immer mehr erhöht und stellt heute einen wesentlichen Teil der Alterssicherung dar (Noell aaO 1978, S 97). Das Altersgeld ist also auch dazu bestimmt, den Lebensunterhalt der Witwe zumindest mitzubestreiten.
Es besteht in der Rechtsprechung und Literatur kein Zweifel darüber, daß es sich bei dem Altersgeld trotz seiner Unterschiede und Eigenarten im Vergleich zu den Leistungen der anderen Gebiete der Sozialversicherung um eine echte Rente handelt. Die gesetzliche landwirtschaftliche Altershilfe ist Sozialversicherung (BSGE 33, 109, 111 = SozR Nr 1 zu § 4 GAL 1965; SozR Nr 2 zu § 4 GAL; BSGE 37, 73; Noell aaO 1973, Teil B, 32 ff; Schieckel, Kommentar zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte, 5. Aufl, 1979, § 1 Anm 2). Dafür ist kennzeichnend, daß die Leistungen nach dem GAL wie die Leistungen der übrigen Sozialversicherung nicht nur an die Beitragszahlung und bestimmte Ereignisse, zB den Eintritt des Todes oder das Erreichen einer Altersgrenze, sondern auch ah bestimmte persönliche Verhältnisse geknüpft sind (BSG SozR Nr 2 zu § 4 GAL 1965 ). Es werden insbesondere soziale Gesichtspunkte berücksichtigt. Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird mit einem sozialen Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft verbunden.
Darin ist eine für die Sozialversicherung typische Erscheinung gegeben.
Ausdrückliche Vorschriften stehen dieser Auffassung nicht entgegen. In § 9 Abs 2 Nr 5 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG und in § 1 Abs 3 Nr 4 DV zu § 33 BVG wird zwar das Altersgeld nach dem GAL ausdrücklich genannt. Die Vorschriften lauten:
"Zu den Einnahmen aus früherer unselbständiger oder selbständiger Tätigkeit gehören insbesondere das Altersgeld und die Landabgaberente nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte".
Aus dieser Sonderbestimmung kann nicht geschlossen werden, daß das Altersgeld eine Leistung darstelle, auf die sich § 44 Abs 5 BVG nicht beziehe. Diese angeführten Verordnungen sollen die gleiche Behandlung der Kriegsopfer durch die Verwaltung bei der Ermittlung des derzeitigen Bruttoeinkommens sicherstellen. Sie erläutern deshalb ua den Begriff "Einnahmen", wie aus dem Wort "insbesondere" ersichtlich ist. Angesichts der Eigenart des Altersgeldes nach dem GAL war es zweckmäßig, diese Leistung in den Durchführungsverordnungen besonders als derzeitiges Bruttoeinkommen aufzuführen, um Meinungsverschiedenheiten bei der Anrechnung als Einkommen zu vermeiden. Diese Notwendigkeit ergab sich jedoch nicht für § 44 Abs 5 BVG. Der Gesetzgeber hat diesen Norminhalt, wie ausgeführt, weit gefaßt. Er brauchte deshalb nicht zu befürchten, daß ernsthafte Schwierigkeiten entstehen würden bei der Frage, welche Leistungen hierunter fallen.
Das Altersgeld der Klägerin kann jedoch gleichwohl nicht auf die wiederaufgelebte Witwenrente angerechnet werden, weil es sich nicht "aus der neuen Ehe herleitet". Das Herleiten iS des § 44 Abs 5 Satz 1 BVG bedeutet, daß die Berechtigte "als Witwe" einen Anspruch hat. Er muß sich um eine abgeleitete Rechtsposition handeln. Zu dieser auf das zweite eherechtliche Verhältnis zurückzuführenden Berichtigung wird die wiederaufgelebte Witwenrente in Beziehung gebracht. Diese wiederaufgelebte Leistung ist dazu bestimmt, nach Auflösung der zweiten Ehe als subsidiäre Leistung eine Versorgungslücke zu schließen (BSGE 25, 264; 30, 220, 222 = SozR Nr 29 zu § 1291 RVO; BSGE 39, 101; SozB 2200 § 1291 Nr 8; SozB 3100 § 44 Nr 3 und 10; BSGE 42, 110, 111 = SozR 2200 § 1291 Nr 10). Eine nochmals verheiratete Witwe soll nach dem Ende ihrer zweiten Ehe im Ergebnis materiell so gestellt werden, als wenn sie sich nicht zum zweiten Male verheiratet hätte. Das Wiederaufleben der Versorgung aus erster Ehe darf die Witwe wirtschaftlich nicht besser, die Anrechnung von Ansprüchen aus zweiter Ehe sie aber auch nicht schlechter stellen, als es dem Status vor der Wiederheirat entspricht. Im Verfolg dieser Regel leiten sich Ansprüche nur dann "aus der neuen Ehe" her, wenn sie dazu bestimmt sind, den Unterhalt, den die Witwe bei Fortbestehen der zweiten Ehe von ihrem Ehemann erhalten hätte, zu ersetzen (BSGE 25, 263; SozR Nr 20 und 23 zu § 1291 RVO; BSGE 34, 103, 104 f = SozR Nr 17 zu § 44 BVG; BSGE 38, 185; 39, 102). Dagegen fallen Ansprüche, die auf eigenen Geldleistungen oder sonstigen eigenen Vermögensentäußerungen der Ehefrau beruhen, nicht unter § 44 Abs 5 Satz 1 BVG. Solche Ansprüche beeinträchtigen die Hinterbliebenenversorgung nicht. Dieser Tatbestand ist hier gegeben, weil die Witwe das landwirtschaftliche Unternehmen, das sie nach dem Tode ihres Ehemannes weitergeführt hatte, abgegeben und alsdann unter den Voraussetzungen des § 27 Abs 1 GAL Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse weiterentrichtet hat.
Im Hinblick auf die hier zu beurteilende Gegebenheit hat der BMA in seinen Rundschreiben vom 28. März 1967 und 10. Juli 1972 (BVBl 1967, 59, Nr 35 und 1972, 87, Nr 49; vgl auch den Runderlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 3. August 1972 - IIb 2 - 4226 - MBl. NW. Gliederungs-Nr 8300, S 1483) ausgeführt, eine Anrechnung des Altersgeldes auf die wiederaufgelebte Witwenrente sei lediglich dann auszuschließen, wenn die Witwe für einen längeren Zeitraum als ihr verstorbener Ehemann zur landwirtschaftlichen Alterskasse beitragspflichtig gewesen sei. In diesem Fall leite sich der Anspruch auf Altersgeld nicht mehr wesentlich aus der neuen Ehe her, sondern aus der eigenen Unternehmensführung. Diese Einschränkung, die maßgeblich auf die Tatsache und vielleicht auch auf die Dauer der Unternehmerstellung der Frau abhebt, erscheint dem erkennenden Senat als zu eng. Sie ist weder durch § 44 Abs 5 BVG noch durch die Regelungen des GAL vorgegeben. Ansprüche, welche sich die Witwe eines Landwirts durch Einsatz von Mitteln aus eigener Erwerbstätigkeit oder aus eigenem Vermögen verschafft hat, werden von der "Anrechnung" auf die wiederaufgelebte Versorgung nicht erfaßt. Außerdem geht die Auffassung des BMA insoweit über den Rahmen der gesetzlichen Erfordernisse hinaus, als er eine längere Unternehmensleitung durch die Witwe verlangt. Diese ist jedoch nach § 27 GAL zum Eintritt in die Altersgeldberechtigung nach dem GAL und deren Ausbau befugt, ohne daß dafür ihre Unternehmereigenschaft verlangt wird.
Andererseits sind die Mitarbeit der Ehefrau im Produktionsbetrieb des Ehemannes oder im gemeinsamen Betrieb im Gesetz nicht als rechtserheblich dafür angeführt, daß sie den Anspruch auf das Altersgeld nach dem GAL erwirbt. Infolgedessen können diese Umstände auch nicht das Merkmal der Anspruchsableitung aus der neuen Ehe erfüllen. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß die Beitragszahlungen des zweiten Ehemannes von 134 Monaten für die Bewilligung des Altersgeldes nicht ausreichten. Er hätte für mindestens 180 Monate Beiträge zahlen müssen (§3 Abs 3 Satz 1 GAL). Der Anspruch auf Altersgeld konnte erst dadurch entstehen, daß die Klägerin selbst Pflichtbeiträge gem § 27 GAL geleistet hat. Dadurch wurde die Wartezeit gem § 3 Abs 3 GAL erfüllt. Freilich ist nicht zu übersehen, daß das auf diese Weise erworbene Beitragsguthaben - nimmt man den Gesetzestext streng wörtlich - dem verstorbenen Unternehmer und nicht der Witwe zugerechnet wird. Beiträge, welche die Witwe nach seinem Tode entrichtet hat, werden "auf die 180 Kalendermonate ... angerechnet", die er für den Anspruchserwerb mit Beiträgen zu belegen hatte (§ 3 Abs 2 GAL). Die - die "technische" Seite der Beitragsvoraussetzungen betreffende - Gesetzesformulierung darf indessen nicht überbewertet werden, wenn darüber zu befinden ist, aus welcher Quelle der Anspruch stammt, der den Versorgungsanspruch nach § 44 BVG mindernd beeinflussen kann. Hierfür ist die Rechtswirkung des § 27 GAL ausschlaggebend.
Mit der dort vorgesehenen Erklärung, zusätzlich Beiträge aufwenden zu wollen, ist die Klägerin in die Pflichtversicherung eingetreten. Es besteht eine gesetzliche Beitragspflicht nicht etwa nur bis zum Erreichen der Mindestbeitragszeit von 180 Monaten, sondern bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn der Zahlung des vorzeitigen Altersgeldes oder der Landabgaberente (§ 27 Abs 1 Satz 5 GAL). Die Pflichtbeiträge der Weiterversicherten haben die gleiche Rechtswirksamkeit und die gleichen Rechtsfolgen wie die Pflichtbeiträge der landwirtschaftlichen Unternehmer. Sie gelten in vollem Umfang für den Erwerb von Ansprüchen auf Altersgeld oder vorzeitiges Altersgeld (Noell aaO 1978, S. 281). Die pflichtversicherte Witwe erkauft sich gleichsam die Anwartschaft des verstorbenen Ehegatten. Daß aus dieser Anwartschaft ein Rechtsanspruch erwachsen ist, hat sie durch ihre Zahlungen - nach dem Tode des Unternehmers - erreicht. Daraus folgt, daß sie nicht einen abgeleiteten, sondern einen originären Anspruch auf Altersgeld nach § 3 Abs 1 Buchst b GAL besitzt (so auch Noell aaO 1978, 147). - Diese Rechtsfolge mag durch die typischerweise bei den Landleuten anzutreffende Sachlage motiviert sein.
Die Bestimmungen des GAL über den Begriff des Unternehmers, die Beitragspflicht und die Altersgeldberechtigung stellen es zwar grundsätzlich nur auf einen Ehegatten ab (§ 1 Abs 2, § 2, 4 Abs 1 Satz 1, § 14 Abs 1 und 6, § 17 Abs 1 GAL). Diese "formale" Regelung im GAL darf indessen die natürliche Betrachtung der wirklichen Verhältnisse nicht versperren. Der Frau fällt im bäuerlichen Familienbetrieb eine unmittelbare ökonomische Aufgabe zu. Sie ist am Erwerb des Familieneinkommens durch die in der Betriebsgemeinschaft ausgeübte Tätigkeit direkt beteiligt. Die Familiengemeinschaft ist zugleich Betriebsgemeinschaft (vgl Noell aaO 1978, S. 157). Die eheliche Produktionsgemeinschaft, in der Haus und Hof die Stätte gemeinsamer Ertragsarbeit sind, unterscheidet sich unübersehbar von den übrigen Ehegestaltungen. Soweit die Ehefrau in Handwerk und Handel im Betrieb des Mannes mitarbeitet, wird sie nach neuerer Praxis, schon aus steuerlichen Gründen, in der Regel - anders als in der Landwirtschaft - als Mitunternehmerin oder als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin bei entsprechender rechtlicher Gestaltung tätig. In den übrigen Ehen sind häufig beide Ehegatten abhängig beschäftigt, selbst wenn Kinder und ein größerer Haushalt zu versorgen sind. Im Gegensatz zur Familie des Landwirts hilft die Ehefrau nicht typischerweise durch ihre Haushaltsführung eine Witwenrente aus der Sozialversicherung zu begründen. Das GAL behandelt die Eheleute in wesentlichen Beziehungen als Einheit (BSGE 35, 115, 117 = SozR Nr 1 zu § 41 GAL 1965; BSGE 42, 149, 152 - SozR 5850 § 9 Nr 1). Aus dem Einheitsgedanken heraus ist nur ein Ehegatte Unternehmer und beitragspflichtig (§ 14 Abs 6 GAL). Die Voraussetzung für die landwirtschaftliche Altershilfe, daß das Unternehmen abgegeben sein muß, gilt für beide Ehegatten insgesamt. Eine Abgabe des Unternehmens an den Ehegatten ist keine wirksame Abgabe nach § 2 Abs 1 Buchst c (§ 1 Abs 4 GAL). Betreiben die Ehegatten gemeinsam ein landwirtschaftliches Unternehmen, so müssen beide das Unternehmen abgegeben haben (§ 2 Abs 6). Das Altersgeld steht nur einem der Ehegatten zu, nämlich dem Unternehmer (BSG SozR 3100 § 30 Nrn 15, 27). Es erhöht sich um den Ehegattenzuschlag (§ 4 Abs 1 GAL). Die Ehegatten der landwirtschaftlichen Unternehmer zählen nicht zu den mithelfenden Familienangehörigen (S 38 Abs 2 GAL). Von den Regelungen, welche die Familienangehörigen betreffen, hebt sich die gesonderte Behandlung des Ehegatten grundlegend ab (dazu ua Bericht des Abgeordneten Weber zu BT-Drucks IV/1092, zu Art 1 Nr 1). Der Ehegatte des landwirtschaftlichen Unternehmers ist als Witwer oder Witwe dem Unternehmer weitgehend gleichgestellt (Begründung zum Referenten-Entwurf - 1956 - GAL zu §§ 4 bis 6, 12, abgedruckt bei Noell aaO, 2. Ausg, Teil H - I - 5). Die Ehefrau tritt für die Sicherung durch die landwirtschaftliche Altershilfe solange völlig in den Hintergrund, wie der Ehemann lebt. Nachteilige Folgen, welche dem Einheitsgedanken entspringen und die Regelung der Rechtsbeziehungen auf einen Ehegatten konzentrieren, werden gerade durch die Befugnis zur Beitragsfortsetzung nach § 27 GAL ausgeglichen. Damit soll die Witwe die Möglichkeit haben, eine eigene Altersvorsorge zu schaffen. Das Altersgeld ersetzt danach nicht den Unterhaltsanspruch gegen den verstorbenen Ehemann. Es stellt vielmehr eine zusätzliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dar. Diese Sicherung soll der Witwe jedenfalls dann zugute kommen, wenn sie während ihrer Ehe mit dem Landwirt im Betrieb ... mitgearbeitet hat, eine Zeitlang sogar selbst landwirtschaftliche Unternehmerin war und den Hof abgegeben hat.
Der Anspruch auf Altersgeld stammt nicht etwa insoweit aus der zweiten Ehe, als die Mittel für die Beitragsleistungen des Ehemannes, zumindest zur Hälfte, auf seine Tätigkeit in der Landwirtschaft zurückzuführen sind. Das Altersgeld kann nicht in einen Beitragsanteil des Mannes und einen solchen der Frau aufgetrennt werden. Zwar sieht das GAL uU eine Aufteilung des Altersgeldes vor (§ 4 Abs 5, 7, 8). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um eine Aufspaltung des Altersgeldes, sondern seine Berücksichtigung bei der wiederaufgelebten Witwenrente. Daß insoweit eine in Teile zerlegende Betrachtung "des" Altersgeldes angebracht sei, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Beitrage wirken sich nicht auf die Höhe des Altersgeldes aus (§ 4 GAL). So wie die Witwe in die Position des Unternehmers und Beitragspflichtigen einrückt, so verselbständigt sich auch ihre Anspruchsberechtigung ... Der selbstbegründete Anspruch rührt nicht von der ... zweiten Ehe her. Seinethalben darf die wiederaufgelebte ... Witwenversorgung ... nicht gem § 44 Abs 5 BVG geschmälert werden (BSGE 39, 103 f).
Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden, da diese spruchreif ist. Es kommt aus den oben darlegten Gründen nicht darauf an, in welchem Umfang konkret die Klägerin in dem landwirtschaftlichen Betrieb tätig gewesen ist und ob sie ohne die zweite Ehe auch einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt hätte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1657714 |
Breith. 1980, 313 |