Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 AFG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verlängerung der Dreijahresfrist nach § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 AFG (Fassung: 23.7.1979) setzt voraus, daß ein Kind im Alter bis zu höchstens drei Jahren betreut worden ist und die begünstigte Betreuungszeit sich mit der Dreijahresfrist des § 46 Abs 1 S 1 AFG vollständig oder teilweise deckt oder ihr unmittelbar vorausgeht.

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 AFG (Fassung: 1979-07-23) verstößt nicht gegen Art 6 Abs 1 und 4 GG.

 

Normenkette

AFG § 46 Abs 1 S 2 Nr 1 Fassung: 1979-07-23; AFG § 46 Abs 1 S 1 Fassung: 1979-07-23; GG Art 6 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 6 Abs 4 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 01.07.1981; Aktenzeichen S 3 Ar 4/81)

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 05.05.1981; Aktenzeichen L 3 Ar 160/81)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistung zur Förderung ihrer beruflichen Bildung.

Die 1946 geborene Klägerin ist Mutter von drei in den Jahren 1965, 1966 und 1968 geborenen Kindern. Von April 1970 bis März 1973 durchlief sie erfolgreich eine Ausbildung als Krankenschwester. Anschließend war sie bis Dezember 1974 und erneut von Oktober 1979 bis September 1980 beitragspflichtig beschäftigt. Vom 2. Oktober 1980 bis 30. September 1981 besuchte sie einen Lehrgang, um sich zur leitenden Krankenschwester zu qualifizieren.

Den Antrag der Klägerin, die Teilnahme an dem Lehrgang zu fördern, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 2. Oktober 1980; Widerspruchsbescheid vom 20. November 1980). Das Sozialgericht (SG), das der Klägerin gegen die Versäumung der Klagfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat (Beschluß vom 4. März 1981), hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 1. Juli 1981). Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 5. November 1981). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei statthaft. Ebenso wie bei dem Unterhaltsgeld (Uhg) handele es sich bei den Studiengebühren um wiederkehrende Leistungen, deren Geltendmachung im Berufungsrechtszug § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entgegenstehe, da diese in neun monatlich fälligen Teilbeträgen zu entrichten seien. Die Berufung sei jedoch unbegründet. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 46 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme habe sie nicht mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld (Alg) aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Zwar verlängere sich die Rahmenfrist von drei Jahren nach § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG um Zeiten, in denen ein Antragsteller wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, bis zur Höchstgrenze von drei Jahren je Kind. Dies habe jedoch nicht zur Folge, daß die Rahmenfrist sich generell für jedes Kind um drei Jahre verlängere; die Ausweitung der Rahmenfrist trete vielmehr nur ein, wenn die Geburt nicht länger als drei Jahre vor dem Beginn der jeweiligen Rahmenfrist zurückliege. Das folge aus der Wortfassung und der Entstehungsgeschichte. Mit Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) stehe die Regelung im Einklang. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 46 Abs 2 AFG berufen, weil sie die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 AFG nicht erfülle. Die Teilnahme an dem Lehrgang sei insbesondere nicht notwendig gewesen, um die Klägerin aus bestehender Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder den Eintritt drohender Arbeitslosigkeit zu verhindern. Sie habe vor dem Lehrgang eine ihrer Ausbildung entsprechende Stellung innegehabt und diese aus eigenem Antrieb aufgegeben; als examinierte Krankenschwester sei sie auch ohne Schwierigkeiten ohne Fortbildung zu vermitteln gewesen.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG. Sie ist der Ansicht, daß sich die Rahmenfrist für jedes betreute eigene Kind bis zu drei Jahren verlängere. Die Vorschrift habe Leistungsempfängern entgegenkommen sollen, die ihre beitragspflichtige Beschäftigung unterbrochen hätten, um ein Kind zu betreuen. Die Einschränkung des LSG, daß die beitragspflichtige Beschäftigung durch ein innerhalb der Dreijahresfrist geborenes Kind unterbrochen sein müsse, lasse sich weder aus dem Gesetz noch aus der Entstehungsgeschichte entnehmen und führe zudem zu Zufallsergebnissen. So komme zB eine Mutter mit zwei 1972 und Ende 1973 geborenen Kindern, wenn die Rahmenfrist an sich am 1. Januar 1977 beginne, nicht in den Genuß der Vergünstigung; wäre aber das zweite Kind erst Anfang 1974 geboren, greife § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG ein.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des SG und LSG aufzuheben und die Beklagte

unter Aufhebung der ergangenen Bescheide dem Grunde

nach zu verurteilen, Unterhaltsgeld und Studiengebühren

für den Lehrgang zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Allein die Verbindung "Geburt und Betreuung" im Gesetz verdeutliche die Richtigkeit der vorgenommenen Auslegung. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, habe die streitige Vorschrift verhindern sollen, daß sich eine im Interesse des Kleinkindes notwendige Unterbrechung der Berufstätigkeit im Anschluß an die Geburt nachteilig auf die Anspruchsberechtigung auswirke. Die einschränkende Formulierung sei im Hinblick auf die Finanzmittelknappheit bewußt gewählt worden; weitergehende Anträge hätten keinen Erfolg gehabt (vgl BT-Drucks 8/2914 S 36). Fristenregelungen hätten im übrigen immer Grenzfälle zur Folge.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht für die Teilnahme an dem Fortbildungslehrgang weder Uhg noch Übernahme der monatlich zu zahlenden Studiengebühren zu.

Uhg und die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, werden nach § 46 Abs 1 Satz 1 AFG in der seit dem 1. Januar 1976 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) Antragstellern gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme, dh hier in der Zeit vom 2. Oktober 1977 bis 1. Oktober 1980, mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Alhi bezogen haben. Diese Voraussetzungen erfüllt, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die Klägerin nicht.

Nach dem durch Art 1 Nr 13 des 5. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) eingefügten neuen Satz 2 Nr 1 des § 46 Abs 1 AFG verlängert sich die Frist von drei Jahren um die Zeiten, in denen ein Antragsteller wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, jedoch höchstens um drei Jahre für jedes Kind. Durch Art 1 § 1 Nr 12 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) ist in § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG das Wort "drei" durch das Wort "vier" ersetzt worden. Diese Vorschrift ist am 1. Januar 1982, dh nach Abschluß des Lehrgangs, in Kraft getreten; Rückwirkung ist ihr nicht beigelegt worden. Die Verlängerung der Betreuungshöchstdauer findet daher auf die Bildungsmaßnahme der Klägerin noch keine Anwendung. In der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung führt § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG, wie das LSG zutreffend erkannt hat, im vorliegenden Falle nicht zu der Verlängerung der Rahmenfrist.

Der Zweck des mißverständlich formulierten § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG besteht darin, unter Beibehaltung des in § 46 Abs 1 Satz 1 AFG niedergelegten Grundsatzes, daß die berufliche Fortbildung und Umschulung nur bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen individuell gefördert wird, Arbeitnehmern die Anrechenbarkeit zurückgelegter Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung über die Zeit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen Geburt und Betreuung eines Kindes zu erhalten; der Arbeitnehmer soll nach der Unterbrechung zur Förderung seiner beruflichen Fortbildung und Umschulung auf die Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung vor der Unterbrechung zurückgreifen können, als ob die Unterbrechung, soweit das Gesetz sie begünstigt, nicht eingetreten wäre.

Dieser Zweck ergibt sich aus der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Zum Entwurf des 5. AFG-ÄndG hatte der Bundesrat empfohlen, nach dem Maßstab des § 44 Abs 2 AFG notwendige berufliche Bildungsmaßnahmen auch solcher Antragsteller zu fördern, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, wenn sie wegen häuslicher Bindungen, die in der Betreuung aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Personen bestanden, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unterbrechen mußten (BT-Drucks 8/2624 S 37 f). Eine solche Regelung hätte zur Folge gehabt, daß in diesen Fällen jegliche Unterbrechung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung wegen häuslicher Bindungen der zweijährigen Ausübung einer solchen Beschäftigung innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme gleichgestanden hätte; der Sache nach hätte dies einen Verzicht auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bedeutet. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung (vgl BT-Drucks 8/2624 S 43) lehnte der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung diesen von der CDU/CSU-Fraktion übernommenen Vorschlag ab, wollte jedoch entsprechend einem Antrag der Fraktionen von SPD und FDP durch die Verlängerung der Rahmenfrist der besonderen Situation der Arbeitnehmer Rechnung tragen, die wegen Geburt und Betreuung eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben. Hierdurch sollte, wie im Bericht des Bundestagsausschusses ausgeführt worden ist, vermieden werden, daß sich die Unterbrechung der Berufstätigkeit nachteilig auf die Anspruchsberechtigung des Elternteils auswirkt, der die Betreuung des Kindes übernimmt (BT-Drucks 8/2914 S 36 und 42).

Das Ausmaß der begünstigten Unterbrechung ist, wie aus der Verknüpfung von Geburt und Betreuung eines Kindes und der Höchstgrenze von drei (künftig: vier) Jahren folgt, begrenzt; diese Begrenzung hat zur Folge, daß die Betreuung von Kindern, die älter als drei (künftig: vier) Jahre sind, die Vergünstigung nicht auslöst (Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 46 Anm 3, August 1982). Mit der Vorschrift sollte nur eine im Interesse des Kleinkindes notwendige Unterbrechung der Berufstätigkeit im Anschluß an die Geburt begünstigt werden; die weitergehenden Anträge, die ua die Betreuung aller aufsichtsbedürftigen Kinder unabhängig von ihrem Alter begünstigen sollten, hatten mit Rücksicht auf die knappen Finanzmittel der Solidargemeinschaft - wie erwähnt - keinen Erfolg (vgl BT-Drucks 8/2914 S 36).

Nicht jede Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des dritten (künftig: vierten) Lebensjahres löst die Verlängerung der Dreijahresfrist aus; erforderlich ist zusätzlich, daß die Zeit, in der der Antragsteller wegen der Geburt und Betreuung eines Kindes keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, mit der dreijährigen Rahmenfrist des § 46 Abs 1 Satz 1 AFG im zeitlichen Zusammenhang steht. Sollte durch die Verlängerung der Rahmenfrist nämlich lediglich erreicht werden, daß der Arbeitnehmer nach der Unterbrechung auf die Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung vor der Unterbrechung zurückgreifen kann, als ob die Unterbrechung nicht eingetreten wäre, teilt die Anspruchsberechtigung nach der Unterbrechung bzw nach Ablauf der Zeit, für die das Gesetz sie begünstigt, das Schicksal aller von Rahmenfristen abhängigen Anwartschaften, daß sie nämlich mit der Zeit verfällt. Hieraus folgt, daß eine Verlängerung der Rahmenfrist nicht mehr in Betracht kommt, wenn sich die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Kinderbetreuung, soweit sie das Gesetz als begünstigungsfähig ansieht, auf die Anrechenbarkeit der vor der Unterbrechung zurückgelegten Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung nicht mehr auswirken kann. Da die normale Rahmenfrist drei Jahre beträgt, ist dies immer der Fall, wenn nach der Unterbrechung, dh nach der Wiederaufnahme der Arbeit bzw nach der Vollendung des dritten (künftig: vierten) Lebensjahres des zuletzt betreuten Kindes drei Jahre vergangen sind oder, anders ausgedrückt, wenn der Anfang der nicht verlängerten Rahmenfrist später als drei Jahre nach der Unterbrechung liegt. Somit verbietet der Zweck des mißverständlich formulierten § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG eine Verlängerung der Rahmenfrist nur deshalb, weil der Arbeitnehmer früher einmal wegen der Geburt und Betreuung eines oder mehrerer Kleinkinder seine Erwerbstätigkeit unterbrochen hat, wie die Revision es erstrebt; vielmehr löst die Kinderbetreuung die Verlängerung der Rahmenfrist nur aus, wenn die begünstigte Unterbrechungszeit mit der normalen Rahmenfrist des § 46 Abs 1 Satz 1 AFG in zeitlichem Zusammenhang steht, dh sich mit ihr vollständig oder teilweise deckt oder ihr unmittelbar vorausgeht. Die sich aus den Fristen möglicherweise ergebenden Grenzfälle sind hinzunehmen.

Hieraus ergibt sich zwangsläufig, daß im Falle der Klägerin eine Verlängerung der Rahmenfrist nicht in Betracht kommt. Ihr jüngstes Kind hat 1971 das dritte Lebensjahr vollendet. Die 1975 eingetretene Unterbrechung der 1970 aufgenommenen Beschäftigung ist daher keine begünstigte Unterbrechung. Sollte die Klägerin in der Zeit von 1965 bis zum Beginn ihrer Ausbildung als Krankenschwester im April 1970 wegen der Geburt und Betreuung der drei Kinder, von denen damals jeweils mindestens eines unter drei Jahre alt war, ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, kann sich die Klägerin hierauf nicht mehr berufen; denn da die Rahmenfrist 1977 beginnt, eine etwa begünstigte Unterbrechung aber schon im April 1970 beendet worden ist, greift § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG nicht ein; es bedarf daher keiner Klärung, ob und wann die Klägerin vor 1970 gearbeitet hat.

Gegen die Regelung des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der aus Art 6 Abs 1 GG folgende Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie verpflichtet den Staat zwar grundsätzlich, die Familie auch im materiell-rechtlichen Bereich zu fördern (BVerfGE 40, 121, 132; 55, 114, 126 f). Ebenso hat der aus Art 6 Abs 4 GG folgende bindende Auftrag an den Gesetzgeber, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen, auch das Ziel und die Tendenz, den Gesetzgeber zu verpflichten, wirtschaftliche Belastungen der Mütter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen (BVerfG NJW 1982, 1863). Doch gehen die aus Art 6 Abs 1 und 4 GG folgenden Pflichten nicht so weit, daß der Staat gehalten wäre, jede Belastung auszugleichen (BVerfG aaO). Grundsätzlich gilt danach, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit selbst bestimmen kann, auf welche Weise er den besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen und den Schutz und die Förderung der Mutter durch die Gemeinschaft gewährleisten will. Die Vergünstigung des § 46 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG ist zwar nicht auf Mütter beschränkt; indem sie jedoch in der Praxis vornehmlich Mütter betrifft, hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift auch einen Teil seines Auftrages nach Art 6 Abs 4 GG erfüllt. Auch die Ausgestaltung des Sozialstaats obliegt im wesentlichen dem Gesetzgeber (BVerfGE 1, 97, 105; 8, 274, 329; 36, 73, 84); seine Entscheidungsfreiheit ist lediglich insoweit eingeschränkt, als die Regelung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit genügen muß (BVerfGE 40, 121, 133 f; BSGE 43, 128, 133 = SozR 4100 § 100 Nr 1). Die Gesamtregelung genügt aber schon deshalb den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit, weil § 46 Abs 2 AFG in der hier anwendbaren Fassung des 5. AFG-ÄndG für sozial besonders gelagerte Fälle eine volle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung auch ohne Erfüllung der sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorsah.

Allerdings lassen sich im Falle der Klägerin nach den zutreffenden und von der Revision nicht infrage gestellten Ausführungen des LSG Ansprüche auf Förderungsleistungen aus § 46 Abs 2 AFG nicht stützen, weil die Teilnahme an dem Lehrgang für die Klägerin nicht aus den in § 44 Abs 2 AFG genannten Gründen notwendig war.

Die Revision der Klägerin bleibt daher ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1658261

BSGE, 121

Breith. 1983, 634

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