Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. November 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides.
Der 1937 geborene Kläger hat seinen Wohnsitz in der Republik Slowenien. Im Mai 1945 wurde er durch liegengebliebenes Kriegsmaterial verletzt. Auf seinen Antrag vom Januar 1988, in dem er ua angab, als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland Versorgungsleistungen zu beziehen, erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 1990 ua den Verlust eines Unterarmes als Schädigungsfolge an und gewährte dem Kläger als „Kannleistung” gemäß § 64e Abs 1 bzw § 64 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH.
Ohne den Kläger vorher anzuhören, nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück (Bescheid vom 11. Januar 1993; Widerspruchsbescheid vom 17. August 1993).
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 7. Oktober 1994). Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 7. November 1996). Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger beziehe bereits eine Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat. Eine gleichzeitige Versorgung durch den deutschen Staat sei nach § 7 Abs 2 BVG zwar ausgeschlossen. Gleichwohl sei die Rücknahme der Leistungsbewilligung mit § 45 des Zehnten Buchs – Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht zu vereinbaren. Der Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt. Er habe versäumt, von dem ihm in § 45 Abs 1 SGB X eingeräumten Ermessen ordnungsgemäß Gebrauch zu machen und die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 45 SGB X und macht geltend: Das LSG habe nicht die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beachtet. Danach müsse die Verwaltung im Recht der Kriegsopferversorgung eine rechtswidrige Leistungsbewilligung in der Regel nach § 45 Abs 1 SGB X zurücknehmen, wenn – wie hier – das öffentliche Interesse an der Rücknahme überwiege. Denn dann blieben keine Gesichtspunkte mehr übrig, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung berücksichtigt werden könnten, das Ermessen sei vielmehr auf Null geschrumpft. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liege hier auch ein solcher Regelfall vor. Im übrigen habe die Verwaltung ausreichende Ermessenserwägungen angestellt. Allerdings seien weitere Ermittlungen, insbesondere die Feststellung des aktuellen Einkommens des Klägers, nicht erforderlich gewesen. Die schwierigen persönlichen Verhältnisse, das Lebensalter, die Behinderung und das geringe Einkommen des Klägers in seinem Heimatstaat habe man als wahr unterstellt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. November 1996 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können.
Gegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit der durch Bescheid vom 11. Januar 1993 verfügten Rücknahme des Bescheides vom 17. Dezember 1990 für die Zeit nach seinem Erlaß, also für die Zukunft, hier ab 1. Februar 1993. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Überprüfung ist allein § 45 SGB X. Die Anwendung des § 1 Abs 3 Satz 3 BVG kommt nicht in Betracht (vgl BSGE 61, 295, 297 = SozR 3100 § 1 Nr 38 und BSGE 62, 191, 194 = SozR 3100 § 1 Nr 39).
1. Der angefochtene Bescheid wäre schon dann rechtswidrig und deshalb aufzuheben, wenn der Beklagte die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X versäumt haben sollte. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn er sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (BT-Drucks 8/2034, S 34; Begründung zu § 43 Abs 3 des Regierungsentwurfs) oder – anders ausgedrückt –, wenn er in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen zeitigt (BSGE 56, 165, 170 = SozR 1300 § 45 Nr 6). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der von dem Beklagten zurückgenommene Bescheid vom 17. Dezember 1990 erschöpfte sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern bewilligte dem Kläger auf Dauer eine Grundrente nach dem BVG. Er war damit für den Kläger auch begünstigender Natur. Ob die Zwei-Jahres-Frist von dem Beklagten eingehalten worden ist, kann nach den bisherigen Feststellungen des LSG und den Daten des Bewilligungsbescheides (17. Dezember 1990) und des Rücknahmebescheides (11. Januar 1993) noch nicht abschließend beurteilt werden. Wenn man die schwankenden Postlaufzeiten zwischen der Bundesrepublik und dem früheren Jugoslawien bzw Slowenien infolge des Bürgerkrieges in Betracht zieht, erscheint es jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, daß der Rücknahmebescheid dem Kläger erst nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist bekannt gegeben worden ist.
2. Die durch die Versorgungsverwaltung am 11. Januar 1993 verfügte Rücknahme ist nicht wegen der unterbliebenen Anhörung (§ 24 SGB X) gemäß § 42 Satz 2 iVm Satz 1 SGB X rechtswidrig. Zwar handelt es sich bei der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 17. Dezember 1990 um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt, vor dessen Erlaß der Betroffene grundsätzlich anzuhören ist. Selbst wenn der Beklagte hiervon nicht absehen durfte, wäre der Rücknahmebescheid nicht deswegen rechtswidrig, denn ein solcher Verfahrensfehler wäre jedenfalls nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X als geheilt anzusehen. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Der Bescheid vom 11. Januar 1993 enthält ausreichende Hinweise auf die Gesichtspunkte, die für eine Interessenabwägung nach § 45 Abs 2 SGB X und für eine – eventuell notwendige – Ermessensentscheidung in Betracht zu ziehen sind. Damit hat der Beklagte die entscheidungserheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreitet, daß der Kläger zu ihnen – gegebenenfalls nach ergänzenden Anfragen bei der Behörde – sachgerecht Stellung nehmen konnte (vgl BSGE 69, 247, 251f = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 sowie BSG SozR 1200 § 34 Nrn 1, 7, 13).
3. Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, ua nur zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Der Bescheid vom 17. Dezember 1990 widersprach von Anfang an § 7 Abs 2 BVG. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, darf das BVG nicht auf Kriegsopfer angewendet werden, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat haben, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen – was hier nicht der Fall ist – etwas anderes bestimmen. Der Kläger bezog im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits eine Rente als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat. Ob der Versorgungsanspruch gegen den dritten Staat nach Art und Höhe den Leistungen des BVG entspricht, hat für den Ausschluß der Versorgung durch § 7 Abs 2 BVG keine Bedeutung. Das gilt auch dann, wenn die ausländische Leistung nur gering ist (vgl BSG SozR 3100 § 7 Nr 2; SozR 3-3100 § 7 Nrn 1 und 2).
4. Das LSG durfte die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht mit der Begründung aufheben, die Rücknahme der Leistungsbewilligung sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm durch § 45 Abs 1 SGB X eingeräumten Ermessen keinen ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht habe. Denn noch steht nicht fest, ob der Beklagte überhaupt eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte. Das kann sich erst herausstellen, nachdem das LSG die vom Beklagten nach § 45 Abs 2 SGB X vorgenommene Vertrauensschutzprüfung kontrolliert und deren – für den Kläger negatives – Ergebnis bestätigt hat. Dieser zeitliche und sachliche Vorrang der Vertrauensschutzprüfung vor einer etwaigen Ermessensentscheidung gilt sowohl nach der herrschenden Meinung zu § 45 SGB X (vgl dazu BSGE 59, 157, 163 = SozR 1300 § 45 Nr 19 sowie BSG SozR 1300 § 45 Nr 12; Wiesner in Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl 1996, § 45 RdNr 3; Wallerath in Sozialrechtshandbuch ≪SRH≫, 2. Aufl 1996, B 12 RdNr 229) als auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu dieser Vorschrift. Zwar hat der 9a-Senat in seinem Urteil vom 25. Juni 1986 (BSGE 60, 147, 151 = SozR 1300 § 45 Nr 24; s auch BSG SozR 1300 § 45 Nr 46) im Hinblick auf die Gesetzesgeschichte und die Rechtsprechung zu der – durch das SGB X aufgehobenen – Vorschrift des § 41 KOVVfG für das Versorgungsrecht angenommen, daß ein Spielraum für eine Ermessensentscheidung zum Vorteil des Begünstigten allgemein ausgeschlossen sei, wenn das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 45 Abs 2 SGB X einer Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts nicht entgegenstehe. Bei der Interessenabwägung müßten nämlich praktisch alle Gesichtspunkte erörtert werden, die die Verwaltung auch bei einer Ermessensausübung nach § 45 Abs 1 SGB X zu berücksichtigen hätte. Es sind jedoch insoweit Ausnahmen denkbar (vgl zB BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 18). Deshalb läßt sich die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen erst beurteilen, wenn alle für die Interessenabwägung und eine eventuell dann noch notwendige Ermessensentscheidung in Betracht kommenden Umstände ermittelt sind. Stellt sich heraus, daß der Vertrauensschutz zu versagen ist und daß für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übriggeblieben sind, ist das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert. In diesem Falle kann nur eine Entscheidung richtig sein (vgl dazu BSGE 77, 102, 107 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 mwN; Kummer, DAngVers 1988, 27, 29 mwN), nämlich die Leistungsbewilligung zurückzunehmen. Daß der Beklagte hier möglicherweise zu Unrecht der Auffassung war, Ermessen ausüben zu müssen, und er nach Auffassung des LSG dieser Pflicht nur ungenügend nachgekommen ist, steht der Annahme der Rechtmäßigkeit der Leistungsentziehung nicht entgegen. Ein Verwaltungsakt kann auch bei unrichtiger Begründung rechtmäßig sein (vgl dazu Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Komm, 4. Aufl, München 1993, § 39 RdNr 11, § 45 RdNr 29, 30 sowie BVerwGE 84, 123, 131; s auch Recht in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB X/1, 2, Komm, K § 35 RdNr 10). Das gilt jedenfalls für Verwaltungsakte, die – weil das Ermessen auf Null reduziert ist – als rechtsgebundene zu ergehen haben, aber als Ermessensentscheidung mit richtigem Ergebnis erlassen worden sind. Denn die materiell-rechtliche Richtigkeit gebundener Entscheidungen haben die Gerichte selbständig und unabhängig von den Rechtsauffassungen der Beteiligten zu prüfen.
5. Nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen. Dem steht allerdings gegenüber, daß der für die Rechtswidrigkeit nicht verantwortliche Betroffene grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf und vor der Rücknahme geschützt sein soll. Um den Widerstreit zwischen diesen beiden Grundsätzen zu lösen, muß im Einzelfall eine Abwägung darüber erfolgen, welches Interesse überwiegt, das der Allgemeinheit auf Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes oder das des gutgläubigen Begünstigten an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Bei Verwaltungsakten, mit denen Dauerleistungen bewilligt worden sind, ist das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit regelmäßig stärker belastet als eine einmalige Leistung (vgl Steinwedel in: Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 47; BSG SozR 1300 § 45 Nr 9; BSGE 59, 157, 163 ff = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 58; BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr 24 S 77; BVerwGE 19, 188, 189 mwN). Das gilt jedenfalls für Dauerleistungen, die – wie hier – für sehr lange Zeit gewährt werden müßten (BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr 24 mwN).
Für die Abwägung hat auch Bedeutung, daß es mit den anerkannten Grundsätzen einer sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln nicht zu vereinbaren ist – entgegen § 7 Abs 2 BVG – Versorgungsleistungen zu erbringen. Die genannte Vorschrift hat nicht nur den Zweck, Doppelleistungen zu vermeiden, sie trägt auch außenpolitischen Belangen Rechnung (BSG SozR 3-3100 § 7 Nrn 1 und 2): Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Versorgung von Kriegsopfern bei dem Heimatstaat des Beschädigten. Kommt dieser seiner Verantwortung nach, so erübrigen sich Versorgungsleistungen durch andere Staaten. Zusätzliche Leistungen aus der Bundesrepublik könnten im übrigen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Heimatstaates empfunden werden sowie zu einer unerwünschten Ungleichbehandlung von Kriegsopfern und einer damit unter Umständen verbundenen negativen Auswirkung auf das soziale Klima führen.
Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es im Einzelfall jedoch nicht aus, das Individualinteresse des rechtswidrig Begünstigten als bedeutsamer anzusehen und einen Ausschluß der Rücknahme nach § 45 Abs 2 SGB X zu bejahen. Das setzt zunächst voraus, daß der Betroffene auf den Bestand der Leistungsbewilligung vertraut hat. Auch hierzu fehlen im angefochtenen Urteil entsprechende Feststellungen. Wenn sich bei den weiteren Ermittlungen allerdings keine gegenteiligen Gesichtspunkte ergeben, darf das LSG davon ausgehen, daß diese Voraussetzung erfüllt ist. Denn für das Vorliegen von Vertrauen spricht eine Vermutung (vgl Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl 1996, § 48 RdNrn 55 und insbesondere 56 unter Hinweis auf BVerwGE 83, 195, 198; BSG SozR 1300 § 45 Nr 9 S 25 unten, wo der Grundsatz erwähnt wird, daß der Staatsbürger auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf).
Das Vertrauen ist – wie sich aus § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ergibt – in der Regel ua schutzwürdig, wenn der Begünstigte eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auch wenn aus den Akten hierzu bisher keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, wird das LSG insoweit den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Es liegt nämlich nicht ganz fern, daß der Kläger im Hinblick auf die aus der Bundesrepublik Deutschland gewährte Versorgungsrente einen Kredit aufgenommen haben könnte, um sich zB Möbel und Kleidung zu beschaffen.
Aber selbst wenn das LSG aufgrund der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis kommen sollte, daß der Kläger nicht schon nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X Vertrauensschutz genießt, können andere Umstände für die Annahme seiner Schutzwürdigkeit sprechen (vgl Senat in BSGE 60, 147, 152 f = SozR 1300 § 45 Nr 24 S 77; BSG DRV 1985, 319 ff; BSGE 59, 206, 208 = SozR 1300 § 45 Nr 20). So ist beispielsweise zugunsten des Klägers in Betracht zu ziehen, daß die Unrichtigkeit des Bewilligungsbescheides vom 17. Dezember 1990 allein in den Verantwortungsbereich des Beklagten fällt (vgl BSGE 60, 147, 153 = SozR 1300 § 45 Nr 24; 59, 206, 208 = SozR 1300 § 45 Nr 20; 59, 157, 164 = SozR 1300 § 45 Nr 19, S 58 sowie BSG DRV 1985, 319 ff) und daß durch grobe Fehler der Verwaltung bei Erlaß des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts das Vertrauen des Begünstigten in die Bestandskraft der Leistungsbewilligung nachhaltig gestärkt wird (BSGE 59, 157, 164 = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 58). Von Bedeutung können ferner die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse am Wohnsitz des Betroffenen (zB Folgen des Bürgerkriegs) und die wirtschaftliche Lage des Begünstigten sein (BSGE 59, 206, 208 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 69; BSG SozR 1300 § 45 Nr 9; sowie BSGE 60, 147, 153 = SozR 1300 § 45 Nr 24 mwN). Vor allem wird man in die Abwägung mit einzubeziehen haben, ob der Entzug der Rente die Existenzgrundlage des Klägers so schmälert, daß er auch unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse an seinem Wohnsitz nunmehr in Armut oder gar in menschenunwürdigen Verhältnissen leben muß (vgl BSGE 59, 157, 166 f = SozR 1300 § 45 Nr 19, wo allerdings dieser Gesichtspunkt dem Ermessensbereich zugeordnet worden ist).
Schließlich wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung unter Umständen berücksichtigen müssen, daß der Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1990 nach einem fast drei Jahre dauernden Verwaltungsverfahren ergangen ist, in dessen Verlauf der Beklagte den Sachverhalt aufgeklärt und geprüft hat, und daß der zeitliche Abstand von ca zwei Jahren zwischen Erlaß des Bewilligungsbescheides und Erlaß des Rücknahmebescheides ins Gewicht fällt (vgl dazu zurückhaltend: BSGE 60, 147, 153 = SozR 1300 § 45 Nr 24). Denn mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der Leistungsbewilligung wird die Stellung des rechtswidrig Begünstigten gestärkt (vgl dazu BSG SozR 1300 § 45 Nr 9 S 26).
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
Fundstellen