Beteiligte
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Revision betrifft nur noch einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. August 1994 bis 11. September 1994. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für eine Eigenkündigung einen wichtigen Grund hatte.
Der am 6. Juli 1995 geborene, unverheiratete und kinderlose Kläger war bis 31. Juli 1994 an seinem Wohnort Berlin als Fernsehtechniker beschäftigt. Am 16. Juni 1994 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1994. Er meldete sich am 27. Juli 1994 beim Arbeitsamt Berlin (ArbA) mit Wirkung zum 1. August 1994 arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, das Arbeitsverhältnis wegen „Familienzusammenführung” gekündigt zu haben. Seine „Verlobte” lebe in Schleswig und er werde am 1. September 1994 umziehen. Wegen anhaltender Arbeitslosigkeit war der Kläger zwischenzeitlich mit seiner Partnerin nach Süddeutschland verzogen.
Das ArbA (Berlin) bewilligte Alg ab 24. Oktober 1994, da vom 1. August bis 23. Oktober 1994 eine zwölfwöchige Sperrzeit – die zu einer Minderung der Anspruchsdauer um 72 Tage führe – eingetreten sei. Der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und voraussehen müssen, daß er infolge dieses Verhaltens arbeitslos werde. Der Umzug zu seiner Verlobten nach Schleswig sei bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft nicht als wichtiger Grund für sein Verhalten zu werten. Er habe sich rechtzeitig um eine Anschlußtätigkeit bemühen müssen (Bescheid vom 4. Oktober 1994).
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich bereits „ab Juni 1994” beim ArbA in Flensburg und Kiel im Hinblick auf die geplante Verlagerung seines Lebensmittelpunktes von Berlin nach Schleswig „als Arbeitssuchender gemeldet”. Es sei ihm mitgeteilt worden, daß er sich zunächst in Berlin – frühestens ein bis zwei Wochen vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit – arbeitslos melden müsse. Davon unabhängig habe er sich schon bei den seiner Übersiedlung vorangegangenen Wochenendbesuchen in Schleswig auch unter Verwendung von Stellenanzeigen in den regionalen Tageszeitungen intensiv um einen neuen Arbeitsplatz in Norddeutschland bemüht. Die Motivation für seinen Umzug, nämlich „eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit seiner dort lebenden Verlobten zu begründen”, stelle einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 1995 wies die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, es sei dem Kläger zuzumuten gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. So hätte er sich zunächst eine neue Arbeit suchen (mit Führung als Arbeitssuchender im ArbA Schleswig) und erst danach sein Arbeitsverhältnis beenden können.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. November 1996 abgewiesen. Der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen bedeute im Fall des Klägers auch keine besondere Härte, so daß die Sperrzeit nicht auf sechs Wochen zu ermäßigen sei.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 5. Dezember 1997 den Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als sie von einer Sperrzeit von mehr als sechs Wochen ausgegangen sind, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg auch für die Zeit vom 12. September bis 23. Oktober 1994 zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe den Eintritt einer Sperrzeit zutreffend bejaht, das Vorliegen einer unbilligen Härte aber zu Unrecht verneint. Eine Sperrzeit sei eingetreten, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig den Eintritt von Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Ein solcher Grund sei insbesondere nicht darin zu sehen, daß er zu seiner Verlobten habe ziehen wollen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bislang den Zuzug zum nichtehelichen Lebenspartner grundsätzlich nicht als wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 AFG anerkannt, es sei denn, eine Heirat habe unmittelbar bevorgestanden oder das Wohl eines gemeinsamen Kindes das Zusammenleben erforderlich erscheinen lassen. Dieser Rechtsprechung schließe sich das Gericht an, auch und gerade unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. November 1992 zur Anrechnung von Einkommen des nichtehelichen Partners auf die Arbeitslosenhilfe (Alhi). Zwar habe das BVerfG insoweit eine „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft” für erforderlich gehalten, eine Gleichstellung mit Ehepartnern aber nach wie vor nicht für geboten erachtet, um diese gegenüber Partnern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht schlechter zu stellen. Allerdings mindere sich die Sperrzeit auf sechs Wochen. Denn der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit bedeute für den Kläger eine besondere Härte. Zwischen dem Kläger und seiner Verlobten bestehe nach seinen Angaben eine enge persönliche Beziehung. Dies erscheine insbesondere deshalb glaubhaft, weil beide wegen anhaltender Arbeitslosigkeit des Klägers zwischenzeitlich gemeinsam nach Bayern verzogen seien. Der Kläger habe – wie die spätere Entwicklung zeige – in Schleswig längerfristig keinen Arbeitsplatz erhalten, so daß er eine mehrjährige Trennung hätte in Kauf nehmen müssen, wenn er an seinem bisherigen Arbeitsplatz festgehalten hätte. Dies habe sich auch bereits zum Zeitpunkt der Kündigung abgezeichnet. Denn voraufgegangene Bemühungen um einen Arbeitsplatz im Schleswiger Raum seien erfolglos geblieben.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG. Er ist der Ansicht, das LSG habe zu Unrecht für die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne der genannten Vorschriften auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) verwiesen. Weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Regelung des § 119 Abs 1 AFG komme zum Ausdruck, daß insoweit nur solche Gründe bedeutsam seien, die Verfassungsrang hätten. Aus dem gleichen Grunde komme es nicht darauf an, ob eine Pflicht zur Herstellung der Lebensgemeinschaft bestehe. Art 6 Abs 1 GG begründe zwar den besonderen Schutz von Ehe und Familie, schließe aber die Freiheit zu anderen Lebensformen und deren Schutz nach Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG nicht aus. Dies sei bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wichtiger Grund” zu berücksichtigen. Gerade der Entscheidung des BVerfG vom 17. November 1992 zur Anrechnung von Einkommen des nichtehelichen Partners auf die Alhi sei zu entnehmen, daß die Rechtsposition der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als gleichrangig mit der von nicht getrennt lebenden Ehepartnern anzusehen sei. Demgemäß habe auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG ebenfalls seine bisherige Rechtsprechung zu § 122 Bundessozialhilfegesetz aufgegeben. Auch vor dem Hintergrund sich wandelnder bzw bereits veränderter Gesellschaftsstrukturen im Bereich der Familie, die sich auch in der Reform des Kindschaftsrechts zeige, sei die bisherige Rechtsprechung des BSG veraltet und nicht länger aufrechtzuerhalten. Sofern man auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG sowie aus Gründen der Praktikabilität und zur Verhinderung von Mißbräuchen eine besondere Verfestigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als erforderlich ansehen sollte, sei dies in seinem Fall – wie auch den Ausführungen des LSG zu entnehmen sei – gegeben. Die eheähnliche Gemeinschaft bestehe unverändert fort.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 1997 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1995 aufzuheben;
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. August bis 11. September 1994 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Entscheidungsgründe des LSG und die Entscheidung des Senats vom 25. März 1998 (B 11 AL 49/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 14).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung.
1. Unabhängig von den Voraussetzungen des § 100 AFG steht dem Kläger das für die Zeit vom 1. August bis 11. September 1994 geltend gemachte Alg nicht zu, weil sein Anspruch wegen Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Eine Sperrzeit tritt nach § 119 Abs 1 Nr 1 AFG ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diesen Sperrzeittatbestand hat der Kläger verwirklicht. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis in Berlin zum 31. Juli 1994 gekündigt, um ab 1. September 1994 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft in Schlewig zu gründen. Er hat damit das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit ab 1. August 1994 herbeigeführt. Aufgrund seiner Bemühungen um einen Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein war ihm nach den Feststellungen des LSG schon zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt, daß er dort langfristig keinen Arbeitsplatz erhalten werde. Wegen seines Interesses an der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat er die sich abzeichnende Arbeitslosigkeit bei seiner Kündigung in Kauf genommen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Revision sieht eine Rechtsverletzung des LSG in der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „wichtiger Grund”, weil es insoweit einer „veralteten” Rechtsprechung des BSG trotz veränderter Gesellschaftsstrukturen, die sich auch in der Neuregelung des Kindschaftsrechts sowie der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG zur Anrechnung von Partnereinkommen in der Arbeitslosen- bzw Sozialhilfe gezeigt hätten, festgehalten habe. Diese Bedenken greifen nicht durch.
2. Das BSG konkretisiert den unbestimmten Gesetzesbegriff „wichtiger Grund” in ständiger Rechtsprechung anhand des Zwecks der Sperrzeitregelung. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt und zu vertreten haben oder an der Eingliederung in das Erwerbsleben nicht in zumutbarer Weise mitwirken (zuletzt: BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn 14 und 15 mwN). In der Begründung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit, auf den die Fassung des Gesetzes zurückgeht, heißt es: „Eine Sperrzeit soll nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann” (zu BT-Drucks V/4110 S 21). Dabei muß der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (st Rspr, BSGE 43, 269, 273 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 64, 202, 205 = SozR 4100 § 119 Nr 34). Der Kläger hat weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren Anhaltspunkte aufgezeigt, die zur Ermittlung von Tatsachen Anlaß gegeben hätten, welche die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses schon zum 31. Juli 1994 rechtfertigen könnten. Insoweit kommen allenfalls individuelle Lebensumstände des Klägers in Betracht, die nur bei entsprechendem tatsächlichen Vorbringen des Betroffenen der Amtsermittlung zugänglich sind. Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet Behörden und Gerichte nicht, „ins Blaue hinein” ohne konkreten Anhaltspunkt zu ermitteln (BSGE 71, 256, 259, 263 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7; BSGE 78, 207, 213 = SozR 3-2200 § 43 Nr 13; BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BVerwGE 66, 237 f). Die vom Kläger als wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geltend gemachte Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ab 1. September 1994 rechtfertigt jedenfalls nicht die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Juli 1994.
3. Im übrigen hat das LSG zutreffend erkannt, daß die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft allein noch nicht einen wichtigen Grund darstellt, der die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen könnte. An der insoweit ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 43, 269, 273 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 277 = SozR 4100 § 119 Nr 17; BSG SozR 4100 § 119 Nr 33; BSGE 64, 202, 206 = SozR 4100 § 119 Nr 34; BSG FamRZ 1990, 876; BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn 14 und 15) ist auch gegenüber den von der Revision und im Schrifttum erhobenen Einwendungen festzuhalten.
Die nach der Rechtsprechung des BSG gebotene Abwägung der Interessen des Arbeitslosen und der Interessen der Solidargemeinschaft entspricht der Intention des Gesetzgebers (zu BT-Drucks V/4110 S 21). Dem steht nicht entgegen, daß es an einem Vergleichsmaßstab für die entgegenstehenden Interessen fehle (so aber: Gagel/Winkler, AFG, § 119 RdNrn 47 ff, 155, 180 – Stand Januar 1998). Nur bei isolierender Betrachtung erscheint das Tatbestandsmerkmal „wichtiger Grund” als Leerformel. Bei Berücksichtigung des Zwecks der Regelung und der mit der Annahme eines wichtigen Grundes verbundenen Rechtsfolge, daß eine Gleichbehandlung mit denjenigen Arbeitslosen herbeigeführt wird, die an ihrer Arbeitslosigkeit nicht mitgewirkt haben, wird deutlich, daß als wichtiger Grund nur Umstände in Betracht kommen, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen. Die Rechtsprechung des BSG hat dies insbesondere angenommen, wenn der Arbeitnehmer oder Arbeitslose sich einer „Pflichtenkollision” ausgesetzt sah, die ein Festhalten an seinem Arbeitsplatz nicht zumutbar erscheinen ließ. Deshalb hat das BSG in der Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder einer Erziehungsgemeinschaft einen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gesehen (BSGE 43, 269, 273 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 279 = SozR 4100 § 119 Nr 17). Als Abwägungsgesichtspunkt hat das BSG dabei berücksichtigt, daß die Wahrung der Pflichten als Ehepartner oder Elternteil durch Art 6 Abs 1 bzw 2 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt ist. Der Schutzauftrag der staatlichen Ordnung erstreckt sich nach Art 6 GG nicht auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Gestaltung der Form des Zusammenlebens ist dem Einzelnen nach Art 2 Abs 1 GG überlassen. Dies besagt aber nicht, daß die Solidargemeinschaft die Folgen der Lösung von Beschäftigungsverhältnissen zur Begründung nichtehelicher Lebensgemeinschaften uneingeschränkt zu tragen habe. Als Abwehrrecht steht Art 2 Abs 1 GG staatlichen Eingriffen ohne gesetzliche Ermächtigung in den privaten Lebensbereich entgegen. Die Förderung individueller Lebensgestaltung gewährleistet er nicht. Auch die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art 1 Abs 1 GG bietet keinen Anhaltspunkt für die Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „wichtiger Grund”. Mit dem Eintritt der Sperrzeit ist ein zeitlich und wirtschaftlich begrenztes Opfer verbunden, das einen Zusammenhang mit der Menschenwürde des Betroffenen nicht erkennen läßt. Ohne über die private Lebensgestaltung hinausgehende Gründe für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses wäre der mit der Sperrzeitregelung angestrebte Schutz der Solidargemeinschaft vor willkürlicher Inanspruchnahme mit Leistungen bei Arbeitslosigkeit (st Rspr, zuletzt: BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn 14 und 15) nicht gewahrt. Für solche Gründe, die das Aufrechterhalten des Beschäftigungsverhältnisses in Berlin für den Kläger unzumutbar erscheinen ließen, bestehen keine Anhaltspunkte.
4. Die Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG zur Anrechenbarkeit von Partnereinkommen bei Bezug von Alhi bzw Sozialhilfe gibt für die Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „wichtiger Grund” iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG nichts her. Jene Rechtsprechung besagt – abgesehen von der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe des Freibetrages – nur, daß bei der Bedürftigkeitsprüfung Partnereinkommen nur aus Verbindungen zu berücksichtigen ist, die nicht nur als „reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft”, sondern als „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft” zu qualifizieren sind (BVerfGE 87, 234, 264 f = SozR 3-4100 § 137 Nr 1; BVerwGE 98, 195, 198 ff). Diese Entscheidungen begrenzen die Verweisung von Leistungsempfängern auf privates Einkommen oder Vermögen Dritter. Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch die damit nicht vergleichbare Interessenlage zu beurteilen, ob ein Leistungsempfänger die Folgen privater Lebensgestaltung durch Annahme eines wichtigen Grundes ohne Einschränkung, die sich aus der Nettolohnersatzquote ergibt, auf die Solidargemeinschaft abwälzen kann.
Zutreffend hebt die Revision hervor, die einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG rechtfertigenden Umstände brauchten nicht „Verfassungshöhe” aufzuweisen. Eine solche Forderung wird auch in der Rechtsprechung des BSG nicht erhoben (vgl zB: BSGE 66, 94, 96 ff = SozR 4100 § 119 Nr 36). Die Frage, inwieweit durch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft Bindungen eintreten können (vgl dazu: Pawlowski JZ 1998, 1032, 1037), die die Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertigen, ist hier nicht zu entscheiden. Der 7. Senat des BSG hat mit die Entscheidung nicht tragenden Ausführungen einen wichtigen Grund zur Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Aufrechterhaltung einer langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft erwogen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15). Der hier zu beurteilende Sachverhalt gibt keinen Anlaß, auf die Lage einer mehrjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die nach der Rechtsprechung des BGH bei Fehlen besonderer Vereinbarungen allenfalls außerrechtliche Bindungen zwischen den Partnern begründet (BGHZ 77, 55, 58; BGH NJW 1992, 906 f; kritisch dazu Pawlowski JZ 1998, 1032, 1034 Fn 28), näher einzugehen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis in Berlin nicht gelöst, um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen, sondern um diese erst zu begründen. Unter diesen tatsächlichen Voraussetzungen sind Bindungen nicht ersichtlich, die den rechtlichen Pflichten eines Ehepartners oder eines erziehenden Elternteils gleichzuerachten sein könnten. Inwieweit Gesetzesinitiativen von Fraktionen des 13. Deutschen Bundestages zur rechtlichen Gestaltung von nichtehelichen Gemeinschaften bzw zur Gleichstellung mit Ehen (vgl BT-Drucks 13/7228 und 13/10081) aufgegriffen werden und zur Änderung der rechtlichen Ausgangspunkte für die Konkretisierung des wichtigen Grundes iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG (= § 144 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung) führen, bleibt abzuwarten.
5. Für die Entscheidung kann dahinstehen, ob die BA Vermittlungsgesuche des Klägers in Schleswig-Holstein ohne Rechtsverstoß behandelt hat. Auch wenn der Eintritt des Leistungsfalls am 1. August 1994 die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsamts I Berlin begründet hat, hat der Kläger einen Anspruch auf eine Vermittlungstätigkeit von Arbeitsämtern in Schleswig-Holstein auch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Das BSG hat mehrfach darauf hingewiesen, die BA habe im Rahmen ihrer Vermittlungspflicht (§ 14 Abs 1 AFG) die Aufgabe, einem Arbeitssuchenden einen beabsichtigten Arbeitsplatzwechsel zu ermöglichen, ohne daß eine Sperrzeit eintritt (vgl BSGE 69, 108, 114 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15). Der Kläger wäre aber nur dann so zu behandeln, als hätte er einen wichtigen Grund für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses gehabt, wenn bei sachgerechter Behandlung eines Vermittlungsgesuchs „die realistische Möglichkeit” einer Vermittlung bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitslosigkeit bestanden hätte (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15). Diese Möglichkeit ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auszuschließen. Im Zusammenhang mit der Annahme einer besonderen Härte für den Kläger hat es festgestellt, daß schon vor der Kündigung nach den Bemühungen des Klägers, einen Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein zu finden, mit einer längeren Arbeitslosigkeit zu rechnen gewesen ist. Unter diesen Umständen kann die Rechtsverfolgung des Klägers selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die BA bei dem Vermittlungsgesuch des Klägers vor der Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses pflichtwidrig gehandelt haben sollte.
Da nach §§ 119 Abs 1 Satz 1, Abs 2, 119a Nr 1 AFG jedenfalls für die Zeit vom 1. August bis 11. September 1994 eine Sperrzeit eingetreten ist, die das Ruhen des Anspruchs bewirkt hat (§ 119 Abs 1 Satz 3 AFG), steht dem Kläger die für diesen Zeitraum geltend gemachte Zahlung nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
DStR 1999, 556 |
NZA 1999, 644 |
AuA 1999, 524 |
NJ 1999, 247 |
NZS 1999, 308 |
SGb 1999, 298 |
Breith. 1999, 546 |