Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. August 1991 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg), und zwar für die Zeit vom 1. Januar bis 16. April 1990.
Die Klägerin war seit 1974 als Heimarbeiterin für eine Strickwarenfabrik tätig, bis diese Ende 1989 wegen Konkurses ihren Betrieb einstellte. Sie meldete sich am 20. Dezember 1989 arbeitslos und beantragte Alg, das ihr das Arbeitsamt Stade ab 1. Januar 1990 in Höhe von 135,60 DM bewilligte (Bescheid vom 17. Januar 1990). Der Bewilligung lag – neben der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) und der Nettolohnersatzquote von 68 vH – ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 320,– DM zugrunde. Dieses wöchentliche Arbeitsentgelt hat das Arbeitsamt aus dem Bruttoarbeitsentgelt von 4.120,10 DM errechnet (4.120,10 DM: 91 × 70: 10 = 316,93 DM), das die Strickwarenfabrik für September (1.240,55 DM), Oktober (1.169,46 DM) und November 1989 (1.710,09 DM) angegeben hatte. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, das Alg sei nach den Entgelten von Oktober, November und Dezember 1989 zu bemessen. Das Arbeitsamt wies den Widerspruch zurück, da der Monat Dezember 1989 erst im Januar 1990 vom Konkursverwalter abgerechnet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 5. März 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen (Urteil vom 11. Oktober 1990).
Nach Einlegung der Berufung bewilligte das Arbeitsamt das Alg in Höhe von 139,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 28. Februar 1991). Es legte nunmehr ein Arbeitsentgelt von 330,– DM zugrunde, das es auf Grund von 9/30 des angegebenen Entgelts für September 1989 und der angegebenen Entgelte für Oktober und November 1990 errechnete (1.240,55 DM: 30 × 9 + 1.169,46 DM + 1.710,09 DM = 3.251,71 DM; 3.251,71 DM: 10 = 325,17 DM). Der Nachzahlungsbetrag betrug 54,60 DM.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Februar 1991 abgewiesen (Urteil vom 22. August 1991).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Höhe des Alg richte sich nach der Höhe des Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt sei der Wochendurchschnittslohn im Bemessungszeitraum (§ 112 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Bemessungszeitraum seien die bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Das Abstellen auf abgerechnete Lohnabrechnungszeiträume solle sicherstellen, daß das Alg als Lohnersatzleistung möglichst aktuell an dem Lohnniveau ausgerichtet werde, das vor dem Leistungsbeginn bestanden habe. Darüberhinaus solle die Vorschrift klare Verhältnisse über die Leistungshöhe schaffen, um eine möglichst rasche Bewilligung zu gewährleisten. Abgerechnet sei der Lohn, den der Arbeitgeber vor Entstehung des Alg-Anspruchs „überweisungsbereit vollständig” festgestellt habe. Bei Heimarbeitern sei Bemessungsgrundlage das Entgelt, das der Beitragsberechnung in den letzten zehn Wochen der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs zugrunde gelegt worden sei (§ 112 Abs 6 AFG). Zwar fehle hier der Hinweis auf abgerechnetes Entgelt. Es liege indessen kein sachgerechter Grund vor, weshalb Heimarbeiter im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern anders behandelt werden sollten, zumal das von der Klägerin befürwortete Ergebnis je nach Einzelfall zu Gunsten oder zu Lasten des Versicherten ausfallen könne. Grund für die Sonderregelung sei offensichtlich die Bestimmung eines besonderen Entgeltabschnitts von zehn Wochen gewesen. Im übrigen würden diejenigen Wochen erfaßt, die bei Eintritt von Arbeitslosigkeit bereits beitragsmäßig berücksichtigt worden seien. Wenn aber der letzte Beitragsmonat erst geraume Zeit nach Eintritt von Arbeitslosigkeit abgerechnet und damit beitragsmäßig konkret ermittelt werde, bestehe kein Grund, diesen letzten Entgeltzeitraum leistungsmäßig zu berücksichtigen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 112 Abs 6 AFG. Dessen Wortlaut unterscheide sich von § 112 Abs 2 AFG. Während dort eindeutig auf die letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume abgestellt werde, sei dies bei § 112 Abs 6 AFG nicht der Fall. Nach § 112 Abs 6 AFG sei das durchschnittliche Entgelt maßgebend, das der Beitragsabrechnung in den letzten zehn Wochen der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs zugrunde gelegt worden sei. Allein aus dem Textvergleich ergebe sich, daß für Heimarbeiter etwas anderes gelte als für Arbeitnehmer, für die § 112 Abs 2 AFG Anwendung finde. Wenn das gleiche gemeint wäre, hätten die gleichen Worte verwendet werden können. Demnach sei das Entgelt für den Monat Dezember 1989, der unmittelbar vor Entstehung des Anspruchs der Klägerin liege, noch mit zu berücksichtigen. Damit werde man auch der besonderen Lage der Heimarbeiter gerecht, die häufig nicht nach Maßgabe des Vertrages, sondern schlicht nach Bedarf beschäftigt würden. Die nicht ordnungsgemäße Abrechnung setze sich dann im niedrigen Alg fort. Die Erwägung des LSG, daß nur bereits tatsächlich abgerechnete Beschäftigungszeiten zugrunde gelegt werden dürften, um die Leistung schnell und realitätsgerecht festzustellen, greife vorliegend nicht. Denn dieser Gesichtspunkt dürfe sich nicht zu Ungunsten von Arbeitslosen auswirken. Hinzu komme, daß die Berechnung des Arbeitsentgelts für das Konkursausfallgeld durch den Konkursverwalter vom 16. Januar 1990 datiere, der erste Bescheid des Arbeitsamtes dagegen erst danach ergangen sei. Im übrigen könne die Höhe des Alg nicht davon abhängen, wie schnell die Arbeitsverwaltung arbeite. Willkürliche Ergebnisse seien sonst vorprogrammiert. Gegen die Auffassung des LSG spreche auch, daß in den weitaus meisten Fällen der letzte Monat vor Entstehung des Anspruchs keine Berücksichtigung finden werde, weil dieser regelmäßig noch nicht zu Beginn des Anspruchs auf Alg abgerechnet sei. Unter Herausrechnung des anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sei für den Monat Dezember 1989 ein Betrag in Höhe von 1.878,46 DM zugrunde zu legen, wie sich aus der Verdienstbescheinigung für das Konkursausfallgeld ergebe. Schon danach ergebe sich ein höheres Bemessungsentgelt. Schließlich sei darauf hinzuweisen, daß die Vorinstanzen für die Monate November und Oktober nicht das richtige Entgelt zugrunde gelegt hätten. Ausweislich der Verdienstbescheinigung für das Konkursausfallgeld habe die Klägerin im Oktober 1989 nämlich ein Entgelt in Höhe von 1.323,57 DM und im Monat November 1989 ein Entgelt in Höhe von 1.812,71 DM erzielt, während das Arbeitsamt geringere Entgelte zugrunde gelegt habe. Selbst wenn die Rechtsauffassung des LSG zutreffen sollte, wären jedenfalls die zugrunde gelegten Entgelte zu erhöhen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des SG und des LSG aufzuheben, die Bescheide des Arbeitsamtes Stade zu ändern und die Beklagte zur Zahlung von höherem Alg zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht für zutreffend. Sie macht sich die Ausführungen des LSG zu eigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist das durch den Klageantrag gekennzeichnete Begehren der Klägerin, ihr für die Zeit vom 1. Januar bis 16. April 1990 mehr als die 139,20 DM wöchentlich an Alg zu zahlen, die ihr das Arbeitsamt schließlich während des Berufungsverfahrens bewilligt hatte. In der Sache liegt mithin eine verbundene Anfechtungs- und Leistungklage vor (§ 54 Abs 4 SGG), deren Änderungsbegehren gemäß § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG von Gesetzes wegen auch den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid erfaßt. Die Beträge, die mit der Klage erstrebt werden, hat die Klägerin zwar nicht beziffert. Sie werden indes hinreichend durch die schon vor dem SG verlautbarte Rechtsauffassung der Klägerin deutlich, dem Alg seien die Bezüge für Oktober bis Dezember 1989 zugrunde zu legen, wie sie der Konkursverwalter für das Konkursausfallgeld angegeben hat, die tatsächlich günstiger sind als die, die das Arbeitsamt beim Alg berücksichtigt hat.
Die Höhe des der Klägerin ab 1. Januar 1990 zustehenden Alg, dessen Anspruchsgrundlagen nicht zweifelhaft sind, richtet sich nach § 111 des zuletzt durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1990 vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 2406) geänderten AFG. Nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG beträgt das Alg für Arbeitslose mit Kindern 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1990 vom 27. November 1989 (BGBl I 2064), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Nettolohnersatzquoten die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe D, der die Klägerin gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst d AFG angehört (Lohnsteuerklasse V), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt von 330,– DM als Alg nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG die bewilligten 139,20 DM wöchentlich vor. Eine höhere Leistung hätte die Klägerin daher nur zu beanspruchen, wenn ihr Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt als 330,– DM zu zahlen wäre. Ob das der Fall ist, kann aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden.
Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (§ 112 Abs 1 Satz 1 AFG). Der Bemessungszeitraum umfaßt im allgemeinen die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Bei Arbeitslosen, die im Bemessungszeitraum als Heimarbeiter beschäftigt waren, ist Arbeitsentgelt das durchschnittliche Entgelt, das der Beitragsberechnung in den letzten zehn Wochen der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs zugrunde gelegt worden ist (§ 112 Abs 6 Satz 1 AFG). Diese Vorschrift findet hier Anwendung. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war die Klägerin seit 1974 als Heimarbeiterin beschäftigt, also auch während der bei ihrem Ausscheiden abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, wann immer im vorliegenden Falle der Bemessungszeitraum lag. Da die Klägerin nur als Heimarbeiterin beschäftigt war, kann offen bleiben, ob es für die Anwendbarkeit des § 112 Abs 6 AFG genügt, daß der Arbeitslose nur zeitweilig während des Bemessungszeitraums Heimarbeit, im übrigen aber Betriebsarbeit erbracht hat, und wie in einem solchen Falle das Bemessungsentgelt zu bestimmen ist (vgl dazu BT-Drucks III/1240 S 14 zu § 90 Abs 5 AVAVG; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 112 RdZiff 40; Gagel, Komm zum AFG, Stand Mai 1991, § 112 RdZiffn 312 ff; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Januar 1992, § 112 RdZiff 37; Ambs ua, Gemeinschaftskomm zum AFG, Stand August 1991, § 112 RdZiff 49).
Maßgeblich ist hiernach das durchschnittliche Entgelt, das der Beitragsberechnung in den letzten zehn Wochen der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs zugrunde gelegt worden ist. Welches Entgelt im Falle der Klägerin der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist, kann den Feststellungen des LSG indes nicht entnommen werden. Das LSG hat allerdings aus Rechtsgründen der Auffassung der Klägerin widersprochen, auch das erst nach Beendigung des Heimarbeitsverhältnisses im Januar 1990 abgerechnete Entgelt für Dezember 1989 sei maßgebend. Der Senat folgt dem. Was die Revision dagegen einwendet, überzeugt nicht.
Wie nach § 112 Abs 1 und 2 AFG nur beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnetes Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde gelegt wird, ist auch nach § 112 Abs 6 AFG nur Entgelt zu berücksichtigen, das beim Ausscheiden des Heimarbeiters in eine Beitragsberechnung eingegangen war, die mit jeder ordnungsgemäßen Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber erfolgt. Abgesehen davon, daß schon der Bemessungszeitraum,
der für die Anwendung des § 112 Abs 6 AFG maßgebend ist, gemäß § 112 Abs 2 AFG nur beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechnete Lohnabrechnungszeiträume erfaßt, ist nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht auf Entgelt abzustellen, das der Beitragsberechnung zugrunde zu legen ist, sondern auf Entgelt, das einer derartigen Berechnung zugrunde gelegen hat „zugrunde gelegt worden ist”). Darauf weist zutreffend Gagel aaO RdZiff 317 hin. Mit Recht machen Hennig/Kühl/Heuer/Henke aaO auch darauf aufmerksam, daß dann, wenn Entgelt zu berücksichtigen wäre, das beim Ausscheiden aus dem Heimarbeitsverhältnis einer Beitragsberechnung noch nicht zugrunde gelegen hat, der Fall eintreten könnte, daß zwar im Bemessungszeitraum Heimarbeit enthalten ist, nicht aber in dem Zehn-Wochen-Zeitraum. Deshalb ist auch die von der Revision zitierte Auffassung Schelters (Komm zum AFG, Stand Mai 1991, § 112 RdZiff 30) unrichtig, maßgebend sei das Entgelt, das einer Beitragsberechnung zugrunde zu legen wäre, wenn noch keine Beitragsberechnung stattgefunden habe. Träfe die Ansicht der Revision zu, hinge vom Arbeitgeber ab, wann das Arbeitsamt das Alg berechnen könnte. Das aber widerspräche dem allgemeinen Ziel des Gesetzes, das es durch die Berücksichtigung allein beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Arbeitentgelts zu erreichen sucht, eine rasche, einfache und endgültige Feststellung des Alg unmittelbar nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen. Es gibt keinen Grund dafür, arbeitslos gewordene Heimarbeiter von diesem Ziel auszunehmen. Die Erwägungen, die den Gesetzgeber zu § 112 Abs 6 AFG veranlaßt haben, rechtfertigen jedenfalls eine solche Ausnahme nicht.
Die Vorschrift des § 112 Abs 6 AFG, die – von einer redaktionellen Änderung durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) abgesehen – unverändert seit 1969 gilt, ist damals § 90 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF des Zweiten Änderungsgesetzes zum AVAVG vom 7. Dezember 1959 (BGBl I 705; 2. AVAVG-ÄndG) nachgebildet worden. Diese Vorschrift ging letztlich auf § 105 Abs 4 Nr 2 AVAVG (idF des Art 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 1956, BGBl I 1018 = § 90 Abs 4 Nr 2 AVAVG idF vom 3. April 1957, BGBl I 322) zurück. Nach § 105 Abs 1 AVAVG aF bemaß sich der Hauptbetrag des Alg nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt (§ 160 Reichsversicherungsordnung) der letzten dreizehn Wochen bzw der letzten drei Monate der versicherungspflichtigen Beschäftigung, durch die die Anwartschaftszeit erfüllt wurde. § 105 Abs 4 Nr 2 AVAVG aF sah nun – erstmals im Recht der Arbeitslosenversicherung – vor, daß der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsengelts für die Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Heimarbeiter das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist, das der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist. Der Gesetzgeber hat sich hierzu veranlaßt gesehen, weil in dem Entgelt der Heimarbeiter häufig Zuschläge enthalten seien, die keinen Lohn darstellten, nämlich Entschädigungen für Roh- und Hilfsstoffe sowie zur Abgeltung von Werbungskosten (zB Beleuchtung und Heizung der Arbeitsstätte). Da schon bei der Ermittlung des „Entgelts” zu Zwecken der Berechnung der an die Krankenkassen als Einzugsstellen abzuführenden Beiträge diese Zuschläge berücksichtigt werden müßten, sei es zweckmäßig, auf besondere Vorschriften für die Leistungsseite zu verzichten, um eine unterschiedliche Handhabung zwischen den Einzugsstellen und den Arbeitsämtern zu vermeiden, und Beiträge und Leistungen nach der gleichen Grundlage zu berechnen (Begründung zu § 105 AVAVG-Entwurf, BT-Drucks II/1274 S 130).
Durch das 2. AVAVG-ÄndG wurde § 90 AVAVG 1959 grundlegend umgestaltet. Das dem Alg zugrunde zu legende Bemessungsentgelt wird seitdem durch Vervielfältigung des durchschnittlichen Stundenlohns mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit, höchsten der tariflichen, ermittelt, wobei beide Faktoren aus den Lohnbedingungen entwickelt werden, die in einem Bemessungszeitraum maßgebend waren. Bemessungszeitraum waren zunächst die letzten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung, durch die die Anwartschaftszeit erfüllt wurde (§ 90 Abs 2 AVAVG). § 90 Abs 5 Satz 1 AVAVG sah nunmehr vor, daß der Hauptbetrag sich für Arbeitslose, die im Bemessungszeitraum als Heimarbeiter beschäftigt waren, nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt bemißt, das der Beitragsberechnung in den letzten zehn Wochen der versicherungspflichtigen Beschäftigung, durch die die Anwartschaftszeit erfüllt wurde, zugrunde gelegt worden war. Die Bundesregierung führte zur Begründung dieser Vorschrift aus, daß sie den besonderen Verhältnissen der Heimarbeiter Rechnung trage. Ein durchschnittlicher Stundenverdienst könne bei Heimarbeitern wegen des Fehlens einer tariflichen oder üblichen Arbeitszeit nicht ermittelt werden. Die Bemessung des Alg richte sich daher auch künftig im wesentlichen nach den zur Zeit geltenden Vorschriften (BT-Drucks III/1240 S 14).
Die Vorschrift des § 112 Abs 6 AFG dient hiernach zum einen der Verwaltungsvereinfachung (Rückgriff auf erfolgte Berechnungen des beitragspflichtigen Entgelts für die Beiträge zur Bundesanstalt) und ist zum anderen darin begründet, daß sich ein durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von Heimarbeitern nicht nach den Zeit- und Lohnfaktoren ermitteln läßt, wie das bei Arbeitnehmern sonst der Fall ist. Der besondere Entgeltabschnitt von zehn Wochen mag sich daraus erklären, daß der durch das 2. AVAVG-ÄndG eingeführte Bemessungszeitraum von zwanzig Lohntagen als für Heimarbeiter zu wenig repräsentativ angesehen worden ist (vgl Ambs ua aaO). Weshalb allerdings die zehn Wochen beibehalten wurden, obwohl der Bemessungszeitraum durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) auf sechzig Lohntage bzw durch das Achte Gesetz zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) auf drei Monate erweitert worden ist, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls ist die Sondervorschrift nicht geschaffen worden, um bei Heimarbeitern auch Entgelte berücksichtigen zu können, die beim Ausscheiden aus dem Heimarbeitsverhältnis einer Beitragsberechnung noch nicht zugrunde gelegt worden sind. Tatsächlich ist auch erst nach der Schaffung des § 90 Abs 5 AVAVG in der Fassung des 2. AVAVG-ÄndG, nämlich durch das Siebente Gesetz zur Änderung des AVAVG vom 10. März 1967 (BGBl I 266), § 90 Abs 2 AVAVG, die Vorschrift über den Bemessungszeitraum, dahin ergänzt worden, daß nur am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnete Lohnabrechnungszeiträume berücksichtigt werden durften, „um eine raschere Feststellung des zu gewährenden Alg zu ermöglichen” (Begründung zur Neufassung des § 90 Abs 2 AVAVG, zu BT-Drucks V/1420 S 3).
Auch die Revision vermag keine für Heimarbeiter bestehende Besonderheit aufzuweisen, die eine Ausnahme rechtfertigen könnte. Ihr Hinweis, Heimarbeiter würden häufig nicht nach Maßgabe des Vertrags, sondern schlicht nach Bedarf beschäftigt, vermag, auch wenn er zutreffen sollte, nicht zu begründen, weshalb ungeachtet einer durchgeführten Beitragsberechnung in jedem Falle die Entgelte der letzten zehn Wochen des Heimarbeitsverhältnisses zugrunde gelegt werden müßten; denn auch in diesen Wochen kann der Heimarbeiter schlicht nach Bedarf beschäftigt worden sein. Mit Recht weist das LSG darauf hin, daß das von der Klägerin befürwortete Ergebnis sich je nach Einzelfall zu Gunsten oder zu Lasten des Versicherten auswirken kann. Nicht nur für Heimarbeiter gilt im übrigen, daß infolge des § 112 Abs 2 AFG häufig das Arbeitsentgelt der letzten Tage vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Alg-Bemessung nicht berücksichtigt wird. Die Revision übersieht ferner, daß das AFG in § 112 Abs 7 AFG für den Fall Vorsorge getroffen hat, daß der Arbeitnehmer gerade in dem Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Entgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während eines längeren Zeitraums ausgeübten beruflichen Tätigkeit entsprochen hätte. Diese Vorschrift ist auf Heimarbeiter ebenfalls anzuwenden; denn in § 112 Abs 7 AFG ist das Arbeitsentgelt nach Abs 6 ausdrücklich erwähnt.
Welches Entgelt der letzten zehn abgerechneten Wochen der Beschäftigung bei der Strickwarenfabrik vor dem 1. Januar 1990 der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat lediglich geschildert, wie das Arbeitsamt die Höhe des Arbeitsentgelts ermittelt hat, in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage entschieden, im übrigen aber diesbezüglich keine eigenen Feststellungen getroffen. Der Senat vermag daher nicht zu entscheiden, ob der Klägerin das Alg nach einem höheren wöchentlichen Arbeitsentgelt als 330,– DM zu zahlen ist. Schon aus diesem Grunde kann das Urteil des LSG nicht bestätigt werden. Vielmehr muß gemäß § 170 Abs 2 SGG die Sache an das LSG zurückverwiesen werden, damit das LSG nunmehr die erforderlichen Feststellungen trifft. Die Klägerin hat bei der erneuten Verhandlung Gelegenheit, geltend zu machen, daß der Beitragsberechnung höhere Beträge zugrunde gelegt worden sind, als das Arbeitsamt berücksichtigt hat. Der Senat hat daher nicht darüber zu entscheiden, ob die Klägerin insoweit ordnungsgemäß einen Verfahrensmangel des LSG geltend gemacht hat.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung, letztere hat die Kosten des Revisionsverfahrens mit einzuschließen, dürfte es sich empfehlen, zunächst den Bemessungszeitraum festzustellen und zu prüfen, welche Entgelte die Strickwarenfabrik der Berechnung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit in den letzten zehn Wochen des Bemessungszeitraums zugrunde gelegt hat. Es besteht insoweit Veranlassung, auf BSG SozR 4100 § 112 Nr 43 hinzuweisen. Vermutlich werden die abgerechneten Entgelte höher als die Beträge sein, die den Beitragsberechnungen zugrunde gelegt worden sind. Das erklärt sich gegebenenfalls durch den Abzug der oben erwähnten Zuschläge. Dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen ist darüber hinaus nicht der Zuschuß, den der Auftraggeber nach § 8 Lohnfortzahlungsgesetz zu zahlen hat (§ 2 Abs 2 Nr 1 Arbeitsentgeltverordnung). Sollte die Klägerin geltend machen, die Abrechnungen und damit auch die – festzustellenden – Beitragsberechnungen der Strickwarenfabrik im Bemessungszeitraum seien unrichtig, ist nach der Rechtsprechung zu unterscheiden, ob es sich um einfache, alsbald berichtigte Fehler handelt (vgl dazu BSG SozR 4100 § 112 Nr 5), oder ob das Entgelt vertrags- oder tarifwidrig abgerechnet worden ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10). Die Verdienstbescheinigung des Konkursverwalters für das Konkursausfallgeld legt ferner die Prüfung nahe, ob das im Zehn-Wochen-Zeitraum abgerechnete Entgelt der Klägerin ausgezahlt worden ist; denn nach der Rechtsprechung des Senats ist das nicht ausgezahlte Entgelt ungeachtet seiner Abrechnung mit 0 anzusetzen (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 43). Danach wird geprüft werden müssen, ob angesichts der Höhe des so ermittelten Arbeitsentgelts § 112 Abs 7 AFG Platz greift. Das wäre nicht nur der Fall, wenn das gemäß § 112 Abs 6 AFG ermittelte Arbeitsentgelt besonders gering ist, weil das im Bemessungszeitraum erarbeitete Arbeitsentgelt nicht oder nur teilweise ausgezahlt worden ist (vgl BSG aaO), sondern auch, wenn die Klägerin in den besagten zehn Wochen zB wegen Arbeitsmangel erheblich weniger verdient hat als überwiegend in der dreijährigen Rahmenfrist. Findet § 112 Abs 7 AFG Anwendung, ist das Arbeitsentgelt nach dieser Vorschrift zu ermitteln. Der Klage ist stattzugeben, wenn das ermittelte Arbeitsentgelt gerundet wöchentlich 340,– DM oder mehr beträgt.
Fundstellen