Orientierungssatz
Fortbildungsmaßnahmen sind nur solche Lehrveranstaltungen, die auf dem bisherigen Berufswissen aufbauen und es weiterentwickeln. Maßnahmen hingegen, die nach ihrem Lehrplan auch Absolventen allgemeinbildender Schulen oder Berufsfremden die Teilnahme ermöglichen (hier: Teilnahme am Unterricht der Auslandskorrespondenten - Fachschule), sind allgemeine Bildungsveranstaltungen.
Normenkette
AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Teilnahme des Klägers am Unterricht der "Auslands-Korrespondenten-Fachschule" (AKF) B in der Zeit von April 1971 bis Juni 1972 zu fördern hat.
Nach Entlassung aus der Volksschule (1960) besuchte der 1945 geborene Kläger von April 1960 bis März 1962 eine private Wirtschaftslehranstalt. Er machte dann (April 1962 bis März 1965) eine kaufmännische Lehre durch, die er mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abschloß. Von April 1965 bis März 1971 arbeitete er als kaufmännischer Angestellter und besuchte in dieser Zeit Abendlehrgänge der AKF Bochum in Englisch und Französisch. Ab 1. April 1971 wurde er Vollzeitschüler und legte im Juni 1972 die Prüfung als Auslandskorrespondent ab. Die Aufnahmebedingungen der AKF-Tagesschule sind mittlere Reife, Abitur oder der Besuch einer zweijährigen Handelsschule mit Abschlußprüfung.
Den Antrag des Klägers vom 12. Februar 1971, seinen Besuch der AKF-Tagesschule als Maßnahme der beruflichen Fortbildung zu fördern, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 16. Juni 1971; Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1971).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 23. Mai 1972 die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, den Schulbesuch im Fach "Englisch" zu fördern.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29. März 1973 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Gemäß § 41 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) seien nur solche Maßnahmen der beruflichen Fortbildung zu fördern, die eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzten. Der Träger der Maßnahme müsse die Teilnahmeberechtigung von der Erfüllung dieser Voraussetzungen abhängig machen. Es genüge nicht, daß der einzelne Teilnehmer über eine Berufsausbildung oder über Berufserfahrungen verfüge. Da bei der AKF die Teilnahmeberechtigung allein davon abhängig gewesen sei, ob die Bewerber einen bestimmten Schulabschluß gehabt hätten, lägen diese Voraussetzungen nicht vor.
Mit der - zugelassenen - Revision trägt der Kläger vor: Nach den objektiven Zugangsvoraussetzungen handele es sich bei der AKF zwar um eine Schule, die Ausbildung und nicht Berufsfortbildung betreibe, so daß eine Förderung nach dem AFG nicht möglich sei. Diese objektive Betrachtungsweise sei aber vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Nach dem Wortlaut des § 41 AFG werde die Teilnahme an Maßnahmen gefördert, die das Ziel hätten, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten weiterzuentwickeln und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung voraussetzten. Diese Voraussetzungen lägen bei ihm - dem Kläger - jedoch vor. Denn es komme entscheidend darauf an, wie gerade sein beruflicher Werdegang sich gestaltet habe und welches Ziel er aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten anstrebe. Richtig sei eine subjektive Betrachtungsweise. Daß die Fortbildung an einer Fachschule erfolgt sei, die normalerweise auch Ausbildung betreibe, könne bei subjektiver Betrachtungsweise nicht schädlich sein.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Mai 1972 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Beklagten.
Die Beklagte fördert nach dem AFG die berufliche Bildung in individueller Form als berufliche Ausbildung (§ 40 AFG), als berufliche Fortbildung (§ 41 AFG) oder als berufliche Umschulung (§ 47 AFG).
Bei der Teilnahme des Klägers am Unterricht der AKF handelt es sich um Fortbildung, denn der Kläger wollte schon bisher vorhandene berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten erweitern und einen beruflichen Aufstieg erreichen (§ 41 Abs. 1 AFG). Ausbildung im Sinne des § 40 AFG liegt nicht vor, weil der Kläger schon bei Beginn der Maßnahme einen Beruf hatte. Unter "Ausbildung" im Sinne des § 40 AFG ist - im Gegensatz zur allgemeinen Verwendung dieses Begriffs - nur die erste zu einem Abschluß führende Bildungsmaßnahme zu verstehen (SozR 4100 § 43 Nr. 1). Auch um eine Maßnahme der Umschulung handelt es sich bei dem Besuch der AKF nicht, denn bei der Weiterbildung eines kaufmännischen Angestellten zum Auslandskorrespondenten werden die in dem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten in den angestrebten Beruf inhaltlich mit übernommen. Es wird nicht ein Beruf mit "neuem Inhalt" erworben (vgl. Urteil des Senats vom 22. Oktober 1974, 7 RAr 38/74).
Die Voraussetzungen, unter denen die berufliche Fortbildung zu fördern ist, sind jedoch nicht gegeben.
Nach § 41 Abs. 1 AFG besteht ein Anspruch auf Förderung, wenn die Maßnahme eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzt. Nur dann handelt es sich um eine förderungsfähige berufliche Fortbildungsmaßnahme im Sinne dieser Vorschrift. Während die Frage, ob berufliche Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung gegeben ist, nur in Betrachtung des beruflichen Schicksals des einzelnen, also individuell entschieden werden kann, so daß also dieselben Maßnahmen für den einen Fortbildung, für den anderen Umschulung und für einen weiteren Ausbildung sein können, ist die Frage der Förderungsfähigkeit einer Maßnahme unter objektiven Gesichtspunkten zu betrachten. Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, daß die abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung nicht nur als eine auf den Teilnehmer bezogene, subjektive Förderungsvoraussetzung zu verstehen ist. Sie muß vielmehr generell eine objektive Voraussetzung für die Teilnahme an einer Maßnahme sein, wenn diese als berufliche Fortbildung förderungsfähig sein soll (BSGE 36, 48; SozR AFG § 41 Nr. 1). Fortbildungsmaßnahmen sind nur solche Lehrveranstaltungen, die auf dem bisherigen Berufswissen aufbauen und es weiterentwickeln. Maßnahmen hingegen, die nach ihrem Lehrplan auch Absolventen allgemeinbildender Schulen oder Berufsfremden die Teilnahme ermöglichen, sind allgemeine Bildungsveranstaltungen. Der Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist darin zu sehen, daß nur ein Ausschnitt der gesamten Bildungsförderung der Beklagten übertragen ist. Die Beklagte fördert - außer einem Teil der Ausbildungsmaßnahmen (§ 40 AFG) - nur die objektiv berufsbezogenen Maßnahmen der beruflichen Fortbildung.
Ausgehend von diesem Grundsatz ist die Fortbildung des Klägers durch Besuch der AKF-Tagesschule schon deshalb nicht förderungsfähig, weil die Aufnahmebedingungen der AKF-Tagesschule lediglich eine bestimmte Allgemeinbildung voraussetzen.
Da somit das angefochtene Urteil zu Recht den Anspruch des Klägers verneint hat, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen