Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung der Rehabilitanden. Übergangsgeldbezieher. Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers. mißglückter Arbeitsversuch
Orientierungssatz
Der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich fordert, daß der Träger der Kriegsopferversorgung während einer medizinischen Maßnahme "einen Kalendermonat Übergangsgeld zahlt", spricht nicht dafür, daß nach einer nur kurzen Unterbrechung (mißglückter Arbeitsversuch) des Übergangsgeld-Bezugs innerhalb eines einheitlichen Rehabilitationsfalles eine neue "Wartezeit" zu erfüllen ist, die anschließende Wiedergewährung des Übergangsgeldes mithin nicht als eine Zeit des "weiteren Bezuges" anzusehen ist.
Normenkette
RVO § 1227 Abs 1 S 1 Nr 8a Buchst b Fassung: 1974-08-07, § 1385 Abs 4 Buchst g Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 20.07.1984; Aktenzeichen L 4 Kr 1804/81) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 11.08.1981; Aktenzeichen S 2 Kr 2474/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Träger der Kriegsopferversorgung für den Beigeladenen zu 2) Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) nach § 1385 Abs 4 Buchst g der Reichsversicherungsordnung in der Fassung, die bis zum 31. Dezember 1983 galt (RVO aF), auch für die Zeit vom 6. Oktober 1979 bis 30. November 1979 zu entrichten hatte.
Der Beigeladene zu 2) war seit dem 5. Februar 1979 wegen einer bei ihm als Schädigungsfolge (SF) im Sinne der Entstehung anerkannten Gesundheitsstörung ("Narben und zahlreiche Stecksplitter rechtes Bein ohne Funktionsstörung") arbeitsunfähig erkrankt und bezog hierwegen nach Erschöpfung des Lohnfortzahlungsanspruchs vom 20. März 1979 an Übergangsgeld (ÜbG) gemäß §§ 16 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Der Bezug des ÜbG endete mit dem 29. September 1979, dem Tag, den der behandelnde Arzt Dr. H. als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigt hatte. Das Versorgungsamt Ulm entrichtete vom 1. Mai 1979 bis 29. September 1979 Beiträge zur ArV nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst b iVm § 1385 Abs 4 Buchst g RVO aF. Am 5. Oktober 1979 stellte Dr. H. vom folgenden Tage an wegen der SF und der bis dahin erforderlich gewordenen (teilweisen stationären) Behandlung erneut AU fest.
Mit Bescheid vom 18. Juli 1980 forderte die Beklagte als Einzugsstelle vom Kläger ArV-Beiträge für den Beigeladenen zu 2) auch für die Zeit vom 6. Oktober 1979 bis 30. November 1979 (Behandlungsende) in Höhe von 809,40 DM. Hiergegen erhob der Kläger durch das Versorgungsamt Ulm Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm, zahlte jedoch gleichzeitig die geforderten Beiträge. Das SG Stuttgart, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, wies die Klage auf Rückerstattung der Beiträge ab (Urteil vom 11. August 1981). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, dabei jedoch die Beitragsforderung (die von der Beklagten irrtümlich vom 5. Oktober 1979 statt vom 6. Oktober 1979 ab berechnet worden war) auf 795,20 DM ermäßigt (Urteil vom 20. Juli 1984). Das LSG hat die Unterbrechung des ÜbG-Bezuges um nur wenige Tage durch einen mißglückten Arbeitsversuch als unschädlich angesehen und den Beigeladenen zu 2) auch für die Zeit des erneuten Bezuges von ÜbG ab 6. Oktober 1979 für rentenversicherungspflichtig nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst b RVO aF gehalten mit der Folge, daß den Kläger insoweit eine Beitragstragungspflicht treffe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, das Berufungsgericht habe die - die Versicherungspflicht eines Rehabilitanden nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst a RVO aF betreffende - Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in BSGE 51, 172 in einer dem objektiven Willen des Gesetzgebers nicht entsprechenden Weise ausgelegt. Für Fälle der dort entschiedenen Art (Entrichtung von Beiträgen, nachdem zwölf Monate ununterbrochen Krankengeld gezahlt worden ist) lasse sich die Auffassung vertreten, daß eine Unterbrechung der Krankengeldzahlung von fünf Tagen rechtlich nicht relevant sei. Da jedoch die Entrichtung der Beiträge eines Trägers der Kriegsopferversorgung nur voraussetze, daß für einen Monat ÜbG gezahlt worden sei, falle die Unterbrechung der Zahlung von ÜbG wegen eines mißglückten Arbeitsversuchs von einer Woche mit der Folge, daß die weitere Entrichtung von Beiträgen wiederum von einem einmonatigen Bezug von ÜbG abhänge, nicht so ins Gewicht wie bei einer entsprechenden Unterbrechung der Krankengeldzahlung, zumal für die Zeit des Arbeitsversuchs Beiträge zur ArV entrichtet worden seien.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 809,40 DM zu erstatten.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Da die ordnungsgemäß zum Termin geladenen und auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesenen Beteiligten nicht erschienen sind, hat der Senat über den Rechtsstreit nach Lage der Akten gemäß § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entschieden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger verpflichtet ist, die Beiträge zur Rentenversicherung für den Beigeladenen zu 2) auch für die streitige Zeit vom 6. Oktober 1979 bis 30. November 1979 zu tragen. Der Beigeladene zu 2) war trotz der durch den mißglückten Arbeitsversuch eingetretenen Unterbrechung des ÜbG-Bezugs um eine Woche während des anschließenden Weiterbezugs versicherungspflichtig nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst b RVO aF. Nach dieser Vorschrift wurden Personen, denen ein Träger der Kriegsopferversorgung während einer medizinischen Maßnahme einen Kalendermonat ÜbG gezahlt hatte, für die Zeit des weiteren Bezugs von ÜbG in der ArV versichert. Für diese Zeit hatte der Träger der Kriegsopferversorgung als Rehabilitationsträger nach § 1385 Abs 4 Buchst g RVO aF die Pflichtbeiträge allein zu tragen.
Die Vorinstanzen und die Beklagte haben die genannten Vorschriften zutreffend ausgelegt und angewandt. Die entgegenstehende Rechtsauffassung des Klägers, die allerdings auch vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in dem Rundschreiben vom 16. Juni 1978 - VI a 5 - 5207.6 - 534/77 - (BVBl 1978, 34) vertreten worden ist, entspricht weder der Zielsetzung des Gesetzes noch läßt sie sich mit dem Gesetzeswortlaut überzeugend begründen. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 1981 (BSGE 51, 172 = SozR 2200 § 1227 Nr 33) und früher schon in dem Urteil vom 30. November 1977 (BSGE 45, 188 = SozR 2200 § 1227 Nr 7) klargestellt hat, diente die - inzwischen wieder aufgehobene - Einbeziehung der Rehabilitanden in die Rentenversicherungspflicht - mit der Übertragung der Beitragspflicht auf die Rehabilitationsträger als einer ergänzenden Leistung nach § 12 Nr 2 des Gesetzes über die Angleichung von Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 - der sozialen Sicherung der Behinderten; sie war ein Ausgleich für den durch die Behinderung bedingten Verlust der Fähigkeit, sich aus den Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit selbst ausreichend gegen die von der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckten Risiken zu versichern. Diesem Grundanliegen des RehaAnglG entsprechend wurden außer Rehabilitanden mit langem Krankengeldbezug auch diejenigen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen, denen ÜbG von einem Träger der Kriegsopferversorgung gezahlt wurde. Daß für erstere ein 12monatiger ununterbrochener Krankengeldbezug dem Eintritt der Versicherungspflicht vorausgegangen sein mußte, während für ÜbG-Bezieher ein einmonatiger Leistungsbezug genügte, findet seine Erklärung, wie der Senat in BSGE 51, 172 dargelegt hat, neben einer - beabsichtigten - Entlastung der beitragspflichtigen Krankenkassen insbesondere darin, daß ein Krankengeldbezieher nicht von vornherein als Rehabilitand gelten kann, es sich vielmehr in der Regel erst nach längerem Zeitablauf entscheidet, ob der Behandlungsfall als Rehabilitationsfall anzusehen ist. Wer sich dagegen wegen einer Schädigungsfolge einer medizinischen Maßnahme unterziehen muß, erhält von Anfang an eine Reha-Maßnahme.
Die vom Gesetzgeber in den Fällen des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst b RVO aF vorgesehen gewesene "Wartezeit" von einem Kalendermonat zwischen dem Beginn des ÜbG-Bezugs und dem Einsetzen der Versicherungs- und Beitragspflicht (im Gegensatz zu den Fällen des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst c RVO aF, in denen die Versicherungs- und Beitragspflicht nach einem Mindestbezug des ÜbG von einem Kalendermonat bereits vom Beginn des Leistungsbezugs an begründet wurde) bezweckte auch hier eine gewisse finanzielle Schonung des Rehabilitationsträgers; andererseits war den Rehabilitanden die damit verbundene Einbuße an Versicherungsschutz zumutbar. Hätten diese hingegen nach einem zwischenzeitlichen mißglückten Arbeitsversuch, während dessen durchgehend Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bestand, die versicherungsfreie "Wartezeit" nochmals zurücklegen müssen, so wäre dies der Zielsetzung des Gesetzgebers erkennbar zuwidergelaufen.
Auch der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich forderte, daß der Träger der Kriegsopferversorgung während einer medizinischen Maßnahme "einen Kalendermonat ÜbG gezahlt hat", spricht nicht dafür, daß nach einer nur kurzen Unterbrechung des ÜbG-Bezugs innerhalb eines einheitlichen Rehabilitationsfalles eine neue "Wartezeit" zu erfüllen, die anschließende Wiedergewährung des ÜbG mithin nicht als eine Zeit des "weiteren Bezuges" anzusehen war.
Daß für Rehabilitanden iS des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 a Buchst a RVO aF, auf die sich die Entscheidung des Senats vom 29. Januar 1981 (BSGE 51, 172) bezog, bis zum Beginn der Versicherungspflicht eine wesentlich längere "Wartezeit" galt als für Rehabilitanden iS des Buchst b der genannten Vorschrift, daß erstere also, wie der Kläger meint, entsprechend größere Nachteile gehabt hätten, wenn sie diese "Wartezeit" nach einer kurzfristigen Unterbrechung des Krankengeldbezugs bis zum Wiederbeginn der Versicherungspflicht nochmals hätten zurücklegen müssen, ist zwar richtig; das ändert aber nichts daran, daß auch für Rehabilitanden iS des Buchst b der genannten Vorschrift nicht unerhebliche Nachteile entstanden wären, wenn sie in Fällen der vorliegenden Art die "Wartezeit" hätten wiederholen müssen. Schon die Sorge davor hätte sie uU davon abhalten können, einen - dem Rehabilitationszweck in der Regel förderlichen - Arbeitsversuch zu unternehmen, dessen Erfolgs sie nicht von vornherein sicher sein konnten. Daß ein solches Ergebnis nicht den Zielen des RehaAnglG entsprochen hätte, braucht nicht näher begründet zu werden. Der Senat hat deshalb schon in der genannten früheren Entscheidung, damit die sozialen Rechte der begünstigten Personen "möglichst weitgehend verwirklicht werden" (§ 2 Abs 2 SGB 1), geringfügige Unterbrechungen der "Wartezeit" für unerheblich gehalten, jedenfalls wenn während der Unterbrechung AU fortbestanden hatte. Das gleiche gilt auch für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Unterbrechung nicht die "Wartezeit", sondern die Bezugszeit (des Krankengeldes oder des ÜbG) betraf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Für den im Revisionsverfahren nicht vertretenen Beigeladenen zu 2) sind außergerichtliche Kosten nicht angefallen.
Fundstellen