Leitsatz (amtlich)
Ein Bescheid, in dem ein Leiden als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung festgestellt (anerkannt) und Rente wegen dieses Leidens bewilligt worden ist, ist nicht ganz, sondern nur teilweise unrichtig, wenn das Leiden durch den Wehrdienst zwar nicht hervorgerufen, wenn es aber durch ihn verschlimmert worden ist und wenn dem Kläger Rente wegen der Verschlimmerung zusteht. Die Versorgungsverwaltung darf diesen Bescheid insoweit nicht zurücknehmen (KOV - VfG § 41), als das Leiden teilweise - nämlich in dem durch die Verschlimmerung bedingten Umfange - Schädigungsfolge ist und dem Kläger deshalb möglicherweise auch nur ein Teil der bisherigen Rente zu Recht zusteht.
Leitsatz (redaktionell)
Ist der nach KOV - VfG § 41 berichtigte Rentenbescheid nur insoweit "zweifelsfrei" unrichtig, als ein Leiden "i S der Entstehung" als Schädigungsfolge anerkannt worden war, muß das Gericht unter Umständen prüfen, ob der Rentenbescheid auch insoweit "zweifelsfrei" unrichtig war, als das Leiden durch eine Schädigung auch nicht verschlimmert worden war.
Diese Frage ist gleichfalls Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens und keine, über die zunächst die Versorgungsbehörde zu entscheiden hat.
Normenkette
BVG § 1 Fassung: 1950-12-20; KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 15. Dezember 1958 wird aufgehoben; die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger beantragte am 1. März 1952 die Gewährung von Versorgung wegen "Diabetes insipidus" (Harnruhr); er gab an, das Leiden sei durch die Verwendung als Gaueinsatzleiter bei Schanzarbeiten im D Raum im Jahre 1944 verschlimmert worden. Bei der Untersuchung durch den Facharzt für innere Krankheiten Dr. W am 17. Oktober 1952 gab der Kläger u.a. an, er sei am 16. Juni 1942 bei einer militärischen Nachtübung mit dem Motorrad gestürzt und besinnungslos geworden; nach dem Unfall sei er nach Feststellung des Leidens "Harnruhr" aus dem Wehrdienst entlassen worden; vor der Dienstzeit habe er keine Krankheiten gehabt; Wehrdienst habe er vom 18. Juni bis 22. Juli 1942 geleistet. Dr. W und die Ärzte des C-hauses H, in dem der Kläger im Februar 1953 stationär beobachtet und untersucht worden war, führten das Leiden auf den Unfall während des Wehrdienstes zurück. Durch Bescheid vom 23. April 1953 gewährte das Versorgungsamt II H dem Kläger wegen "Harnruhr (Diabetes insipidus)", hervorgerufen durch den Wehrdienst, Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 40 v.H. Der Kläger legte Einspruch ein und machte geltend, daß seine Magen- und Nierenbeschwerden ebenfalls in das Krankheitsbild seines Leidens gehörten; ihm müsse deshalb eine höhere Rente gewährt werden. Der Einspruch wurde nach dem 1. Januar 1954 als Widerspruch weiterbehandelt, das Landesversorgungsamt Niedersachsen wies den Widerspruch durch Bescheid vom 1. April 1954 zurück. Der Kläger erhob Klage bei dem Sozialgericht (SG.) Lüneburg. Während des Verfahrens zog das Versorgungsamt die Unterlagen des Interniertenkrankenhauses K bei, in welchem sich der Kläger vom 7. Oktober 1945 bis 4. Januar 1946 befunden hatte; dort hatte der Kläger angegeben, er habe mit 18 Jahren durch einen Motorradunfall eine Kopfverletzung erlitten, drei Monate später auffallende Durstzustände bekommen und sei deswegen klinisch behandelt worden. Das Versorgungsamt erließ am 1. Februar 1956 einen "Berichtigungs- und Rückforderungsbescheid" nach den §§ 41 Abs. 1 und 47 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG), es entzog die Rente und forderte die bisher gezahlten Bezüge von insgesamt 964,- DM zurück, weil nach den Unterlagen des Interniertenkrankenhauses K der Kläger über die Ursache und den Zeitpunkt der Entstehung der Harnruhr wissentlich falsche Angaben gemacht habe; der Bescheid wurde nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Vor dem SG. trug der Kläger vor, der Bescheid vom 1. Februar 1956 sei unrichtig; einen Motorradunfall habe er nicht im 18. Lebensjahr, sondern erst während des Wehrdienstes im Jahre 1942 erlitten. Durch Urteil vom 17. Juli 1956 wies das SG. die Klage ab. Der Kläger legte Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG.) in Celle ein. Er wandte sich nicht mehr gegen den Bescheid vom 23. April 1953 (1. April 1954), sondern nur noch gegen den Bescheid vom 1. Februar 1956 und trug u.a. vor, er habe im Interniertenkrankenhaus K bewußt unrichtige Angaben gemacht, weil er habe vermeiden wollen, daß er als Angehöriger der SS angesehen werde. Durch Urteil vom 15. Dezember 1958 wies das LSG. die Berufung zurück: Es sei erwiesen, daß der Diabetes insipidus des Klägers bereits seit 1935 bestehe; der Kläger habe gegenüber Dr. W wissentlich falsche Angaben gemacht; dagegen seien die Angaben des Klägers im Interniertenkrankenhaus K richtig; das ergebe sich schon daraus, daß der Kläger auch bei der Untersuchung durch Dr. S im November 1950 im wesentlichen dieselben Angaben gemacht habe wie im Interniertenkrankenhaus K, insbesondere habe er auch damals, also fünf Jahre nach der Untersuchung bei Dr. W, den Beginn der Krankheit mit 1935 angegeben; für die Richtigkeit dieser Darstellung sprächen auch die Eintragungen in seinem Wehrpaß; wenn er am 21. Juni 1937 "tauglich, Ersatzreserve I" gemustert worden sei, so habe er bei dieser Musterung möglicherweise mit Angaben über seine Krankheit zurückgehalten; jedenfalls sei er am 25. November 1939 für "a.v. Heimat, Ersatzreserve II" und im Juli 1941 als "g.v.H. Ersatzreserve II" befunden worden; es müsse daher ein nicht unerheblicher Tauglichkeitsmangel vorgelegen haben, der mit Sicherheit auf die Harnruhr zu beziehen sei; hiernach sei es ausgeschlossen, daß die Harnruhr erst im Jahre 1942 aufgetreten sei; ebensowenig entspreche es den Tatsachen, daß der Kläger während einer Nachtübung am 16. Juni 1942 einen Motorradunfall gehabt habe; auf die Angaben der Zeugen, die der Kläger benannt habe, komme es nicht an; wenn der Kläger nunmehr wieder geltend mache, durch seine Verwendung als Gaueinsatzleiter bei Schanzarbeiten im Jahre 1944 und durch die Internierung sei die Harnruhr verschlimmert worden, so berühre dieses Vorbringen nicht den anhängigen Rechtsstreit; es sei ausschließlich über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Februar 1956 zu befinden.
Das Urteil wurde dem Kläger am 22. Januar 1959 zugestellt. Am 23. Februar 1959 - der 22. Februar 1959 war ein Sonntag - legte er Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG. Celle vom 15. Dezember 1958, das Urteil des SG. Lüneburg vom 13. September 1956 und den Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 1956 aufzuheben.
Am 19. März 1959 begründete er die Revision: Das LSG. habe nicht feststellen dürfen, daß die Harnruhr bereits vor dem Kriege entstanden sei; es habe sich nicht allein auf die Angaben des Klägers im Interniertenkrankenhaus Karlsruhe stützen dürfen, der Kläger habe die Gründe dafür angegeben, weshalb er dort den Beginn seiner Krankheit der Wahrheit zuwider mit 1935 angegeben habe; das LSG. habe noch die Zeugen und Sachverständigen hören müssen, die der Kläger benannt habe; das LSG. habe auch die Beweise nicht richtig gewürdigt, es habe gegen Erfahrungssätze und gegen die Denkgesetze verstoßen; der Kläger habe nicht, wie das LSG. meine, sein Leiden bei der Musterung 1937 verschwiegen, um Soldat zu werden, ein solches Leiden könne bei einer Musterung nicht verschwiegen werden, es könne sich auch nicht bis zu der Musterung im Jahre 1941 gebessert haben; das LSG. habe auch zu Unrecht festgestellt, daß der Kläger nicht kurz nach der Einberufung an einer Nachtübung teilgenommen habe; es habe ferner nicht beachtet, daß der Kläger vor seiner Einberufung bei den J-werken tätig und sonach damals gesund gewesen sei; das LSG. habe auch nicht berücksichtigt, daß der Kläger in seinem Antrag Versorgung lediglich wegen Verschlimmerung seines Leidens durch den Einsatz bei Schanzarbeiten beantragt habe, schon deshalb habe es nicht feststellen dürfen, daß der Kläger eine Täuschung beabsichtigt habe; es habe schließlich auch über die Frage befinden müssen, ob das Leiden durch den Wehrdienst nicht jedenfalls verschlimmert worden sei, es habe dies schon deshalb tun müssen, weil der Kläger sich auch gegen die Rückforderung der Rente gewandt habe.
Der Beklagte beantragte,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft; der Kläger rügt mit Recht, das Urteil des LSG. leide an wesentlichen Mängeln des Verfahrens.
Der Kläger hat zwar die Verfahrensvorschriften, die er als verletzt ansieht, nicht ausdrücklich bezeichnet (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Aus seinem Vorbringen ist jedoch mit noch hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß er rügen will, das LSG. habe die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen (§ 128 SGG), überschritten und seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) verletzt, dies meint der Kläger auch insoweit, als er vorträgt, das LSG. habe ihm das rechtliche Gehör versagt. Die Revision ist daher in der durch § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG gebotenen Form erhoben (vgl. BSG. 1 S. 227). Die Rügen des Klägers treffen auch zu.
In dem Bescheid vom 23. April 1953 (Widerspruchsbescheid vom 1.4.1954) hat der Beklagte die Harnruhr (Diabetes insipidus) als durch den Wehrdienst hervorgerufen anerkannt, er hat dem Kläger Rente nach einer MdE. um 40 v.H. bewilligt. Der Kläger hat diesen Bescheid mit der Klage angefochten, er hat eine höhere Rente begehrt; in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. am 15. Dezember 1958 hat der Kläger jedoch erklärt, der Bescheid vom 23. April 1953 solle "nicht angefochten werden", er hat damit die Klage insoweit zurückgenommen; der Bescheid vom 23. April 1953 ist daher für die Beteiligten bindend geworden, wenn der Beklagte ihn nicht rechtswirksam durch den angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 1956 zurückgenommen hat. Das LSG. hat daher darüber zu entscheiden gehabt, ob der Bescheid vom 1. Februar 1956 rechtmäßig gewesen ist.
Nach § 41 Abs. 1 VerwVG können in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV) Bescheide über Rechtsansprüche zurückgenommen werden, wenn ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel steht; nach § 47 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 VerwVG können im Falle der Rücknahme eines Bescheides nach § 41 VerwVG die gewährten Leistungen u.a. dann zurückgefordert werden, wenn die Unrichtigkeit darauf beruht, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat. Das LSG. hat die Voraussetzungen dieser Vorschriften bejaht; es hat festgestellt, die Krankheit des Klägers sei zweifelsfrei bereits im Jahre 1935 entstanden, sie sei nicht auf einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes (§ 1 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) zurückzuführen, der Kläger habe gegenüber Dr. W hinsichtlich der Zeit und der Ursache der Entstehung dieser Krankheit wissentlich falsche Angaben gemacht; aus diesen Feststellungen hat das LSG. gefolgert, der Bescheid vom 23. April 1953 sei zweifelsfrei unrichtig gewesen, dieser Bescheid sei deshalb rechtswirksam zurückgenommen worden und auch die Rückforderung der Rente, die der Kläger erhalten habe, sei berechtigt. Das Ergebnis der Ermittlungen, die das LSG. bisher angestellt hat, vermag diese Feststellungen und die hierauf gegründete Entscheidung jedoch nicht zu tragen; das LSG. hat nicht das "Gesamtergebnis des Verfahrens" (§ 128 SGG) gewürdigt, es hat die Beweise, aus denen sich möglicherweise andere Schlußfolgerungen herleiten lassen, nicht erhoben, es hat damit auch die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen (§ 128 SGG) überschritten und zugleich gegen § 103 SGG verstoßen; der Kläger hat dies zu Recht gerügt.
Die Tatsache, daß der Kläger sowohl im Interniertenkrankenhaus Karlsruhe als auch bei der Untersuchung durch Dr. S angegeben hat, die Harnruhr sei vor Beginn des Krieges entstanden, hat dem LSG. zwar mit Recht Anlaß gegeben zu bezweifeln, daß die Krankheit erst während des Wehrdienstes aufgetreten ist. Diese Bedenken haben jedoch nicht ausgereicht für die Feststellung, daß die Krankheit zweifelsfrei schon seit 1935 bestanden habe, das LSG. hat selbst auf Umstände hingewiesen, die dies zweifelhaft erscheinen lassen; es hat diese Umstände aber nicht hinreichend gewürdigt und nicht alle Möglichkeiten erschöpft, um die Zweifel auszuräumen. Abgesehen davon, daß der Kläger immerhin zu begründen versucht hat, warum er im Interniertenkrankenhaus Karlsruhe unrichtige Angaben gemacht habe, hat das LSG. nicht ungeklärt lassen dürfen, aus welchen Gründen der Kläger am 21. Juni 1937 in seinem Wehrpaß als "tauglich, Ersatzreserve I", am 25. November 1939 dagegen als "a.v.Heimat, Ersatzreserve II" und am 3. Juli 1941 als "g.v.Heimat, Ersatzreserve II" bezeichnet worden ist. Soweit das LSG. diese abweichenden Musterungsbefunde zu erklären sucht, hat es nur Vermutungen angestellt, die seine Feststellungen nicht zu tragen vermögen. Es hat keine ausreichenden Unterlagen dafür gehabt, daß die Harnruhr bei der Musterung im Jahre 1937 übersehen worden ist und daß der Kläger damals - wie das LSG. vermutet - "mit Angaben über seinen Krankheitszustand zurückgehalten" hat. Das bisherige Ergebnis der Ermittlungen hat auch nicht ausgereicht für die weitere Feststellung des LSG., es sei ausgeschlossen, daß der Kläger schon wenige Tage nach seiner Einberufung im Juni 1942 an einer Nachtübung teilgenommen und dabei einen Motorradunfall gehabt habe; soweit die Daten über den Beginn des Wehrdienstes und den Zeitpunkt des angeblichen Motorradunfalls nicht stimmen können, kann es sich bei der geringen zeitlichen Abweichung um belanglose Erinnerungsfehler handeln, es gibt auch keinen "Erfahrungssatz", daß ein Soldat nicht wenige Tage nach der Einberufung bei Nacht einen Motorradunfall gehabt haben kann. Das LSG. hat jedenfalls versuchen müssen, den Sachverhalt noch weiter aufzuklären, es hat nicht als "zweifelsfrei" feststellen dürfen, daß die Harnruhr als Schädigungsfolge im Sinne des BVG zu Unrecht anerkannt worden ist. Das LSG. hat auch noch weitere Möglichkeiten zur Sachaufklärung gehabt. Der Kläger hat Zeugen dafür benannt, daß er vor 1942 gesund gewesen ist, er hat sich insbesondere auf die Zeugen S, K, H und K berufen, das LSG. hat diese Zeugen unter den gegebenen Umständen hören müssen, auch wenn es an Beweisanträge nicht gebunden ist. Aus der schriftlichen Erklärung des S im Verfahren vor dem SG. am 4. Oktober 1955 hat das LSG. nicht entnehmen dürfen, der Zeuge könne "zur Sache aus eigenem Wissen nichts bekunden", hierfür hat das Schreiben des S keinen ausreichenden Anhalt geboten. Auch die Vernehmung der Zeugen H und K hat das LSG. zu Unrecht abgelehnt, es hat nicht davon ausgehen dürfen, daß diese Zeugen nur "zu nicht beweisbedürftigen Nebenpunkten" benannt seien, die Zeugen sind nicht zum Beweis dafür benannt worden, daß der Kläger, was das LSG. offenbar nicht bezweifelt hat, "ab 1935 im Zivilleben arbeitsfähig" gewesen ist, sondern mindestens sinngemäß dafür, daß er vor dem Krieg noch nicht an Harnruhr gelitten hat, jedenfalls hat das LSG. mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Zeugen hierüber Aussagen machen können (vgl. auch BSG. 2 S. 273); das LSG. hat auch mindestens versuchen müssen, die Anschrift des als Zeugen benannten K zu ermitteln und ihn, wenn möglich, zu hören; es hat dies jedenfalls dann tun müssen, wenn es gegen die Angaben des Klägers, er habe 1945 wegen der Gefahr politischer Verfolgung über die Entstehung seines Leidens die Unwahrheit gesagt, Bedenken gehabt hat; der Kläger hat sich auf K als Zeugen zum Beweis dafür berufen, daß seine Behauptung richtig ist.
Da die gerügten Verfahrensmängel vorliegen, ist die Revision statthaft nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, sie ist, da sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet ist, damit zulässig.
Die Revision ist auch begründet. Es ist möglich, daß das LSG. bei weiterer Aufklärung des Sachverhalts und erschöpfender Würdigung der Beweise zu einem anderen Ergebnis kommt. Das Urteil des LSG. ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, die bisherigen Feststellungen des LSG. reichen nicht aus, die Sache ist daher zu neuer Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das LSG. hat bei der neuen Entscheidung auch zu prüfen, ob die Harnruhr - wenn sie durch den Wehrdienst nicht hervorgerufen ist - nicht durch den Wehrdienst etwa verschlimmert worden ist; es ist bisher zu Unrecht davon ausgegangen, über diese Frage sei in dem anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden, soweit eine Verschlimmerung in Betracht komme, handele es sich um "einen Anspruch, der mit dem dem anhängigen Streitverfahren zugrundeliegenden nicht identisch ist und der deshalb neuer verwaltungsmäßiger Entscheidung bedarf". Vielmehr handelt es sich insoweit nur darum, ob das Leiden, auf das der einheitliche Versorgungsanspruch gestützt wird, in vollem Umfange oder ob es nur teilweise Schädigungsfolge ist, es handelt sich nicht um verschiedene Ansprüche. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger zur Begründung dafür, daß der Bescheid vom 1. Februar 1956 rechtswidrig sei, im Laufe des Verfahrens sowohl geltend gemacht hat, die Harnruhr sei durch den angeblichen Unfall im Juni 1942 hervorgerufen, als auch, sie sei - wie der Kläger übrigens schon in seinem Antrag behauptet hat - jedenfalls durch den Schanzeinsatz und die Internierung 1944/45 verschlimmert worden. Es ist zwar richtig, wenn das LSG. ausgeführt hat, der Kläger habe nur die Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 1956 begehrt, dieser Bescheid sei ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung, für die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides komme es auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen sei; die weiteren Folgerungen, die das LSG. hieraus gezogen hat, sind aber unrichtig. Der Bescheid vom 1. Februar 1956 ist nur dann in vollem Umfange rechtmäßig, wenn der Beklagte bei seinem Erlaß - ein Vorverfahren hat im Hinblick auf § 96 SGG nicht stattgefunden - zu Recht davon ausgegangen ist, der Bescheid vom 23. April 1953 sei im Zeitpunkt seines Erlasses in vollem Umfange zweifelsfrei unrichtig gewesen. Der Bescheid vom 23. April 1953 ist aber nicht ganz, sondern nur teilweise unrichtig, wenn die Harnruhr durch den Wehrdienst zwar nicht hervorgerufen, wenn sie aber durch ihn verschlimmert worden ist und wenn dem Kläger Rente wegen der Verschlimmerung zusteht. In diesem Fall darf der Beklagte den Bescheid vom 23. April 1953 nach § 41 VerwVG nur insoweit zurücknehmen, als die Harnruhr in vollem Umfange als Schädigungsfolge - also als durch den Wehrdienst hervorgerufen - festgestellt und dem Kläger Rente bewilligt worden ist; der Beklagte darf diesen Bescheid insoweit nicht zurücknehmen, als die Harnruhr teilweise - nämlich in dem durch die Verschlimmerung bedingten Umfange - Schädigungsfolge ist und dem Kläger deshalb möglicherweise auch nur ein Teil der bisherigen Rente zu Recht zusteht. In diesem Rahmen muß das LSG. gegebenenfalls die gesamte Sach- und Rechtslage, wie sie bei Erlaß des Bescheides vom 1. Februar 1956 in Wirklichkeit gegeben gewesen ist (BSG. 7 S. 8; 10 S. 72), prüfen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen