Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Gewährung einer Versorgung nach BVG § 1 Abs 3 S 2 genügt nicht die - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem zu beurteilenden Leiden als Folge einer anerkannten Schädigung mit dem militärischen Dienst; es ist lediglich die Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges - wegen der unbekannten Ätiologie - zu unterstellen und dann zu prüfen, ob unter dieser Voraussetzung bei Anwendung allgemeiner ärztlicher Erfahrungssätze und der dadurch begrenzten Erkenntnismöglichkeiten - nach dem Ablauf des Leidens und dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kriegsdienst - ein ausreichender Anhalt dafür besteht, den ursächlichen Zusammenhang eines Leides mit anerkannten Schädigungsfolgen und dem Wehrdienst iS des BVG § 1 Abs 3 S 2 zu bejahen (vergleiche BSG 1968-11-26 9 RV 610/66 = KOV 1969, 63).
Liegen nur unklare Diagnosen vor, die den Schluß auf mehrere Leiden, dh auch auf andere Leiden zulassen, bei denen ein Härteausgleich von vornherein nicht in Betracht kommt oder über deren Entstehungsursache keine Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft besteht, so fehlt es grundsätzlich an den gesetzlichen Voraussetzungen der BVG §§ 89 Abs 2 aF und 1 Abs 3 S 2.
2. Bei den Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach BVG § 89 Abs 2 und BVG § 1 Abs 3 S 2 handelt es sich um einen Gesetzestatbestand, der einer unbeschränkten richterlichen Nachprüfung unterliegt.
Orientierungssatz
Zur Frage der Gewährung einer Kannversorgung gemäß BVG § 1 Abs 3 S 2 (idF des 2. NOG-KOV) bei Lymphogranulomatose.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1964-02-21, § 89 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. April 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des am 31. März 1920 geborenen und am 27. Dezember 1958 an einer Lymphogranulomatose verstorbenen Polizeimeisters W W (W.). Dieser hatte bis zum Tode Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. wegen der bei ihm als Schädigungsfolgen nach § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anerkannten Gesundheitsstörungen "1. Verlust der Kuppe des linken Daumens, 2. Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk und Muskelschwund am rechten Bein, Verkürzung des rechten Beines um 3 cm nach verheiltem Schenkelhalsbruch" bezogen.
Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte den Antrag der Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente nach dem BVG zu gewähren, mit Bescheid vom 20. März 1959 ab. In einem vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg anhängig gewesenen früheren Rechtsstreit über höhere Beschädigtenrente und volles Bestattungsgeld schlossen die Beteiligten am 9. Mai 1961 einen Vergleich, mit dem sich der Beklagte verpflichtete, für die Zeit ab 1. Juni 1960 zu prüfen, ob Rente im Wege des Härteausgleichs gewährt werden kann, worauf die Klägerin den Rechtsanspruch auf Rente nicht mehr geltend machte. In Ausführung dieses Vergleichs lehnte das VersorgA sodann mit Bescheid vom 14. März 1962 auch die Gewährung von Hinterbliebenenrente im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs. 2 BVG ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 5. November 1962). Im Klageverfahren hat das SG Duisburg den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) beigeladen und die Klage nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme mit Urteil vom 7. September 1965 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 20. April 1967 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. W. sei 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft an einer Entzündung des linken Daumens erkrankt, die zum Verlust der Daumenkuppe geführt habe. Alsbald nach seiner im Januar 1946 erfolgten Heimkehr sei er von Dr. W wegen eines juckenden Ausschlags am Kopf, im Gesicht, am Hals und an der Brust behandelt worden; 1952 und 1957 seien Ekzeme und ab Oktober 1957 seborrhoische Erscheinungen aufgetreten, ferner vom 28.4. - 3.6.1958 eine Lichtdermatose an beiden Händen. Die ärztlichen Gutachten von Dr. Dr. H und Dr. R sowie von Prof. Dr. L hätten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der erstmals im Frühjahr 1958 aufgetretenen Lymphogranulomatose und der während der Gefangenschaft durchgemachten osteomyelitischen Daumenerkrankung schon aus zeitlichen Gründen verneint. Auch unter Würdigung der Auffassungen von Dr. K und Dr. K sei ein solcher Zusammenhang unwahrscheinlich. Im übrigen sei die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs der Lymphogranulomatose mit Schädigungsfolgen nicht nur deswegen nicht gegeben, weil über die Ursache der Krankheit in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit bestehe. Selbst Dr. K, der neben Dr. K die Voraussetzungen des Härteausgleichs bejaht habe, stütze seine Stellungnahme nicht auf die Daumenschädigung mit ihren zeitlich begrenzten Folgen. Dr. K und Dr. K könne aber auch in der Auffassung nicht gefolgt werden, ein "Pruritus", der zu dem 4 Kardinalsymptomen gehöre, sei als Brückensymptom bzw. als Vorkrebserkrankung anzusehen. Nachgewiesen seien zu Lebzeiten des Verstorbenen drei Behandlungen wegen juckender Hauterkrankung im Kopfbereich (1946, 1952, 1957) und eine Behandlung wegen eines mykotischen Ekzems (1957). Sonstige behauptete Klagen über Hautjucken könnten unterstellt werden, vermöchten jedoch an der Entscheidung nichts zu ändern, weil der Beurteilung des Krankheitsbildes nur ärztlich nachgewiesene Behandlungen zugrunde gelegt werden könnten. Nach dem Gutachten des Privatdozenten Dr. Dr. H vom 11. Mai 1964 spreche für eine besonders akute Verlaufsform der Erkrankung an Lymphogranulomatose, daß die Gewebsveränderungen bei der Obduktion eher i.S. einer Lymphosarkomatose als i.S. einer Lymphogranulomatose aufgefaßt worden seien, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, daß die ersten spezifischen Gewebsveränderungen nicht vor dem Jahre 1958 entstanden seien. Der von Dr. K gebrachte Hinweis auf die in seltenen Fällen mögliche über zwanzigjährige Krankheitsdauer übersehe, daß von dem langjährigen Verlauf einer "erkannten" Krankheit nicht auf den "Vorfeldbereich" einer Krankheit geschlossen werden könne, deren Ursache unbekannt sei. Sonst wären für die Anerkennung aller Erkrankungen, deren Ursache unbekannt sei, als Folgen irgendwelcher Schädigungen während des Wehrdienstes keine Grenzen gesetzt; jede derartige Erkrankung müßte dann als Schädigungsfolge mindestens i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG anerkannt werden. Dies könne nicht rechtens sein, weil es die Gewährung von Versorgungsbezügen nach dem BVG von der zufälligen Tatsache abhängig machen würde, ob ein mehr als ein Jahrzehnt nach Kriegsende an einem solchen Leiden unbekannter Ursache Erkrankter eine - vielleicht nur verhältnismäßig kurze - Zeit Wehrdienst geleistet habe oder nicht. Die Gewährung von Witwenrente nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Versorgungsbehörde, für das ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt werden müsse. Sie könne die Rentengewährung von der Erfüllung bestimmter allgemeiner Voraussetzungen abhängig machen. Wenn der Beigeladene, der - falls die Zustimmung nicht allgemein erteilt sei - im Einzelfall seine Zustimmung zur Gewährung von Versorgung im Wege des Härteausgleichs geben müsse, hier die Voraussetzungen verneint habe, weil eine vieljährige Verlaufsform einer manifesten Lymphogranulomatose nicht dem gleichen Zeitraum gleichgestellt werden könne, in dem keinerlei Symptome einer Lymphogranulomatose vorhanden seien, und wenn er ein Hautjucken als einzige Erscheinung über zwölf Jahre hinweg, ohne daß sich andere Symptome der Lymphogranulomatose in diesen Jahren gezeigt hätten nicht als Hinweis auf das Vorliegen dieser Erkrankung gelten lassen wolle (weshalb der Beklagte an der im Bescheid vom 14. März 1962 erfolgten Ablehnung festhalte), dann könne diese Beurteilung nicht als ermessensfehlerhaft erachtet werden.
Die Klägerin rügt mit der zugelassenen Revision, das LSG habe § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG verletzt, weil es dem Beklagten einen zu weiten Ermessens-Spielraum eingeräumt habe. Dieses Recht der Prüfung nach pflichtgemäßem Ermessen könne nicht zur Folge haben, daß es nach unterschiedlichen Gesichtspunkten hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs zur Anwendung komme, weil über die Dauer der zum Tode führenden Lymphogranulomatose völlige Unklarheit bestehe. Wenn wie im Falle der Lymphogranulomatose die Zeitdauer zwischen Entstehung und Todesfolge weder allgemein noch im besonderen bestimmbar sei, der Zeitpunkt der Entstehung sich somit nicht durch abgelaufene Zeiträume begrenzen lasse, dann könne ein zeitlicher Zusammenhang der Lymphogranulomatose mit wehrdienstlichen oder gefangenschaftsbedingten Einflüssen nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, vor allem nicht mit der im Urteil des LSG vertretenen Auffassung, die nicht zu überzeugen vermöge. Der von Dr. K aufgezeigten Möglichkeit, daß ein Pruritus als Brückensymptom bzw. Vorerkrankung der Lymphogranulomatose anzunehmen sei, komme hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs die gleiche Beweiskraft zu wie den vom Beklagten gezogenen Schlußfolgerungen, die ebenfalls nur eine der gegebenen Möglichkeiten aufzeigen könnten. Ein Abwägen zwischen gleichwertigen Möglichkeiten könne auch nach der vom Beigeladenen hierzu vertretenen Auffassung nicht statthaft sein, weil es sonst bei der Lymphogranulomatose, deren Entstehungsursache und Krankheitsdauer unbekannt seien, zu einer unbilligen, vom Gesetzgeber nicht gewollten unterschiedlichen Auslegung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG gegenüber dem anspruchsbegehrenden Personenkreis komme. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß das LSG bei zutreffender Gesetzesauslegung zu einer für die Klägerin günstigen Entscheidung gelangt wäre. Die Klägerin beantragt,
1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, des Urteils des SG Duisburg vom 7. September 1965, des Bescheides vom 14. März 1962 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 1962 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin im Wege des Härteausgleichs Hinterbliebenenversorgung ab 1. Juni 1960 zu gewähren,
2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. April 1967 als unbegründet zurückzuweisen.
Dem Hauptantrag der Klägerin könne schon deshalb nicht entsprochen werden, weil der Gesetzgeber bei Kannleistungen die Leistungsklage nicht vorgesehen habe. Die richterliche Nachprüfung der Ermessensentscheidung müsse sich auf die Feststellung von Ermessensfehlern beschränken. Selbst bei Vorliegen eines Ermessensfehlers dürfe die Verwaltung lediglich dazu verurteilt werden, anstelle des angefochtenen Verwaltungsakts einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Aber auch der Hilfsantrag der Klägerin sei nicht gerechtfertigt, weil § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG voraussetze, daß bei den Leiden, über deren Ursache in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit bestehe, eine zeitliche Verbindung zwischen den krankhaften Veränderungen und dem militärischen Dienst vorliege. Zur Erfüllung des Gesetzesauftrags hätte also nicht nur eine Erstellung des Katalogs der in Betracht kommenden Krankheiten genügt, sondern es hätten auch Maßstäbe unter Beachtung der medizinischen Erkenntnisse aufgestellt werden müssen, die von der Versorgungsbehörde zu beachten seien. Die hierbei festgelegten zeitlichen Begrenzungen beruhten allein auf medizinischen Erfahrungen. Wenn es nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG auch genüge, daß über die Ursache der Entstehung der einzelnen Leiden Ungewißheit bestehe, so beziehe sich diese Ungewißheit keineswegs auch auf die Zeit des Beginns der krankhaften Veränderungen. Daraus folge, daß die nach den Anordnungen des BMA ausgerichteten Verwaltungsakte im Rahmen des eingeräumten Ermessens lägen. Der Rüge der Klägerin, das LSG habe die durch Dr. K aufgezeigte Möglichkeit nicht hinreichend berücksichtigt, sei entgegenzuhalten, daß sich das Gericht mit dem vorliegenden Beweismaterial, vor allem mit den erstatteten Fachgutachten, im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung auseinandergesetzt habe.
Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und verweist auf den im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 31. August 1966. Das LSG habe ohne Rechtsfehler festgestellt, die Verwaltung habe mit den eine Ermessensversorgung ablehnenden Entscheidungen den ihr in § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 SGG) und daher statthaft; sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab 1. Juni 1960 Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG aF und ab 1. Januar 1964 Kannversorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG zusteht. Nach § 89 Abs. 2 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes zum BVG (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) konnte mit Zustimmung des BMA ein Härteausgleich gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit (§ 1 Abs. 3) nur deshalb nicht gegeben war, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Das 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) hat diesen Wortlaut in § 1 Abs. 3 Satz 2 im wesentlichen unverändert übernommen und die Gewährung von Rente als Kannleistung vorgesehen. Das 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) hat lediglich die Worte "in gleicher Weise wie für Schädigungsfolgen" eingefügt, damit aber keine wesentliche Änderung des Sinngehalts der Vorschrift gebracht. Der Gesetzgeber wollte durch die mit dem 2. NOG eingeführte Änderung lediglich die Verwaltung veranlassen, bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen von vornherein auch zu untersuchen, ob Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG in Betracht kommt (vgl. BT-Drucks IV/1831 S. 2 zu § 1). Hierin liegt gegenüber der früheren Regelung im Wege des Härteausgleichs eine Verstärkung der Rechtsposition des Berechtigten. Die seit Erlaß des Verwaltungsakts eingetretenen Gesetzesänderungen und die zu § 89 Abs. 2 BVG aF ergangenen allgemeinen Zustimmungen des BMA in Form von Rundschreiben sind bei Beantwortung der streitigen Frage bei Ausübung der richterlichen Prüfung des Verwaltungsermessens zu berücksichtigen, weil der Beklagte und die Beigeladene an der Ablehnung der Ermessensleistung festgehalten haben und die Klägerin nicht nur eine Aufhebungs-, sondern auch eine Verpflichtungsklage erhoben hat. In einem solchen Fall kommt es aber auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (BSG 15, 239). Im übrigen beurteilen der Beklagte und die Beigeladene das streitige Begehren der Klägerin nicht nur nach § 89 Abs. 2, sondern auch nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG. Die Versorgung nach § 89 Abs. 2 BVG aF und § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG alter und neuer Fassung als Ermessensleistung ist an die Voraussetzung geknüpft, daß die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit "nur" deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen (medizinischen) Wissenschaft Ungewißheit besteht. Das Gesetz läßt somit die - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem zu beurteilenden Leiden als Folge einer anerkannten Schädigung mit dem militärischen Dienst nicht genügen; es ist lediglich die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs - wegen der unbekannten Ätiologie - zu unterstellen und dann zu prüfen, ob unter dieser Voraussetzung bei Anwendung allgemeiner ärztlicher Erfahrungssätze und der dadurch begrenzten Erkenntnismöglichkeiten - nach dem Ablauf des Leidens und dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kriegsdienst - ein ausreichender Anhalt dafür besteht, den ursächlichen Zusammenhang des Leidens mit anerkannten Schädigungsfolgen und dem Wehrdienst i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG zu bejahen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. November 1968 - 9 RV 610/66 - mit weiteren Hinweisen). Bei den Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 89 Abs. 2 BVG aF und § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG alter und neuer Fassung handelt es sich um einen Gesetzestatbestand, der einer unbeschränkten richterlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. zum unbestimmten Rechtsbegriff der besonderen Härte i.S. des § 89 BVG BSG in SozR Nr. 1 zu § 89 BVG).
Sind die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 89 Abs. 2 BVG aF und § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nF als Rechtsbegriff nicht erfüllt, kann eine Ablehnung nicht rechtswidrig sein, weil die in diesen Vorschriften enthaltenen Ermächtigungen insoweit eine Ermessensentscheidung nicht zulassen. Dies bedeutet, daß das Gericht, soweit die Anwendung dieser Vorschriften streitig und von einer medizinischen Beurteilung abhängig ist, die ablehnende Ermessensentscheidung der Verwaltung nicht als fehlerhaft ansehen darf, wenn auf Grund einer verfahrensfehlerfreien Beweiswürdigung auch unter Berücksichtigung einer in der Wissenschaft bestehenden Ungewißheit über die Ursachen eines festgestellten Leidens ein Zusammenhang des Leidens mit einer Schädigung unter den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht angenommen werden kann.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist das Urteil des LSG nicht zu beanstanden. Das LSG konnte den Gutachten von Dr. Dr. H/Dr. R sowie des Prof. Dr. L, die das Vorliegen etwaiger seit 1946 bestehender Symptome der Lymphogranulomatose kritisch geprüft haben, den Vorzug vor den Beurteilungen des Dr. K und des Dr. K geben. Denn wenn schon die Daumenerkrankung des W. zunächst als mögliche Entstehungsursache der Lymphogranulomatose unterstellt wird, obwohl angesichts der in der ärztlichen Wissenschaft bestehenden Ungewißheit über die Ursache dieses Leidens nicht erkennbar ist, inwiefern die Daumenerkrankung dabei eine ursächliche Rolle gespielt haben sollte, so müssen wenigstens die medizinischen bekannten Symptome einer Lymphogranulomatose, die später außerhalb des Wehrdienstes aufgetreten sein sollen. ärztlicherseits ausreichend gesichert werden können. Liegen insoweit nur unklare Diagnosen vor, die den Schluß auf mehrere Leiden, d.h. auch auf andere Leiden zulassen, bei denen ein Härteausgleich von vornherein nicht in Betracht kommt oder über deren Entstehungsursache keine Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft besteht, so fehlt es grundsätzlich an den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 89 Abs. 2 BVG aF und 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nF. Es genügt daher nicht, ohne kritische Prüfung in den nach 1945 aufgetretenen unklaren oder früher gar anders diagnostizierten Beschwerden einfach solche typische Symptome der Lymphogranulomatose zu vermuten, wie dies der praktische Arzt Dr. K in seiner Stellungnahme vom 2. August 1965 getan hat. Es geht auch nicht an, das Nichtvorhandensein weiterer eindeutiger Symptome, wie der Lymphknotenschwellung, kurzerhand damit abzutun, daß dieses Symptom auch einmal fehlen könne, wie Dr. K in seinem Gutachten vom 15. Januar 1966 ausgeführt hat. Ähnliches gilt für die Erwägung dieses Gutachters, daß sich Lymphogranulomatosefälle "sogar über 20 Jahre hinziehen" könnten, nachdem er selbst einräumt, daß "die mittlere Lebenserwartung 4,2 Jahre beträgt". Die für den vorliegenden Fall von ihm angenommene "lange Verlaufszeit" von 1946 bis 1958 spricht somit angesichts der übrigen Umstände zusätzlich gegen die Annahme eines Zusammenhangs zwischen der Daumenerkrankung im Jahre 1945 und der 1958 aufgetretenen Lymphogranulomatose. Die von Dr. K betonte völlige Ungewißheit über die Ursache und Entwicklungszeit der Lymphogranulomatose reicht allein nicht aus, um die Gewährung eines Härteausgleichs zu rechtfertigen. Wollte man anders verfahren, so müßten praktisch alle Leiden unbekannter Ursache im Wege des Härteausgleichs entschädigt werden, sofern nur der Erkrankte in der Vergangenheit einmal zu dem nach dem BVG geschützten Personenkreis gehört hat, was nicht der Sinn und Zweck der hier strittigen Vorschriften sein kann.
Wenn Dr. K das Gutachten des Prof. Dr. L hinsichtlich der von diesem geforderten Voraussetzungen (örtlicher und zeitlicher Zusammenhang usw.) beanstandet und ausführt, es sei reichlich unverständlich), wenn der Gutachter "nach dem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang" rufe, weil dies doch letztlich nur dann gefordert werden könne, "wenn man die eigentliche Krankheitsursache kennt", so verkennt er, daß außer dem angeschuldigten schädigenden Ereignis (hier der Daumenerkrankung) hinreichend sichere medizinische Feststellungen über die in der langen Zwischenzeit von 1945 bis 1958 aufgetretenen Gesundheitsstörungen und über ihre Art erforderlich sind, wenn sie als Brückensymptome der Lymphogranulomatose gewertet werden sollen. Hieran fehlt es. Hautfacharzt Dr. W hat nach seiner Bescheinigung vom 10. Dezember 1964 den W. 1946 nicht wegen "Pruritus" (= Jucken), den der Internist Dr. K als eines der 4 Kardinalsymptome der Lymphogranulomatose angesehen und bei W. als seit der Kriegsgefangenschaft nachweislich bestehend erachtet hat, behandelt, sondern wegen "juckenden Ausschlags", dessen Ursache nicht klar erkennbar gewesen sei. Auch Polizeivertragsarzt Dr. L und Hautarzt Dr. H haben keine Behandlung wegen Pruritus mitgeteilt, sondern in den Bescheinigungen vom 10. April 1959 und 31. März 1959 nur "Ekzeme etc." bzw. ein seborrh . Ekzem angegeben. Demgemäß hat Dr. L, dem Krankheitseintragungen aus den vergangenen 10 Jahren zur Verfügung standen, in seinem Befundbericht vom 21. April 1960 auch ausgeführt, Krankheitszeichen die "irgendwie mit der zum Tode führenden Krankheit zu tun haben", seien erstmalig am 26. April 1958 in Erscheinung getreten.
Unter diesen Umständen konnte das LSG aufgrund des Gutachtens von Dr. Dr. H/Dr. R, die auf das Fehlen eines zeitlichen Zusammenhangs hingewiesen und die früheren Hautbeschwerden nicht als Symptome einer latent verlaufenden Lymphogranulomatose angesehen haben, sowie aufgrund des weiteren Gutachtens des Prof. Dr. L, der einen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang sowie anhaltende Störungen am linken Daumen verneint, die Hautsymptome nicht als Zeichen einer Lymphogranulomatose angesehen und betont hat, daß es auch an einer Lymphknotenaffektion fehle, davon überzeugt sein, daß die Voraussetzungen eines Härteausgleichs im vorliegenden Falle nicht gegeben sind.
Da das angefochtene Urteil nach alledem nicht zu beanstanden war, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen