Leitsatz (amtlich)

Die Übernahme einer verhältnismäßig kurz dauernden selbständigen Tätigkeit steht der Anwendung des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 1 nicht entgegen, wenn der vorher in einem abhängigen Arbeitsverhältnis gewonnene Rang der beruflichen Stellung durch die Ausübung der selbständigen Tätigkeit bis zum Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins nicht beeinträchtigt worden ist, der sachliche Aufgabenbereich im wesentlichen unverändert blieb (Konstrukteur) und die zur Anwendung des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 2 erforderlichen Feststellungen nicht mehr getroffen werden können.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In der DV § 30 Abs 3 und 4 BVG sind zwei grundsätzlich verschiedene Prinzipien für die Ermittlung des Einkommens des Beschädigten angewendet worden.

In der Regel wird das Durchschnittseinkommen ermittelt, dh, eine individuelle Entschädigung tritt zugunsten eines pauschalierten Anspruchs zurück.

Im Gegensatz zu DV § 30 Abs 3 und 4 BVG §§ 3 bis 5 geht DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 von einem anderen Prinzip der Schadensermittlung aus. Während DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 1 die Ermittlung des Durchschnittseinkommens aus unselbständiger Tätigkeit betrifft, gilt DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 2 entsprechend für selbständig tätige und stellt hierbei auf den nachgewiesenen durchschnittlichen Gewinn in den letzten 3 Jahren vor Eintritt der Schädigung, des besonderen beruflichen Betroffenseins oder vor Beginn des militärischen oder militärähnlichen Dienstes ab.

Diese Vorschrift gebietet die Berücksichtigung der Stellung, die der Beschädigte in dem vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins ausgeübten Beruf nachweislich bereits erreicht hatte, wenn sie durch die Vorschriften der §§ 3 bis 5 nicht ausreichen Berücksichtigung findet. Dadurch soll der individuelle Berufserfolg, den der Beschädigte über den Durchschnitt der Berufsgenossen durch eine in diesem Beruf erreichte besondere Stellung mit ihren Auswirkungen auf das Einkommen erzielt hat berücksichtigt werden.

2. Die Bezugnahme auf DV § 30 Abs 3 und 4 BVG §§ 3 und 4 in § 6 Abs 1 bedeutet nur, daß die Prüfung des wahrscheinlichen Berufserfolgs nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG §§ 3 und 4 sachlich nicht zu einer ausreichenden Berücksichtigung der vor der Schädigung bereits erlangten Berufsstellung geführt hat, und daß in diesem Fall uneingeschränkt der Weg zu einer Anwendung des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 - unabhängig von den Voraussetzungen der DV § 30 Abs 3 und 4 BVG §§ 3 und 4 - eröffnet ist.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3 DV § 4 Fassung: 1968-02-28, Abs. 3 u 4 DV § 5 Fassung: 1968-02-28, Abs. 3 u 4 DV § 5 Fassung: 1964-07-30, Abs. 3 u 4 DV § 3 Fassung: 1968-02-28, Abs. 3 DV § 3 Fassung: 1964-07-30, Abs. 3 DV § 4 Fassung: 1964-07-30, Abs. 3 u 4 DV § 6 Abs. 2 Fassung: 1964-07-30; BVG § 30 Abs. 3 u 4 DV § 6 Abs. 2 Fassung: 1968-02-28; BVG § 30 Abs. 3 DV § 6 Abs. 1 Fassung: 1964-07-30, Abs. 3 u 4 DV § 6 Abs. 1 Fassung: 1968-02-28

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Mai 1967 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin ist die Witwe des Oberingenieurs Gerhard R (R.), der seit Januar 1945 verschollen ist. Durch Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 27. August 1955 wurde er für tot erklärt und als Todeszeitpunkt der 31. Januar 1945 festgesetzt. Die Klägerin bezieht Verschollenheitsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Gegenstand des Rechtsstreits ist ihr Anspruch auf Schadensausgleich.

Nach dem Besuch der Volksschule erlernte R. das Schuhmacherhandwerk, gab jedoch alsbald diesen Beruf auf, um Ingenieur zu werden. Von 1921 bis 1922 war er Volontär auf einer Werft in E. Er studierte von 1922 bis 1924 an dem Technikum V - Abt. höhere Maschinenbauschule - und bestand am 24. März 1924 die Reifeprüfung im Maschinenbau und in der Elektrotechnik mit dem Prädikat "gut bestanden" unter Befreiung von der mündlichen Prüfung in allen Fächern. Anschließend war er bei mehreren Firmen als Konstrukteur tätig (von 1924 bis 1926 bei der Firma Auto H in V, von 1926 bis 1929 bei der Firma S in S, von 1929 bis 1931 bei den P.-werken in E). Von 1931 bis 1934 war er als Abteilungsleiter bei der Firma Kinoapparatebau in L, von 1934 bis 1936 als 1. Konstrukteur bei der Firma K und K in B, von 1936 bis 1940 als Abteilungsleiter bei den Mechanischen Werkstätten in N beschäftigt. 1940 wurde er technischer Leiter und Geschäftsführer der Zweigstelle dieser Firma in W. Ende des Jahres 1942 schied er aus der Firma Mechanische Werkstätten in N aus und gründete ein größeres Ingenieurbüro, in dem Konstruktionen und Berechnungen für die Wehrmacht und Rüstungsbetriebe ausgeführt wurden. Im Frühjahr 1944 wurde das Unternehmen von W nach P verlegt. Seit Januar 1945 ist über den Verbleib des R. nichts mehr bekannt geworden.

Im März 1964 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Schadensausgleichs nach § 40 a BVG. Sie reichte zahlreiche Bescheinigungen, zumeist von Ingenieuren, über den beruflichen Werdegang, die Tätigkeit und die berufliche Stellung des R., insbesondere seit dem Jahre 1940, und über das Einkommen, das R. als Abteilungsleiter bei den Mechanischen Werkstätten und (ab 1940) als technischer Leiter und Geschäftsführer der Zweigstelle W bezogen hatte, ein. Der Wirtschaftsprüfer A R gab in der Erklärung vom 21. Oktober 1958 ua an, daß R. einer seiner ersten Mitarbeiter war und für diese ein Gehalt von 1.250,- RM monatlich üblich gewesen sei. Er glaube bestimmt, daß das Einkommen des R. in der Zeit, als er den W Betrieb aufgebaut habe, 1.350,- RM betragen habe; keinesfalls habe es unter 1.250,- RM gelegen. Es könne zutreffen, daß das Trennungsgeld 750,- RM betragen habe.

Mit Bescheid vom 27. August 1965 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA) einen Schadensausgleich für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Oktober 1965. Es legte der Berechnung des Durchschnittseinkommens des R. nach § 3 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (DVO) vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574) das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich des Ortszuschlags nach Stufe 2 und Ortsklasse A des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zugrunde, gab jedoch hierzu - irrtümlich - in dem Bescheid an, daß R. ohne die Schädigung wahrscheinlich "selbständiger Ingenieur" geworden wäre. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin die Einstufung für selbständig Tätige nach § 6 Abs. 2 der DVO begehrte, war erfolglos. In dem Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1966 ist - unter Berichtigung der in dem Bescheid vom 27. August 1965 enthaltenen Angabe "selbständiger Ingenieur" als eines offensichtlichen Schreibfehlers - ausgeführt, das VersorgA sei mit Recht davon ausgegangen, daß R. im Erlebensfall unselbständig in der privaten Wirtschaft tätig gewesen wäre. Unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges sei daher zutreffend gemäß § 3 Abs. 3 der DVO als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 angenommen worden. Werde vorausgesetzt, daß R. nach dem Kriege als selbständiger Ingenieur tätig geworden wäre, könnte gemäß § 5 DVO nur das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 zugrunde gelegt werden, nicht A 14, weil R. keine abgeschlossene Hochschulbildung besessen habe. Eine Eingruppierung gemäß § 6 Abs. 2 der DVO in die Besoldungsgruppe A 16 scheide aus, weil der Nachweis über den durchschnittlichen Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit in den letzten 3 Jahren vor Eintritt der Schädigung nicht erbracht sei.

Während des Klageverfahrens erließ das VersorgA den Neufeststellungsbescheid vom 8. Juni 1966, mit dem ua rückwirkend ab 1. Oktober 1965 der Berechnung des Berufsschadensausgleichs wiederum die Besoldungsgruppe A 14 zugrunde gelegt wurde. Mit Urteil vom 20. September 1966 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 30. Mai 1967 unter Aufhebung des Urteils des SG und des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1966 sowie unter Änderung der Bescheide vom 27. August 1965 und 8. Juni 1966 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab 1. Januar 1964 Schadensausgleich unter Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 16 BBesG zu zahlen. R. sei nach Bestehen der Reifeprüfung an dem Technikum V mit der Note "gut" von 1924 bis 1942 in verschiedenen Industrieunternehmen im In- und Ausland als Konstrukteur, Abteilungsleiter und zuletzt als technischer Leiter und Geschäftsführer bei den Mechanischen Werkstätten N, Zweigstelle W, tätig gewesen. Ende des Jahres 1942 sei er infolge Meinungsverschiedenheiten mit dem Chef aus diesem Unternehmen ausgeschieden und habe in W ein eigenes Ingenieurbüro errichtet, in dem zeitweilig mehr als 25 Angestellte beschäftigt gewesen seien. Infolge der Kriegsereignisse im Jahre 1944 sei das Ingenieurbüro in Warschau aufgelöst und in P erneut aufgebaut worden. Dieser berufliche Werdegang des R. lasse deutlich erkennen, daß R. über außerordentliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt habe, die ihn befähigt hätten, leitende Stellungen in größeren Industrieunternehmen zu bekleiden. In mehreren schriftlichen Erklärungen, ua des J N vom 27. Mai 1967 und des Dipl. Ing. E R vom 15. September 1965 werde hervorgehoben, daß R. ein hochqualifizierter Ingenieur gewesen sei, der während seiner unselbständigen Tätigkeit vornehmlich zu schwierigen Konstruktionsarbeiten herangezogen wurde. Es könne als nachgewiesen angesehen werden, daß R. im Erlebensfall wieder eine selbständige Existenz aufgebaut hätte. Dies werde durch zahlreiche - im einzelnen angegebene - schriftliche Äußerungen bestätigt und finde auch in dem Brief des R. an die Klägerin vom 3. September 1944 seinen Ausdruck, in dem es heiße: "Aber ich möchte doch vor allem meine Selbständigkeit retten, denn ich kann mir den Angestellten R nicht mehr vorstellen." - Witwen erhielten Schadensausgleich nach Maßgabe des § 40 a BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85). Nach § 40 a Abs. 4 BVG gelte § 30 Abs. 7 BVG entsprechend. Aufgrund der in dieser Vorschrift enthaltenen Ermächtigung sei von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die DVO vom 30. Juli 1964 erlassen worden. § 5 DVO setze das Durchschnittseinkommen selbständig Tätiger mit mindestens dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Mittelschule oder mit gleichwertiger Schulausbildung dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 bzw. A 11 BBesG - erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A - gleich. R. habe die Mittelschule zwar nicht besucht, jedoch handele es sich bei der Ablegung der Reifeprüfung an dem Technikum in V um eine mindestens gleichwertige Schulausbildung. Danach sei bei Ermittlung des Schadensausgleichs der Klägerin bei abgeschlossener Berufsausbildung als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 anzusetzen. Eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 14 BBesG sei über § 5 DVO nicht möglich, da R. keine abgeschlossene Hochschulausbildung besessen habe. § 5 DVO komme zwar - wie auch die in den §§ 3 und 4 DVO getroffene Regelung - einer individuellen Entschädigung nahe, beruhe aber auf dem Gedanken eines generalisierten und pauschalierten Schadensausgleichs. Lasse hiernach § 5 DVO eine höhere Einstufung als nach der Besoldungsgruppe A 11 nicht zu, so sei jedoch nach § 6 Abs. 1 der DVO der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 16 BBesG zugrunde zu legen. Es sei als erwiesen anzusehen, daß R. vor seinem Tode eine berufliche Stellung erreicht habe, die durch die Vorschrift des § 5 DVO, nämlich Einstufung in Besoldungsgruppe A 11 BBesG (Amtmann) keine ausreichende Berücksichtigung finde. Der durchschnittliche Gewinn, der von R. ab 1942 während seiner selbständigen Tätigkeit in Warschau und Prag erzielt worden sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Insbesondere lasse sich der in den letzten 3 Jahren vor der Schädigung erzielte durchschnittliche Gewinn aus Gewerbe nicht nachweisen. Deshalb sei § 6 Abs. 2 der DVO (selbständig Tätige) nicht anwendbar. Dagegen stehe der Ermittlung des Durchschnittseinkommens in "besonderen Fällen" bei unselbständig Tätigen nach § 6 Abs. 1 der DVO nicht entgegen, daß R. kurz vor seinem Tode einer selbständigen Beschäftigung nachgegangen sei. Der vor dem Eintritt der Schädigung ausgeübte Beruf des R. als Konstrukteur sei der gleiche gewesen wie in den Jahren von 1924 bis 1942. Dabei sei von entscheidender Bedeutung, daß der Beruf des Konstrukteurs im Vergleich zu der kurzen selbständigen Tätigkeit überwiegend, d.h. für den Zeitraum von 18 Jahren, in einem abhängigen Arbeitsverhältnis ausgeübt worden sei. Diese unverändert gebliebene berufliche Tätigkeit und der bei weitem überwiegende Zeitraum eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigten im vorliegenden Fall die Würdigung des Berufserfolges des R. nach seiner Tätigkeit als Unselbständiger durch Anwendung des § 6 Abs. 1 der DVO. Dieser Auffassung stehe auch nicht die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 29. November 1962 - 9 RV 338/58 - (KOV 1964 S. 93) entgegen, wonach regelmäßig nur der unmittelbar vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu berücksichtigen sei. In § 6 Abs. 1 der DVO seien die Worte "vor der Schädigung ausgeübte Beruf" nicht eng auszulegen. Nach der Auskunft des Wirtschaftsprüfers A R vom 21. Oktober 1958, deren Richtigkeit auch von dem Beklagten nicht angezweifelt werde, sei damals für dessen leitende Mitarbeiter ein Gehalt von 1.250,- RM üblich gewesen. Dieser glaube sich sogar daran zu erinnern, daß R. ein Einkommen von 1.350,- RM monatlich mit einem Trennungsgeld von 750.- RM bezogen und darüber hinaus mehrfach Prämien von 3.000,- RM und 6.000,- RM sowie eine Sondervergütung von 50.000,- RM erhalten habe. In der schriftlichen Erklärung des Jürgen N vom 27. Mai 1967, des Nachfolgers des R. bei den Mechanischen Werkstätten N, Zweigstelle W, sei das monatliche Gehalt des R. mit 1600.- RM zuzüglich Trennungsentschädigung, in der Auskunft des J W vom 26. Februar 1966 mit 1.500,- RM bis 1.600,- RM angegeben. Durch diese Einkommensangaben sei ausreichend nachgewiesen, daß R. eine Stellung erreicht habe, die durch die gesetzlich normierten Normalfälle (§§ 3 - 5 DVO) keine ausreichende Berücksichtigung finde. Deshalb sei als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt derjenigen Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A BBesG zugrunde zu legen, das der erreichten Stellung des Verstorbenen entspreche. Zu gleicher Zeit hätte ein Reichsbeamter der Besoldungsgruppe A 1 a (dies entspreche der jetzigen Besoldungsgruppe A 16) nach dem Reichsbesoldungsgesetz vom 16. Dezember 1927 (RGBl 1927, S. 394) ohne Berücksichtigung der Kürzungen nach der dritten Gehaltskürzungsverordnung als Endgehalt monatlich 1194,- RM erhalten. Das von R. seinerzeit bezogene Gehalt als unselbständig Tätiger von mindestens 1.250,- RM übersteige mithin das Endgehalt eines Reichsbeamten in der vergleichbaren Besoldungsgruppe A 16. Deshalb sei dieses Endgrundgehalt, erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A als Durchschnittseinkommen zugrunde zulegen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 6 Abs. 1 der DVO. § 3 Abs. 3 der DVO berücksichtige die weitere berufliche Entwicklung eines besonders befähigten Angestellten abweichend von § 3 Abs. 1 der DVO bereits dadurch, daß das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 als Durchschnittseinkommen angesetzt werden sollte. Daneben und über § 3 Abs. 3 der DVO hinaus sei jedenfalls dann nicht Platz für eine Anwendung des § 6 Abs. 1 der DVO, wenn vor der Schädigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Die in der Zeit vor 1942 aus unselbständiger Tätigkeit erzielten Einkünfte des R. könnten bei dem Vergleich nach § 6 Abs.1 der DVO nicht herangezogen werden. Selbst wenn man annehmen wolle, daß die Art der Beschäftigung vor 1942 maßgebend sein könne, bleibe zweifelhaft, ob die angenommenen Einkünfte des R. hinreichend im Sinne des § 6 Abs. 1 der DVO nachgewiesen worden seien. Das LSG habe sich auf präzise Einkünfte des R. nicht zu stützen vermocht, die Erklärungen der Zeugen vermittelten kein sicheres Bild. Auch hätte das LSG der allgemeinen Erfahrung Rechnung tragen müssen, daß während des Krieges außerhalb der Reichsgrenzen gezahlte Löhne und Gehälter im allgemeinen höher gelegen hätten als innerhalb des Reichsgebietes, weil die Arbeits- und Lebensbedingungen unterschiedlich gewesen seien.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG vom 30. Mai 1967 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen. Sie hat ausgeführt, die zur Höhe des früheren Einkommens des R. erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten seien nicht ausreichend substantiiert. Die Rechtsauffassung des LSG, daß die Tätigkeit des R. als Unselbständiger zugrunde gelegt werden könne und deshalb § 6 Abs. 1 der DVO anwendbar sei, begegne um so weniger rechtlichen Bedenken, als der Verordnungsgeber in § 6 Abs. 2 der DVO selbst von einer mindestens dreijährigen selbständigen Tätigkeit vor Eintritt der Schädigung ausgegangen sei, während R. nur 2 Jahre einen selbständigen Beruf gehabt habe. Durch den Wortlaut des § 6 Abs.1 der DVO, der die Anwendung dieser Vorschrift in allen Fällen gebiete, in denen durch die §§ 3 und 4 die erreichte berufliche Stellung keine ausreichende Berücksichtigung finde, werde klargestellt, daß darunter auch die Fälle des § 3 Abs. 3 der DVO fielen.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sachlich ist sie nicht begründet.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27. August 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1966 und des Neufeststellungsbescheides vom 8. Juni 1966, soweit durch sie bei der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin ab 1. Januar 1964 nach § 40 a BVG idF des 2. NOG gemäß § 3 Abs. 3 der DVO vom 30. Juli 1964 als Durchschnittseinkommen des R. aus unselbständiger Tätigkeit das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 einschließlich des Ortszuschlages nach Stufe 2 und Ortsklasse A BBesG zugrunde gelegt worden ist. Aufgrund des Dritten Neuordnungsgesetzes (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) ist § 40 a BVG geändert und der Höchstbetrag des Schadensausgleichs der Witwe auf 250.- DM heraufgesetzt worden. Dagegen ist § 40 a Abs. 2 BVG, der die Berechnung des Durchschnittseinkommens des verstorbenen Ehemannes als Vergleichseinkommen betrifft, im wesentlichen unverändert geblieben.

Während nach § 40 a Abs. 2 BVG idF des 2. NOG die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe maßgebend ist, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte, ist in § 40 a Abs. 2 BVG idF des 3. NOG das Wort "beruflichen" weggefallen. Auch die mit dem 1. Januar 1967 in Kraft getretene DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194), die die DVO vom 30. Juli 1964 abgelöst hat, enthält gegenüber dem seitherigen Rechtszustand keine Änderungen, die im vorliegenden Falle von Bedeutung sein könnten.

Das LSG hat festgestellt, daß R., nachdem er die Volksschule besucht, das Schuhmacherhandwerk erlernt, sodann das Technikum V besucht und die Reifeprüfung in der Fachrichtung Maschinenbau und Elektrotechnik mit der Note "gut" bestanden hatte, von 1924 bis 1942 in verschiedenen Industrieunternehmen im In- und Ausland als Konstrukteur, Abteilungsleiter und zuletzt als technischer Leiter und Geschäftsführer bei den Mechanischen Werkstätten N, Zweigstelle W, tätig und seit Ende des Jahres 1942 Inhaber eines 1944 nach Prag verlegten größeren Ingenieurbüros mit zeitweilig mehr als 25 Angestellten gewesen ist. Er habe mindestens das damals für leitende Mitarbeiter übliche Gehalt von 1.250,- RM gehabt. Dieses Einkommen als unselbständig Tätiger übersteige - ohne Berücksichtigung des Trennungsgeldes, von Prämien und Sondervergütungen - die Bezüge eines Reichsbeamten in der vergleichbaren Besoldungsgruppe A 16 (d.h. 1.194,- RM ohne Berücksichtigung der Kürzungen nach der dritten Gehaltskürzungsverordnung). Das LSG hat hieraus gefolgert, daß aufgrund dieses beruflichen Werdeganges des R. und der in dem Beruf als Konstrukteur vor der Schädigung erreichten Berufsstellung als unselbständig Tätiger § 6 Abs. 1 der DVO anwendbar sei, obgleich R. später, d.h. seit Ende des Jahres 1942, eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Die Revision hat die tatsächlichen Feststellungen des LSG über die Höhe des von R. als unselbständig tätiger Ingenieur erzielten Einkommens nicht mit ausreichend substantiierten Verfahrensrügen angegriffen (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie hat nicht dargelegt, weshalb das LSG von einem geringeren monatlichen Einkommen des R. als wenigstens 1.250,- RM hätte ausgehen müssen und weshalb es Anlaß gehabt haben sollte, der Frage nachzugehen, ob die während des Krieges außerhalb der Reichsgrenzen gezahlten Löhne und Gehälter wegen der dort bestehenden anderen Arbeits- und Lebensbedingungen im allgemeinen höher als innerhalb des Reichsgebietes gelegen hätten. eine solche Prüfung mußte dem LSG auch ohne Rücksicht auf die sachlich-rechtliche Erheblichkeit der erst im Revisionsverfahren von dem Beklagten geäußerten Vermutung um so weniger notwendig erscheinen, als der Wirtschaftsprüfer A R in der Erklärung vom 21. Oktober 1958 den Ehemann der Klägerin als einen seiner ersten Mitarbeiter bezeichnet und erklärt hatte, daß damals für seine leitenden Mitarbeiter ein Gehalt von 1.250,- RM üblich gewesen sei und daß das Einkommen des R. in der Zeit, als er den Warschauer Betrieb aufgebaut habe, wie er bestimmt glaube, 1.350,- RM (zuzüglich Trennungsgeld, Prämien und Sondervergütung) betragen habe. Daraus ergab sich, daß das Gehalt von 1.250,- RM monatlich auch im Inland den allgemein üblichen Einkünften eines leitenden Ingenieurs im Angestelltenverhältnis entsprach und daß darin nicht die Erhöhungen enthalten waren, mit denen R. aufgrund des ihm erteilten Auftrages, den Warschauer Betrieb aufzubauen, etwa rechnen konnte. Der Senat ist somit an die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 163 SGG). Er tritt auch der Auslegung, die das LSG der DVO, insbesondere dem § 6 Abs. 1 in dem angefochtenen Urteil gegeben hat, bei.

Die in der DVO vom 30. Juli 1964 getroffenen Regelungen zur Ermittlung des für den Schadensausgleich maßgebenden Einkommens des verstorbenen Ehemannes beruhen auf der gemäß § 40 a Abs. 4 BVG entsprechend anwendbaren Ermächtigung des § 30 Abs. 7 BVG. In der DVO sind zwei grundsätzlich verschiedene Prinzipien für die Ermittlung des Einkommens des Beschädigten angewendet worden. In der Regel wird das der Berechnung des Schadensausgleichs zugrunde zu legende Einkommen des Verstorbenen als Durchschnittseinkommen durch Einordnung in die Wirtschafts- und Leistungsgruppe ermittelt, der er aufgrund seiner Lebensverhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten und des betätigten Arbeits- und Ausbildungswillens wahrscheinlich angehört hätte. Die Anwendung dieses in den Einzelregelungen der §§ 2, 3 bis 5 und 7 DVO zugrunde gelegten Gedankens erfordert zwar eine Prüfung des vermutlichen beruflichen Werdeganges des Verstorbenen (bei noch lebenden Beschädigten gilt außerdem § 2 Abs. 2 Satz 1 der DVO), aber nur insoweit, als erforderlich ist, um unter Berücksichtigung auch eines durch die Schädigung verhinderten Aufstiegs im Beruf (§ 2 letzter Satz der DVO) festzustellen, welcher Berufs- und Leistungsgruppe der Verstorbene wahrscheinlich angehört hätte. Im übrigen sollte der Anspruch auf Schadensausgleich - dasselbe gilt für den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG - gemäß der vorgesehenen Einordnung des Verstorbenen (oder Beschädigten) in eine bestimmte Berufsgruppe auch sachlich-rechtlich begrenzt werden. Es sollte der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalierten Anspruchs zurücktreten, weil für den "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein durchschnittlicher Berufserfolg und nur das Durchschnittseinkommen der jeweils in Betracht kommenden Berufsgruppe maßgebend sein sollte. Deshalb hat hier, d.h. in den Fällen der §§ 3 bis 5, 7 DVO ein Mehrverdienst, der wahrscheinlich hätte erzielt werden können, außer Betracht zu bleiben (vgl. die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 25. Juli 1967 - BSG 27, 69, 71 bis 73 = BSG in SozR Nr. 1 zu § 6 DVO vom 30. Juli 1964 und vom 17. Oktober 1967 = BSG 27, 178, 180 bis 182 = BSG in SozR Nr. 3 zu § 6 DVO vom 30. Juli 1964 sowie BSG-Urteil vom 17. August 1967 - 8 RV 913/66 - BSG 27, 119, 121, 122 = BSG in SozR Nr. 3 zu § 40 a BVG).

§ 3 Abs. 3 der DVO fügt sich zwangslos in diese Berücksichtigung des wahrscheinlich ausgeübten Berufs und der in ihm erreichten Berufsstellung ein, wenn dort bestimmt ist, daß als Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 gilt, wenn der Verstorbene (Beschädigte) nach seinem beruflichen Werdegang wahrscheinlich eine leitende Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis erreicht hätte und dessen Tätigkeit mit einer Eingruppierung in die Leistungsgruppe II nicht ausreichend bewertet werde. Im Gegensatz zu den §§ 3 bis 5 DVO geht § 6 DVO von einem in dem Ausgangspunkt völlig unterschiedlichen Grundgedanken, einem anderen Prinzip der Schadensermittlung, aus. Diese Vorschrift gebietet die Berücksichtigung der Stellung, die der Beschädigte in dem vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins ausgeübten Beruf nachweislich bereits erreicht hatte, wenn sie durch die Vorschriften der §§ 3 bis 5 nicht ausreichend Berücksichtigung findet. Dadurch soll der individuelle Berufserfolg, den der Beschädigte über den Durchschnitt der Berufsgenossen durch eine in diesem Beruf erreichte besondere Stellung mit ihren Auswirkungen auf das Einkommen erzielt hat, berücksichtigt werden (vgl. BSG 27, 178, 182 sowie BSG 27, 119, 124). Während § 6 Abs. 1 der DVO die Ermittlung des Durchschnittseinkommens aus unselbständiger Tätigkeit betrifft, gilt § 6 Abs. 2 der DVO entsprechend für selbständig Tätige und stellt hierbei auf den nachgewiesenen durchschnittlichen Gewinn in den letzten 3 Jahren vor Eintritt der Schädigung, des besonderen beruflichen Betroffenseins oder vor Beginn des militärischen oder militärähnlichen Dienstes ab. Das LSG hat festgestellt, daß R., wenn er den Krieg überlebt hätte - im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit - wahrscheinlich auch wieder eine selbständige Existenz aufgebaut hätte. Es hat § 6 Abs. 1 der DVO angewandt, weil das Berufsbild des R. weit überwiegend durch unselbständige Berufstätigkeit geprägt sei. Im Vergleich zu der kurzen selbständigen Tätigkeit habe er von 1924 bis 1942, somit weit überwiegend, seinen Beruf als Konstrukteur in einem abhängigen Arbeitsverhältnis ausgeübt. Wenn auch regelmäßig der unmittelbar vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu berücksichtigen sei, so stehe dies doch im vorliegenden Fall der Anwendung des § 6 Abs. 1 der DVO nicht entgegen. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat im Ergebnis an.

Zunächst ist davon auszugehen, daß § 6 DVO in keinem Zusammenhang mit den sachlichen Voraussetzungen der §§ 3 bis 5 DVO steht, daß es somit im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift unerheblich ist, welchen Beruf und in welcher Stellung - in abhängiger oder selbständiger - der Beschädigte ihn ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt haben würde. Die Bezugnahme auf die §§ 3 und 4 in § 6 Abs.1 der DVO bedeutet nur, daß die Prüfung des wahrscheinlichen Berufserfolgs gemäß den §§ 3 und 4 sachlich nicht zu einer ausreichenden Berücksichtigung der vor der Schädigung bereits erlangten Berufsstellung geführt hat, und daß in diesem Fall uneingeschränkt der Weg zu einer Anwendung des § 6 DVO - unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 DVO - eröffnet ist. Deshalb ist im Rahmen des § 6 Abs. 1 der DVO ohne Bedeutung, ob R. nach dem Kriege wahrscheinlich in selbständiger oder unselbständiger Stellung tätig geworden wäre.

§ 6 Abs. 1 der DVO erfordert jedoch, daß die Stellung, die durch die Vorschriften der §§ 3 und 4 nicht ausreichend Berücksichtigung findet, in dem vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins ausgeübten "Beruf" erreicht worden ist. Diese Vorschrift bedarf der Auslegung, da sie nicht ohne weiteres erkennen läßt, welcher zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der erreichten (besonderen) Stellung und dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf bestehen muß und was als "Beruf" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Bei dieser Prüfung ist von dem Grundgedanken des § 6 Abs. 1 der DVO auszugehen, daß durch diese Vorschrift grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Anspruchsberechtigten daran anerkannt werden soll, einen nachweislich bereits vor der Schädigung erzielten besonderen Berufserfolg des Beschädigten bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens zu berücksichtigen. Da der Schadensausgleich - ebenso wie der Berufsschadensausgleich - nur dazu bestimmt ist, einen durch die Schädigungsfolgen erlittenen Schaden auszugleichen (§§ 40 a Abs. 1, § 30 Abs. 3 BVG), darf die in § 6 Abs. 1 der DVO vorausgesetzte besondere Stellung im Beruf bis zu der Schädigung oder dem Eintritt des besonderen beruflichen Betroffenseins nicht verloren gegangen sein. Wenn das Gesetz weiter fordert, daß diese Stellung in dem (nicht in "einem") vor der Schädigung ausgeübten Beruf erreicht sein muß, so wird damit das Erfordernis der Kontinuität in der Ausübung derselben Berufstätigkeit zum Ausdruck gebracht; dies bedeutet aber nicht, daß der Beschädigte, der die in § 6 Abs. 1 der DVO vorausgesetzte besondere Stellung als unselbständig Tätiger erlangt hatte, in jedem Fall bis zuletzt weiter in einem abhängigen Arbeitsverhältnis gestanden haben müßte. Nicht die formale Erscheinungsform der Berufstätigkeit (als selbständig oder unselbständig Berufstätiger) ist für die Anwendung des dem § 6 der DVO zugrunde liegenden Gedankens maßgebend, sondern der als Ergebnis der Berufstätigkeit gewonnene Rang der beruflichen Stellung. Deshalb muß es genügen, daß in den Fällen, in denen sich an eine langjährige unselbständige Berufstätigkeit eine nur kurze selbständige Berufstätigkeit anschließt - im vorliegenden Fall beträgt sie etwas mehr als zwei Jahre -, der sachliche Aufgabenbereich der Berufsausübung (als Ingenieur, Konstrukteur) im wesentlichen unverändert geblieben ist und die früher erlangte Berufsstellung durch Übernahme dieser kurzen selbständigen Tätigkeit keine Minderung erfahren hat. Auch in diesem Falle läßt sich, ohne daß dadurch dem Wortlaut und vor allem dem Sinngehalt des § 6 Abs. 1 der DVO Gewalt angetan wird, sagen, daß die besondere Stellung in dem vor der Schädigung - und bis zur Schädigung - ausgeübten Beruf erreicht worden ist. Stünde der Geltendmachung des Anspruchs allein schon die Tatsache entgegen, daß der Beschädigte den Beruf, in dem er die besondere Berufsstellung erlangt hat (als unselbständig Tätiger), in der Zeit unmittelbar vor der Schädigung nicht mehr ausgeübt habe, weil er sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt habe, so würde damit der Grundgedanke des § 6 Abs. 1 der DVO ohne innere Berechtigung erheblich eingeschränkt und teilweise preisgegeben. Ein Berufserfolg, der wie hier in einer langjährigen Tätigkeit als Angestellter errungen wurde, ein beruflicher Aufstieg als Konstrukteur, der schließlich zu leitenden Positionen in größeren Unternehmen mit den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf das Gehalt geführt hat, verliert aufgrund der dadurch erlangten Stellung im Beruf gerade unter dem Gesichtspunkt der in § 6 DVO angestrebten Berücksichtigung eines individuellen Berufserfolges seine Bedeutung nicht dadurch, daß während einer verhältnismäßig kurzen Zeit das abhängige Arbeitsverhältnis zwar durch eine selbständige Tätigkeit abgelöst wird, aber der sachliche Aufgabenbereich im Vergleich zu der früheren unselbständigen Tätigkeit im wesentlichen derselbe bleibt. In der Regel wird zwar die zuletzt vor der Schädigung innegehabte Position, (als selbständig oder unselbständig Berufstätiger) für die Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 6 DVO maßgeblich bleiben müssen, weil sie gewöhnlich am sichersten den vor der Schädigung erreichten Berufserfolg angibt. Wenn jedoch der in § 6 Abs. 2 der DVO geforderte Nachweis des durchschnittlichen Gewinns in den letzten 3 Jahren vor Eintritt der Schädigung nur deshalb nicht geführt werden kann, weil entweder überhaupt keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Höhe der - im vorliegenden Fall außerhalb des Reichsgebiets und unter kriegsbedingten Umständen erzielten - Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu gewinnen sind, oder diese weniger als 3 Jahre ausgeübt worden ist, so muß unter der Voraussetzung eines im wesentlichen unveränderten sachlichen Aufgabenbereichs regelmäßig von der vorher in dem abhängigen Arbeitsverhältnis erlangten Berufsstellung ausgegangen werden. Dies ist deshalb gerechtfertigt und geboten, weil § 6 Abs. 1 der DVO anstelle eines ohne die Schädigung wahrscheinlich erzielten durchschnittlichen Berufserfolgs (§ 3 DVO) die Ermittlung des Durchschnittseinkommens aufgrund eines nachgewiesenen besonderen Berufserfolgs vorschreibt. Eine andere Auffassung würde die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 der DVO weitgehend von Zufälligkeiten abhängig machen und dem Anliegen, dem § 6 DVO dienen will, nämlich einem nachgewiesenen besonderen Berufserfolg den Vorzug vor einer fiktiven Ermittlung des beruflichen Erfolges und Werdeganges zu geben, nicht gerecht werden. Ein Beschädigter, der aufgrund seiner außergewöhnlichen guten und umfangreichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine hohe Position als Angestellter erlangt hatte, müßte sich auf die Ermittlung eines Durchschnittseinkommens nach § 4 DVO nur deshalb verweisen lassen, weil er zuletzt vor der Schädigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, die gerade wegen des Eintritts der Schädigung nach verhältnismäßig kurzer Zeit ihr Ende finden müßte. Er wäre dann -- etwa durchaus unverschuldet - an dem überzeugenden Nachweis gehindert, daß er nach einer kurzen Anlaufzeit mit größter Wahrscheinlichkeit aus der selbständigen Tätigkeit ein noch wesentlich höheres Einkommen als vorher erzielt hätte. Ähnliche Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn der Beschädigte infolge vorübergehender Erkrankung, wegen Einschränkung oder Schließung des Betriebs oder ähnlicher Umstände seine langjährige hohe Stellung in einem abhängigen Arbeitsverhältnis zwar vorübergehend verloren hat, unter Berücksichtigung der gesamten Wirtschafts- und Konjunkturverhältnisse aber anzunehmen ist, daß er aufgrund seines beruflichen Ansehens ohne den Eintritt der Schädigung alsbald wieder eine seinen überdurchschnittlichen Kenntnissen entsprechende Stellung erlangt hätte. Diese Fälle verdeutlichen, ohne daß auf sie hier näher eingegangen zu werden braucht, die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des rechtlichen Begriffs der "Stellung", die in dem vor Eintritt der Schädigung ausgeübten "Beruf" erreicht wurde. Daß gerade eine zu enge Auslegung des § 6 DVO zu Ergebnissen führen kann, die von dem Verordnungsgeber nicht beabsichtigt waren, hat auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dadurch anerkannt, daß nach seiner Auffassung dem Erfordernis des § 6 Abs. 2 auch dann genügt ist, wenn die selbständige Tätigkeit weniger als 3 Jahre ausgeübt wurde und sich bereits in dieser kürzeren Zeit ein außergewöhnlicher Berufserfolg abgezeichnet hat, der nicht lediglich Ausdruck eines vorübergehenden hohen Konjunkturgewinnes ist (BMA Rundschr. vom 16.4.1962, DVBl 1962 Nr. 32 S. 54 - Abs. 2 -). Die Berufsstellung, die der Beschädigte einmal erlangt hat, ist - im Sinne des § 6 Abs. 1 der DVO - jedenfalls nicht dadurch verloren gegangen, daß er sich von einer unselbständigen Tätigkeit innerhalb desselben Aufgabenbereichs einer selbständigen Tätigkeit zugewandt hat. Allerdings darf in der Zeit bis zum Eintritt der Schädigung die erreichte Berufsstellung nicht zum Nachteil des Beschädigten nachhaltig und erheblich beeinflußt worden sein; sie muß in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung bis zur Schädigung fortbestanden haben. Eine früher einmal bekleidete Stellung kann insbesondere dann nicht mehr Grundlage für die Berechnung des Anspruchs nach § 6 Abs. 1 der DVO sein, wenn der Beschädigte sie nicht mehr behaupten konnte, er sie zum Beispiel durch eigene Schuld nicht nur vorübergehend verloren hat und dadurch auch in seiner beruflichen und sozialen Stellung abgesunken ist. Dasselbe würde auch dann anzunehmen sein, wenn der Beschädigte aus nichtschädigungsabhängigen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen ist, die früher einmal erlangte Stellung für die Dauer wieder einzunehmen. Im vorliegenden Fall liegen solche besonderen Umstände jedoch nicht vor. Der berufliche Rang des R., seine Stellung im Beruf als Konstrukteur, hat weder dadurch gelitten, daß er wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Chef der Mechanischen Werkstätten N aus diesem Unternehmen ausgeschieden ist, noch dadurch, daß er danach ein eigenes Konstruktionsbüro errichtet hat. Zudem fehlen Anhaltspunkte dafür, daß er 1943/44 als Selbständiger ein geringeres Einkommen als früher gehabt hat. Da das LSG festgestellt hat, daß R. als Angestellter ein Mindesteinkommen von 1.250,- RM bezogen hat, also mehr als ein Reichsbeamter in der Besoldungsgruppe A 1 a des Reichsbesoldungsgesetzes (das sind 1050,- RM + 144.- RM Wohnungsgeldzuschuß der Ortsklasse A = 1194,- RM ohne die Kürzungen nach der 3. Gehaltskürzungsverordnung) und diese Besoldungsgruppe der von A 16 BBesG entspricht (vgl. BVBl 1964 Nr. 52 S. 129,130), hat es mit Recht den Beklagten gemäß § 6 Abs. 1 der DVO verurteilt, an die Klägerin ab 1. Januar 1964 Schadensausgleich unter Berücksichtigung der Besoldungsgruppe A 16 BBesG zu zahlen. Dabei ist der Urteils tenor unter Würdigung der Urteilsgründe dahin auszulegen (vgl. BSG 14,88), daß als Durchschnittseinkommen das Endgehalt dieser Besoldungsgruppe zugrunde zu legen ist. Nach alledem war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2226423

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