Leitsatz (amtlich)
Wurde die Teilnahme eines Bildungswilligen an einer Bildungsmaßnahme gefördert, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Förderung der anschließenden Teilnahme an einer anderen das gleiche Ziel verfolgenden Bildungsmaßnahme.
Normenkette
AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 36 Fassung: 1969-06-25, § 34 S. 2 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 6 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-12-18; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. April 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der von dem Kläger besuchte Ferienlehrgang des Repetitors für Steuerrecht Wilhelm H zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung von der Beklagten zu fördern ist.
Der 1945 geborene Kläger machte in der Zeit vom 1. April 1963 bis 31. März 1966 eine Lehre durch, die er mit der Prüfung des "Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen" abschloß. Danach war er bis zum 31. Januar 1971 bei einem Steuerberater angestellt.
Vom 26. August 1968 bis zum 19. Juli 1970 besuchte der Kläger den Wochenendlehrgang zur Vorbereitung auf die Prüfung als Steuerbevollmächtigter bei der Studiengesellschaft für Steuerrecht in F (Leiter: Dipl.-Kaufmann Herbert G). Die Beklagte übernahm für diese Maßnahme ab 1. Juli 1969 (Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Kosten in einer Gesamthöhe von DM 1.148,61, die sich aus den Lehrgangsgebühren, Lernmitteln, Fahrtkosten und einer Aufnahmegebühr zusammensetzten.
Der Wochenendlehrgang der Studiengesellschaft für Steuerrecht in F verfolgt zwei Ziele:
|
1. |
|
Die Ausbildung zur "betrieblichen Steuerfachkraft", |
|
2. |
|
die Ausbildung zur erfolgreichen Ablegung der Steuerbevollmächtigtenprüfung vor der Oberfinanzdirektion. |
Das Stoffgebiet ist für beide Ziele gleich.
An dem schriftlichen Teil der Abschlußprüfung als betriebliche Fachkraft nahm der Kläger teil, nicht an der mündlichen Prüfung, so daß er das Zeugnis als betriebliche Steuerfachkraft nicht erhielt.
Vom 26. August 1970 bis 12. September 1970 besuchte der Kläger den Ferienlehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung bei dem Repetitor für Steuerrecht Wilhelm H in Bad G. Dieser Lehrgang ist als ergänzender Nahunterricht zum Fernunterricht des Repetitors H eingerichtet. Er dient der intensiven Vorbereitung auf die nächsten schriftlichen Steuerbevollmächtigten-Prüfungen. Den Interessenten werden, bevor der Lehrgang beginnt, Klausuraufgaben zugesandt, die sie zu lösen und bei Beginn des Kursus abzuliefern haben.
Am 1. Dezember 1970 bestand der Kläger die Steuerbevollmächtigtenprüfung, zum 31. Januar 1971 endete sein Angestelltenverhältnis beim Steuerberater Dipl.-Kaufmann H in Darmstadt und seit dem 1. Februar 1971 ist der Kläger selbständiger Steuerbevollmächtigter.
Den Antrag des Klägers, seine Teilnahme an dem Kursus des Repetitors H in Bad G zu fördern, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 22. September 1970; Widerspruchsbescheid vom 13. April 1971).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 9. Dezember 1971 die Beklagte verurteilt, den vom Kläger besuchten Lehrgang des Repetitors H als förderungsfähig anzuerkennen und dem Kläger die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 18. April 1973 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:
Der Lehrgang, an dem der Kläger teilgenommen habe, sei von seiner Dauer und der Gestaltung des Lehrplanes her nicht geeignet, von der Beklagten als förderungsfähige Maßnahme anerkannt zu werden (§ 34 Satz 2 AFG; § 6 Abs. 1 Satz 1 der Anordnung, Fortbildung und Umschulung - AFuU 1969 -). Darüber hinaus lasse er für sich allein nicht eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten.
Der von dem Repetitor für Steuerrecht H veranstaltete Ferienlehrgang habe 17 Tage gedauert. Eine solche Maßnahme entspreche nicht dem Zeitraum, der notwendig sei, um das Fortbildungsziel, die erfolgreiche Ablegung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter, zu erreichen. Die Prüfungsgebiete, auf die sich die Steuerbevollmächtigtenprüfung erstrecke (§ 11 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes - DVStBerG - vom 1. August 1962 - BGBl I, 537), könnten in einem solch kurzen Zeitraum weder erlernt noch so intensiv behandelt werden, daß allein aufgrund des Besuches dieses Lehrgangs die Prüfung als Steuerbevollmächtigter erfolgreich abgelegt werden könne. Der Lehrgang sei nach der Gestaltung seines Lehrplanes und nach der Unterrichtsmethode darauf abgestimmt, anderweitig erworbene Kenntnisse nochmals kurzfristig im Hinblick auf die schriftliche Prüfung zu wiederholen und ins Gedächtnis zurückzurufen. Als Einzelmaßnahme aber sei er weder von seiner Dauer noch von der Gestaltung des Lehrplanes her geeignet, eine erfolgreiche berufliche Bildung zu gewährleisten. Der Ferienlehrgang der Steuerfachschule H könne auch nicht als Teil des von dem Kläger zuvor besuchten Wochenendlehrgangs der Studiengesellschaft für Steuerrecht angesehen werden, den die Beklagte gefördert habe. Da verschiedene Maßnahmeträger vorlägen und der Lehrgang der Studiengesellschaft nicht einen Besuch des Ferienkursus der Steuerfachschule H als Abschluß vorsehe, lägen zwei selbständige Maßnahmen vor, deren Förderungsfähigkeit im Hinblick auf die §§ 34 Satz 2 AFG, 6 Abs. 1 Satz 1 AFuU 1969 getrennt voneinander beurteilt werden müßten.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 33, 34, 39, 40, 41 und 43 AFG und bringt hierzu insbesondere vor:
Er sei nicht in der Lage gewesen, einen drei Monate dauernden Kursus mit Vollzeitunterricht in Hannover bei der Steuerfachschule H zu besuchen. So habe er sich entschlossen, den Teilzeitunterricht der Studiengesellschaft für Steuerrecht in F zu nutzen. Der in diesem Kursus vermittelte Lehrstoff reiche jedoch nicht aus, um sich erfolgreich der Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu unterziehen. In dem Lehrgang des Repetitors H seien ihm die nötigen Prüfungstechniken und Klausurtechniken vermittelt worden. Es sei nicht einzusehen, wieso lediglich die Vermittlung von Fachwissen förderungsfähig sein solle, die prüfungsmäßige Anwendung dieses Wissens jedoch nicht. Das Arbeitsamt fördere bei der Steuerfachschule H einen dreimonatigen Kursus, der auch der Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung diene. Die Förderung einer solchen Maßnahme sei bei weitem teurer als die Förderung eines Teilzeitunterrichts und eines abschließenden Repetitoriums in Form eines Vollzeitunterrichts. Ihn nunmehr nicht zu fördern, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. Dezember 1971 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Förderung seiner Teilnahme an dem Repetitorium, das er in der Zeit vom 26. August 1970 bis 12. September 1970 besucht hat.
Bei der Weiterbildung des Klägers vom "Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen" zum Steuerbevollmächtigten handelt es sich um eine Fortbildung im Sinne des § 41 Abs. 1 AFG, denn die Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme hat zum Ziel, die bei dem Kläger schon vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und auf diesem Wege einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.
Ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 41 Abs. 1 AFG Fortbildungsmaßnahmen gefördert werden, ferner, ob die Merkmale gegeben sind, die eine Maßnahme gemäß § 34 Satz 2 AFG als geeignet erscheinen lassen, und ob es der Förderung entgegensteht, daß der Kläger alsbald nach Abschluß der Maßnahme und Bestehen der Prüfung als Steuerbevollmächtigter selbständig geworden ist (vgl. zu diesen Fragen das Urteil des Senats vom 6.5.1975, 7 RAr 46/73), kann im vorliegenden Fall dahinstehen.
Der Anspruch des Klägers auf Förderung besteht schon deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 36 AFG nicht vorliegen. Nach § 36 AFG dürfen Leistungen u. a. nur gewährt werden, wenn die Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint. Daran fehlt es hier aber. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger, bevor er den Lehrgang des Repetitors H in Bad G besuchte, bereits an dem Wochenendlehrgang der Studiengesellschaft für Steuerrecht in F teilgenommen hatte. Der Kurs, dessen Förderung der Kläger nunmehr begehrt, war nicht Bestandteil dieses Lehrgangs. Er bildete den Abschluß eines eigenen, von dem Repetitor H veranstalteten Fernkurses, der auch das Ziel verfolgte, auf die Prüfung als Steuerbevollmächtigter vorzubereiten.
Durch die Förderung der Teilnahme des Klägers an dem Wochenendlehrgang der Studiengesellschaft für Steuerrecht in F wird deutlich, daß - auch im Hinblick auf das vom Kläger verfolgte Ziel der Ablegung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter - neben den sonstigen Förderungsvoraussetzungen die der §§ 34 und 36 AFG vorgelegen haben, daß also jener Lehrgang geeignet und die Teilnahme hiernach nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig war. Wird die Teilnahme eines Bildungswilligen an einer Bildungsmaßnahme im Sinne des AFG gefördert, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Förderung der anschließenden Teilnahme an einer anderen das gleiche Ziel verfolgenden Bildungsmaßnahme; denn es ist in der Regel nicht zweckmäßig, die Teilnahme an zwei auf dasselbe Ausbildungsziel gerichteten Maßnahmen nebeneinander oder nacheinander zu fördern. Dem Teilnehmer an einer Maßnahme ist regelmäßig zuzumuten, nach Abschluß dieser Maßnahme die Prüfung abzulegen. Wenn er sich nach Abschluß einer als geeignet anerkannten Maßnahme dennoch nicht hinreichend sicher fühlt, die Prüfung zu bestehen, so kann diese subjektive Auffassung die Beklagte nicht zu weiteren Förderungsleistungen veranlassen, sofern bestimmte Mängel nicht objektiv nachgewiesen sind. Dafür bietet der vorliegende Fall aber keinen Anhalt.
Das weitere Vorbringen des Klägers, die Ablehnung der Förderung seiner Teilnahme an dem Repetitionskurs H verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil andere Fortbildungsmaßnahmen, die von der Beklagten gefördert würden, teurer seien als die Teilnahme des Klägers an den zwei von ihm gewählten Bildungsmaßnahmen, ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Nach dem AFG hat jeder, bei dem die Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch auf Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme, die ihm die nach dem Gesetz vorgesehene Bildung vermittelt (Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung). Ein Anspruch darauf, daß für jeden der gleiche Geldbetrag aufgewendet wird, läßt sich aus dem Gleichheitssatz nicht herleiten.
Schließlich kann der Kläger seinen geltend gemachten Anspruch nicht - wie er ursprünglich vorgetragen hat - auf eine Zusage der Beklagten stützen. Selbst wenn ihm eine Zusage in Bezug auf den Repetitionskurs H gegeben worden sein sollte, so war diese nicht rechtmäßig, da dem Kläger ein Anspruch nach dem AFG insoweit nicht zustand. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 7. August 1974 (BSGE 38, 63, 68) entschieden, daß die Beklagte an rechtswidrige Zusagen nicht gebunden ist.
Zu Recht ist daher in der Vorinstanz der Anspruch des Klägers auf Förderung verneint worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen