Leitsatz (amtlich)
Der Berufsschadensausgleich ist nicht nach der durch Vertreibung verlorenen Berufsstellung eines selbständigen Landwirts zu berechnen, wenn der Beschädigte infolge der Vertreibung nach seinen Berufs- und Lebensverhältnissen in der Zeit, für die er diese Leistung begehrt, nicht wahrscheinlich wieder selbständiger Landwirt wäre (Aufgabe der Rechtsauffassung in den Urteilen des Senats - vom 1970-03-17 9 RV 328/68 = BSGE 31, 74 = SozR Nr 41 zu § 30 BVG - und von BSG 1966-12-06 9 RV 1022/65 - ).
Orientierungssatz
Zur Beachtung der "überholenden oder verdrängenden Kausalität" im Recht der Kriegsopferversorgung.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1914 geborene Kläger war bis zu seiner Vertreibung Landwirt in Pommern. Er verlor im September 1944 das rechte Bein im Oberschenkel infolge einer Verwundung. Die ursprünglich auf 70 v.H. festgesetzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete das Versorgungsamt (VersorgA) im Bescheid vom 2. Februar 1967 wegen einer Verschlimmerung der neu bezeichneten Schädigungsfolgen mit 80 v.H. und wegen eines besonderen Betroffenseins in seinem Beruf als Elektroschweißer im Volkswagenwerk mit insgesamt 90 v.H.. Am 30. März 1967 beantragte der Kläger einen Berufsschadensausgleich. Er gab dazu an: Nach dem Besuch der Volksschule habe er in der elterlichen Landwirtschaft in Pommern gearbeitet, in zwei Winterhalbjahren die Landwirtschaftsschule besucht und die Abschlußprüfung bestanden. Von Oktober 1937 bis zu seinem am 1. September 1939 begonnenen Kriegsdienst habe er als selbständiger Landwirt den 21,12 ha großen Erbhof seiner Ehefrau in Z. bewirtschaftet. Den Antrag lehnte das VersorgA mit Bescheid vom 26. Oktober 1967 ab, weil eine heute etwa bestehende Einkommensminderung nicht durch die anerkannten Schädigungsfolgen, sondern durch den Verlust des Betriebes der Ehefrau verursacht worden sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 24. Januar 1968). Das Sozialgericht (SG) Kassel verurteilte den Beklagten, dem Kläger Berufsschadensausgleich entsprechend einem Durchschnittseinkommen in der Besoldungsgruppe A 7 Bundesbesoldungsgesetz ab 1. März 1967 zu gewähren (Urteil vom 15. Juli 1969). Auf die Berufung des Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 13. Juli 1971 unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Klage ab: Für die gegenwärtige Einkommensminderung müsse eine Schädigung im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ursächlich sein. Dafür sei das "derzeitige", seit dem Antrag erzielte Bruttoeinkommen dem höheren Durchschnittseinkommen in dem Beruf, dem der Beschädigte ohne die Schädigung unter anderem nach dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte, gegenüberzustellen. Mit der entgegenstehenden, vom eindeutigen Wortlaut des § 30 Abs. 3 und 4 BVG abweichenden Auslegung durch das Bundessozialgericht (BSG) in den Urteilen vom 6. Dezember 1966 - 9 RV 1022/65 - und vom 17. März 1970 - 9 RV 328/68 - sei in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers eingegriffen worden. Daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen seit seinem 1967 gestellten Antrag als selbständiger Landwirt tätig wäre, sei in hohem Maße unwahrscheinlich; es spreche nichts dafür, daß gerade er unter den ca. 5 v.H. wiedereingegliederten vertriebenen Landwirten gewesen wäre. Seine Vertreibung aus Pommern sei die wesentliche Bedingung seiner beruflichen Veränderung in der Nachkriegszeit. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 30 Abs. 4 BVG und des § 5 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) durch das LSG. Schon vor dem Verlust der Landwirtschaft durch die Vertreibung, deren Folgen allerdings nicht nach dem BVG zu berücksichtigen seien, hätten seine Schädigungsfolgen ihm unmöglich gemacht, den Beruf des selbständigen Landwirts auszuüben. Die Vertreibung habe den durch die Schädigung verursachten Berufsschaden nicht beseitigt. Sie sei auch bei Schädigungsfolgen, die mit weniger als 100 v.H. bewertet werden, nicht als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 15. Juli 1969 als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, daß selbst bei Beachtung des BSG-Urteils vom 17. März 1970 die Revision nicht begründet sei; denn der Verlust des rechten Oberschenkels, der eine MdE im allgemeinen Erwerbsleben von 70 % bedingt habe, hätte den Kläger vor der Vertreibung nicht gehindert, mit seiner Frau und seinem Sohn den Betrieb in Pommern weiterzuführen. Nach dem Krieg sei er wesentlich wegen der Vertreibung in einen anderen Beruf übergewechselt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber sachlich nicht begründet.
Streitig ist, ob dem schwerbeschädigten Kläger, der jetzt in der Industrie beschäftigt ist, ein Berufsschadensausgleich wegen eines Einkommensverlustes im Vergleich mit dem für selbständige Landwirte maßgebenden Durchschnittseinkommen nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der hier maßgebenden Fassung des Dritten Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 28. Dezember 1966 - BGBl I 750 - i.V.m. § 5 DVO zu gewähren ist. Einen Berufsschadensausgleich erhalten nach § 30 Abs. 3 BVG Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Dieser als "Einkommensverlust" bezeichnete Schaden ist nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen des Beschädigten aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit (zuzüglich der Ausgleichsrente) und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.
Nach der tatsächlichen Feststellung des LSG, die die Revision nicht angegriffen hat und die daher nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend ist, wäre der Kläger nach seiner Vertreibung ohne die Schädigungsfolgen in der Bundesrepublik nicht wieder als selbständiger Landwirt tätig geworden. Als wesentliche Bedingung eines dadurch eventuell bedingten Einkommensverlustes hat das LSG die Vertreibung, nicht aber die Kriegsbeschädigung gewertet, und es hat deswegen einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen eines selbständigen Landwirts abgelehnt. Diese rechtliche Würdigung des insoweit unstreitigen Sachverhalts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Kläger bezieht sich auf eine andere, für ihn günstigere Auslegung des § 30 Abs. 3 und 4 BVGH, die der erkennende Senat im Urteil vom 17. März 1970 (BSG 31, 74) ebenso wie in dem in derselben Sache vorher ergangenen Urteil vom 6. Dezember 1966 - 9 RV 1022/65 - vertreten hat. Nach diesen beiden Entscheidungen ist der Berufsschadensausgleich auf der Grundlage des Berufs zu errechnen, den ein erwerbsunfähiger Beschädigter vor der Vertreibung in Ostpreußen wegen seiner Schädigungsfolgen nicht mehr ausüben konnte (selbständiger Landwirt und Viehhändler); der damit eingetretene Berufsschaden könne durch die spätere Vertreibung nicht beseitigt oder überholt werden (BSG 31, 74, 77 ff). Bindende Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang der Kläger wegen der 1944 erlittenen Verwundung und Beinamputation schon vor seiner Vertreibung aus Pommern seinen Beruf als Betriebsleiter auf dem Hof seiner Ehefrau nicht mehr ausüben konnte, hat das LSG im vorliegenden Falle nicht getroffen. Seine tatsächlichen Erwägungen, die sich auf eine allgemeine Erfahrung über die Berufstätigkeit beinamputierter Landwirte stützen, aber nur eine "denkbare" Betätigung des Klägers in der Landwirtschaft behandeln, beschränken sich auf die Verhältnisse, die seit 1967 beständen, falls der Kläger in der Bundesrepublik einen landwirtschaftlichen Betrieb hätte. Aus rechtlichen Gründen ist der Sachverhalt in dieser Richtung jedoch nicht durch das LSG weiter aufzuklären. Denn der Senat hält seine früher vertretene Rechtsauffassung, die in BSG 31, 74 näher begründet ist, nicht mehr aufrecht.
Wie der 10. Senat des BSG in einem Urteil vom 16. September 1970 (BSG 32, 1), das den Witwen-Schadensausgleich (§ 40 a BVG) betrifft, auch für den Berufsschadensausgleich des Beschädigten ausführlich dargelegt hat, muß der durch diese Versorgungsleistungen auszugleichende Schaden in der Zeit bestehen, für die der Ausgleich begehrt wird (aaO S.2). Der Einkommensverlust könne nur im Unterschied zwischen dem tatsächlichen Einkommen und einem angenommenen Einkommen bestehen, das der Beschädigte ohne die Schädigung, die Witwe ohne den Tod ihres Ehemannes in derselben Zeit hätte (aaO). Abweichend von der ersten der beiden für den Witwen-Schadensausgleich gesetzlich festgelegten Berechnungsweisen (aaO S. 4 ff) sei der Berufsschadensausgleich allein nach dem Vergleichseinkommen in dem Beruf zu bemessen, dem der Beschädigte in der Zeit, für die er die Leistung begehre, ohne die Schädigung angehört hätte; der Berufsschadensausgleich habe keinen etwa schon vor der Vertreibung oder mit ihr entstandenen, aber nicht anhaltenden Berufsschaden auszugleichen; daher sei eine nach der Schädigung durch Vertreibung verlorene Berufsstellung nicht zu beachten (aaO, S. 3 f, 6 f).
Der erkennende Senat hält nach erneuter Prüfung allein diese Rechtsauffassung über die Bemessung des Berufsschadensausgleichs vertriebener Landwirte für zutreffend. Sie folgt zwingend aus dem Wortlaut sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften des § 30 Abs. 3 und 4 BVG, die ausdrücklich bestimmen, welcher Schaden durch diese Versorgungsleistung "auszugleichen" ist. Der in § 30 Abs. 3 BVG verwendete Ausdruck "Einkommensverlust" bezeichnet den Verlust entgangenen Einkommens (BSG 32, 1, 2). Der dafür naturgemäß festzustellende Unterschiedsbetrag bemißt sich gemäß § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG nach zwei miteinander zu vergleichenden und vergleichbaren Einkommensbeträgen: einerseits nach dem "derzeitigen Bruttoeinkommen", andererseits nach dem höheren Durchschnittseinkommen in dem Beruf, dem der Beschädigte ohne die Schädigung "angehört hätte". Diese Berufsstellung kann vernünftigerweise nicht eine solche sein, die er vor der Zeit, für die er den Berufsschadensausgleich begehrt, durch andere Umstände als Schädigungen im Sinne des BVG verloren hatte, sondern nur die Berufsstellung, die er zur selben Zeit innehätte; sie muß das Einkommen bestimmen, das er ohne die Schädigung erzielt hätte. In § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) war das maßgebende Einkommen unmittelbar als solches beschrieben, das der Beschädigte ohne die Schädigung "voraussichtlich erhalten würde"; inhaltlich war im Ergebnis damit nichts anderes bestimmt (BSG 32, 1, 3). Ob ein Einkommensverlust früher einmal bestanden hat, kann nach diesen Vorschriften nicht rechtserheblich sein; als wirtschaftlicher Schaden im Sinne des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG muß er in der Zeit, für die Berufsschadensausgleich begehrt wird, in der Regel zur Zeit des Antrages und danach (§ 60 BVG), bestehen. Für die Zeit vorher läßt sich gar nicht feststellen, ob und in welchem Ausmaß die Schädigungsfolgen erwerbsmindernd im Sinne des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG, d.h. im Vergleich mit dem derzeitigen Einkommen, wirken.
Zwar gilt nach § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG als Durchschnittseinkommen des Ehemannes, das zur Feststellung des Schadensausgleichs der Witwe mit ihrem Einkommen zu vergleichen ist (§ 40 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BVG), außerdem auch das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Verstorbene angehört hat. Aber dieser weitere Bemessungsmaßstab ist in § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG nicht zusätzlich enthalten. Der Gesetzgeber hat zwar im 2. NOG bewußt den Schadensausgleich für die Witwe dem Berufsschadensausgleich nachgebildet; denn er hat über gewisse Gemeinsamkeiten hinaus in § 40 a Abs. 2 Satz 3 und 4 BVG ausdrücklich die entsprechende Anwendung des § 30 Abs. 4 Satz 2 und 3 und Abs. 7 BVG angeordnet. Hätte er aber auch den Berufsschadensausgleich, abweichend von der bis dahin geltenden Fassung des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG, nach der Berufsstellung, der der Beschädigte vor der Schädigung angehört hat (wie die erste Alternative des § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG), errechnen lassen wollen, so hätte er dies ausdrücklich in der ohnehin durch das 2. NOG geänderten Fassung des § 30 Abs. 4 BVG zum Ausdruck bringen müssen und auch gebracht. Ein Anhalt für ein Redaktionsversehen (BSG 27, 139, 140) besteht nicht. Welche Gründe die gegenüber § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG erweiterte Regelung des § 40a Abs. 2 Satz 2 BVG rechtfertigen, hat der 10. Senat in seinem Urteil vom 16. September 1970 zum Witwen-Schadensausgleich dargelegt (aaO S. 5 f). Im einzelnen ist dazu in der vorliegenden Sache nicht Stellung zu nehmen. Jedenfalls kann demgegenüber die früher vom erkennenden Senat vertretene Auffassung, auch der Berufsschadensausgleich sei - als weitere Alternative - nach dem vor der Schädigung erreichten Beruf zu bemessen (BSG 31, 74, 79, 80), nicht aufrechterhalten werden.
Ein Grund für eine den eindeutigen Gesetzeswortlaut und -sinn berichtigende Auslegung oder abändernde Rechtsfindung, die unter gewissen Voraussetzungen zulässig sind und sogar geboten sein können (BSG 14, 238, 239, 245; 25, 41, 43; 25, 55, 58), ist nicht erkennbar. Vielmehr wird die wörtliche Auslegung, die nunmehr auch der erkennende Senat für richtig hält, gerade durch Sinn und Zweck des Berufsschadensausgleichs bestätigt. Diese Versorgungsleistung ist eine der näheren Ausgestaltungen des in § 1 Abs. 1 BVG enthaltenen Grundsatzes der Kriegsopferversorgung (KOV): Beschädigte erhalten Versorgung "wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen" bestimmter kriegsbedingter Schädigungen. Eine solche wirtschaftliche Folge ist der schädigungsbedingte Einkommensverlust, den die Versorgungsleistung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG ausgleichen soll. Dies hat bereits der 10. Senat in einem Urteil über den "derzeitigen" Beruf, nach dem sich der Einkommensverlust im Sinne der Vorschriften bestimmt (SozR Nr. 44 zu § 30 BVG), überzeugend dargelegt. Dann kann, wie dieser Entscheidung weiterhin zu entnehmen ist, folgerichtig der auszugleichende Berufsschaden "allein aus der Gegenüberstellung desjenigen Zustandes, der ohne die Schädigung vorhanden wäre, mit demjenigen ermittelt werden, der durch die Schädigung" entstanden ist, und beide Zustände müssen jeweils für denselben Zeitraum ermittelt werden. Der 8. Senat des BSG ist dieser Entscheidung in seinem Urteil vom 23. November 1971 (SozR Nr. 52 zu § 30 BVG) "im Grundsatz" und jedenfalls bezüglich der hier wiedergegebenen Gedankengänge beigetreten.
Der Kläger vertritt selbst die zutreffende Auffassung, der Berufsschadensausgleich solle allein Folgen der nach § 1 BVG geschützten Schädigung, in seinem Fall der Beinverwundung, dagegen keine Auswirkungen der Vertreibung ausgleichen. Dieser Grundsatz ergibt sich eindeutig aus § 1 Abs. 1 BVG und wird insbesondere durch § 30 Abs. 3 und 4 BVG bestätigt; nach diesen Vorschriften muß der Beschädigte den Einkommensverlust "durch die Schädigungsfolgen" erlitten haben und ist der Schaden nach dem Unterschied zum Einkommen in dem Beruf, den er derzeitig "ohne die Schädigung" ausüben würde, zu bemessen. Dann muß, wie der 10. Senat unter späterer Zustimmung des 8. Senats in den zitierten Urteilen dargelegt hat, "zwischen dem wirtschaftlichen Schaden und der Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen". Auch der erkennende Senat hat im Urteil vom 17. März 1970 (aaO, S. 80 f) als maßgebend angesehen, ob der Berufsschaden wesentlich durch eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG oder durch die Vertreibung "verursacht" worden ist. Von diesem allgemeinen Grundsatz des Rechts der KOV hat das Gesetz allein einzelne, ausdrücklich gekennzeichnete Ausnahmen zugelassen. Solche liegen hier nicht vor. Eine weitergehende Entschädigungspflicht des Staates wäre mit dem Zweck der "Versorgung der Opfer des Krieges", wie der volle Titel des BVG lautet, unvereinbar. Wenn abweichend von dieser rechtlichen Betrachtungsweise der Einkommensverlust als wirtschaftliche Folge der Gesundheitsstörung und damit als eine Bewertung des Schadensausmaßes von dem tatsächlichen Geschehensablauf zwischen schädigendem Vorgang und eingetretener Gesundheitsstörung, der allein nach der Kausalitätsnorm der KOV zu beurteilen ist, unterschieden wird (zu § 30 Abs. 1 und 2 BVG; BSG 17, 114, 116, 117; 19, 201, 202), führt das zu keinem anderen Ergebnis; jedenfalls muß der Einkommensverlust der kriegsbedingten Beschädigung zuzurechnen sein.
Dies kann im vorliegenden Fall nicht etwa wegen der Rechtsprechung zum sogenannten "Nachschaden" im Sinne des Klägers beurteilt werden. Nach ständiger Rechtsprechung können zeitlich nach der Schädigung (i.S. des § 1 BVG) eintretende Einwirkungen, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit einer solchen Schädigung stehen ("Nachschäden"), den entstandenen Schaden, der einen Versorgungsanspruch begründet, nicht in rechtserheblicher Weise vergrößern (zu § 30 Abs. 1, 2 und 5 BVG: BSG 17, 114, 116 ff; 19, 201, 202 f; 23, 188, 189 bis 191; BSG, BVBl 1967, 73, 74). Daraus folgt nicht etwa, wie der Senat in BSG 31, 74, 79 f angenommen hat, umgekehrt könne eine von Schädigungen im Sinne des § 1 BVG unabhängige Einwirkung, z.B. eine Vertreibung, eine einmal durch eine Verwundung oder sonstige Kriegseinwirkung geschaffene Berufsschädigung nicht "beseitigen oder überholen". In Fällen der vorliegenden Art ist in der Zeit, für die ein Berufsschadensausgleich begehrt wird, nach den allein rechtlich maßgebenden Verhältnissen, die ohne die Beinverwundung in derselben Zeit beständen, überhaupt kein rechtserheblicher Schaden im Sinne des § 1 i.V.m. § 30 Abs. 3 und 4 BVG vorhanden. In seinem früheren Beruf als selbständiger Landwirt ist der Kläger seit seinem 1967 gestellten Antrag lediglich durch die Vertreibung geschädigt, weil er als Vertriebener in der Bundesrepublik auch bei voller körperlicher Leistungsfähigkeit wahrscheinlich nicht wieder selbständiger Landwirt werden konnte. Selbst wenn er 1944/45 zwischen Verwundung (Amputation) und Vertreibung beruflich behindert gewesen wäre, würde sich dieser Schaden seit 1967 nicht als solcher im Sinne des § 30 Abs. 3 und 4 BVG auswirken.
Übereinstimmend mit der nunmehr vom Senat zum Berufsschadensausgleich vertretenen Auffassung hat der Senat schon in einem zu § 30 Abs. 2 BVG ergangenen Urteil (BSG 26, 78, 80) ein gegenwärtiges besonderes berufliches Betroffensein eines Berufssoldaten der früheren Wehrmacht nur für den Fall bejaht, daß er wegen der Schädigung und nicht etwa wegen der Auflösung der Wehrmacht (1945) und wegen zu hohen Alters seinen Soldatenberuf jetzt nicht mehr in der Bundeswehr ausüben könne. Der besondere Berufsschaden im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG ist - ähnlich wie der im übrigen andersartige des § 30 Abs. 3 und 4 BVG (BSG 29, 208, 210, 212) - davon abhängig, daß die derzeitige Unmöglichkeit, einen bestimmten Beruf auszuüben, "durch die Art der Schädigungsfolgen" oder "infolge der Schädigung" bedingt ist.
In welchem Beruf der Schwerbeschädigte einen Einkommensverlust erlitten haben muß, bestimmt sich gemäß § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG u.a. nach seinen Lebensverhältnissen. Gerade wenn wie im Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1970 (aaO S. 81) auf den tatsächlichen und nicht auf einen fiktiven Geschehensablauf abgestellt ist, muß berücksichtigt werden, daß der Kläger infolge der Vertreibung seit 1967 nicht mehr als selbständiger Landwirt tätig sein kann. Die voraussichtliche (nicht uneingeschränkt tatsächliche) Entwicklung der Verhältnisse nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG ist insoweit maßgebend, als der Kläger ohne die Schädigung nach seinen "Lebensverhältnissen", ungeachtet seiner als landwirtschaftlicher Betriebsleiter erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, seit dem Antrag (1967) nicht mehr in diesem Beruf tätig sein kann. Zu diesen eindeutig feststellbaren "Lebensverhältnissen" gehört auch der Verlust des in Pommern gelegenen Hofes durch die Vertreibung; das war ein allgemeines Schicksal, das fast alle in der Heimat des Klägers ansässigen Deutschen ohne Rücksicht darauf, ob sie kriegsbeschädigt oder vollerwerbsfähig waren, betroffen hat. Auch die weitere berufliche Entwicklung, daß die vertriebenen Landwirte in der Bundesrepublik regelmäßig ihre frühere Berufstätigkeit nicht wieder aufnehmen konnten, war ein typisches Schicksal, das als Teil der "Lebensverhältnisse" zu beachten ist. Das hat der Senat im Urteil vom 17. März 1970 (BSG 31, 74, 77, 78) nicht hinreichend gewürdigt.
Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht mit der Erwägung in dem zitierten Urteil stützen, eine "überholende oder verdrängende Kausalität" sei im Recht der KOV unbeachtlich (aaO S. 81) und eine andere Beurteilung widerspräche "elementarsten sozialstaatlichen Grundsätzen" (aaO S. 79 f). Ob der konkrete berufliche Schaden im vorliegenden Fall nach den Rechtsgrundsätzen der "überholenden Kausalität" zu bemessen ist (vgl. dazu v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, Karlsruhe 1962; Watermann, Die Ordnungsfunktionen von Kausalität und Finalität im Recht unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, Berlin 1968, 86 ff; weitere Hinweise in BSG 28, 145, 150 f), richtet sich nicht nach rechtstheoretischen Erwägungen, sondern allein nach dem für die Gerichte verbindlichen Gesetz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -), wie es zuvor ausgelegt worden ist. Eine Betrachtungsweise, die infolge der Beinamputation die beim Kläger seit seinem Antrag (1967) bestehenden Verhältnisse außer acht ließe, würde von den konkreten und individuellen "Lebensverhältnissen" absehen, die nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG maßgebend sind. Gerade die sozialstaatliche Gerechtigkeit, die vom Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) bestimmt wird, gebietet einerseits, dem Kläger einen staatlichen Ausgleich für einen seit dem Antrag bestehenden Berufsschaden, der der Verwundung zuzurechnen ist, nach gleichen Beurteilungsmaßstäben wie anderen Schwerbeschädigten zu gewähren. Dieser Verfassungsgrundsatz verbietet andererseits, den Kläger durch eine Leistung der KOV günstiger zu stellen als diejenigen früheren selbständigen Landwirte, die infolge ihrer Vertreibung jetzt ebenfalls nicht mehr in ihrem Beruf tätig sind (BSG SozR Nr. 52 zu § 30 BVG). Vertreibungsschäden sind allein nach dem Lastenausgleichsgesetz auszugleichen.
Die Vorschriften des § 30 Abs. 3 und 4 BVG sind auch nicht etwa deshalb anders auszulegen, weil § 6 DVO für Ausnahmefälle als maßgebendes Durchschnittseinkommen die Beamtenbesoldung festlegt, die den vor der Schädigung tatsächlich erzielten Einkünften entspricht. Soweit der erkennende Senat im Urteil vom 6. Mai 1969 (SozR Nr. 6 zu § 6 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964) das nach § 6 DVO ermittelte Einkommen unabhängig davon, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Schädigung in der Zeit, für die er einen Berufsschadensausgleich begehrt, ausüben würde, als maßgebend angesehen und seine Rechtsansicht zu § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG im Urteil vom 17. März 1970 u.a. auf § 6 DVO gestützt hat (BSG 31, 74, 78, 82), wird an dieser Auffassung nicht festgehalten. Diese Ausnahmevorschrift ist nur rechtswirksam (Art. 80 Abs. 1 GG), soweit sie mit der gesetzlichen Ermächtigung, die ergänzend zu § 30 Abs. 7 BVG vom Inhalt des § 30 Abs. 4 BVG ausgefüllt wird, vereinbar ist (BSG 27, 69; BVerfG 26, 16, 35 ff); d.h. das Vergleichseinkommen ist nur dann nach § 6 DVO zu berechnen, wenn es kraft Gesetzes durch die vor der Schädigung errichtete Berufsstellung bestimmt wird. Darf aber nach dem Gesetz ein Schaden in einem früher ausgeübten Beruf überhaupt nicht berücksichtigt werden, weil der Beschädigte gegenwärtig ohne die Schädigung nach den Maßstäben des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG nicht in ihm tätig wäre, dann ist auch ein tatsächlich vor der Schädigung in diesem Beruf erzieltes Einkommen als Bemessungsmaßstab nicht zu beachten. Hierauf hat der Senat bereits im Urteil vom 6. Mai 1 1969 (SozR Nr. 6 zu § 6 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964), das in BSG 31, 74, 79, 82 insoweit zustimmend zitiert worden ist, hingewiesen; danach ist ein vor der Schädigung erzielter Berufserfolg auch nach § 6 DVO dann nicht bei der Berechnung des Einkommensverlustes zu berücksichtigen, "wenn der Beschädigte aus nicht schädigungsabhängigen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen ist, die früher einmal erlangte Stellung für die Dauer wieder einzunehmen"
Da nach alledem der Beruf eines selbständigen Landwirts bei der Entscheidung über den vom Kläger beantragten Berufsschadensausgleich nicht zu berücksichtigen ist und nach dem Begehren des Klägers ein Berufsschadensausgleich entsprechend dem Durchschnittseinkommen in einem anderen Beruf nicht in Betracht kommt, muß seine Revision als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs.1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen