Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.11.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. November 1990 hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Behandlung des Zeitraums vom 2. Januar 1963 bis 30. Juli 1965 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird insoweit an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt ein höheres Knappschaftsruhegeld unter Einstufung seiner Tätigkeit im polnischen Bergbau in einer höheren Leistungsgruppe nach dem Fremdrentengesetz (FRG) sowie den vollen Leistungszuschlag unter Berücksichtigung dieser Tätigkeit als Hauerarbeiten bzw diesen gleichgestellte Arbeiten.
Der im Jahre 1928 geborene Kläger bezieht seit 1988 (vorgezogenes) Knappschaftsruhegeld. Zwischen den Beteiligten ist noch die Zeit vom 2. Januar 1963 bis zum 30. Juni 1965 streitig, während derer der Kläger im polnischen Bergbau gearbeitet hatte. Sie wurde im Rentenbescheid vom 24. Oktober 1988 als Pflichtbeitragszeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung, Leistungsgruppe C I a 2 „gelernte Grubenhandwerker und Arbeiter, die eine Tätigkeit mit entsprechender Entlohnung ≪Schichtlohn in oberen Lohnklassen≫ verrichten”) der Anlage 1 zu § 22 FRG, gewertet und beim Leistungszuschlag nach § 59 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) iVm Art 2 § 11 Abs 2 Satz 1 Buchst b Knappschaftsrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) zu 2/3 als ständige Arbeiten unter Tage berücksichtigt. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit Urteil vom 29. November 1990 hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, beim Leistungszuschlag für den streitigen Zeitraum Hauertätigkeiten anzuerkennen und den Kläger in Leistungsgruppe 1 der Anlage 1 zum FRG, Abschnitt C I a „Hauer im Gedinge und sonstige Gedingearbeiter”) einzustufen. In den Entscheidungsgründen verweist das LSG auf die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum als „sonstiger Gedingearbeiter” tätig geworden. Dies folge aus den (aus dem polnischen Abkehrschein übersetzten) Berufsbezeichnungen „Verbauer”, „Ausbauer” bzw „Zimmerhauer”, jeweils unter Tage. Denn das Gedinge, der bergmännische Akkord des Hauers sei nicht nur von dessen eigener Arbeitsleistung abhängig gewesen, sondern ebenso von der Leistung der in seiner Gruppe Mitarbeitenden, damit auch von der des Verbauers. Ebenfalls aufgrund der Sachkunde der ehrenamtlichen Richter sei die Tätigkeit des Klägers dem § 3 Nr 4 c der Hauerarbeiten-Verordnung (HaVO) zuzuordnen, wonach ua Zimmerarbeiten im Abbau, beim Streckenvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung den Hauerarbeiten gleichgestellt seien.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 22 FRG, Anlage 1 Abschnitt C I a sowie des § 59 RKG iVm § 3 Abs 1 Nr 4 c HaVO. Im Verhältnis zum Ausbauer sei die Tätigkeit des Zimmerhauers die qualifiziertere. Selbst wenn man diese zugrunde lege, könne sie jedoch nicht der Leistungsgruppe C I a 1 zugeordnet werden. Denn nach der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau, die nach dem Eingliederungsprinzip als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sei, zähle der Zimmerhauer nicht zu den Gedingearbeitern, sondern zu den Schichtlöhnern, und zwar als Zimmerhauer, der selbständig Arbeiten ausführe (Gruppe I) ebenso wie als Hilfszimmerhauer (Gruppe II). Hätte der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet, so hätte er keinen Gedingelohn erhalten, seine Tätigkeit wäre vielmehr im Schichtlohn vergütet worden. Im übrigen sei der Kläger nach der Auskunft des polnischen Sozialversicherungsträgers auch im dortigen Steinkohlenbergbau im Lohnsystem beschäftigt worden. Die streitige Zeit sei ferner nicht als Hauertätigkeit voll beim Leistungszuschlag nach § 59 Abs 1 RKG (iVm Art 2 § 11 Abs 1 und 2 KnVNG) anzurechnen. Unzutreffenderweise habe das LSG die Tätigkeit des Klägers in der streitigen Zeit nach § 3 Nr 4c HaVO den Hauerarbeiten gleichgestellt. Denn diese Vorschrift setze nicht nur die Verrichtung von Zimmerarbeiten zB im Abbau voraus, sondern auch einen Lohn, der mindestens dem höchsten tariflichen Schichtlohn entspreche. Aufgrund des Eingliederungsprinzips sei maßgebend für die Beurteilung der zur Zeit der Ausübung der Tätigkeit jeweils gültige Tarifvertrag (Hinweis auf die Urteile des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ jeweils vom 14. November 1989 – 8 RKn 24/88 = SozR 5050 § 22 Nr 20; 8 RKn 11/88 –). Als höchster Schichtlohn für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau sei zur Zeit der Ausübung der Tätigkeit der Lohn der Sondergruppe anzusehen (Hinweis auf BSG vom 25. September 1962, BSGE 18, 31 = SozR Nr 1 zu § 3 HaVO). Eine derartige Entlohnung wäre nie erfolgt, sondern lediglich eine nach Gruppe I bzw II. Auf dieser Grundlage aber habe die Beklagte den Leistungszuschlag zutreffend berechnet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. November 1990 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verpflichtet worden ist, den Zeitraum vom 2. Januar 1963 bis 30. Juni 1965 als Hauertätigkeit anzuerkennen und diese Zeit in Leistungsgruppe 1 einzustufen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 7. März 1990 auch insoweit zurückzuweisen.
Der Kläger hat keinen förmlichen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Entgegen der Auffassung des LSG kann auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen weder ein Anspruch des Klägers darauf begründet werden, die streitige Zeit in die Leistungsgruppe 1 der Anlage 1 zu § 22 FRG, Abschnitt C I a einzustufen (1) noch darauf, sie als Hauertätigkeit voll beim Leistungszuschlag zu berücksichtigen (2).
Die streitige, in Schlesien zurückgelegte Beschäftigungszeit fällt unter den Geltungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396). Diese Zeiten sind nach Art 4 Abs 2 DPSVA so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet des ersten Staates (hier: der Bundesrepublik Deutschland) zurückgelegt worden wären. Nach Art 2 Abs 1 des Gesetzes zum DPSVA vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 393) in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung Berücksichtigung finden, gemäß Art 4 Abs 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich des Gesetzes wohnt. Damit sind auf die vom Kläger in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten die §§ 14 ff FRG entsprechend anwendbar. Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck gekommene Grundgedanke verlangt, Vertriebene und Flüchtlinge versicherungsrechtlich so zu behandeln, als ob sie ihre frühere Tätigkeit unter der Wirksamkeit deutscher Rechtsnormen zurückgelegt hätten. Dieser Personenkreis ist so zu stellen wie die gleichartig Beschäftigten im Geltungsbereich des FRG. Mit anderen Worten besagt dieser die fremdrentenrechtliche Gesamtregelung der §§ 14 ff FRG tragende Rechtsgedanke, daß die in den Geltungsbereich des FRG zuziehenden Berechtigten rentenrechtlich so gestellt werden sollen, als ob sie im Inland beschäftigt gewesen wären und hier ihr Arbeits- und Versicherungsleben zurückgelegt hätten (BSG ≪GrS≫ vom 6. Dezember 1979, BSGE 49, 175, 184 = SozR 5050 § 15 Nr 13; BSG ≪GrS≫ vom 4. Juni 1986, BSGE 60, 100, 106 = SozR 5050 § 15 Nr 22; BSG ≪GrS≫ vom 25. November 1987, BSGE 62, 255, 266 = SozR 5050 § 15 Nr 35; BSG vom 29. März 1990, SozR 3 – 2200 § 1291 Nr 1). Besonders auffällig kommt dies in § 20 Abs 4 FRG zum Ausdruck. Danach werden Beitragszeiten in einem knappschaftlichen Betrieb selbst dann der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet, wenn im Vertreibungsland keine Beiträge zu einer knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet sind, die Beschäftigung aber nach bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung unterlegen hätte. Die fraglichen Beitragszeiten des Klägers sind also „nach deutschem Recht” zu bewerten (so der Senat im Urteil vom 14. Februar 1991, SozR 3 – 2960 § 59 Nr 1).
Die Vorschriften des RKG – iVm der HaVO sowie dem KnVNG –, die mit dem 1. Januar 1992 außer Kraft getreten sind (Art 83 Nrn 3, 4 und 6 des Rentenreformgesetzes 1992 – RRG 1992), sind weiterhin anzuwenden, weil iS von § 300 Abs 2 und Abs 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) über einen vor diesem Zeitpunkt bestehenden Sozialleistungsanspruch im Erstfeststellungsverfahren zu entscheiden ist (vgl zum Leistungszuschlag nach neuem Recht: § 85 SGB VI).
Zu 1) Die vom Kläger begehrte Einstufung in Leistungsgruppe C I a 1 setzt die Einordnung seiner Tätigkeit in der streitigen Zeit als die eines „Hauer(s) im Gedinge oder sonstige(n) Gedingearbeiter(s)” voraus. Für diese Zuordnung hat das LSG für ausreichend gehalten, daß der Kläger zwar selbst im Schichtlohn gearbeitet hat, jedoch mit seiner Arbeit (als Ausbauer, Verbauer oder Zimmerhauer) zum Erfolg des Gedinges des Hauers beigetragen hat. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden.
Gedingearbeiter iS der Definition der Leistungsgruppe C I a 1 der Anlage 1 zu § 22 FRG sind nur solche knappschaftlich Beschäftigten, die selbst im Gedinge arbeiten, also einen Lohn erhalten, der sich nicht nach der von ihnen erbrachten Stundenzahl, sondern – ebenso wie beim ebenfalls in jener Leistungsgruppe aufgeführten Hauer im Gedinge – nach der erzielten Leistung richtet. Dies folgt auch daraus, daß die Leistungsgruppe C I a der Anlage 1 zu § 22 FRG in Anlehnung an bestehende Lohntarife aufgestellt wurde; maßgebend für ihre Auslegung sind daher tarifliche Kriterien (vgl allgemein zur Anwendung der Anlage 1, Buchst C I a zu § 22 FRG die Ausführungen des Senats im Urteil vom 14. November 1989, SozR 5050 § 22 Nr 20). Hieraus aber kann nur abgeleitet werden, daß auch die „sonstigen Gedingearbeiter” ebenso wie der „Hauer im Gedinge” nicht nach dem Schichtlohnsystem, sondern eben im Gedinge entlohnt worden sein müssen.
Ob der Kläger als Gedingearbeiter zu werten ist, kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden.
Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Die Einstufung einer Tätigkeit als „Hauer im Gedinge oder sonstiger Gedingearbeiter” iSd Leistungsgruppe C I a 1 hat nicht zur Voraussetzung, daß im Vertreibungsgebiet eine Entlohnung im Gedinge erfolgt ist, sondern, daß jene Tätigkeit, wäre sie im Geltungsbereich des FRG verrichtet worden, im Gedinge entlohnt worden wäre. Dies steht zwar im Gegensatz zur Systematik der Einordnung bestimmter Tätigkeiten in die Leistungsgruppe der Anlage 1 zu § 22 FRG, soweit andere Versicherungszweige als die knappschaftliche Rentenversicherung betroffen sind. Insoweit ist für die Ausfüllung der Tätigkeitsmerkmale nach der Anlage 1 auf die Verhältnisse im Vertreibungsland abzustellen und anhand der hierdurch zu ermittelnden Einstufung die Höhe der dem Versicherten für jene Zeiträume anzurechnenden Bruttojahresarbeitsentgelte bzw Lohn-, Gehalts- oder Beitragsklassen für die Berechnung der Rentenhöhe einzusetzen (Anlagen 4 ff zum FRG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung). Demgegenüber ist für die Leistungsgruppeneinstufung in der knappschaftlichen Rentenversicherung sinnvollerweise auch auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zurückzugreifen. Denn die Definitionen der Leistungsgruppen für die knappschaftlich Versicherten beschreiben nicht nur die im Vertreibungsland verrichteten Tätigkeiten, wie die Leistungsgruppen nach dem FRG für die Versicherten in der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten, sondern stellen auch auf Merkmale der Entlohnung ab (Gedinge, Schichtlohn in den oberen Lohnklassen bzw bei den Angestellten, Vergütung außerhalb der Gehaltstarife). Wenn aber die Einstufung, vor allem in die höheren Leistungsgruppen, nicht – möglicherweise – von vornherein daran scheitern soll, daß in den Herkunftsländern derartige Vergütungsarten gar nicht vorhanden waren, muß Beurteilungsgrundlage ein Vergütungsgefüge sein, das die entsprechenden Merkmale für die beschriebenen Tätigkeiten überhaupt vorsieht, nämlich das im Geltungsbereich des FRG. Damit steht im Einklang, daß der Gesetzgeber das Leistungsgruppengefüge des FRG in der knappschaftlichen Rentenversicherung – im Gegensatz zu den sonstigen Einstufungsmerkmalen nach der Anlage 1 zu § 22 FRG – nicht aus statistischen Grundlagen entnehmen konnte, sondern sich offensichtlich am damals in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden tariflichen Lohngruppengefüge für Arbeiter unter Tage orientiert hat (so der Senat im Urteil vom 14. November 1989, SozR 5050 § 22 Nr 20 S 58 f).
Auf dieser Grundlage aber erübrigen sich nähere Erörterungen dazu, inwieweit Vergütungssysteme des Vertreibungslandes mit dem „Gedinge” im Sinne der Definition der Leistungsgruppe C I a 1 gleichgesetzt werden können.
Damit aber bleibt zu entscheiden, ob die Tätigkeit des Klägers im polnischen Steinkohlenbergbau in der streitigen Zeit, hätte er sie in der Bundesrepublik Deutschland verrichtet, die eines Hauers im Gedinge oder sonstigen Gedingearbeiters gewesen wäre. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich dies anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen zwar nicht bestätigen, aber auch nicht vollends ausschließen. Denn Einzelheiten über jene Tätigkeit sind bisher nicht ermittelt worden. Vielmehr hat sich das LSG für die von ihm vorgenommene Einstufung des Klägers sowohl im Rahmen der Leistungsgruppen der Anlage 1 zu § 22 FRG – ohne Anhörung des Klägers oder Vernehmung von Zeugen – allein mit dem Abkehrschein begnügt, der schon deshalb nicht als verläßliche Beurteilungsgrundlage dienen kann, weil er – je nach Übersetzung -unterschiedliche Tätigkeiten als „Ausbauer”, „Verbauer” bzw „Zimmerhauer” unter Tage, ausweist. Ohne eine genauere Beschreibung der tatsächlich verrichteten Tätigkeit ist es aber nicht möglich, diese in das Gefüge der Leistungsgruppen der Anlage 1 zu § 22 FRG einzuordnen.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, daß streitig lediglich die Einstufung in die Leistungsgruppe C I a 1 ist. Denn die Beklagte hat bei der Rentenberechnung den Kläger bereits in die Leistungsgruppe C I a 2 eingestuft und damit augenscheinlich bereits als „Zimmerhauer, der selbständige Arbeiten verrichtet” aufgefaßt (vgl Pott, Kompaß 1986, 116, 118), also günstiger behandelt als zB einen Hilfszimmerhauer oder einen Ausbauhelfer (vgl die Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau gültig ab 1. Januar 1965, wo der Zimmerhauer, der selbständige Arbeiten ausführt, in der Schichtlohngruppe I ≪unterhalb der Sondergruppe und den Lohngruppen I a und I b≫ aufgeführt ist, während der Hilfszimmerhauer nach Lohngruppe II, der Ausbauhelfer nach Lohngruppe III zu entlohnen war). Demgegenüber wäre eine Einstufung des Klägers als „sonstiger Gedingearbeiter” iS der Leistungsgruppe C I a 1 unter Umständen dann möglich, wenn er Tätigkeiten ausgeübt hätte, die im bundesdeutschen Steinkohlenbergbau Gedingearbeitern vorbehalten waren.
Das LSG wird daher – ggfs aufgrund einer Anhörung des Klägers in Gegenwart eines berufskundlichen Sachverständigen – die in der streitigen Zeit konkret verrichteten Tätigkeiten zu ermitteln und sodann festzustellen haben, ob solche im Geltungsbereich des FRG im Gedinge entlohnt worden wären. Hierbei ist ggfs auf den unterschiedlichen Ausrüstungsstand im polnischen und deutschen Steinkohlenbergbau Rücksicht zu nehmen, so etwa bei Tätigkeiten, die damals in Deutschland nicht oder nicht mehr vorhanden waren.
Bei seiner Entscheidung wird sich das LSG an denjenigen (Entlohnungs-)Verhältnissen zu orientieren haben, wie sie sich den tarifvertraglichen Regelungen für einen Großteil der entsprechenden Arbeitnehmergruppe (hier für die im Steinkohlenbergbau Beschäftigten: die Lohntarife des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus) in der zur Beschäftigungszeit jeweils geltenden Fassung (s das Urteil des Senats vom 14. November 1989 SozR 5050 § 22 Nr 20) entnehmen lassen. Die – in seinem Urteil vom 14. November 1989 (aaO) offengelassene – Alternative, auf die Lohntarife abzustellen, die für den Wohnsitz des Klägers im Zeitpunkt der ersten Antragstellung galten, greift hier ins Leere. Denn am Wohnsitz des Klägers in der Bundesrepublik galt kein einschlägiger Tarifvertrag, da in Rheinland-Pfalz keine Steinkohle abgebaut wird. Damit bleibt aber im vorliegenden Fall nur die Möglichkeit, auf die Lohntarife für die Mehrzahl der im Steinkohlenbergbau Beschäftigten abzuheben.
Zu 2) Auch für die vom LSG vorgenommene Einordnung der Tätigkeit des Klägers in § 3 Nr 4 c HaVO für die Berechnung des Leistungszuschlages nach § 59 RKG iVm § 11 Abs 2 Satz 1 Buchst a bzw b KnVNG reichen seine tatsächlichen Feststellungen nicht aus. Nach diesen Vorschriften werden bei Versicherungsfällen nach dem 31. Dezember 1968 als ständige Arbeiten unter Tage Hauerarbeiten und ihnen gleichgestellte Arbeiten vor dem 1. Januar 1968 voll berücksichtigt, die übrigen Arbeiten unter Tage jedoch nur mit der Maßgabe, daß je 3 volle Kalendermonate solcher Arbeiten als 2 Monate ständige Arbeit unter Tage gewertet werden. Nach § 3 Nr 4 c HaVO verrichtet den Hauerarbeiten unter Tage (vgl § 1 HaVO) gleichgestellte Arbeiten, wer (ua) als Zimmerer Reparaturarbeiten oder sonstige Instandsetzungsarbeiten im Abbau, im Strebvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung ausführt und einen Lohn erhält, der mindestens dem höchsten tariflichen Schichtlohn entspricht.
Die sich auch hier stellende Frage, ob diese Definition anhand der tariflichen Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland auszufüllen ist, wie die Revision meint, oder aufgrund der Verhältnisse im Herkunftsland, ist im vorliegenden Zusammenhang ebenso zu beantworten wie (unter ≪1≫) für die Einstufung in die Leistungsgruppen nach Anlage 1 zu § 22 FRG: Für den Leistungszuschlag nach § 59 RKG iVm § 3 Nr 4 c HaVO ist nicht erforderlich, daß der Versicherte im Vertreibungsgebiet einen Lohn erhalten hat, der mindestens dem höchsten tariflichen Schichtlohn entspricht, sondern, daß tariflich eine entsprechende Entlohnung für diese Tätigkeit, hätte er sie im Bundesgebiet verrichtet, vorgesehen war. Zwar ist, wie vom Senat bereits im Urteil vom 14. Februar 1991 (SozR 3 – 2960 § 59 Nr 1) herausgearbeitet, in den §§ 14 ff FRG eine eigenständige Regelung über die Berechnung des Leistungszuschlages zum Knappschaftsruhegeld nicht enthalten, so daß nach § 14 FRG die allgemeine Norm des § 59 RKG gilt. Dennoch muß – in Klarstellung zum Urteil vom 14. Februar 1991 (aaO) – für den Kläger der Eingliederungsgedanke des FRG auch bei der Anwendung dieser Vorschriften Beachtung finden. Denn andernfalls wäre – ebenso wie im Zusammenhang mit den Leistungsgruppen nach der Anlage 1 zu § 22 FRG oben unter (1) bereits erörtert – nicht auszuschließen, daß Vertriebene nur deshalb nicht in den Genuß des Leistungszuschlages kommen könnten, weil auf sie die in der HaVO verwendeten und auf den Verhältnissen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beruhenden Kategorien nicht zutreffen.
Auf dieser Grundlage aber genügen auch hier die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht, um die Streitsache endgültig entscheiden zu können.
Dies gilt schon deshalb, weil das LSG übersehen hat, daß § 3 Nr 4c HaVO neben der Verrichtung bestimmter (ua Zimmerer-)Tätigkeiten (kumulativ) voraussetzt, daß der Versicherte einen Lohn erhielt, der mindestens dem höchsten tariflichen Schichtlohn entspricht (hierzu BSG vom 25. September 1962, BSGE 18, 31 = SozR Nr 1 zu § 3 HaVO); diese Voraussetzung hat das LSG ungeprüft gelassen. Auch für die Feststellung der Voraussetzungen der vollen Leistungszulage wird das LSG daher zu ermitteln haben, welche konkreten Tätigkeiten der Kläger im streitigen Zeitraum im polnischen Steinkohlenbergbau verrichtet hat. Diese sind dann – ebenso wie zu (1) näher erläutert – in das zu jener Zeit geltende Tarifgefüge des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus einzuordnen; hieraus erschließt sich dann die Einstufung innerhalb der HaVO.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen