Orientierungssatz
Die eigene Beweiswürdigung als richtig und die des LSG als unrichtig zu bezeichnen, reicht nicht aus, die Voraussetzungen der "zulässigen und begründeten Revisionsgründe" iS des § 163 SGG darzutun.
Normenkette
SGG § 163
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 02.05.1988; Aktenzeichen L 2/1 J 985/86) |
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 26.05.1986; Aktenzeichen 9 J 312/84) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Es ist insbesondere streitig, ob die Klägerin die dafür erforderliche Wartezeit erfüllt hat.
Die am 4. Februar 1925 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Vom 1. Mai 1939 bis 31. Dezember 1940 und vom 1. Februar bis 31. März 1941 war sie krankenversichert entsprechend Lohnstufe 2 aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Haushalt. Nach dem Ende dieses Beschäftigungsverhältnisses besuchte sie für ein halbes Jahr eine private Handelsschule in Wiesbaden und arbeitete anschließend vom 10. Oktober 1941 bis 31. Mai 1944 als kaufmännische Angestellte, vom 12. September 1949 bis 17. Februar 1950 und vom 14. Juli 1950 bis 5. Januar 1951 als Arbeiterin. Danach ging sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Die von der Klägerin nachgewiesenen Beschäftigungen ab Oktober 1941 ergeben eine Versicherungszeit von lediglich 45 Kalendermonaten. Ob auch während der Zeit ihrer ersten Beschäftigung in einem Haushalt von 1939 bis 1941 Beiträge entrichtet wurden, ist unter den Beteiligten streitig. Mit Bescheid vom 18. Januar 1988 hat die Beklagte zugunsten der Klägerin 48 Monate Kindererziehungszeit anerkannt. Im Juni 1984 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 5. Oktober 1984; Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1984).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1984 zu gewähren (Urteil vom 26. Mai 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Mai 1988). Es hat im wesentlichen ausgeführt:
Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin seit Rentenantragstellung (Juni 1984) erwerbsunfähig sei, wie das SG angenommen habe. Denn die Klägerin habe weder zu dieser Zeit noch bei einem späteren Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt gehabt. Sie habe bis 1951 eine Versicherungszeit von lediglich 45 Kalendermonaten gehabt. Für die Zeiten vom 1. Mai 1939 bis 31. Dezember 1940 sowie vom 1. Februar 1941 bis 31. März 1941, während denen die Klägerin im Haushalt beschäftigt gewesen sei, sei eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Auch die der Klägerin anerkannten 48 Kalendermonate Kindererziehungszeit seien nicht geeignet, zugunsten der Klägerin die nach dem Gesetz erforderliche Wartezeit zu erfüllen. Kindererziehungszeiten würden erst bei Versicherungsfällen nach dem 30. Dezember 1985 berücksichtigt. Unterstellt, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei bei der Klägerin nach diesem Zeitpunkt eingetreten, so habe die Klägerin zwar die Wartezeit von 60 Kalendermonaten zu dieser Zeit gehabt, jedoch hätten dann die Voraussetzungen des inzwischen eingefügten § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorgelegen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 1 und 10 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO). Das LSG habe die ermittelten Tatsachen und die Beweise nicht richtig gewürdigt. Verletzt sei auch Art 2 § 6 Abs 2 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG). Sinn der Anrechnung von Kindererziehungszeiten sei es gerade, den Frauen rückwirkend die fehlenden Zeiten mit Hilfe der Kindererziehungszeiten aufzufüllen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. Mai 1986 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Wie das LSG richtig ausgeführt hat, fehlt der Klägerin die erforderliche Wartezeit für die begehrte Erwerbsunfähigkeitsrente (§ 1247 Abs 3 RVO). Ohne die Zeit der Beschäftigung in einem Haushalt hatte die Klägerin nur 45 Monate Versicherungszeit, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat. Für die Zeit im Haushalt von 1939 bis 1941 hat das LSG es als weder erwiesen noch als glaubhaft gemacht angesehen, daß für die Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden. Da die Klägerin für diese Tatsache die objektive Beweislast trägt, geht die Unerwiesenheit dieser Tatsache zu ihren Lasten. An die Tatsachenwürdigung des LSG ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden. Das gilt nur dann nicht, wenn "in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe" vorgebracht sind (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Solche zulässigen und begründeten Revisionsgründe sind nur dann vorgebracht, wenn dargetan wird, daß die Feststellungen aufgrund von Rechtsverletzungen zustande gekommen sind, insbesondere unter Verletzung von Verfahrensvorschriften. Solche Rechtsverletzungen sind von der Klägerin nicht dargelegt. Sie hat zwar vorgetragen, das LSG habe die §§ 1 und 10 der VuVO vom 3. März 1960 - BGBl I 137 - unrichtig angewandt. Das wäre aber iS des § 163 SGG etwa dann der Fall, wenn das LSG den Begriff des "Bewiesen-seins" oder der Glaubhaftmachung verkannt hätte. Inwiefern das der Fall sein soll, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es ist auch nicht erkennbar. Eine andere - nämlich die eigene , Beweiswürdigung als richtig und die des LSG als unrichtig zu bezeichnen, reicht nicht aus, die Voraussetzungen der "zulässigen und begründeten Revisionsgründe" iS des § 163 SGG darzutun. Das Revisionsgericht muß deshalb mit dem LSG davon ausgehen, daß die Klägerin von 1939 bis Dezember 1941 keine Versicherungszeiten erworben hat.
Bei Eintritt des vom SG angenommenen und von der Klägerin geltend gemachten Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit im Juni 1984 fehlt es deshalb für eine Rentengewährung an der erforderlichen Wartezeit (Zurücklegung einer Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten, § 1247 Abs 3 Buchst a RVO).
Die von der Beklagten mit Bescheid vom 18. Januar 1988 anerkannten 48 Kalendermonate der Kindererziehung werden gemäß § 1251a Abs 1 RVO iVm Art 2 § 5c ArVNG für die Erfüllung der Wartezeit nur bei Versicherungsfällen nach dem 30. Dezember 1985 berücksichtigt. Daß der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit erst nach diesem Stichtag eingetreten ist, wird mit der Revision nicht vorgetragen. Dafür besteht auch kein Anhalt. Es kann daher offenbleiben, ob anderenfalls unter Berücksichtigung der Entscheidung des erkennenden Senats vom 22. November 1988 - 5/4a RJ 79/87 - die dann zu prüfenden weiteren Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG vorgelegen hätten. Bei dieser Sach- und Rechtslage sind die von der Beklagten anerkannten Kindererziehungszeiten nur geeignet, die Wartezeit für den bei der - am 4. Februar 1925 geborenen - Klägerin noch nicht eingetretenen Versicherungsfall wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu erfüllen (§ 1248 Abs 5, Abs 7 Satz 3 RVO iVm Art 2 § 5c ArVNG).
Nach alledem mußte der Revision der Erfolg versagt bleiben; sie war zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen