Leitsatz (amtlich)

Ist die Anerkennung eines Leidens in einem nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Bescheid ausgesprochen und später gemäß BVG § 85 in einen Umanerkennungsbescheid übernommen worden, so kann mit Aufhebung des früheren Bescheides gemäß KOV-VfG § 41 auch der Umanerkennungsbescheid nach dieser Vorschrift aufgehoben werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rücknahme eines Bescheides nach KOV-VfG § 41 wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des KOV-VfG am 1955-04-01 (Vergleiche BSG 1960-08-26 11 RV 732/58 = SozR Nr 9 zu § 41 VerwVG). Das bedeutet aber nicht, daß die Versorgungsbehörde nur Bescheide zurücknehmen kann, die nach dem 1955-04-01 ergangen sind. Sie kann vielmehr auch vor diesem Zeitpunkt ergangene Bescheide (hier: vom Oktober 1949 und Januar 1955) durch einen nach dem 1955-04-01 ergangenen Berichtigungsbescheid zurücknehmen. Die Rücknahme hat allerdings nur Wirkung vom 1955-04-01 an.

 

Normenkette

KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02; BVG § 85 Fassung: 1950-02-20

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Im April 1949 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung einer Kriegsbeschädigtenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 wegen "Beschädigung des Rückgrats", die er sich beim Stellungsbau als Artillerist am 10. Mai 1940 zugezogen habe. Der Chefarzt Dr. Sch vom Evangelischen Krankenhaus L stellte in seinem Gutachten vom 24. August 1949 eine Fixierung der Wirbelsäule und einen streng lokalisierten Klopfschmerz fest, dem wohl eine organische Veränderung zugrunde liege. Es bleibe der Verdacht, daß es sich um eine Nucleus-pulposus-Hernie zwischen dem fünften Lendenwirbel und dem ersten Kreuzbeinwirbel handle; ein Gelenkrheumatismus mit beginnendem Bechterew sei äußerst unwahrscheinlich. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v. H. Durch Bescheid vom 15. Oktober 1949 erkannte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen "Zustand nach Lungendurchschuß und Verletzung der Lendenwirbelsäule" als Gesundheitsschädigungen nach der SVD Nr. 27 an und gewährte dem Kläger vom 1. Mai bis 31. Juli 1949 Rente nach einer MdE um 60 v. H. und ab 1. August 1949 nach einer MdE um 40 v. H.

Im Januar 1950 stellte der Kläger Antrag auf Erhöhung seiner Versorgungsbezüge, weil sich der Zustand nach Verletzung der Lendenwirbelsäule verschlimmert habe. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung am 15. Mai 1950 fiel dem Gutachter eine erhebliche Aggravation der Beschwerden durch den Kläger auf, der nach Ablenkung seine Wirbelsäule völlig frei bewegen könne. Irgendwelche Anzeichen von Schmerzhaftigkeit seien nicht feststellbar. Der Lungendurchschuß sei folgenlos ausgeheilt und eine Veränderung an der Wirbelsäule könne nicht mehr festgestellt werden. Daraufhin erging der Rentenentziehungsbescheid vom 7. Februar 1951, in dem lediglich noch folgenlos ausgeheilter Lungendurchschuß anerkannt wurde.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Das Versorgungsamt (VersorgA) ließ den Kläger zunächst durch den Facharzt für innere Krankheiten Dr. G untersuchen. In seinem Gutachten vom 26. Februar 1953 führte dieser Arzt zu den Rückenbeschwerden des Klägers aus, daß sie auf eine Spondylolysthesis des fünften Lendenwirbelkörpers zurückzuführen seien. Anhaltspunkte für einen Bruch im Bereich der Lendenwirbelsäule oder eine entzündliche und rheumatische Erkrankung seien nicht nachzuweisen, auch sei die Blutsenkungsgeschwindigkeit völlig normal. Das Leiden sei anlagebedingt, so daß eine Schädigung im Sinne der Entstehung nicht anzunehmen sei. Auch eine Schädigung im Sinne der Verschlimmerung sei nicht wahrscheinlich, da die Vorgeschichte keine Hinweise auf ein schweres Trauma ergebe. Das Einschlagen eines Rammpfahles mit dem Vorschlaghammer beim Stellungsbau im Mai 1940 könne nicht als ein Ereignis gewertet werden, das sich verschlimmernd auf das Leiden ausgewirkt habe. Eine meßbare MdE durch Kriegsbeschädigung sei daher nicht anzunehmen. Eine Röntgenuntersuchung vom 26. Oktober 1954 ergab eine ausgesprochene Osteochondrose der unteren Lendenbandscheiben; als Folge der Bandscheibendegeneration sei ein sogenanntes dorsales Wirbelgleiten entstanden (Pseudo-Spondylolysthesis). Ferner seien dazu gehörende spondylotische Veränderungen und eine leichte Arthrosis deformans der Kreuzdarmbeinfugen vorhanden. Auf Grund dieser ärztlichen Unterlagen verfügte das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Nordrhein auf den Einspruch bzw. Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 7. Februar 1951 die Erteilung eines Abhilfebescheides, der am 28. Januar 1955 erging. Das VersorgA Duisburg führte in diesem Bescheid aus, daß nach § 85 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) als Schädigungsfolgen "Narben des Brustkorbs nach Brustdurchschuß und Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers" bei einer MdE um 40 v. H. ab 1. Oktober 1950 anzuerkennen sei.

Am 2. Januar 1956 nahm Dr. S vom VersorgA D zu der Frage der Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) Stellung. Er führte aus, daß es sich nach den gesamten vorliegenden Befunden bei dem Kläger um ein dorsales Wirbelgleiten des vierten Lendenwirbelkörpers mit der darüber liegenden Wirbelsäule gegen den fünften Lendenwirbelkörper und das Kreuzbein handle. Gleichzeitig bestehe eine ausgesprochene Osteochondrose der unteren Lendenwirbelbandscheiben. Die Diagnose sei somit klar und die Beschwerden geklärt. Die Anerkennung dieses Leidens sei mit Sicherheit unrichtig, weil es eindeutig anlagebedingt sei. Auf das angebliche Trauma (Einrammen eines Pfahles mit einem Vorschlaghammer) brauche ärztlicherseits nicht eingegangen zu werden, da diese Tätigkeit mit Sicherheit keinen Einfluß auf den schicksalsmäßigen Ablauf dieses Erkrankung gehabt habe und im übrigen auch nicht erwiesen sei. Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach § 41 VerwVG seien ärztlicherseits gegeben. Daraufhin erteilte das VersorgA D mit Zustimmung des LVersorgA Nordrhein den Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958. Es führte zur Begründung dieses Bescheides aus, daß nach den eingeholten ärztlichen Gutachten die in dem Bescheid vom 15. Oktober 1949 anerkannte Verletzung der Lendenwirbelsäule und das im Bescheid vom 28. Januar 1955 anerkannte Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers weder durch den geleisteten Wehrdienst hervorgerufen noch verschlimmert worden sind. Die tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit dieser Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses stehe außer Zweifel. Bei dem Leiden des Klägers handle es sich um ein dorsales Wirbelgleiten des vierten Lendenwirbelkörpers mit der darüber liegenden Wirbelsäule gegen den fünften Lendenwirbelkörper und das Kreuzbein. Die Verlagerung oberer Abschnitte der Lendenwirbelsäule gegen die unteren komme häufig vor, und zwar vorwiegend bei Degeneration der Bandscheiben. Dies sei die Ursache der Erkrankung, die nicht Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG sei. Die Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 seien daher wegen tatsächlicher und rechtlicher Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses aufzuheben; als Schädigungsfolge bleibe lediglich "Narben des Brustkorbs nach Brustdurchschuß" bei einer MdE unter 25 v. H. anerkannt. Eine Rente stehe dem Kläger somit nicht zu; die bisher gezahlte Rente werde mit Ablauf des Monats Februar 1958 eingestellt. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des LVersorgA vom 6. Juni 1958).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) ein Gutachten des Privatdozenten Dr. H vom 28. Oktober 1959 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, es handle sich bei den Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers um Zeichen natürlicher und unvermeidbar auftretender Abnutzungs- und Verschleißvorgänge, deren Beginn etwa im dritten Lebensjahrzehnt liege. Wenn es im Mai 1940 tatsächlich zu einem unfallartigen Geschehen im Bereich des Rückens gekommen sein sollte, so habe dieser Vorgang zweifelsfrei eine bereits vorgeschädigte Wirbelsäule betroffen. Wenn man mit diesem Ereignis irgendwie einen Zusammenhang herstellen wolle, so sei dies nur durch die Annahme einer vorübergehenden Verschlimmerung möglich, die nach längstens drei Jahren als abgeklungen angesehen werden müsse. Im übrigen sei es höchst zweifelhaft, ob das Ereignis im Mai 1940 überhaupt einen unfallartigen Charakter gehabt habe. Vom ärztlichen Standpunkt aus sei es im Zeitpunkt der Erteilung der Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 ohne Zweifel unrichtig gewesen, eine Verletzung der Lendenwirbelsäule bzw. ein Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers als Schädigungsfolge anzuerkennen. Das SG Duisburg hat sich diesem Gutachten angeschlossen und die Klage abgewiesen.

Durch Urteil vom 26. Juli 1962 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat den Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 nach § 41 VerwVG als rechtmäßig angesehen. Der Bescheid der LVA Westfalen vom 15. Oktober 1949 sei, wie sich vor allem aus dem Gutachten des Dr. G und des Privatdozenten Dr. H sowie aus dem Röntgenbefund vom 26. Oktober 1954 und der Stellungnahme des Dr. Sp ergebe, im Zeitpunkt seiner Erteilung in tatsächlicher Hinsicht außer Zweifel unrichtig gewesen, da damals an der Lendenwirbelsäule keine Erkrankung oder Verletzung vorgelegen habe, die als Wehrdienstleiden anzusehen sei. Es handle sich vielmehr nach den Gutachten der angeführten Sachverständigen um ein typisch anlagebedingtes Leiden, bei dem auch nicht die entfernte Möglichkeit bestehe, es auf das vom Kläger angeschuldigte Ereignis im Mai 1940 zurückzuführen. Von diesen in medizinischer Hinsicht falschen tatsachlichen Voraussetzungen ausgehend, sei dann im Bescheid vom 15. Oktober 1949 auch das Gesetz unrichtig angewendet worden. Die gleichen außer Zweifel stehenden tatsächlichen und rechtlichen Unrichtigkeiten enthalte auch der als Abhilfebescheid gemäß § 85 BVG erteilte Bescheid vom 28. Januar 1955. Dieser Bescheid sei auch, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht deswegen rechtmäßig, weil durch ihn die Aufhebung des im Einspruchs- bzw. Widerspruchsverfahren angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 1951 bewirkt wurde. Die Versorgungsbehörde habe im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 28. Januar 1955 gar nicht anders verfahren können, als dem mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Widerspruch gewordenen Einspruch des Klägers gemäß § 85 BVG abzuhelfen. Gerade wegen dieser gesetzlichen Bindung der Versorgungsbehörde an den rechtswidrigen Bescheid vom 15. Oktober 1949 sei auch der Bescheid vom 28. Januar 1955 seinem Inhalt nach nicht rechtmäßig; denn die Versorgungsverwaltung sei an die Rechtsverbindlichkeit dieses Bescheides nach Inkrafttreten des VerwVG gemäß § 41 VerwVG nicht mehr gebunden gewesen. Der Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 sei nach Inkrafttreten des VerwVG ergangen, ohne daß es insoweit darauf ankomme, daß der zu berichtigende Bescheid in der Zeit vom 1. Januar 1953 bis 31. März 1955 erlassen worden sei. Eine Berichtigung des rechtsverbindlichen Bescheides vom 28. Januar 1955 sei schließlich auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil dieser Bescheid als Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren gemäß § 85 BVG ergangen ist und damit etwa nicht als "rechtlich unrichtig" im Sinne des § 41 VerwVG angesprochen werden könnte. Das Bundessozialgericht (BSG) habe die Zulässigkeit der Berichtigung eines Verwaltungsakts nach dieser Vorschrift nur dann verneint, wenn der den Versorgungsberechtigten begünstigende Bescheid, der nach § 41 VerwVG aufgehoben oder geändert werden soll, in Ausführung eines rechtskräftigen Urteils des SG erteilt worden ist, weil dann die Versorgungsbehörde nicht ihren eigenen Bescheid, sondern das Urteil des SG berichtigen würde, was nicht zulässig sei. Im vorliegenden Falle handle es sich jedoch bei dem Bescheid vom 28. Januar 1955 nicht um einen in Ausführung eines sozialgerichtlichen Urteils erteilten Bescheid, sondern um einen selbständigen Bescheid der Versorgungsverwaltung.

Gegen dieses ihm am 7. September 1962 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1962, eingegangen beim BSG am 2. Oktober 1962, Revision eingelegt und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des SG Duisburg vom 5. April 1960 den Bescheid des VersorgA D vom 28. Januar 1958 und den Widerspruchsbescheid des LVersorgA Nordrhein vom 6. Juni 1958 aufzuheben,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil samt den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1962, eingegangen beim BSG am 1. November 1962, hat der Kläger die Revision begründet.

Er rügt eine Verletzung des § 41 Abs. 1 Satz 1 VerwVG mit der Begründung, daß Bescheide nach dieser Vorschrift nur abgeändert werden dürften, wenn sowohl ihre tatsächliche als auch ihre rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel stehe. Selbst wenn im vorliegenden Falle die tatsächliche Unrichtigkeit des Bescheides vom 28. Januar 1958 feststünde, fehle es an der Voraussetzung der rechtlichen Unrichtigkeit, da das VersorgA nach der Rechtslage, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 28. Januar 1955 bestand, diesen Bescheid erlassen mußte, weil es nach § 85 BVG verpflichtet war, den ursächlichen Zusammenhang der mit Bescheid vom 15. Oktober 1949 anerkannten Gesundheitsstörungen des Klägers mit Kriegseinwirkungen auch nach dem BVG anzuerkennen. Damit sei der Bescheid vom 28. Januar 1958 im Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtlich unrichtig gewesen. Im übrigen wird auf den Inhalt der Revisionsbegründung vom 31. Oktober 1962 Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet.

Der Beklagte hat die Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 durch den angefochtenen Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 nach § 41 VerwVG insoweit zurückgenommen, als in ihnen eine Verletzung der Lendenwirbelsäule bzw. ein Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers als Folge einer Schädigung im Sinne der SVD Nr. 27 und des § 1 BVG anerkannt ist. Nach § 41 VerwVG können Bescheide über Rechtsansprüche zuungunsten des Versorgungsberechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde durch einen neuen Bescheid nur geändert oder aufgehoben werden, wenn ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel steht. Das BSG hat hierzu ausgesprochen (BSG 8, 198), daß die Rücknahme eines Bescheides nach dieser Vorschrift sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Unrichtigkeit des abgeänderten oder aufgehobenen Bescheides voraussetzt. Von dieser Rechtsauffassung ist auch das LSG ausgegangen. Allerdings kann die Versorgungsbehörde einen Bescheid nach § 41 VerwVG nur für die Zeit nach dem 1. April 1955 zurücknehmen, da das VerwVG erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist. Die Rücknahme eines Bescheides nach dieser Vorschrift wirkt somit grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Bl. Ca 3 Nr. 9). Das bedeutet aber nicht, daß die Versorgungsbehörde nur Bescheide zurücknehmen kann, die nach dem 1. April 1955 ergangen sind. Sie kann vielmehr auch vor diesem Zeitpunkt ergangene Bescheide - wie im vorliegenden Falle - durch einen nach dem Inkrafttreten des § 41 VerwVG ergangenen Berichtigungsbescheid zurücknehmen; die Rücknahme hat jedoch nur Wirkung von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG am 1. April 1955 an. Die Versorgungsbehörde, die dieser Rechtslage Rechnung getragen und Wirkungen erst vom Ablauf des Monats Februar 1958 an ausgesprochen hat, konnte somit die Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift - tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses - vorlagen.

Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil im Anschluß an die Gutachten des Dr. G und des Privatdozenten Dr. H sowie unter Berücksichtigung des Röntgenbefundes vom 26. Oktober 1954 und der Stellungnahme des Dr. Sp vom 2. Januar 1956 festgestellt, daß die Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 in tatsächlicher Hinsicht außer Zweifel unrichtig gewesen sind, da im Zeitpunkt ihres Erlasses an der Lendenwirbelsäule des Klägers keine Erkrankung oder Verletzung vorgelegen hat, die als Schädigungsfolge im Sinne der SVD Nr. 27 oder des BVG anzusehen ist. Es hat den insoweit übereinstimmenden Gutachten der angeführten Sachverständigen entnommen, daß es sich bei dem Kläger um ein typisch anlagebedingtes Leiden handelt, bei dem auch nicht die entfernte Möglichkeit besteht, es auf das von diesem angeführte Ereignis im Mai 1940 (Einrammen eines Pfahles mit einem Vorschlaghammer) zurückzuführen. Diese tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger in der Revisionsbegründung vom 31. Oktober 1962 nicht mit Verfahrensrügen angegriffen; sie sind daher nach § 163 SGG für das BSG bindend. Damit steht fest, daß die Bescheide vom 15. Oktober 1949 und 28. Januar 1955 im Zeitpunkt ihres Erlasses in tatsächlicher Hinsicht unrichtig gewesen sind. Daß der Bescheid vom 15. Oktober 1949 auch rechtlich unrichtig gewesen ist, zieht offenbar der Kläger selbst in der Revisionsbegründung nicht in Zweifel. Weil der Beklagte bei Erlaß des Bescheides vom 15. Oktober 1949 von falschen tatsächlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Anerkennung der Gesundheitsstörung "Verletzung der Lendenwirbelsäule" ausgegangen ist, wurde aus diesem Grunde auch das Gesetz (SVD Nr. 27) unrichtig angewandt, nämlich zu Unrecht dieses Leiden als Folge einer Kriegsbeschädigung im Sinne der SVD anerkannt und dem Kläger Rente gewährt (vgl. hierzu auch BSG 10, 72, 75). Das LSG hat somit auf Grund des von ihm-für das BSG bindend - festgestellten Sachverhalts mit Recht ausgesprochen, daß der Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 insoweit rechtmäßig ist, als darin ausgeführt ist, bereits zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 15. Oktober 1949 sei außer Zweifel die darin ausgesprochene Anerkennung einer Verletzung der Lendenwirbelsäule als Schädigungsfolge tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen. Die Rücknahme dieses Bescheides, die auch nur mit Wirkung für eine Zeit vorgenommen worden ist, die nach dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 liegt, ist daher nach § 41 VerwVG zu Recht erfolgt.

Wie bereits oben ausgeführt, steht nach den bindenden Feststellungen des LSG außer Zweifel, daß auch der Bescheid nach dem BVG vom 28. Januar 1955 in tatsächlicher Hinsicht im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen ist. Der Kläger ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG der Meinung, die Voraussetzung der rechtlichen Unrichtigkeit dieses Bescheides sei deshalb nicht gegeben, weil der Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses am 28. Januar 1955 nach § 85 BVG habe ergehen müssen und somit in rechtlicher Hinsicht nicht unrichtig gewesen sein könne. Der Kläger verkennt hierbei, daß die rechtliche Unrichtigkeit dieses Bescheides im Sinne des § 41 VerwVG darin liegt, daß die Versorgungsbehörde auf Grund falscher tatsächlicher Voraussetzungen den § 1 BVG unrichtig angewandt hat, weil es davon ausging, das "Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers" sei im Bescheid vom 15. Oktober 1949 rechtmäßig anerkannt worden, und sich infolgedessen gem. § 85 BVG an die in diesem Bescheid getroffene Entscheidung über den Zusammenhang der anerkannten Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gebunden hielt. Der § 85 Satz 1 BVG hat lediglich die rechtliche Bedeutung, daß eine Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang auch für die entsprechende Entscheidung nach dem BVG rechtsverbindlich ist. Diese Vorschrift betrifft somit nur die nach dem BVG zu erteilende Entscheidung und bestimmt, wie der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG zu beurteilen ist, wenn über diese Frage bereits nach bisherigem Versorgungsrecht entschieden worden ist. Diese Vorschrift beeinflußt aber nicht die Wirksamkeit anderer gesetzlicher Vorschriften, durch die eine nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung zurückgenommen werden kann. Dadurch, daß der Bescheid vom 15. Oktober 1949 nach § 41 VerwVG - wie oben dargelegt - zurückgenommen wurde, entfällt auch dessen Wirkung gem. § 85 Satz 1 BVG, ohne daß es hierbei von rechtlicher Bedeutung ist, daß die Entscheidung nach bisherigem Versorgungsrecht - hier der Bescheid vom 15. Oktober 1949 - erst nach Erlaß des Bescheides nach dem BVG vom 28. Januar 1955 durch den Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 insoweit zurückgenommen worden ist, als "Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers" als Schädigungsfolge nach dem BVG anerkannt worden war. Wie das BSG bereits in seinem Urteil vom 19. September 1958 - 9 RV 168/55 - (BVBl 1959, 46) ausgeführt hat, verleiht § 85 BVG dem Beschädigten nicht größere Rechte, als er nach bisherigem Versorgungsrecht besaß. Obwohl der Bescheid vom 28. Januar 1955, in dem in Anwendung des § 85 BVG "Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers" anerkannt worden war, bindend geworden ist, konnte er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 VerwVG zurückgenommen werden. Da die Wirkung des § 85 BVG durch die zu Recht erfolgte Rücknahme des Bescheides vom 15. Oktober 1949 beseitigt wurde, ist vom Zeitpunkt der Aufhebung des letzteren Bescheides auch der Bescheid vom 28. Januar 1955 in rechtlicher Hinsicht unrichtig geworden. Die Wirkung, die § 85 Satz 1 BVG hinsichtlich der Frage des ursächlichen Zusammenhangs Bescheiden nach bisherigem Versorgungsrecht beilegt, kann nicht stärker sein als die Wirkung des nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Bescheides selbst, der wegen tatsächlicher und rechtlicher Unrichtigkeit zutreffend gem. § 41 VerwVG durch den Bescheid vom 28. Januar 1958 zurückgenommen worden ist. Die Anwendung des § 41 VerwVG ist somit nicht bei solchen Bescheiden ausgeschlossen, in denen eine vorhandene Gesundheitsstörung gem. § 85 BVG weiterhin als Schädigungsfolge im Sinne des BVG anerkannt ist, wenn - wie im vorliegenden Falle - der nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Bescheid mit Recht aufgehoben worden ist. Somit ist die Rücknahme des Bescheides vom 28. Januar 1955, soweit darin "Gleiten des fünften Lendenwirbelkörpers" als Schädigungsfolge anerkannt worden ist, durch den Berichtigungsbescheid vom 28. Januar 1958 mit Wirkung für die Zukunft nicht zu beanstanden. Die Revision des Klägers mußte daher als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2379944

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