Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kassenverband darf durch Satzung nicht solche Aufgaben übernehmen, die von einem Landesverband oder dem Bundesverband derselben Kassenart wahrgenommen werden müssen oder können.
2. Die Aufsichtsbehörde ist gegenüber einem der Aufsicht unterliegenden Träger der Selbstverwaltung zu kooperativem Verhalten verpflichtet.
Normenkette
RVO § 406 Abs 1 Fassung: 1924-12-15, § 407 Abs 1 Fassung: 1930-07-26; SGB 4 § 89 Abs 1 S 1 Fassung: 1976-12-23
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung des beklagten Landes zur Genehmigung einer Neufassung der Satzung der klagenden Arbeitsgemeinschaft.
Die Klägerin ist ein in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK'n) im früheren Regierungsbezirk Pfalz gebildeter Kassenverband iS des § 406 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die ihm angeschlossenen AOK'n gehören dem beigeladenen Landesverband an. Dessen Bereich umfaßt das Gebiet der früheren französischen Besatzungszone (Land Rheinland-Pfalz und frühere Länder Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern).
Am 18. Mai 1983 beschloß die Vertreterversammlung der Klägerin eine Neufassung der Satzung, welche zum 1. Januar 1984 in Kraft treten sollte. In dieser Neufassung lautete § 2 der Satzung wie folgt:
"(1) Der Verband hat die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten und die Mitglieder in ihren Aufgaben zu unterstützen.
(2) Er hat folgende Aufgaben:
a) Information und Beratung der Verbandsmitglieder b) Förderung der Aufklärung der Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch c) Prüfung und Abrechnung des ärztlich und zahnärztlich verordneten Sprechstundenbedarfs sowie Prüfung von Arzneiverordnungen besonderer Art (Rezeptprüfstelle) d) Ausrichtung von Arbeitstagungen.
(3) Über die vorgenannten Aufgaben hinaus kann der Verband auftragsweise Aufgaben von Verbandsmitgliedern übernehmen, wenn dies zweckmäßig erscheint.
(4) Die Verbandsmitglieder unterstützen den Verband bei der Erfüllung seiner Aufgaben und stellen ihm die dazu benötigten Unterlagen zur Verfügung".
Mit Bescheid vom 27. August 1984 versagte der Beklagte der Neufassung der Satzung in ihrer Gesamtheit die Genehmigung, weil § 2 Abs 2 Ziffern a, b und d sowie Abs 3 mit dem in § 407 RVO erschöpfend beschriebenen Aufgabenkatalog eines Kassenverbandes nicht in Einklang zu bringen und § 2 Abs 3 der Satzung außerdem wegen fehlender Bestimmtheit nicht genehmigungsfähig seien. Die wegen der Versagung der Genehmigung erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Speyer ab (Urteil vom 21. Mai 1985). Hiergegen legte die Klägerin beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) Berufung ein.
Im Verlaufe des Berufungsverfahrens beschloß auf Anregung des Vorsitzenden des zuständigen Senats des LSG und unter Berücksichtigung der Erklärung des Beklagten (Schriftsatz vom 13. März 1986), daß er einer derartigen Neufassung seine Genehmigung erteilen würde, die Vertreterversammlung der Klägerin am 26.Mai 1986 folgende Neufassung des § 2 der Satzung:
"(1) ... (wie bisher) ...
(2) Er hat folgende Aufgaben:
a) Information und Beratung der Verbandsmitglieder, soweit nicht der Landesverband zuständig ist b) Förderung der Aufklärung der Bevölkerung durch die Verbandsmitglieder über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch c) ... (wie bisher) ... d) Ausrichtung von Arbeitstagungen, soweit nicht der Landesverband zuständig ist.
(3) Über die vorgenannten Aufgaben hinaus kann der Verband nach Maßgabe von § 88 SGB X auftragsweise Aufgaben für Verbandsmitglieder wahrnehmen.
(4) ... (wie bisher) ...".
Entgegen seiner Ankündigung versagte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 1986 auch dieser Neufassung der Satzung seine Genehmigung, weil zwar bei Betrachtung nur des Wortlauts des § 2 der Satzung eine von § 407 RVO nicht mehr gedeckte Kompetenzerweiterung in den Aufgabenbereich des Landesverbandes (§ 414e RVO) nicht mehr vorhanden sei, die Formulierung des § 2 Abs 2 Buchst a) bis d) der Satzung jedoch nicht dem aufgrund des Rechtsstaatlichkeitsgebotes zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatz bezüglich einer Abgrenzung zu den Befugnissen des Landesverbandes entspreche und zudem eine Überprüfung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erschwere.
Mit Urteil vom 23. Oktober 1986 hat das LSG das Urteil des SG Speyer vom 21. Mai 1985 abgeändert, die Bescheide vom 27. August 1984 und vom 15. August 1986 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, die Satzung der Klägerin in der Fassung vom 26. Mai 1986 zu genehmigen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Über die Genehmigung der Satzung idF vom 18. Mai 1983 und idF vom 26. Mai 1986 könne nur einheitlich entschieden werden. Es handele sich nicht um zwei unterschiedliche Satzungen. Vielmehr sei der Beschluß der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 lediglich eine authentische Interpretation ihres früheren Beschlusses vom 18. Mai 1983. Der Beklagte könne nur noch zur Genehmigung der am 26. Mai 1986 beschlossenen Neufassung der Satzung verurteilt werden. Für eine nachträgliche Genehmigung des früheren Wortlauts bestehe kein Bedürfnis mehr. Die Überprüfung des erneuten Versagungsbescheides vom 15. August 1986 im vorliegenden Berufungsverfahren sei zulässig. Dabei sei ohne Bedeutung, ob die Versagung der Genehmigung einen mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage anzufechtenden Verwaltungsakt darstelle oder ob eine bloße Mitwirkung des Beklagten bei einer autonomen Rechtssetzung der Klägerin anzunehmen sei. Im ersteren Falle sei § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zumindest entsprechend anzuwenden. Bei einer Aufsichtsklage dagegen liege, soweit sie auch die erneute Versagung angreife, eine sachdienliche Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG vor. In beiden Fällen sei die Überprüfung des erneuten Versagungsbescheides jedenfalls aus Gründen der Prozeßökonomie sinnvoll und geboten. Die Versagung der Genehmigung der Satzung mit der am 26. Mai 1986 beschlossenen Klarstellung sei rechtswidrig. Die Klägerin dürfe sämtliche in § 2 der Satzung genannten Aufgaben zumindest im Auftrag ihrer Mitgliedskassen übernehmen. Es sei fraglich, ob § 407 RVO eine erschöpfende und zugleich strenge Abgrenzung der Aufgaben freiwilliger Kassenverbände von denen der Landesverbände enthalte. Der Gesichtspunkt einer möglichst wirtschaftlichen Verwaltung könne es wünschenswert erscheinen lassen, daß ein Verband über den Rahmen des § 407 RVO hinausgehende Aufgaben zur Entlastung der Einzelhaushalte seiner Mitgliedskassen übernehme. Die Zulässigkeit solcher Übertragungen komme auch in § 88 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Zusammenarbeit der Leistungsträger ..., vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450; =SGB 10) zum Ausdruck. Sämtliche in § 2 Abs 2 Buchst a) bis d) der Satzung der Klägerin genannten Aufgaben, obgleich einige von ihnen auch zu den in § 414e RVO beispielhaft aufgezählten Aufgaben der Landesverbände gehörten, oblägen primär den Mitgliedskassen selbst. Ohne Bedenken dürften die einzelnen Kassen diese Aufgaben, wo sie es für zweckmäßig hielten, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung an einen gerade dazu von ihnen freiwillig gegründeten Verband übertragen. Die Genehmigungsbehörde dürfe nur die gesetzliche Zulässigkeit einer solchen Übertragung und nicht ihre Zweckmäßigkeit überprüfen. Der Beklagte habe selbst eingeräumt, daß seine ursprünglichen rechtlichen Bedenken durch die Neufassung der Satzung vom 26. Mai 1986 ausgeräumt worden seien. Die Regelungen des § 2 der Satzung der Klägerin idF vom 26. Mai 1986 seien auch hinreichend bestimmt und genügten den gesetzlichen Anforderungen. Die vom Beklagten befürchteten Auslegungs- und Koordinierungsschwierigkeiten würden nicht durch mangelnde Klarheit der Satzung der Klägerin, sondern allenfalls durch das Fehlen einer eindeutigen gesetzlichen Regelung der Zuständigkeit der Landesverbände und/oder durch personelle Schwierigkeiten verursacht. Letztere machten die Übertragung von Aufgaben an die Klägerin allenfalls unzweckmäßig.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Die gemeinsame Entscheidung über die Genehmigung der Satzung idF vom 18. Mai 1983 und idF vom 26. Mai 1986 habe gegen § 96 SGG verstoßen. Der Bescheid vom 15. August 1986 habe den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 27. August 1984 weder ersetzt noch geändert. Vielmehr liege sowohl aus zeitlichen als auch aus sachlichen Gründen mit dem neuen Genehmigungsverfahren ein anderer Streitgegenstand unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten vor. Ein bloßer Sachzusammenhang zwischen den beiden Versagungsbescheiden genüge den Anforderungen des § 96 Abs 1 SGG nicht. In sachlicher Hinsicht habe das LSG die Rechtslage zu § 407 RVO verkannt. In Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Literaturmeinung müsse § 407 RVO sowohl nach seinem Wortlaut als auch bei Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte als eine abschließende Regelung angesehen werden. Die seit den Beratungen des Entwurfs einer RVO verfolgte Grundkonzeption, daß alle im Dienste der Versicherung tätigen Körperschaften einen gesetzlich fest umschriebenen Kreis von Aufgaben zugewiesen erhalten hätten und die Übernahme weiterer Aufgaben nur durch den Gesetzgeber erfolgen könne, habe dieser bis heute beibehalten und zB bei der Einführung des § 30 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, vom 23. Dezember 1976 (BGBl I S 3845; = SGB 4) niedergelegt. Es sei inkonsequent, wenn einerseits bei den gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherungsträger der Gesetzesvorbehalt streng durchgreife, während er andererseits bei den Kassenverbänden einer erweiternden Auslegung zugänglich sein solle. Systematik sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen erforderten es auch heute noch, von einem abschließenden Aufgabenkatalog für Kassenverbände auszugehen. Eine Erweiterung des Aufgabenkatalogs nach § 407 RVO lasse sich auch nicht unter Hinweis auf § 88 SGB 10 herleiten, weil dieser voraussetze, daß der Aufgabenkatalog der Sozialversicherungsträger fest umrissen sei. Schließlich zeige auch die Einführung des § 414e Satz 2 Buchst h) RVO durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469), daß § 406 ff RVO keine "offenen Tatbestände" seien und der Gesetzgeber von einem abgeschlossenen Aufgabenkatalog des § 407 RVO ausgehe. Mit der Auffassung, daß der aufgezeigte Verstoß gegen die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit seine (des Beklagten) Aufsichtskompetenz überschreite, habe das LSG die Rechtslage hinsichtlich der § 69 Abs 2 und § 89 SGB 4 verkannt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß aus der begehrten Kompetenzerweiterung ein effektiverer Einsatz der finanziellen Mittel resultiere. Die Klägerin könne nicht verhindern, daß eine doppelte Aufgabenerfüllung stattfinde, die letztendlich von den Versicherten sowohl durch die Umlage an den Kassenverband als auch durch die Umlage an den Landesverband finanziert würde.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 1986 aufzuheben, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21. Mai 1985 zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheides vom 15. August 1986 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe den erneuten Versagungsbescheid vom 15. August 1986 unmittelbar überprüfen dürfen und die Rechtslage zu § 407 RVO nicht verkannt. Die Vorschrift enthalte nicht eine erschöpfende und umfassende Abgrenzung der Aufgaben freiwilliger Kassenverbände und wolle jedenfalls nicht eine optimale Betreuung der Versicherten und eine fundierte Beratung der Arbeitgeber verhindern. Die beanstandeten Satzungsregelungen seien hinreichend bestimmt und müßten keinesfalls unter Verstoß gegen die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung und der sparsamen Verwendung des Beitragsaufkommens eine Überlastung des bestehenden Personalbestandes mit sich bringen.
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten ist zulässig und insoweit im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz begründet, als das LSG den Beklagten verurteilt hat, die Satzung der Klägerin in der Fassung vom 26. Mai 1986 zu genehmigen. Soweit hingegen das Berufungsgericht unter Abänderung des Urteils des SG die Bescheide des Beklagten vom 27. August 1984 und vom 15. August 1986 aufgehoben hat, ist die Revision unbegründet.
Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Das LSG hat zutreffend auch über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15. August 1986 entschieden. Dieser ist gemäß § 96 Abs 1 SGG kraft Klage (vgl hierzu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des erkennenden Senats vom 15. Oktober 1987 - 1 RA 57/85 - mit eingehenden Nachweisen) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
Wird nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 96 Abs 1 SGG). Das gilt für das Verfahren vor dem LSG entsprechend (§ 153 Abs 1 SGG). Ob ein neuer Verwaltungsakt den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, ist durch einen Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Regelungen (der "ergangenen Verfügungssätze") festzustellen (BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 20; BSG SozR aaO Nr 27 S 35). Der neue Verwaltungsakt muß den bisherigen Streitgegenstand, dh den vom Kläger ursprünglich erhobenen Anspruch betreffen (BSGE 5, 13, 16; BSG SozR Nr 22 zu § 96 SGG; BSGE 45, 49, 51 = 1500 § 96 Nr 6 S 12) und in Ansehung dieses Streitgegenstandes entweder den Betroffenen noch beschweren (BSGE 11, 146, 147; BSG SozR 1500 § 96 Nr 2), seine Beschwer vermindern oder vermehren (BSGE 5, 158, 162) oder die Beschwer bestätigen (BSG SozR 1500 § 171 Nr 3 S 6). Hingegen reicht ein bloßer Sachzusammenhang des ursprünglich angefochtenen mit dem neuen Verwaltungsakt jedenfalls für eine unmittelbare Anwendung des § 96 Abs 1 SGG nicht aus (BSGE 10, 103, 107; BSG SozR Nr 22 zu §96 SGG).
Die Bescheide des Beklagten vom 27. August 1984 und vom 15. August 1986 stehen nicht bloß in einem sachlichen Zusammenhang. Vielmehr hat letzterer Bescheid denjenigen vom 27. August 1984 insofern abgeändert, als nunmehr der Beklagten dem § 2 der Satzung der Klägerin auch in ihrer Neufassung durch den Beschluß der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 seine Genehmigung versagt hat, und im übrigen die durch den Bescheid vom 27. August 1984 begründete Beschwer dadurch bestätigt, daß auch den anderen und unverändert gebliebenen Vorschriften idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 18. Mai 1983 abermals die Genehmigung versagt worden ist. Jedenfalls letzteres hat eine Einbeziehung des Bescheides vom 15. August 1986 in das Berufungsverfahren in unmittelbarer Anwendung des § 96 Abs 1 SGG gerechtfertigt und geboten. Demgegenüber kann dem Beklagten nicht darin zugestimmt werden, daß aufgrund des neu beschlossenen § 2 der Satzung idF vom 26. Mai 1986 und des neuen Genehmigungsverfahrens unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten ein anderer Streitgegenstand vorliege. Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Genehmigung der am 18. Mai 1983 beschlossenen Neufassung der Satzung ist insoweit gleichermaßen von dem Bescheid vom 27. August 1984 wie von demjenigen vom 15. August 1986 betroffen worden, als in beiden Bescheiden der Beklagte auch eine Genehmigung der §§ 1 und 3 bis 20 der Satzungsneufassung abgelehnt hat. Zumindest in diesem Umfang besteht eine absolute Identität der Streitgegenstände.
Das LSG hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 27. August 1984 und 15. August 1986 zu Recht aufgehoben. Sie sind rechtswidrig. Zwar ist § 2 der Satzung in den Fassungen sowohl vom 18. Mai 1983 als auch vom 26. Mai 1986 partiell nicht genehmigungsfähig. Der Beklagte hat jedoch nicht wie geschehen der gesamten Neufassung der Satzung seine Genehmigung versagen dürfen.
Der neugefaßte § 2 der Satzung der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Vorschriften (§ 408 Abs 1 Satz 3 iVm § 324 Abs 2 RVO). Er widerspricht dem § 407 iVm § 414e RVO.
Nach § 406 Abs 1 RVO können sich Krankenkassen durch übereinstimmenden Beschluß ihrer Vertreterversammlungen zu einem Kassenverband vereinigen, wenn sie ihren Sitz im Bezirk desselben Versicherungsamtes haben. Der Kassenverband kann für die ihm angeschlossenen Kassen gemeinsam Angestellte und Beamte einstellen (§ 407 Abs 1 Nr 1 RVO) und die in § 407 Abs 1 Nrn 2, 3 und 5 bis 7 RVO aufgezählten Aufgaben wahrnehmen. Die Frage, ob diese Aufzählung erschöpfend ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat in seiner Grundsätzlichen Entscheidung (GE) Nr 4025 vom 14. Januar 1931 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung -AN- 1931, IV 163) unter Hinweis auf die Motive zu dem späteren § 407 RVO und insbesondere auf entsprechende Äußerungen während der Kommissionsberatungen zum Entwurf der RVO entschieden, daß die Aufzählung der Aufgaben eines Kassenverbandes in § 407 Abs 1 RVO erschöpfend sei und der Verband andere als die angeführten Aufgaben nicht übernehmen dürfe. Dem haben sich Brackmann (Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15. August 1987, Bd I/2, S 359), Gitter (Festschrift für Horst Schieckel, 1978, S 147, 148), Mertens (ZSR 1976, 199, 206 ff) und Peters (Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl, Bd 4, Stand 31. Januar 1988, § 407 Anm 1) angeschlossen. Auch nach Hoernigk/Romann/Schroeter (Krankenversicherung, Stand Mai 1979, § 406 und § 407, jeweils Anm 2) dürfen nur die Aufgaben, die in der abschließenden Vorschrift des § 407 RVO aufgezählt sind, vom Verband für die ihm angeschlossenen Kassen erledigt werden. Schließlich ist ersichtlich auch nach dem Verständnis des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen (BdO) § 407 Abs 1 RVO eine erschöpfende Regelung, weil anderenfalls seine an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herangetragene Bitte, eine Änderung des § 407 Abs 1 RVO in der Weise zu veranlassen, daß es den Krankenkassenverbänden nach § 406 RVO gestattet sei, zur gemeinsamen Erledigung von Verwaltungsaufgaben Datenverarbeitungsanlagen einzurichten (vgl DOK 1971, 603 f und 951 f; 1972, 447 f), nicht verständlich wäre. Im Gegensatz dazu stehen Krauskopf/Schroeder-Printzen (Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand 15. Mai 1988, § 407, Anm 1 und 2.9) auf dem Standpunkt, daß insbesondere im Hinblick auf die neuen technischen Möglichkeiten im Bereich der Datenverarbeitung, denen der Gesetzgeber bisher noch nicht habe Rechnung tragen können, im Einzelfall ein Kassenverband auch andere als die in § 407 Abs 1 RVO aufgeführten Aufgaben erledigen dürfe. Dem hat sich Ruland (DRV 1988, 359, 364) angeschlossen. Ebenso meint Sendler (KrV 1982, 107, 109), aus dem Gesetz ergebe sich nicht zwingend die Systematik einer abschließenden Aufzählung, und angesichts der auch sonst nicht konsequenten Systematik des Gesetzes und bei der heterogenen potentiellen Aufgabengestaltung des § 407 Abs 1 RVO falle es schwer und sei kein Grund dafür ersichtlich, von einer abschließenden Aufzählung auszugehen.
Der erkennende Senat braucht zu dieser Streitfrage nicht umfassend Stellung zu nehmen (offen gelassen auch in BSG SozR 2200 § 355 Nr 5 S 33). Insbesondere bedarf es nicht der Prüfung, ob § 2 Abs 1 der neugefaßten Satzung der Klägerin einer möglicherweise erschöpfenden Aufzählung der Kassenverbandsaufgaben in § 407 Abs 1 RVO widerspricht. Denn gegen diese Satzungsvorschrift ebenso wie gegen § 2 Abs 4 der Satzung hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden Beanstandungen nicht erhoben und auch in seiner Revisionsbegründung Bedenken nicht geäußert. Dasselbe trifft hinsichtlich des § 2 Abs 3 der Satzung idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 zu, wonach die Klägerin nach Maßgabe des § 88 SGB 10 auftragsweise Aufgaben für Verbandsmitglieder wahrnehmen können soll. Der Beklagte hat diese Satzungsregelung in seinem Bescheid vom 15. August 1986 nicht beanstandet. Derartige Beanstandungen sind auch nicht seiner Revisionsbegründung vom 5. Januar 1987 zu entnehmen. Zwar ist darin ausgeführt worden, § 88 SGB 10 könne nicht als Grundlage einer Erweiterung der enumerativen Aufzählung des § 407 RVO herangezogen werden. Dieses Vorbringen dient jedoch lediglich der Begründung des Rechtsstandpunktes des Beklagten, daß § 407 RVO eine abschließende Aufzählung der Aufgaben eines Kassenverbandes enthalte. Nicht hingegen kann es dahin verstanden werden, daß der Beklagte abweichend von seinem Bescheid vom 15. August 1986 nunmehr auch gegen § 2 Abs 3 der Satzung idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 Beanstandungen erheben will.
Gegenstand der aufsichtsbehördlichen Beanstandung und damit der gerichtlichen Überprüfung ist demnach allein § 2 Abs 2 der Satzung der Klägerin in der von der Vertreterversammlung am 26. Mai 1986 beschlossenen Fassung. Deswegen ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits lediglich ein Teilaspekt der Frage, ob § 407 Abs 1 RVO den Aufgabenbereich der Kassenverbände erschöpfend regelt, erheblich, nämlich der, ob die Vorschrift jedenfalls insoweit eine abschließende Aufzählung enthält, als er die Übernahme solcher Aufgaben durch einen Kassenverband ausschließt, die von einem Landesverband oder von dem Bundesverband derselben Kassenart wahrzunehmen sind oder wahrgenommen werden können. Dieser Teilaspekt hat Bedeutung im Hinblick auf §2 Abs 2 Buchst a) und d) der neugefaßten Satzung der Klägerin. Hiernach gehören - jeweils mit der Einschränkung "soweit nicht der Landesverband zuständig ist" - zu ihren Aufgaben Information und Beratung der Verbandsmitglieder sowie die Ausrichtung von Arbeitstagungen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, ihre Mitgliedskassen zu unterstützen, obliegen auch den Landesverbänden die Aufgaben der Beratung und Unterrichtung, der Förderung der Ausbildung der Verwaltungsanwärter oder Lehrlinge bei den Krankenkassen und der Fortbildung der sonstigen bei den Krankenkassen Beschäftigten sowie der Durchführung von Arbeitstagungen der Geschäftsführer (§ 414e Satz 2 Buchst a, f und g RVO). Dies wirft die Frage auf, ob entsprechende Aufgaben auch von den Kassenverbänden übernommen werden dürfen.
Der erkennende Senat verneint diese Frage. § 407 Abs 1 RVO enthält jedenfalls insoweit eine erschöpfende und abschließende Aufzählung der Aufgaben der Kassenverbände, als sie nicht zusätzlich solche Aufgaben übernehmen dürfen, die von den Landesverbänden oder dem Bundesverband derselben Kassenart wahrgenommen werden müssen oder können. Ob ihnen derartige Aufgaben im Wege des Auftrages seitens des Landes- oder Bundesverbandes übertragen werden dürfen, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden.
Ein Kassenverband iS des § 406 RVO verfügt im Verhältnis zu den ihm angeschlossenen Kassen nicht über einen eigenständigen und unabhängigen Aufgabenbereich. Er kann allenfalls die oder sogar nur einen Teil der gesetzlichen Aufgaben der ihm angeschlossenen Kassen zur gemeinsamen Erledigung (vgl § 407 Abs 1 RVO) insbesondere zwecks Wahrung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl § 69 Abs 2 SGB 4) übernehmen (BSG SozR 2200 § 355 Nr 5 S 34). Damit findet sein Aufgabenbereich zwangsläufig seine Grenze in den Aufgabenbereichen der angeschlossenen Kassen. Aufgaben, welche die einzelne angeschlossene Kasse von Gesetzes wegen nicht übernehmen darf oder nach den sachlichen, persönlichen und räumlichen Begrenzungen ihres Wirkungsbereiches nicht übernehmen kann, dürfen auch von dem Kassenverband nicht wahrgenommen werden.
Das gilt im vorliegenden Rechtsstreit speziell für die in § 2 Abs 2 Buchst a) und d) der Satzung der Klägerin idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 erwähnten Aufgaben der Information und Beratung der Verbandsmitglieder und der Ausrichtung von Arbeitstagungen. Die Beratung und Unterrichtung sowie die Durchführung von Aus- oder Fortbildungsveranstaltungen und von Arbeitstagungen der Geschäftsführer sind Aufgaben der Landesverbände im Rahmen der ihnen obliegenden Unterstützung ihrer Mitgliedskassen (vgl § 414e Satz 2 Buchst a, f und g RVO). Es mag auf sich beruhen, ob allein aus dieser gesetzlichen Regelung ein Verbot der Übernahme dieser Aufgaben durch einen Kassenverband iS des § 406 RVO hergeleitet werden kann. Zumindest kann er diese Aufgaben deswegen nicht übernehmen, weil sie nicht zum Aufgabenbereich der ihm angeschlossenen Kassen gehören. Das ergibt sich allein daraus, daß die einzelne Kasse kraft eigener Zuständigkeit - die Möglichkeit einer Auftragserteilung bleibt auch in diesem Zusammenhang unerörtert - Aufgaben iS des § 414e Satz 2 Buchst a), f) und g) RVO gar nicht wahrnehmen kann. Denn diese Aufgaben dienen der und bezwecken die Unterstützung der Mitgliedskassen. Sie können daher begriffsnotwendig nur von einer Vereinigung, die über Mitgliedskassen verfügt, nicht aber von einer einzelnen dieser Mitgliedskassen erfüllt werden. Dasselbe gilt dann aber auch für einen Kassenverband, dem sich diese einzelne Mitgliedskasse angeschlossen hat.
Der Beklagte hat nach alledem zutreffend § 2 Abs 2 Buchst a) und d) der Satzung der Klägerin idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 als nicht genehmigungsfähig angesehen. Damit kann seine vom LSG ausgesprochene Verurteilung zur Genehmigung der Satzung keinen Bestand haben. Hingegen hat das Berufungsgericht die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben. Sie sind aus anderen als den zuvor erörterten Gründen rechtswidrig.
Das vorliegende Genehmigungsverfahren ist durch zwei Besonderheiten geprägt worden: Einmal hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 27. August 1984, obgleich er darin ausschließlich § 2 Abs 2 Buchst a), b) und d) und Abs 3 der Satzung der Klägerin in der Neufassung vom 18. Mai 1983 beanstandet hat, der neugefaßten Satzung insgesamt seine Genehmigung versagt. Zum anderen hat er durch seinen Bescheid vom 15. August 1986 die Neufassung des § 2 der Satzung idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 26. Mai 1986 entgegen seiner Ankündigung (Schriftsatz vom 13. März 1986), diese Neufassung genehmigen zu wollen, und mit der objektiv unvorhersehbaren und für die Klägerin völlig überraschenden Begründung nicht genehmigt, die Formulierung des § 2 Abs 2 Buchst a) bis d) der Satzung entspreche nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Diese Vorgehensweise mißachtet wesentliche Prinzipien des Verhältnisses zwischen Aufsichtsbehörde und der der Aufsicht unterstehenden Körperschaft.
Nach § 89 Abs 1 SGB 4 soll, wenn durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt wird, die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinwirken, daß der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Erst wenn der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt, kann ihn die Aufsichtsbehörde verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Wie das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt ausgesprochen hat (vgl Urteil des erkennenden Senats in BSGE 61, 254, 257 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S 4 mwN), ist die vorherige Beratung im Regelfall eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Verpflichtungsanordnung. Der Senat hat sich in seinem vorerwähnten Urteil auch mit Sinn und Zweck der Beratung iS des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB 4 befaßt und diese als Ausdruck des Bemühens um partnerschaftliche Kooperation zwischen Selbstverwaltung und Aufsicht, als Teil einer geistigen Auseinandersetzung zwischen ernsthaft um optimale Lösungen im Interesse der versicherten Bevölkerung bemühten Partnern und als Ausgangspunkt eines möglichen Dialogs zwischen Versicherungsträger und Aufsichtsbehörde zwecks Vermeidung aufsichtsbehördlicher Anordnungen und sich daran eventuell anschließender gerichtlicher Auseinandersetzungen qualifiziert (BSGE 61, 254, 258 = SozR aaO S 4 f).
Die Frage, ob der Rechtsgedanke des § 89 Abs 1 SGB 4 auch für die Fälle, in denen die Satzung eines Sozialversicherungsträgers oder deren Änderung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen, mit dem Ergebnis heranzuziehen ist, daß vor einer Versagung der Genehmigung die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger mit dem Ziel einer dem Gesetz entsprechenden Errichtung oder Änderung der Satzung zu beraten hat, braucht in dieser Allgemeinheit im vorliegenden Rechtsstreit nicht beantwortet zu werden. Jedenfalls gilt aber auch für diesen Bereich, daß die Aufsichtsbehörde im Wege eines "fair trial" (zu diesem Grundsatz für das gerichtliche Verfahren vgl zuletzt BVerfG DVBl 1988, 782 mit eingehenden Nachweisen) sich kooperativ zu verhalten hat, im Zusammenwirken mit dem Versicherungsträger und nicht gegen ihn nach einer sachgerechten und dem Gesetz entsprechenden Lösung etwaiger Rechtskonflikte suchen muß und sich insbesondere nicht zu ihrem eigenen vorangegangenen Verhalten in Widerspruch setzen darf.
Der Beklagte ist nicht diesen Anforderungen entsprechend vorgegangen. Das ergibt sich aus den aufgezeigten Besonderheiten des vorliegenden Genehmigungsverfahrens. Deswegen sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben mit der Folge, daß der Antrag der Klägerin auf Genehmigung ihrer neugefaßten Satzung noch nicht beschieden und der Beklagte gehalten ist, im Zusammenwirken mit der Klägerin und mit dem Ziel einer einvernehmlichen Klärung der noch offenen Rechtsfragen das Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß zu Ende zu führen. Sollte dies wiederum durch Erlaß eines die Klägerin beschwerenden Bescheides geschehen, so würde dieser bei Anhängigkeit des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz gemäß § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens werden, wohingegen er bei Erlaß während des Revisionsverfahrens zum Gegenstand einer neuen Klage würde (vgl § 171 Abs 2 SGG). Dies erachtet der Senat für verfahrensökonomisch nicht sinnvoll und deswegen eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht für tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG; vgl dazu BSGE 9, 78, 79).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen