Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1967 aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der am 30. November 1905 geborene Kläger bezog seit dem 1. Januar 1957 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG). Seit dem 1. November 1965 erhält er das Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG. Er war bis zum 30. Juni 1959 insgesamt 328 Monate als Hauer und danach noch bis zum 11. Oktober 1960 als Meisterhauer tätig. Während der anschließenden Krankfeierzeit empfahlen die Ärzte der Beklagten eine Beschäftigung mit leichteren Arbeiten über Tage ohne schweres Heben und häufiges Bücken. Am 30. November oder 2. Dezember 1960 kehrte der Kläger von der Zeche ab. Nachdem sein Antrag auf Knappschaftsrente mit der Begründung abgelehnt worden war, er könne noch zumutbare Arbeiten verrichten, stellte er am 2. Juli 1963 den Antrag auf Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung (KnAL). Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 20. August 1963 abgelehnt. In einer auf den Widerspruch des Klägers gegen … diesen Bescheid eingeholten Zechenauskunft wird als Grund der Abkehr angegeben, daß keine leichte Arbeit über Tage vorhanden gewesen sei. Der Widerspruch des Klägers wurde mit der Begründung zurückgewiesen, sein bis zur Entlassung inngehabter Arbeitsplatz sei nicht von Rationalisierungs- oder Stillegungsmaßnahmen betroffen worden. Das Sozialgericht hat die auf Gewährung des KnAL ab Antragstellung bis zum 31. Oktober 1965 gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Mit der Berufung gegen dieses Urteil macht der Kläger geltend, er habe zwar seine Tätigkeit als Meisterhauer aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, er würde aber entsprechend der ärztlichen Empfehlung eine leichte Tätigkeit über Tage bekommen haben, wenn diese Möglichkeit nicht durch Stillegungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahmen entfallen wäre. Die Aufgabe seiner Tätigkeit in einem knappschaftlichen Betrieb sei also auf solche Maßnahmen zurückzuführen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für die KnAL nicht erfüllt seien. Der Kläger habe die zuletzt verrichtete Meisterhauertätigkeit auf Anraten der Ärzte aufgegeben, weil er nicht mehr zur Verrichtung dieser Arbeit tauglich gewesen sei; dieses gesundheitliche Unvermögen sei ein in seiner Person begründeter Umstand. Nach § 98 a RKG müsse aber die bisherige Beschäftigung des Versicherten aus Gründen enden, die nicht in seiner Person liegen; bisherige Beschäftigung sei dabei die zuletzt verrichtete knappschaftliche Tätigkeit. Es komme nicht darauf an, ob die Weiterbeschäftigung im knappschaftlichen Betrieb auf einem anderen Arbeitsplatz durch Rationalisierungsmaßnahmen verhindert worden sei, da der Gesetzgeber eindeutig auf die für die Beendigung der letzten Beschäftigung maßgebenden Gründe abstelle.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 98 a RKG. Er sei nicht aus in seiner Person liegenden Gründen aus dem Bergbau ausgeschieden. Persönliche Gründe – nämlich die eingetretene Leistungsminderung – seien nur die Ursache für die Beendigung der Hauerarbeit gewesen. Es sei aber im Bergmannsberuf nicht üblich, allein wegen der Untauglichkeit zur Hauerarbeit aus dem Bergbau auszuscheiden. Als langjährig gedienter Hauer wäre er mit leichteren Arbeiten weiterbeschäftigt worden, wenn der Tagesbetrieb nicht stillgelegt worden wäre. Die Beendigung seiner knappschaftlichen Beschäftigung sei daher ausschließlich auf Gründe zurückzuführen, die der Gesetzgeber gerade mit § 98 a RKG habe erfassen wollen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. Januar 1966 sowie der entgegenstehenden Bescheide, die Beklagte zu verurteilen, die beantragte Knappschaftsausgleichsleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Unter „bisheriger Beschäftigung” im Sinne des § 98 a RKG könne nur eine tatsächlich ausgeführte Arbeit verstanden werden. Unter nicht in seiner Person liegenden Gründen seien nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift Rationalisierungsmaßnahmen zu verstehen, also Stillegungen, Teilstillegungen, Betriebseinschränkungen, Zusammenlegung von Betrieben uä. Seine bisherige Beschäftigung als Meisterhauer habe der Kläger aber nicht aus solchen, sondern aus gesundheitlichen Gründe aufgeben müssen.
II
Die Revision ist insofern begründet, als der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird.
Nach § 98 a RKG in der hier maßgebenden ursprünglichen Fassung vom 23. Mai 1963 ist auf Antrag einem Versicherten, der die Voraussetzungen der Wartezeit nach § 49 Abs. 4 RKG erfüllt hat, die KnAL zu gewähren, wenn seine bisherige Beschäftigung in dem knappschaftlichen Betrieb aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, nach Vollendung des 55. Lebensjahres endet. Nach der Übergangsvorschrift in Art. 2 § 1 des Gesetzes zur Änderung des RKG vom 23. Mai 1963 (BGBl I 359) erhält die KnAL auch der Versicherte, dessen Beschäftigung unter den Voraussetzungen des § 98 a RKG vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (1. Juni 1963), aber nach dem 31. Dezember 1959 endet. Nach § 2 sind die Leistungen vom Inkrafttreten des Gesetzes an zu gewähren, wenn der Antrag bis zum 31. Dezember 1964 gestellt worden ist. Wenn auch der Grund für die Einführung der KnAL in der durch Strukturveränderungen bedingten besonderen Situation des Bergbaus mit dem Zwang zur Rationalisierung liegt, so hat der Gesetzgeber doch nicht zur Voraussetzung des Anspruchs gemacht, daß der Verlust der Beschäftigung im Einzelfall auf bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Er unterstellt vielmehr zugunsten des Versicherten eine solche Verursachung, wenn die Beschäftigung des Versicherten aus anderen als in dessen Person liegenden Gründen – d. h. praktisch aus Arbeitsplatzmangel – beendet worden ist.
Nach dem vorliegenden Sachverhalt sind hiernach die Voraussetzungen für den vom Kläger erbetenen Anspruch erfüllt, wenn – und hierüber allein streiten die Beteiligten – „seine bisherige Beschäftigung in dem knappschaftlichen Betrieb aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen”, beendet worden ist. Seine bisherige Beschäftigung, d. h. die Tätigkeit als Meisterhauer, mußte der Kläger aber – insoweit ist dem LSG beizupflichten – wegen gesundheitlicher Störungen und damit aus Gründen, die in seiner Person liegen, beenden.
Gleichwohl ist das Vorbringen des Klägers, ohne den zeitbedingten Arbeitsplatzmangel im Tagesbetrieb würde er dort mit einer seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeit weiterbeschäftigt worden sein, nicht unbeachtlich. Der Gesetzgeber hat in seiner ersten Vorschrift über die KnAL den Fall, daß ein Bergmann erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres seinen eigentlichen Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben muß, ohne damit schon berufsunfähig nach § 46 RKG zu werden, offenbar nicht gesehen. Dieser Fall muß jedoch miterfaßt werden. Wird ein solcher Versicherter in unmittelbarem Anschluß an sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis von seinem Betrieb in einer anderen Tätigkeit weiterbeschäftigt, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß er in ausdehnender Auslegung des § 98 a Abs. 4 RKG, wonach die KnAL mit der Wiederaufnahme einer Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb wegfällt, keinen Anspruch auf die KnAL erwirbt. Umgekehrt würde es aber dem klar erkennbaren Schutzzweck der Vorschrift widersprechen, wollte man dem Bergmann, der wegen Arbeitsplatzmangels nicht in dieser Weise weiterbeschäftigt werden kann, die Vergünstigung der KnAL versagen. Es ist kein Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber veranlaßt haben könnte, einen Bergmann, der bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres in seiner eigentlichen Bergmannstätigkeit verblieben und in die Zeit der Rationalisierungsmaßnahmen geraten ist, schlechter zu stellen als denjenigen, der bereits früher eine leichtere Arbeit über Tage aufnehmen und diese aus nicht persönlichen Gründen später aufgeben mußte. Es gehört nämlich zum traditionellen Berufsbild des Bergmanns, daß er seinen eigentlichen Beruf regelmäßig nicht bis zum Ruhestandsalter ausüben kann, sondern bereits vorher – im Zustand verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit – zu einer seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden leichteren Tätigkeit übergehen muß. Dem entsprach auch bisher die Übung der Zechenbetriebe, langgediente Bergleute in solchen Fällen soweit wie möglich mit geeigneten Tätigkeiten weiter zu beschäftigen. Der Senat ist daher der Auffassung, daß die Leistungsvorschrift des § 98 a RKG grundsätzlich auch auf solche Fälle entsprechend anzuwenden ist, in denen zwar die bisherige Beschäftigung aus persönlichen Gründen endete, eine an sich zu erwartende Weiterbeschäftigung in einer anderen Tätigkeit aber wegen Arbeitsplatzmangels entfallen mußte. Daß auch der Gesetzgeber bei Erlaß der Vorschrift diese Fälle miterfassen wollte, ergibt sich auch aus der Begründung durch den Berichterstatter im Bundestag (DBT IV 70. Sitzung S. 3241 zu D).
Hiernach hätte der Kläger Anspruch auf die KnAL, wenn – wie er behauptet – seine Nichtweiterbeschäftigung tatsächlich auf Arbeitsplatzmangel im Tagesbetrieb und nicht etwa auf in seiner Person liegenden Gründen beruhte. Letzteres wäre etwa dann der Fall, wenn der Kläger eine solche Weiterbeschäftigung von sich aus abgelehnt haben würde oder wenn die Zechenleitung ihrerseits Anlaß gehabt hätte, aus besonderen, in seiner Person liegenden Gründen seine Weiterbeschäftigung abzulehnen. Wenn auch der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Ausnahmetatbestände bietet, so konnte der Senat als Revisionsgericht doch diese Feststellung nicht selbst treffen.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revisionsinstanz zu befinden haben wird.
Unterschriften
Dr. Dapprich, Schröder, Dr. Witte
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.07.1970 durch Mackenroth RegHauptsekretär Schriftführer
Fundstellen