Leitsatz (redaktionell)
1. Das sechssemestrige Studium eines kaufmännischen Angestellten an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg mit dem Ziel der Graduierung zum Betriebs- oder Volkswirt kann nach den Vorschriften des AFG nicht gefördert werden.
2. Die in AFuU § 6 Abs 1 S 3 Fassung: 1969-12-18 getroffene Regelung über die zeitliche Beschränkung auf die Höchstdauer von 3 Jahren und über die Bestimmung des Ausnahmefalls dahin, daß die berufliche Fortbildung oder Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann, hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung und verletzt nicht das Grundrecht der freien Berufswahl nach GG Art 12.
3. Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit von Bildungsmaßnahmen spielen die Ziele, die das AFG bei der Förderung der beruflichen Bildung allgemein anstrebt, eine besondere Rolle. Subjektive Erfordernisse sind ebenso bedeutsam wie objektive Kriterien. Daß der Abschluß eines Ausbildungsgangs stets, der eines anderen jedoch nur bei dem Prädikat "gut" zum Universitätsstudium berechtigt, ist ohne Bedeutung, da es im Rahmen der beruflichen Fortbildung oder Umschulung allein auf die berufliche Qualifikation ankommt.
Orientierungssatz
Förderung von Studiengängen an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg (vgl BSG 1974-08-07 7 RAr 54/72 = BSGE 38, 59 und 7 RAr 52/72).
Normenkette
AFG § 41 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 6 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-12-18; AFuU 1969 § 6 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-12-18; GG Art. 12 Fassung: 1949-05-23; AFG § 39 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. August 1972 wird unter Neufassung des Urteilsausspruchs zurückgewiesen:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 1971 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Unterhaltsgeld und Erstattung von Ausbildungskosten abgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten der Revisionsinstanz sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im Jahre 1947 geborene Kläger, der eine kaufmännische Lehre abgeschlossen und danach zweieinhalb Jahre als Industriekaufmann gearbeitet hatte, nahm am 1. Oktober 1969 ein sechssemestriges Studium an der Akademie für Wirtschaft und Politik - seit dem 1. April 1970 Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) - auf, das im Oktober 1972 mit der Graduierung abgeschlossen werden sollte. Er erhielt zunächst Studienförderung nach dem sogen. "Honnefer Modell", später nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom 26. August 1971. Er begehrt für sein Studium außerdem Förderungsleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582). Sein Antrag auf Förderung vom 4. Dezember 1969, in dem er darauf hinwies, daß andere Maßnahmen, die das gleiche Bildungsziel - Betriebswirt (grad.) - bezweckten, von der Bundesanstalt (BA) gefördert würden, wurde mit Bescheid vom 6. Januar 1970 abgelehnt. Sein Widerspruch wurde durch Bescheid vom 30. Juli 1970 mit der Begründung zurückgewiesen, das Studium an der HWP sei unter Berücksichtigung seiner beruflichen Vorbildung und Tätigkeit zwar als Fortbildung anzusehen, könne aber nach § 2 Abs. 6 Satz 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (AFuU 1969 - ANBA 1970, 85) nicht gefördert werden.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die auf Gewährung einer Förderungsbeihilfe ab 1. Oktober 1969 gerichtete Klage durch Urteil vom 30. September 1971 mit der Begründung abgewiesen, das Studium des Klägers könne weder als Fortbildung noch als Umschulung gefördert werden.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, ihm ab 1. Oktober 1969 Unterhaltsgeld zu gewähren und die Ausbildungskosten nach Maßgabe des § 45 AFG zu erstatten. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, auf den Antrag des Klägers vom 4. Dezember 1969 hinsichtlich der Gewährung von Zuschüssen nach § 40 iVm § 242 Abs. 12 Satz 1 AFG nach Prüfung der Voraussetzungen einen neuen Bescheid zu erteilen. Einen Antrag auf Darlehensgewährung stellt der Kläger nicht.
Durch Urteil vom 11. August 1972 hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterhaltsgeld und Erstattung von Ausbildungskosten. Diese Leistungen sollten grundsätzlich nur für Maßnahmen gewährt werden, die in zwei Jahren abgeschlossen werden, gleich, ob sie im Einzelfall als Fortbildung oder als Umschulung zu werten seien (§ 41 Abs. 2 und § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG). Das Studium des Klägers an der HWP überschreite diesen zeitlichen Rahmen. Allerdings sei der Beklagten ein Ermessen eingeräumt, in Ausnahmefällen auch länger dauernde Bildungsmaßnahmen zu fördern, da die Beschränkung nur für den Regelfall gelte. Für das Studium des Klägers lägen jedoch die in § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 hierzu aufgestellten Ausnahmevoraussetzungen, daß nämlich die berufliche Fortbildung oder Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden könne und die Förderungsdauer drei Jahre nicht überschreite, nicht vor. Abgesehen davon, daß dieser Ausbildungsgang auch die Dauer von drei Jahren noch geringfügig überschreite, könne der gleiche Abschluß - wie der Kläger selbst vorgetragen habe - auch auf andere Weise erreicht werden, nämlich durch ein Fernstudium mit anschließendem zweijährigen Vollzeitunterricht an der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in G. Der einzige Unterschied, daß nämlich der Abschluß bei der HWP ohne weiteres, der bei der DAA nur mit der Note "gut" zum Universitätsstudium berechtige, sei für die hier maßgebende Ausnahmeregelung ohne Bedeutung. Die Ablehnung der Förderung sei auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte etwa vergleichbare Ausbildungsveranstaltungen fördere; die Maßnahmen, auf die sich der Kläger hierfür berufe, unterschieden sich gerade in zeitlicher Hinsicht von seinem Studium an der HWP.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Vorschriften über die Förderung der beruflichen Bildung (§§ 33 ff AFG) und trägt hierzu insbesondere vor: Bei den vom LSG herangezogenen Sollvorschriften in § 41 und § 47 AFG handele es sich nicht um Ermessensnormen; es komme lediglich darauf an, ob die Anspruchsvoraussetzungen im übrigen erfüllt seien. Das sei hier der Fall. Die Voraussetzungen der §§ 34, 36 AFG - Geeignetheit der Maßnahme, Eignung und Neigung des Klägers, arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit - seien zweifelsfrei gegeben. Der Kläger, der über eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine angemessene Berufserfahrung verfüge, erfülle auch die Voraussetzungen der beruflichen Fortbildung, da er durch das Studium seine beruflichen Kenntnisse erweitern und einen beruflichen Aufstieg erreichen wolle. Die Regelung der AFuU 1969, wonach die Förderung eines Hochschulbesuchs als Fortbildungsmaßnahme ausgeschlossen sei, sei nicht durch eine gesetzliche Ermächtigung gedeckt. Gehe man aber davon aus, daß das angestrebte Berufsziel des Klägers etwas von Grund auf anderes sei als seine bisherige kaufmännische Tätigkeit, so handele es sich um eine nach § 47 AFG zu fördernde Umschulung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Hamburg vom 30. September 1971 sowie des Bescheides der Beklagten vom 6. Januar 1970 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 1970 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Oktober 1969 Unterhaltsgeld zu gewähren und die Ausbildungskosten nach Maßgabe des § 45 AFG zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Darüber hinaus trägt sie vor, die vom Kläger hier geltend gemachten Ansprüche könnten schon deshalb nicht bestehen, weil sein Studium weder als Fortbildung noch als Umschulung, sondern als Berufsausbildung, und zwar als schulische Ausbildung anzusehen sei, für die eine Förderung nach dem AFG nicht in Betracht komme. Im übrigen fehle es auch an der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen und im einzelnen wird auf den Inhalt der Revisionsbegründungs- sowie der Revisionserwiderungsschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet. Gegenstand des Verfahrens sind - dem Revisionsantrag entsprechend - nur die Ansprüche auf Unterhaltsgeld (§ 44 AFG) und Erstattung von Ausbildungskosten (§ 45 AFG), über die allein auch das LSG in dem angefochtenen Urteil entschieden hat, nachdem der Kläger seinen Berufungsantrag hierauf einschränkend konkretisiert hatte. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß dem Kläger die genannten Ansprüche nicht zustehen. Die Leistungen, um die es hier geht, können zur Förderung der Teilnahme an Maßnahmen sowohl zur Fortbildung als auch zur Umschulung gewährt werden. Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob sich für den Kläger als kaufmännischen Angestellten das Studium an der HWP mit dem Ziel der Graduierung zum Betriebs- oder Volkswirt als Fortbildungs- oder als Umschulungsmaßnahme darstellt und ob die jeweils hierfür geltenden allgemeinen Förderungsvoraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Der Anspruch auf die hier streitigen Leistungen scheitert nach den Feststellungen des LSG schon an den Vorschriften über die zeitliche Begrenzung der förderbaren Maßnahmen nach § 41 Abs. 2 und § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG iVm § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969.
Nach § 41 Abs. 2 AFG "soll" die Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme "in der Regel" nur gefördert werden, wenn diese - ausgenommen sind Maßnahmen mit berufsbegleitendem Unterricht - nicht länger als zwei Jahre dauert. Nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG "soll" ebenfalls die Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme "in der Regel" nur gefördert werden, wenn diese nicht länger als zwei Jahre dauert. Wie der Senat in seinem Urteil vom 19. März 1974 - 7 RAr 3/72 - dargelegt hat, begründet die Formulierung "soll in der Regel nur" in § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG - für die insoweit gleichlautende Regelung in § 41 Abs. 2 AFG kann nichts anderes gelten - kein Handlungsermessen der Beklagten. Vielmehr bestimmt diese Vorschrift lediglich den Regelfall der Dauer einer Maßnahme, wobei der Beklagten die Befugnis eingeräumt wird, im Rahmen des § 39 AFG durch Anordnung die von diesem Regelfall abweichenden Ausnahmen generell festzulegen, ohne damit aber den durch § 47 AFG festgelegten Rechtsanspruch auf Förderung in einen Ermessensanspruch umzuwandeln. Entgegen der Auffassung des LSG besteht also im Rahmen der generellen Anordnung, die die Beklagte hierzu getroffen hat, ein Rechtsanspruch auf Förderung für den Ausnahmefall. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 wird die Teilnahme an Maßnahmen, die bei Vollzeitunterricht zwei Jahre übersteigen, nur gefördert, wenn die berufliche Fortbildung oder Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann und die Förderungsdauer drei Jahre nicht überschreitet. Bereits in seinem Urteil vom 29. März 1973 (BSGE 36, 1) hat der Senat hierzu entschieden, daß der Begriff "Förderungsdauer" in dieser Bestimmung "Dauer der zu fördernden Maßnahme" bedeutet, eine dreijährige Förderung länger dauernder Maßnahmen also nicht statthaft ist. Wie dort weiter dargelegt, bindet diese Beschränkung der Förderungsfähigkeit auch die Gerichte. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BSGE 35, 164; 35, 262) sind die nach §§ 39, 191 Abs. 3 AFG vom Verwaltungsrat der Beklagten erlassenen Anordnungen autonome Satzungen, die Rechtsnormen enthalten; diese sind verbindlich, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Der Senat hat dazu (BSGE 36, 1,3) entschieden, daß sich die in § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 getroffene Regelung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält und auch das Grundrecht der freien Berufswahl nach Art. 12 des Grundgesetzes nicht verletzt. Das gilt nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Beschränkung auf die Höchstdauer von drei Jahren, sondern auch hinsichtlich der Bestimmung des Ausnahmefalles dahin, daß die berufliche Fortbildung oder Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann. Die Regelung, daß von der zeitlichen Regelbegrenzung nur abgewichen werden soll, wenn das Ziel nicht auf andere Weise verwirklicht werden kann, ist durchaus sachgerecht und steht nicht im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften oder zu Sinn und Zweck der beruflichen Bildungsförderung.
Hiernach ist zweifelhaft, ob die Förderung des Studiums an der HWP nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es auch die Höchstdauer von drei Jahren noch überschreitet. Dazu bedürfte es allerdings einer näheren Prüfung, worauf die vom LSG nur beiläufig erwähnte "geringfügige" Überschreitung beruht. Möglicherweise handelt es sich dabei nur um Beginn und Ende formeller Ein- und Ausschreibungsfristen oder den vorsorglichen Hinweis darauf, daß sich für einen Teil der Absolventen aus technischen Gründen der letzte Prüfungstermin über den Dreijahreszeitpunkt hinausschieben könnte. Darüber bedarf es jedoch im vorliegenden Fall keiner weiteren Ermittlungen. Das LSG hat festgestellt, daß das Ziel des jedenfalls zwei Jahre mit Vollzeitunterricht übersteigenden Studiums an der HWP auch auf andere Weise erreicht werden kann, nämlich durch ein Fernstudium mit anschließendem zweijährigen Vollzeitunterricht an der DAA in G. Die Revision hat in bezug auf diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht, so daß der Senat nach § 163 SGG an ihren tatsächlichen Inhalt gebunden ist. Es ist auch nicht zu erkennen, daß das LSG insoweit den § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 unrichtig ausgelegt oder bei der vergleichenden Bewertung der beiden Lehrgänge einen unrichtigen Maßstab angelegt haben könnte (zur Vergleichbarkeit von Bildungsmaßnahmen vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 7. August 1974 - 7 RAr 54/72 -). Dabei ist dem LSG darin beizupflichten, daß der einzige von ihm hinsichtlich der Gleichwertigkeit der beiden Ausbildungsgänge festgestellte Unterschied, daß nämlich der Abschluß an der HWP stets, der an der DAA nur bei dem Prädikat "gut" zum Universitätsstudium berechtigt, hier ohne Bedeutung ist. Im Rahmen der beruflichen Fortbildung oder Umschulung kommt es nämlich allein auf die berufliche Qualifikation an. Als Vorbereitung zur Hochschulreife könnte die Maßnahme nach dem AFG ohnehin nicht gefördert werden, zumal unter Einbeziehung eines Universitätsstudiums die Gesamtdauer der Ausbildung noch wesentlich verlängert werden würde. Daß das LSG bei seiner Entscheidung von einer Ermessensregelung ausgegangen ist, hat im Ergebnis hier keine Bedeutung; da es sich nicht um eine Ermessensregelung handelt, ist der erhobene Anspruch erst recht unbegründet.
Die Revision ist daher zurückzuweisen. Mit Rücksicht auf die einschränkende Konkretisierung des zunächst allgemein gehaltenen Klageantrags erscheint eine klarstellende Neufassung des Urteilsausspruchs zur Hauptsache in der Berufungsinstanz geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen