Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung des Spruchkörpers
Leitsatz (amtlich)
1. Die den Kassenärztlichen Vereinigungen in § 368n Abs 5 RVO idF des KVKG erteilte Ermächtigung, paritätisch zu besetzende Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten, erstreckt sich nicht auf die Bestellung der Ausschußmitglieder; die Krankenkassen bestellen vielmehr ihre Vertreter selbst.
2. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können sich in ihren Satzungen auch nicht das Recht vorbehalten, aus wichtigem Grund die Berufung eines von den Krankenkassen benannten Vertreters abzulehnen oder einen Vertreter der Krankenkassen abzuberufen.
Orientierungssatz
Die Satzungsbeschlüsse der Kassenärztlichen Vereinigung über die Berufung und Abberufung der Vertreter der Krankenkassen in den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen betreffen zwar auch Angelegenheiten der Krankenkassen. Gegenstand des Rechtsstreits ist aber eine aufsichtliche Maßnahme, die sich auf eine Entscheidung bezieht, die allein von Mitgliedern einer Kassenärztlichen Vereinigung getroffen worden ist. Somit handelt es um eine Angelegenheit der Kassenärzte und nicht um eine sonstige Angelegenheit des Kassenarztrechts (§ 12 Abs 3 SGG).
Normenkette
RVO § 368n Abs. 5 Fassung: 1977-06-27; SGG § 12 Abs. 3 Fassung: 1972-05-26
Verfahrensgang
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Versagung der aufsichtlichen Genehmigung von Satzungsbestimmungen der Klägerin.
Aufgrund der Neufassung des § 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch Art 1 § 1 Nr 37 Buchst c des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) sah sich die Klägerin zu einer Änderung ihrer Satzung veranlaßt. Am 3. November 1977 beschloß ihre Vertreterversammlung ua in § 13 der Satzung, der die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse regelt, folgende Bestimmungen aufzunehmen:
"(4)
Die Vereinigung beruft die Mitglieder der Prüfungs- und
Beschwerdeausschüsse und die erforderliche Zahl von Stellvertretern.
Die Vertreter der Krankenkassen werden auf Vorschlag des
Landesverbandes der Krankenkassen berufen. Die Berufung eines
vorgeschlagenen Vertreters der Krankenkassen kann aus wichtigem
Grund abgelehnt werden, wobei der betreffende Landesverband vorher
zu hören ist."
"(6)
Die Vereinigung kann ein Mitglied eines Prüfungs- oder
Beschwerdeausschusses abberufen, wenn
a) das Mitglied selbst die vorzeitige Entbindung von seinem Amt
beantragt oder
b) ein wichtiger Grund für die Abberufung des Mitglieds vorliegt,
wobei vor der Abberufung eines Vertreters der Krankenkassen der
betreffende Landesverband zu hören ist."
Der Beklagte versagte die Genehmigung dieser satzungsrechtlichen Beschlüsse insoweit, als die Klägerin das Recht in Anspruch nimmt, nach vorheriger Anhörung des betreffenden Landesverbandes der Krankenkassen die Berufung eines vorgeschlagenen Vertreters der Krankenkassen abzulehnen oder einen Vertreter der Krankenkassen abzuberufen, wenn ein wichtiger Grund hierfür vorliegt. Der Beklagte hält diese Regelungen für gesetzeswidrig, denn § 368n Abs 5 RVO sehe die paritätische Besetzung der Ausschüsse vor; die vom Gesetzgeber gewollte Gleichlage wäre aber gestört, wenn bei der Berufung und Abberufung von Ausschußmitgliedern nur eine Seite über den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes entscheiden und so die Zusammensetzung der Ausschüsse bestimmen könnte.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Ziel, die vollständige Genehmigung der von ihrer Vertreterversammlung beschlossenen Satzungsänderung zu erreichen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ebenfalls erfolglos geblieben.
Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Entwurf eines KVKG (BT-Drucks 8/338 S 65 zu Art 1 § 1 Nr 34) und die in § 368n Abs 5 Satz 2 RVO aufgenommene Regelung über die paritätische Besetzung der Ausschüsse stellten klar, daß der Gesetzgeber die Aufgabe, die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung zu überwachen, der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkassen übertragen habe. Der den Kassenärztlichen Vereinigungen erteilte Auftrag, Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten, beziehe sich nur auf die institutionelle Errichtung, nicht jedoch auf die personelle Besetzung. Die Vertreter in den Ausschüssen zu bestimmen, sei eine den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen jeweils in eigener Verantwortung vorbehaltene Angelegenheit. Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten nicht die Berufung eines von den Krankenkassen benannten Vertreters ablehnen oder seine Abberufung beschließen, ohne in das Recht der Selbstverwaltung der Krankenkassen einzugreifen und damit gegen § 29 Abs 3 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) zu verstoßen. Außerdem erhielten die Kassenärztlichen Vereinigungen durch eine solche Befugnis ein Übergewicht bei der Besetzung der Ausschüsse, was mit de Grundstruktur des § 368n Abs 5 RVO, gleichberechtigt mitzuwirken, unvereinbar wäre. Es komme hinzu, daß die Satzungsautonomie der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht soweit reiche, denn die Vertreter der Krankenkassen seien nicht der Satzungsgewalt der Kassenärztlichen Vereinigungen unterworfen. Schließlich weise die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) zutreffend auf die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung "Vertreter" hin. Die sogenannte Errichtungskompetenz erfasse nicht notwendig die Kompetenz, über die Besetzung der Ausschüsse zu entscheiden.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 368n Abs 5 RVO. Dem Berufungsurteil liege die unrichtige Auffassung zugrunde, durch das KVKG sei die Überwachung der Wirtschaftlichkeit de kassenärztlichen Versorgung der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen übertragen worden. Es handele sich dabei vielmehr, wie sich aus § 368n RVO ergebe, eindeutig - wie bisher unbestritten - um eine Angelegenheit der kassenärztlichen Selbstverwaltung. In die Selbstverwaltung der Krankenkassen werde daher durch die hier umstrittenen Satzungsbestimmungen nicht eingegriffen. Dem LSG sei im Grundsatz darin zuzustimmen, daß sich die Satzungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen nur auf die an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen beziehe. § 368n Abs 5 RVO erweitere jedoch die Satzungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen; die Errichtungskompetenz erstrecke sich auch auf die Berufung und Abberufung der Ausschußmitglieder. Das LSG argumentiere widersprüchlich, wenn es als Beispiel dafür, daß ein Auseinanderfallen der Errichtungskompetenz und der Kompetenz zur Besetzung der Ausschüsse nichts Außergewöhnliches sei, auf die Bestimmungen zur Bildung von Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung verweise. Bei diesen Ausschüssen fielen die Kompetenzen nicht auseinander, weil die Ausschüsse auch gemeinsam durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassenverbände errichtet würden. Gerade anders verhalte es sich aber bei den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen, die auch deshalb nicht als Ausschüsse der gemeinsamen Selbstverwaltung angesehen werden könnten. Schließlich schafften die vorgesehenen Satzungsregelungen über die Möglichkeit der Ablehnung und Abberufung eines von den Krankenkassen benannten Vertreters kein mit § 368n Abs 5 RVO unvereinbares Übergewicht der Kassenärztlichen Vereinigungen. Das Ablehnungs- und Abberufungsrecht sei ausdrücklich auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes begrenzt. Vor Ausübung des Rechts sei der betreffende Landesverband zu hören. Damit sei die Rechtsbefugnis der Klägerin auf dasjenige Maß begrenzt, welches zur Übernahme der Verantwortung für die Tätigkeit der Ausschüsse, die sich aus der Errichtungskompetenz zwingend ergebe, unbedingt erforderlich sei. Da der Gesetzgeber in dem besonderen Fall des § 368n Abs 5 RVO ausdrücklich auf die Satzungsautonomie der Kassenärztlichen Vereinigungen zurückgegriffen habe, müsse er sich darüber im klaren gewesen sein, daß er damit alle mit der Errichtung des Ausschusses zusammenhängenden Fragen in die Willensbildung der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigungen gegeben habe. Es sei für das Selbstbestimmungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen unerträglich, lediglich als formaler Abstimmungsmechanismus in Anspruch genommen zu werden, ohne auch die Verantwortung für die zu bildenden Ausschüsse in vollem Umfange tragen zu können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. November 1979 und
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Juni 1978 aufzuheben und
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 23. Januar 1978
zu verurteilen, die von ihrer Vertreterversammlung am 3. November 1977
beschlossene Neufassung des § 13 ihrer Satzung in vollem Umfang zu
genehmigen.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat wie die Vorinstanzen mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Kassenärzte entschieden, weil es sich bei dem Streitgegenstand um eine Angelegenheit der Kassenärzte und nicht um eine sonstige Angelegenheit des Kassenarztrechts handelt (§ 12 Abs 3 iVm §§ 33 und 40 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Zuordnung maßgebend, ob die Streitsache die Kassenärzte allein betrifft oder ob Gegenstand des Rechtsstreits eine Maßnahme der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkassen ist (BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Bundespflegesatzverordnung -BPflV- Nr 1). Die im vorliegenden Fall umstrittenen Satzungsbeschlüsse der Klägerin über die Berufung und Abberufung der Vertreter der Krankenkassen in den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen betreffen zwar auch Angelegenheiten der Krankenkassen. Die Klage richtet sich jedoch gegen die teilweise Versagung der Genehmigung einer von der Vertreterversammlung der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung beschlossenen Satzungsänderung. Gegenstand des Rechtsstreits ist also eine aufsichtliche Maßnahme, die sich auf eine Entscheidung bezieht, die allein von Mitgliedern einer Kassenärztlichen Vereinigung getroffen worden ist.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht der Klage nicht entsprochen. Die umstrittenen Satzungsbeschlüsse der Klägerin verstoßen gegen das Gesetz. Der Beklagte war daher insoweit berechtigt und verpflichtet, die nach § 368n Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 RVO erforderliche Genehmigung zu versagen.
§ 368n Abs 5 RVO in der hier maßgebenden Fassung des KVKG hat in Satz 1 die frühere gesetzliche Regelung übernommen, daß zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen die Kassenärztlichen Vereinigungen nach näherer Bestimmung der Satzungen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse errichten. Die Neufassung der folgenden Sätze weicht aber von der bisherigen Rechtslage insofern ab, als die Zusammensetzung der Ausschüsse anders geregelt und näher bestimmt wird. Den Ausschüssen gehören nun außer den Vertretern der Ärzte auch Vertreter der Krankenkassen an, und zwar in gleicher Zahl, den Vorsitz führt jährlich wechselnd ein Vertreter der Ärzte oder ein Vertreter der Krankenkassen, dessen Stimme bei Stimmgleichheit den Ausschlag gibt (Satz 2). Das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren vor den Ausschüssen wird von den Vertragsparteien des Gesamtvertrages - also in der Regel von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen (§ 368n Abs 2 RVO) - vereinbart (Satz 3). Gegen die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse können wie bisher die betroffenen Ärzte, nun aber auch die Landesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen den Beschwerdeausschuß anrufen (Satz 4).
Diesen Gesetzesänderungen ist zunächst zu entnehmen, daß es sich bei den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen nicht mehr um eine ausschließlich mit Kassenärzten besetzte Stelle, sondern - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - um eine Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkassen handelt. Damit ist die allgemeine Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 368e RVO) zu sorgen, nicht in Frage gestellt. Nach § 368n Abs 1, 2 und 4 RVO obliegt es den Kassenärztlichen Vereinigungen ua, die kassenärztliche Versorgung im Rahmen des Gesetzes sicherzustellen und die kassenärztliche Tätigkeit zu überwachen. Diese grundsätzliche Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen wird aber durch das KVKG insoweit eingeschränkt, als nun die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse, denen lediglich die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen übertragen ist, eine gewisse rechtliche Selbständigkeit erlangt haben. Die Entscheidungen der Ausschüsse sind nun, da Krankenkassenvertreter beschließend mitwirken, Akte der gemeinsamen Selbstverwaltung iS der Rechtsprechung des Senats (BSGE aaO).
Diese Zuordnung reicht allerdings zur rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Streitsache nicht aus, denn sie kommt auch dann in Betracht, wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen befugt sind, alle Ausschußmitglieder zu bestellen (vgl BSGE 28, 84, 85 = SozR Nr 1 zu EKV-Ärzte Allg vom 20. Juli 1963). Aus den Einzelregelungen der Neufassung des § 368n Abs 5 RVO und den zugrundeliegenden Absichten des KVKG ergibt sich jedoch, wie das LSG zutreffen gefolgert hat, daß es den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht erlaubt ist, sich in ihren Satzungen das Recht einzuräumen, eigenmächtig die Berufung eines vorgeschlagenen Vertreters der Krankenkassen abzulehnen oder einen Vertreter der Krankenkassen abzuberufen. Auch wenn, wie im vorliegenden Fall, die Inanspruchnahme dieses Rechts davon abhängig gemacht wird, daß ein wichtiger Grund vorliegt und der betreffende Landesverband der Krankenkassen vor der Ablehnung bzw Abberufung zu hören ist, könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen über die Ablehnung der Berufung und über die Abberufung eines Vertreters der Krankenkassen auch ohne Einverständnis, ja sogar gegen den erklärten Willen des betreffenden Landesverbandes entscheiden. Mit einer solchen Satzungsregelung wäre ein Eingriff in die Rechtspositionen der Krankenkassen verbunden, der sich nicht gesetzlich rechtfertigen läßt.
Da § 368n Abs 5 Satz 2 RVO vorschreibt, daß den Ausschüssen auch Vertreter der Krankenkassen angehören, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß den Krankenkassen das Recht eingeräumt ist. Selbst die Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden. Vertretung im weiteren Sinne ist jedes Handeln anstelle und im Interesse eines anderen. Daraus folgt, daß es grundsätzlich Angelegenheit des Vertretenen ist, seinen Vertreter zu bestimmen. Besteht keine abweichende rechtliche Regelung, die für den Vertretenen verbindlich ist, so ist es dem Vertretenen überlassen, ob und ggf durch wen er sich vertreten lassen will. Es ist sein Recht, sich insoweit frei zu entscheiden. In § 368n Abs 5 RVO wird für die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen verbindlich geregelt, daß den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl angehören. Es wird jedoch weder das Recht der Kassenärztlichen Vereinigungen noch das Recht der Krankenkassen eingeschränkt, ihre Vertreter jeweils selbst zu bestimmen.
Die Klägerin kann sich zur Rechtfertigung ihrer von der Beklagten beanstandeten Satzungsbeschlüsse insbesondere nicht auf Satz 1 des § 368n Abs 5 RVO berufen. Mit der den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragenen Aufgabe, die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten, ist nicht zwangsläufig die Befugnis verbunden, über die Berufung und Abberufung der Krankenkassenvertreter zu entscheiden. Eine solche Befugnis ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Errichtungskompetenz. Daß insoweit die Zuständigkeiten verteilt sein können, bestätigen auch die vor dem KVKG geltenden gesetzlichen Regelungen über die Errichtung und Zusammensetzung der Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse. Trotz der damals umfassenderen Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen stand den Krankenkassen das Recht zu, zu den Ausschüssen einen von ihnen beauftragten Arzt zu entsenden, der beratend mitwirken durfte (§ 368n Abs 5 Satz 2 RVO idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes -KVWG- vom 28. Dezember 1976, BGBl I 3871 = § 368n Abs 4 Satz 2 RVO idF des Gesetzes über Kassenarztrecht -GKAR- vom 17. August 1955, BGBl I 513). Bei einer Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen blieb die Zusammensetzung der Ausschüsse einer Vereinbarung der Vertragspartner, also der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen vorbehalten (§ 368n Abs 6 RVO idF des KVWG = § 368n Abs 5 GKAR).
Ebensowenig kann sich die Klägerin darauf stützen, daß den Kassenärztlichen Vereinigungen dch § 368n Abs 5 Satz 1 RVO aufgegeben ist, nähere Bestimmungen über die Errichtung für Ausschüsse in den Satzungen zu treffen. Die Krankenkassen sind nicht der allgemeinen Satzungsgewalt der Kassenärztlichen Vereinigungen unterworfen. Es bedürfte daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, sollten Rechtsvorschriften der Kassenärztlichen Vereinigungen auch für die Krankenkassen verbindlich sein (zum Geltungsbereich von Satzungsrecht vgl BVerfGE 10, 20, 49 ff; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, S 136 ff). Der Auffassung der Klägerin, eine solche Ermächtigung sei in der genannten gesetzlichen Bestimmung enthalten, kann zumindest nicht hinsichtlich der gezogenen Konsequenzen zugestimmt werden. Die Ermächtigung bezieht sich nur auf die Errichtung der Ausschüsse. Da die Errichtungskompetenz, wie dargelegt, sich nicht auf die Berufung der Ausschußmitglieder erstreckt, kann auch der Ermächtigung zur satzungsrechtlichen Regelung nur eine entsprechend eingeschränkte Bedeutung zuerkannt werden.
Ein Vergleich mit gesetzlichen Vorschriften, die ebenfalls Regelungen über Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkassen enthalten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die für einen solchen Vergleich vor allem in Betracht kommenden Regelungen weichen zwar teilweise von § 368n Abs 5 RVO ab, so daß sich die Frage stellt, welche Folgerungen sich aus diesen Abweichungen ergeben. Die Ausschüsse in Zulassungssachen, die Schiedsämter und die gemeinsamen Landes- und Bundesausschüsse werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassenverbänden gemeinsam errichtet bzw gebildet, die Errichtungskompetenz liegt hier also nicht allein bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 368b Abs 1 und 6, § 368i Abs 1 und § 368o Abs 1 RVO). Trotz der darin zu erblickenden weitergehenden Verselbständigung hält es der Gesetzgeber für erforderlich, bezüglich dieser gemeinsamen Einrichtungen ausdrücklich zu bestimmen, daß die Vertreter der Ärzte von den Kassenärztlichen Vereinigungen bzw Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Vertreter der Krankenkassen von den Landes- bzw Bundesverbänden der Krankenkassen bestellt werden (§ 368b Abs 2 Satz 2 und Abs 6 Satz 5, § 368i Abs 2 Satz 6 und Abs 3 Satz 2 sowie § 368o Abs 2 Satz 4 und Abs 3 Satz 3 RVO). Diese gesetzlichen Regelungen gestatten jedoch nicht den Umkehrschluß, daß bei den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen nach § 368n Abs 5 RVO, für die entsprechende Regelungen fehlen, die Errichtungskompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen die Befugnis umfaßt, außer den eigenen Vertretern auch die Vertreter der jeweiligen Partner zu bestellen. Die Unzulässigkeit einer solchen Folgerung ergibt sich bereits daraus, daß die ausdrücklichen Besetzungsregelungen bei den Zulassungsinstanzen, den Schiedsämtern und den Landes- und Bundesausschüssen getroffen worden sind, obwohl hier auch die Errichtung der Ausschüsse gemeinsame Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassenverbände ist. Die ausdrücklichen Besetzungsregelungen könnten gerade dagegen sprechen, daß die Errichtungskompetenz das Recht einschließt, die Ausschußmitglieder zu bestellen. Es müssen deshalb andere Gründe maßgebend gewesen sein, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, in einem Fall Vorschriften über die Bestellung der Ausschußmitglieder in das Gesetz aufzunehmen und dies im anderen Fall zu unterlassen.
Bezüglich der Zulassungs- und Berufungsausschüsse, der Schiedsämter und der Landes- und Bundesausschüsse ist den §§ 368b, 368c, 368e und 368o RVO zu entnehmen, daß die Organisationsformen sowie die Zuständigkeit und Aufgaben dieser Ausschüsse Detailregelungen durch Gesetz und Rechtsverordnungen erforderlich machen, die nicht autonomen Regelungen oder vertraglichen Absprachen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen überlassen werden können (zB im Falle des § 368b RVO wegen des Eingriffs in das Recht der Ärzte auf Berufsausübung). Die Vorschriften über die Bestellung der Ausschußmitglieder sind Bestandteil dieser Detailregelungen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber bezüglich der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen keine Notwendigkeit gesehen, durch Gesetz und Rechtsverordnung stärker in die gemeinsame Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen einzugreifen. Er hat insoweit vielmehr durch das KVKG ausdrücklich die Zuständigkeit und Verantwortung der Selbstverwaltung bestätigt, indem er für die Errichtung der Ausschüsse nähere Bestimmungen der Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und für das Prüfungsverfahren Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien des Gesamtvertrages maßgebend sein läßt (§ 368n Abs 5 Satz 1 und 3 RVO).
Dafür, daß sich die ausschließliche Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen lediglich auf die Errichtung der Ausschüsse beschränkt, sprechen vor allem die paritätische Besetzung der Ausschüsse, der wechselnde Vorsitz mit qualifiziertem Stimmrecht des Vorsitzenden und die gesetzliche Ermächtigung, das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren vor den Ausschüssen durch Vereinbarungen der Parteien des Gesamtvertrages zu regeln (§ 368n Abs 5 Satz 2 und 3 RVO). Diese gesetzlichen Bestimmungen machen deutlich, daß die Krankenkassen nach Errichtung der Ausschüsse gleichberechtigt mitwirken. Dem entspricht auch das mit dem KVKG den Kassenärztlichen Vereinigungen eingeräumte Recht, die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen anzufechten (§ 368n Abs 5 Satz 4 RVO). Die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen sind also nicht mehr den Kassenärztlichen Vereinigungen und ihren eigenen Organen, sondern der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen zuzurechnen. Eine gleichberechtigte Mitwirkung der Krankenkassen wäre aber nicht gewährleistet, wenn für die Berufung und Abberufung der Ausschußmitglieder und damit für die Zusammensetzung der Ausschüsse den Kassenärztlichen Vereinigungen letztlich die alleinige Entscheidung vorbehalten wäre. Es kann deshalb nur davon ausgegangen werden, daß auch den Krankenkassen wie den Kassenärztlichen Vereinigungen das Recht zusteht, ihre Vertreter selbst in die Ausschüsse zu entsenden. Inwieweit die Vertragsparteien des Gesamtvertrages nach Satz 3 des § 368n Abs 5 RVO berechtigt sind, auch hinsichtlich der Berufung und Abberufung Vereinbarungen zu treffen und dabei eventuell den kassenärztlichen Vereinigungen weitergehende Befugnisse einzuräumen, kann hier dahingestellt bleiben, da eine solche Regelung nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.
Zu Recht hat das LSG auch auf Stellungnahmen in dem zum KVKG führenden Gesetzgebungsverfahren hingewiesen. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfes hat vorgesehen, den Vertragspartnern das Recht einzuräumen, Vereinbarungen über die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse zu treffen, die dann auch den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet hätten, eigene Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden (BT-Drucks 8/166 S 10 zu Nr 34c bb). Die darüber hinausgehende Fassung des Gesetzes geht auf einen Beschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück, zu dessen Begründung angegeben ist, daß die Ausschüsse paritätisch mit Vertretern der Kassenärzte und Krankenkassen besetzt sein müssen, wobei es der Selbstverwaltung überlassen bleibt, Vereinbarungen über das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren vor den Ausschüssen im einzelnen zu treffen. Mit dieser Regelung soll der gewachsenen Bedeutung des Prüfverfahrens, wie sie durch die Vorschriften über den Arzneimittelhöchstbetrag bewirkt wird, Rechnung getragen und zu einer Verbesserung der Wirksamkeit des Prüfverfahrens selbst beigetragen werden (BT-Drucks 8/338 S 20 zu Nr 34 c und S 65 zu Art 1 § 1 Nr 34). Mit dem KVKG sollte ua erreicht werden, das Zusammenwirken der an der medizinischen Versorgung Beteiligten unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu verbessern (BT-Drucks 8/166 S 1; Nr 8/338 S 1). Bei seiner Beschlußempfehlung hat der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung besonders betont, es dürfe nicht im wesentlichen eine Angelegenheit der Leistungsanbieter im Gesundheitswesen sein, die Kostensteigerung oder Kostendämpfung zu beeinflussen, die Versichertengemeinschaft müsse ebenso Einflußmöglichkeiten haben (BT-Drucks 8/338 S 50 zu I). Diese Aussagen bestätigen, daß den Krankenkassen bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen eine gleichberechtigte Stellung eingeräumt werden sollte.
Das System der kassenärztlichen Versorgung und die hierfür maßgebenden Rechtsgrundsätze haben durch das KVKG sicherlich eine Modifizierung erfahren. Es war aber auch schon früher eine Beteiligung der Krankenkassen am Prüfungsverfahren nicht allgemein ausgeschlossen (vgl § 368n Abs 5 Satz 2 und Abs 6 RVO idF des KVWG = § 368 Abs 4 Satz 2 und Abs 5 RVO idF des GKAR; § 41 der Vertragsordnung vom 30. Dezember 1931, RGBl 1932, I, 2). Das KVKG hat die Mitwirkung und Mitverantwortung der Krankenkassen bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung in einem erheblichen Umfange erweitert.
Der Beklagte hat schließlich bei seiner Entscheidung zu Recht keinen Unterschied zwischen den die Berufung und den die Abberufung betreffenden Satzungsbeschlüssen gemacht. Es ist zwar einzuräumen, daß beide Regelungen nicht in gleicher Weise die Rechtspositionen der Krankenkassen beeinträchtigen müssen, denn die Abberufung beschränkt sich auf eine bestimmte Person und läßt dem Krankenkassenverband die Möglichkeit, eine andere Person seines Vertrauens zu berufen, während mit der Ablehnung der Berufung die Entsendung durch die Krankenkassen blockiert werden kann. Es ist aber nicht zu leugnen, daß auch eine den Kassenärztlichen Vereinigungen zustehende Befugnis, einen Krankenkassenvertreter abzuberufen, in die Rechte der Krankenkassen eingreift. Da auch hierfür eine gesetzliche Grundlage fehlt, ist die Versagung der Genehmigung in vollem Umfange zu bestätigen. Damit soll aber nicht ausgeschlossen sein, daß die Parteien des Gesamtvertrages eventuell berechtigt sind, bezüglich der Berufung und Abberufung der Ausschußmitglieder unterschiedliche Regelungen zu vereinbaren.
Di Revision war aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1659008 |
BSGE, 193 |