Leitsatz (redaktionell)
Ein offensichtlicher Schreib- und Rechenfehler liegt vor, wenn bei der Umstellung der Rente am 1957-01-01 anstelle des zutreffenden Steigerungsbetrages von 65,40 DM ein Steigerungsbetrag von 498,30 DM zugrunde gelegt wurde. Diese fehlerhafte Umstellung kann durch den Versicherungsträger berichtigt werden.
Normenkette
SGG § 138 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 319 Fassung: 1950-09-12
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die nach Art. 2 § 30 Abs. 1 Satz 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) gegebene Mitteilung über die Umstellung der Rente nachträglich berichtigt werden darf, wenn sie zu Gunsten des Rentners fehlerhaft ist.
Der Kläger bezieht seit 1952 Altersruhegeld (Bescheid vom 31. Juli 1953). In dem Bescheid war der jährliche Steigerungsbetrag aus der Invalidenversicherung auf 183,88 DM (ungekürzt), aus der Angestelltenversicherung auf 600,95 DM festgestellt. Die Rente betrug vor der Umstellung monatlich 158,50 DM. In der Umstellungsmitteilung der Bundespost vom 21. März 1957 war der monatliche Steigerungsbetrag mit 468,3 DM anstatt mit 65,4 DM (183,88 + 600,95 : 12) angegeben. Außerdem wurde irrtümlich ein Höherversicherungsbetrag angerechnet; der monatliche Zahlbetrag wurde auf 629,10 DM anstatt auf 320,50 DM festgestellt.
Die Beklagte berichtigte die Umstellungsmitteilung. Sie verzichtete darauf, den überzahlten Betrag für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 30. April 1958 zurückzufordern, und überwies dem Kläger vom 1. Mai 1958 an nur noch monatlich 320,50 DM (Bescheid vom 1. April 1958).
Der Kläger wandte sich gegen die Berichtigung der Umstellungsmitteilung. Er ist der Ansicht, selbst wenn die Rentenumstellung von der Bundespost fehlerhaft vorgenommen worden sei, sei die Beklagte dennoch daran gebunden.
Beide Vorinstanzen hielten die Beklagte für berechtigt, die fehlerhafte Umstellungsmitteilung richtig zu stellen und die Rente des Klägers mit Wirkung für die Zukunft herabzusetzen (Urteil des Sozialgerichts - SG - Wiesbaden vom 7. Dezember 1959, Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - LSG - vom 13. Oktober 1960). Das LSG ließ die Revision zu.
Der Kläger legte Revision ein mit dem Antrag,
die Vorentscheidungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Rente von 629,10 DM über den 30. April 1958 hinaus zu gewähren.
Er rügt, das LSG habe in der Mitteilung der Bundespost zu Unrecht keinen die Beklagte bindenden Verwaltungsakt erblickt. Begünstigende fehlerhafte Verwaltungsakte mit Dauerwirkung könnten jedoch im Bereich der Sozialversicherung nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zurückgenommen werden.
Die Beklagte beantragte,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte konnte die fehlerhafte Umstellungsmitteilung der Bundespost richtigstellen, selbst wenn diese - was dahingestellt bleiben kann - einen Verwaltungsakt darstellen sollte.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 8. September 1961 (BSG 15, 96) dargelegt, daß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch in bindend gewordenen Verwaltungsakten Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit von Amts wegen berichtigt werden können.
Im vorliegenden Fall gehören die Fehler in der Umstellungsmitteilung zu diesen Unrichtigkeiten, denn sie beruhen weder auf einem Rechtsirrtum noch auf einer unrichtigen Wertung von Tatsachen. Für die Bundespost standen vielmehr alle Merkmale fest, die für die Umstellung erforderlich waren (Höhe des monatlichen Steigerungsbetrages, Jahr des Rentenbeginns, Geburtsjahr des Versicherten und Umstellungsfaktor). Soweit es sich um den Steigerungsbetrag handelte, war er aus der bisherigen Rentenberechnung zu übernehmen und auf den Monat umzurechnen. Dabei konnte sich nur der Betrag von 65,40 DM ergeben. Weshalb statt dessen der andere Wert von 468,3 als monatlicher Steigerungsbetrag eingesetzt worden ist, ist nicht aufgeklärt worden, es kann aber, wovon auch das LSG ausgegangen ist, nur ein Versehen vorgelegen haben. Das gleiche gilt für den Ansatz eines Höherversicherungsbetrages, für den sich in den Rentenunterlagen ebenfalls keine Grundlage fand.
Die Unrichtigkeiten waren auch offenbar. Wie sich aus dem Schreiben des Klägers an das SG vom 30. Mai 1958 ergibt, hat er selbst schon erkannt, daß "ein monatlicher Steigerungsbetrag von 468,3 DM in dieser Höhe unmöglich ist". Davon abgesehen kommt es aber nicht auf das Erkenntnisvermögen der tatsächlich Beteiligten, sondern auf das verständiger Personen an. Grundlage ihres Urteils sind nicht nur die Umstellungsmitteilung, sondern auch die übrigen im Besitz des Rentners befindlichen Unterlagen. Beim Vergleich der Umstellungsmitteilung mit der Rentenberechnung im Bescheid vom 31. Juli 1953 drängten sich aber für jede verständige Person die Fehler in der Umstellungsmitteilung ohne weiteres auf.
Wie der Senat in seiner oben genannten Entscheidung weiter klargestellt hat, ist die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten jederzeit möglich und nicht fristgebunden. Der Senat hat allerdings erwogen, ob die Rechtssicherheit und der Schutz des Rentners nicht einen Endzeitpunkt für die Berichtigung von Fehlern bei der Rentenumstellung 1957 fordern und in diesem Zusammenhang an den 31. Dezember 1959 gedacht. Da jedoch im Falle des Klägers die Berichtigung noch vor diesem Tage vorgenommen worden ist, stehen auch diese Erwägungen der Zulässigkeit der Berichtigung hier nicht entgegen.
Wenn der Kläger schließlich den Schutz seines Vertrauens auf die Richtigkeit der Umstellungsmitteilung beansprucht, so kann ein Vertrauensschutz auf den Fortbestand offenbarer Unrichtigkeiten nicht anerkannt werden, weil das öffentliche Interesse an der Beseitigung dieser Fehler für die Zukunft überwiegt. Den schutzwürdigen Belangen des Klägers hat die Beklagte schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß sie von der Rückforderung der in der Vergangenheit überzahlten Beträge abgesehen hat.
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen