Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das dem Kläger zustehende Altersruhegeld unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeit vom 1. Juni 1948 bis 31. Januar 1951 als Ersatzzeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), hilfsweise unter weiterer Berücksichtigung einer Ausfallzeit vom 1. April 1949 bis 31. Januar 1951 (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG) zu berechnen ist.
Der am 6. Juli 1908 geborene Kläger wurde nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (6. März 1947) wegen eines Zwölffingerdarmgeschwürs und seines äußerst reduzierten Allgemein- und Ernährungszustandes im Universitäts-Krankenhaus Eppendorf vom 4. April 1947 bis 9. Juni 1947 stationär und anschliessend bis zum Frühjahr 1949 ambulant behandelt. Vom 15. Januar bis 31. Mai 1948 war er bei der Mondamin-GmbH in Hamburg versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seinen Angaben ist er damals wegen seines schlechten Gesundheitszustandes und einer dadurch bedingten Konzentrationsunfähigkeit entlassen worden und nach Beendigung der Krankheit im Jahre 1949 bis zur erneuten Arbeitsaufnahme am 1. Februar 1951 arbeitslos gewesen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger vom 1. Januar 1973 an ein flexibles Altersruhegeld im Sinne des § 25 Abs. 1 AVG . Dabei berücksichtigte sie - u.a. - die sich an die Kriegsgefangenschaft anschließende Zeit lediglich bis zur Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 15. Januar 1948 als Ersatzzeit sowie nach Beendigung der Beschäftigung - eine Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG vom 1. Juni 1948 bis 31. März 1949 (Bescheid vom 19. Juni 1973).
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf vom 24. März 1950 geltend, er sei nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bis zum Frühjahr 1949 ununterbrochen arbeitsunfähig krank und anschließend bis 31. Januar 1951 arbeitslos gewesen. Seine zeitweise Beschäftigung im Jahre 1948 sei nur als mißglückter Arbeitsversuch anzusehen. Daher müsse auch die Zeit vom Juni 1948 bis einschließlich Januar 1951 als Ersatzzeit, zumindest aber im Anschluß an die bis zum 31. März 1949 anerkannte Ausfallzeit eine weitere Ausfallzeit bis zum 31. Januar 1951 berücksichtigt werden. Das Sozialgericht (SG) verpflichtete die Beklagte - entsprechend dem Hauptantrag -, auf das Altersruhegeld eine Ersatzzeit vom 1. Juni 1948 bis 31. Januar 1951 anzurechnen und die in dieser Zeit entrichteten freiwilligen Beiträge als Höherversicherungsbeiträge zu bewerten (Urteil vom 16. September 1974). Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Bei der streitigen Zeit handele es sich nicht um eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende weitere Zeit der Krankheit und unverschuldeten Arbeitslosigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG, weil die dazwischen liegende Beschäftigungszeit bei der Mondamin-GmbH vom 15. Januar bis zum 31. Mai 1948 entgegen der vom SG geteilten Ansicht des Klägers nicht als sogenannter mißglückter Arbeitsversuch zu werten sei, der den - für die begehrte Anrechnung erforderlichen - zeitlichen Anschluß zu den bereits anerkannten Ersatzzeiten ermögliche. Aus den Vorschriften der §§ 168 Abs. 2 Buchst. a, 1228 Abs. 2 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung (RVO) und aus § 4 Abs. 2 Buchst. a AVG dürfe gefolgert werden, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein Beschäftigungszeitraum von mehr als drei Monaten (75 Tagen) versicherungsrechtlich nicht mehr unerheblich sei und die Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs ausschließe. Diese Ansicht finde auch eine Stütze in den Vorschriften der §§ 213, 315 RVO. Das länger als drei Monate bestehende Beschäftigungsverhältnis bei der Mondamin-GmbH hindere somit den Anschluß der anerkannten Ersatzzeiten zu der geltend gemachten Zeit der Krankheit und Arbeitslosigkeit. Hierbei könne offenbleiben, ob das SG habe zutreffend davon ausgehen dürfen, daß der Kläger auch während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ununterbrochen arbeitsunfähig krank gewesen sei. Da die Zeit vom 1. Juni 1948 bis 31. Januar 1951 unabhängig davon nicht als Anschlußersatzzeit anzurechnen sei, seien auch die Voraussetzungen für eine Bewertung der in dieser Zeit entrichteten freiwilligen Beiträge als Beiträge der Höherversicherung (Art. 2 § 15 Abs. 2 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -AnVNG-) nicht gegeben. Die Beklagte sei ebenfalls nicht verpflichtet, die Zeit vom 1. April 1949 bis 31. Januar 1951 entsprechend dem hilfsweisen Klagebegehren als Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG zu berücksichtigen. Insoweit fehle der - notwendige - Nachweis dafür, daß der Kläger in dieser Zeit beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet gewesen sei. Unterlagen aus der damaligen Zeit seien nicht mehr zu beschaffen, weil das Arbeitsamt Hamburg die einschlägigen Aktenvorgänge bereits vernichtet habe. Die Nichterweislichkeit der Arbeitslosmeldung habe der Kläger nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Regeln der objektiven Beweislast zu tragen (Urteil vom 12. Dezember 1975).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG sowie eine Verkennung der Regeln der objektiven Beweislast durch das Berufungsgericht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hamburg vom 16. September 1974 zurückzuweisen; hilfsweise beantragt er, in Abänderung des angefochtenen Urteils eine weitere Ausfallzeit vom 1. April 1949 bis zum 31. Januar 1951 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und die Beklagte zu verpflichten, einen entsprechenden Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist im wesentlichen begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, auf das dem Kläger gewährte Altersruhegeld eine weitere Ersatzzeit vom 1. Juni 1948 bis 31. Januar 1951 anzurechnen, wenn in diesem Zeitraum zunächst eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende Krankheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG bestanden hat und diese sodann ab April 1949 von einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit im Sinne dieser Vorschrift, für die keine Meldung beim Arbeitsamt erforderlich ist, abgelöst worden ist (vgl. hierzu Urteile des Bundessozialgerichts -BSG- vom 24. Mai 1967 und 30. Januar 1969 in SozR Nr. 28 und Nr. 37 zu § 1251 RVO). Dabei ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß der in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG aufgeführte Ersatzzeitentatbestand der "anschließenden Krankheit" lediglich eine zeitliche, nicht aber eine ursächliche Verknüpfung mit der vorausgegangenen Kriegsgefangenschaft verlangt (so bereits BSG- Urteil vom 26. Oktober 1965 in SozR Nr. 16 zu § 1251 RVO). Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der erforderliche zeitliche Zusammenhang nicht mit einem nahtlosen Anschluß der Krankheit oder Arbeitslosigkeit an die Kriegsgefangenschaft gleichzusetzen ist. Der aus den - andere Sachverhalte betreffenden - Vorschriften der §§ 168 Abs. 2 Buchst. a, 213, 315, 1228 Abs. 2 Buchst. a RVO und des § 4 Abs. 2 Buchst. a AVG hergeleiteten Rechtsauffassung des LSG, eine für die Berücksichtigung einer Ersatzzeit unschädliche Zwischenfrist sei allein schon immer dann ausgeschlossen, wenn sie - wie hier infolge der Beschäftigung des Klägers vom 15. Januar bis 31. Mai 1948 - den Zeitraum von drei Monaten überschreitet, kann indes nicht gefolgt werden.
Der erkennende Senat hat insoweit mit Urteil vom 4. Mai 1976 - 1 RA 49/75 , SozR 2200 § 1251 RVO Nr. 219 entschieden, daß in derartigen Fällen nicht auf die Zeitdauer der Zwischenbeschäftigung, sondern auf die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist, weil sich bei der Prüfung der Frage, wann noch von einem Anschluß gesprochen werden kann, kaum feste Regeln aufstellen lassen. Er hat in der genannten Entscheidung auch darauf hingewiesen, daß die - vom LSG gewollte - Festlegung bestimmter Fristen im Einzelfall zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen könnte. Maßgeblich muß vielmehr sein, ob dem Versicherten durch die Zwischenbeschäftigung bereits eine wirkliche Wiedereingliederung in das Arbeitsleben gelungen war. Der Senat hat dies im Urteil vom 4. Mai 1976 a.a.O. unter Berücksichtigung der dortigen, für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen bei einer Zwischenbeschäftigung, die wie im Falle des Klä Monate dauerte, verneint und deshalb das Vorliegen einer Ersatzzeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG auch für einen Zeitraum nach Beendigung der Beschäftigung bejaht.
Da das LSG derartige Feststellungen über das Gelingen oder Nichtgelingen einer Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsprozeß bereits durch die 4 -monatige Beschäftigung im Jahre 1948 nicht getroffen und die Feststellung des SG über eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch während des damaligen Beschäftigungsverhältnisses ausdrücklich offengelassen hat, vermag der erkennende Senat den Rechtsstreit nicht abschließend zu entscheiden. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), damit die für die Entscheidung noch erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
Da insoweit die Revision wegen der aufgezeigten unrichtigen Anwendung des materiellen Rechts durch das LSG bereits hinsichtlich des Hauptantrags begründet ist, braucht auf die von der Revision allein zum gestellten Hilfsantrag gerügte Verletzung der objektiven Beweislast nicht näher eingegangen zu werden. Sollte dieser Antrag auf Anrechnung einer weiteren Ausfallzeit vom 1. April 1949 bis 31. Januar 1951 in der erneuten Verhandlung aufrechterhalten bleiben und entscheidungserheblich sein, wird das LSG zu beachten haben, daß der Kläger zwar die Voraussetzungen für eine Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG nachzuweisen hat (vgl. Art. 2 § 14 Satz 1 AnVNG), daß andererseits aber keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Beweismitteln besteht, soweit es sich um den Nachweis der Meldung als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt handelt. Auch wenn - wie das LSG bisher festgestellt hat - schriftliche Unterlagen infolge der Aktenvernichtung beim Arbeitsamt Hamburg nicht zu beschaffen sind, kann der erforderliche Nachweis notfalls durch Zeugenaussagen geführt werden (vgl. hierzu BSG in SozR Nr. 8 zu Art. 2 § 14 ArVNG).
Der Kostenausspruch bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen