Leitsatz (amtlich)
Auch bei einer nur "geringfügigen Unterbrechung" des Betriebsweges besteht kein Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Versicherte dabei einer mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängenden, selbstgeschaffenen Gefahr ausgesetzt hat (hier: Zuschauer bei Schlägerei), der er erlegen ist.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 7 Fassung: 1963-04-30, Nr. 9 Buchst. a Fassung: 1963-04-30, § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. März 1976 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger ist Zahnarzt und wohnt in O. Am 21. Mai 1969 wollte er in F Material für seine Praxis einkaufen. Gegen 18.30 Uhr befand er sich auf dem Weg von dem Parkplatz am O-platz zu dem Dentaldepot am R-markt. Er benutzte zunächst den nördlichen Bürgersteig der Großen B Straße, überquerte diese etwa 50 m vor dem Geschäft des Zeugen W und setzte dort seinen Weg fort.
Vor einer Bistro-Bar, die neben dem Geschäft des Zeugen W liegt, randalierten einige Männer, die in den Barraum eindringen wollten. Eine andere Gruppe verwehrte ihnen den Eintritt. Schließlich wurde die Glastür der Bar eingetreten. Nachdem der Streit in etwa abgeklungen war, tobte ein gewisser S (S.) noch vor der Bar herum, beschimpfte und belästigte die Umstehenden und rempelte auch den Kläger an. Als er dem S. Widerstand entgegensetzte, schlug dieser mit den Fäusten auf den Kläger ein, so daß er zu Fall kam und sich dabei eine Luxationsfraktur im rechten oberen Sprunggelenk zuzog.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen ab (Bescheid vom 15. August 1972). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 21. Mai 1969 zu entschädigen (Urteil vom 27. Januar 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. März 1976) und zur Begründung ua ausgeführt: Auf dem Weg zu dem Dental-Depot habe sich der Kläger zwar auf einem geschützten Betriebsweg befunden. Der innere Zusammenhang zwischen diesem Weg und dem Unfallereignis sei jedoch durch das eigenwirtschaftliche Verhalten des Klägers aufgehoben worden. Er sei bei der Schlägerei stehengeblieben, obwohl er durchaus in der Lage gewesen wäre, weiterzugehen. Er habe den Schauplatz auch nicht verlassen, als eine Person aus dem Lokal herausgekommen sei, den Passanten zugerufen habe, er brauche hier keine Zuschauer, und auf sie eingeschlagen habe. Der Kläger habe bereits gesehen gehabt, daß die Glastür zur Bar eingeschlagen worden sei; trotz der bedrohlichen Situation sei er auf dem Bürgersteig stehengeblieben, habe das weitere Geschehen beobachtet und schließlich der Person, die die Passanten anrempelte, sogar noch Widerstand entgegengesetzt. Er sei also nicht zwangsläufig in die Auseinandersetzung hineingeraten. Sein eigenes, nicht durch den Betriebsweg bestimmtes Verhalten habe ihn in die Gefahr gebracht, der er erlegen sei. Auch eine geringfügige Unterbrechung der versicherten Tätigkeit lasse den Versicherungsschutz während ihrer Dauer entfallen, so daß es nicht darauf ankomme, wie lange sich der Kläger vor dem Sturz bereits am Unfallort aufgehalten gehabt habe bzw. sich voraussichtlich noch aufgehalten hätte, wenn es nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Im übrigen sei eine nur "geringfügige" Unterbrechung nicht erweisbar.
Der Kläger habe auch nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) bei der Beigeladenen unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Der festgestellte Sachverhalt spreche dagegen, daß er als Nothelfer habe tätig werden wollen. Sein diesbezügliches Vorbringen in erster Instanz, das er im Berufungsverfahren nicht mehr vorgetragen habe, sei eine Schutzbehauptung.
Mit seiner von dem LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 548 und 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO sowie fehlerhafte Beweiswürdigung und sinngemäß Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§§ 103 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Kläger habe den Betriebsweg nur geringfügig unterbrochen. Er sei überdies als Arzt gegenüber Dritten in erhöhtem Maße verpflichtet gewesen, Hilfe zu leisten. Daran ändere auch nichts, daß er nur Zahnarzt (nicht etwa Dentist) sei. Er könne einem Verletzten besser Hilfe leisten als irgendein beliebiger Passant. Das LSG sei über den nicht zu widerlegenden Vortrag des Klägers, er habe sich verpflichtet gefühlt, sich zur Hilfeleistung bereitzuhalten, hinweggegangen, ohne daß seine gegenteilige Feststellung durch Beweise gestützt sei. Durch die Aussage des Zeugen W sei erwiesen, daß der Kläger sich noch nicht unter den Zuschauern des Vorfalles befunden habe, als sich die eigentliche Schlägerei vor dem Lokal abgespielt habe. Diesem Zeugen wäre es mit Sicherheit aufgefallen, wenn der Kläger, den er kannte, schon zu diesem Zeitpunkt unter den Zuschauern gestanden hätte. Das LSG hätte den Zeugen W nochmals zur Frage des Zeitablaufes vernehmen oder seine Aussage vor dem SG entsprechend würdigen müssen. Der Kläger habe entgegen der Auffassung des LSG der Schlägerei auch nicht ausweichen können. Wegen des starken Verkehrs hätte er die Fahrbahn der Großen B Straße nicht ohne erhöhtes Unfallrisiko überqueren können. Er hätte zu diesem Zwecke vielmehr zu der Stelle zurückkehren müssen, an der er zuvor die Straße überquert gehabt habe, und hätte damit einen erheblichen Umweg in Kauf nehmen müssen. Er hätte auch nicht auf dem Bürgersteig an dem Ort der Schlägerei vorbeigehen können, da dies nach der Aussage des Zeugen W nicht möglich gewesen sei. Er hätte vielmehr nur auf den Fahrdamm ausweichen können, was wegen der Verkehrslage unmöglich gewesen sei. Im übrigen habe sich der Kläger aber, wie die Aussage des Zeugen W ergebe, zum Zeitpunkt der eigentlichen Schlägerei noch gar nicht am Ort der Schlägerei befunden. Als er sich der Gaststätte genähert habe, sei die eigentliche Schlägerei bereits beendet gewesen. Erst als S. begonnen habe, wahllos auf die Passanten einzuschlagen, habe sich der Kläger dem Lokal soweit genähert gehabt, daß er durch die unvorhersehbare Handlungsweise des S. in Mitleidenschaft gezogen worden sei. W habe den Kläger nämlich verletzt auf dem Bürgersteig etwa 7 bis 8 m von dem Eingang des Lokals entfernt aufgefunden. Zum Zeitpunkt der eigentlichen Schlägerei habe er ihn dort jedoch nicht gesehen. Der Kläger habe damit keinesfalls als Schaulustiger der Schlägerei beigewohnt. S. habe den Kläger erst in einem Zeitpunkt angegriffen, als niemand mehr mit einem solchen Angriff habe rechnen müssen. Der Angriff sei somit auch für den Kläger völlig unvorhersehbar und damit unvermeidbar gewesen. Im übrigen habe der Zeuge R keinerlei Angaben gemacht, aus denen hergeleitet werden könne, daß S. von dem Kläger provoziert worden sei. Zu einer sofortigen Flucht sei angesichts des überraschenden Angriffs keine Gelegenheit gewesen. Die Polizei habe im übrigen nicht überprüft, was der Kläger mit seiner Angabe "Widerstand leisten" gemeint habe. Wäre er dem S. aktiv entgegengetreten, so hätte das dem Zeugen R, der davon nichts erwähnt habe, mit Sicherheit auffallen müssen. Der Angriff auf den Kläger sei daher während der versicherten Tätigkeit erfolgt und nicht während einer geringfügigen Unterbrechung.
Es bestehe aber auch Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO. Hätte sich der Kläger von der Schlägerei ferngehalten, um Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, und wäre bei der Schlägerei ein Beteiligter oder Dritter ernsthaft verletzt worden, wäre der Kläger aufgrund seiner erhöhten Hilfeleistungspflicht zur Rechenschaft gezogen worden. Ein solches Verhalten wäre ihm weder aus berufsethischer noch aus der gegebenenfalls damit verbundenen strafrechtlichen Sicht zumutbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. März 1976 abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a. M. vom 22. Januar 1975 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meinen, die Beweiswürdigung des LSG sei verfahrensfehlerfrei und dessen rechtliche Beurteilung zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Klägers ist in der Sache nicht begründet.
Gegenüber den tatsächlichen Feststellungen des LSG in dessen angefochtenem Urteil greifen weder die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen durch noch ist die rechtliche Würdigung des LSG zu beanstanden.
Verstöße gegen das Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) oder gegen § 103 SGG hat die Revision zum Teil nicht hinreichend substantiiert gerügt, teils greifen die Rügen nicht durch. Ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG liegt nicht schon dann vor, wenn ein abweichendes Beweisergebnis möglich erscheint, sondern nur, wenn das LSG die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, insbesondere wenn es gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetze verstoßen hat (vgl. ua BSG in SozR Nr. 34 zu § 128 SGG). Ein Verstoß gegen die Denkgesetze ist dabei grundsätzlich nur dargetan, wenn die Revision die Gedankenkette des LSG wiedergibt und ausführt, an welcher Stelle und wodurch sich die Gedankenführung des Gerichts zu allgemeinen Denkgesetzen in Widerspruch setzt (BSG in SozR Nr. 47 zu § 164 SGG). Das LSG hat hier die Grenzen des freien richterlichen Beweiswürdigungsrechts nicht überschritten. Es ist nicht, wie die Revision meint, der Auffassung der Beklagten über den Geschehensablauf gefolgt, ohne die Aussagen der Zeugen W und R zu würdigen. Das LSG hat vielmehr deren Bekundungen berücksichtigt und im übrigen seine Feststellungen, was die Revision nicht hinreichend beachtet, wesentlich auf die Angaben des Klägers selbst gestützt, die er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 22. Mai 1969 gemacht hatte (vgl. Seiten 2, 10, 12 des Urteils). Es hat hervorgehoben, daß er die dort gemachten Angaben selbst unterschrieben habe, zur Wahrheit ermahnt worden sei und diese Angaben auch nicht ausdrücklich bestritten habe. Aus welchen zwingenden Gründen das LSG aus dieser Aussage des Klägers nicht hätte schließen dürfen, er habe das Geschehen am späteren Unfallort "bereits vom Einschlagen der Glasscheibe ab" beobachtet (Urteil S. 12), ist nicht dargelegt. Wenn die Revision meint, der Kläger habe sich im Zeitpunkt der eigentlichen Schlägerei noch gar nicht am Ort des Geschehens befunden, kann sie das auch nicht zwingend aus der Aussage des Zeugen W herleiten, der den Kläger als seinen Kunden erst erkannt haben soll, als er verletzt in sein Geschäft gebracht werden sollte. Daraus ergibt sich noch nicht, daß W den Kläger schon vorher unter den umstehenden Passanten hätte erkennen müssen, zumal die Revision selbst vorträgt, daß z. B. ein Umgehen der Schlägerei "wegen der vielen dort versammelten Menschen" nicht möglich gewesen sei, und das LSG anderseits betont hatte, daß sich W beim Auftreten des S. zunächst in seinen Laden zurückgezogen hatte (Urt. S. 11). Es bedurfte deshalb insoweit auch keiner nochmaligen Vernehmung des Zeugen W (§ 103 SGG), denn auch wenn er bestätigt hätte, er habe den Kläger nicht unter den "Zuschauern" bemerkt, was das LSG offenbar unterstellt hat, wäre damit die eigene Aussage des Klägers vom 22. Mai 1969 nicht widerlegt. Was insoweit für die Beobachtungen des Zeugen W gilt, trifft in ähnlicher Weise für den Zeugen R zu. Dieser kannte den Kläger offenbar überhaupt nicht. Wenn er bestimmte Vorgänge, die der Kläger selbst angegeben hatte, nicht bemerkte, etwa daß der Kläger dem S. "Widerstand entgegensetzte", ist das aus der Situation heraus durchaus erklärlich, zumal dieser Widerstand nur sehr kurz gewesen sein muß, denn der Kläger hat selbst erklärt ..., er habe aber "gleich den kürzeren" gezogen (Seite 3 des Urteils).
Daß der Kläger etwa 7 bis 8 m von der Tür der Bistro-Bar entfernt niedergeschlagen wurde, beweist ebenfalls nicht, daß er sich nicht schon vorher am Ort der Schlägerei befunden bzw. diesen noch nicht erreicht hätte, zumal W vor dem SG ausgesagt hat, beim Heraustreten des Schlägers S. seien die Passanten auseinandergewichen (S. 7 des Urteils).
Schließlich kann die Revision auch nicht mit Erfolg die Feststellung des LSG angreifen, der Kläger hätte sich der ihm erkennbaren Gefahr entziehen können. Der Zeuge W hat zwar zunächst erklärt, ein Ausweichen der Passanten über die Große B Straße sei damals "ziemlich unmöglich" gewesen (SG 108). Auf Befragen hat er aber, worauf es das LSG abgestellt hat (S. 7 und 11 des Urteils) auch ausgesagt, ein Teil der Passanten sei auf dem Bürgersteig weitergegangen, andere seien stehengeblieben. Dies bezog sich zwar auf den Zeitpunkt der Schlägerei in der Bistro-Bar. Das LSG hat jedoch schon in dem Stehenbleiben des Klägers zu dieser Zeit eine Unterbrechung des Betriebsweges angenommen (Urt. S. 11 erstes Drittel). Wenn das LSG darüber hinaus betont hat, der Kläger hätte sogar die Straße überqueren können, weil auch der Zeuge R diese vor dem Lokal überschritten gehabt habe, kann eine Überschreitung des Beweiswürdigungsrechts nicht darin erblickt werden, daß das LSG nicht angenommen hat, die Verkehrslage habe eine Überquerung "unmöglich" gemacht.
Bei der rechtlichen Würdigung ist daher von dem von dem LSG festgestellten Sachverhalt auszugehen, wonach der Kläger vom O-platz in F über die Große B Straße ging, um im Dentaldepot am R-markt Praxisbedarf einzukaufen. Er überquerte die Straße und begab sich, durch Schreie aufmerksam gemacht, zu der späteren Unfallstelle, wo er stehenblieb und zusah, wie vor der Tür der dort befindlichen Bar mehrere Männer randalierten. Schließlich wurde die Glastür des Barraumes eingetreten. Die Streitenden schlugen wild um sich. Der Kläger sah sich dies mit anderen Personen als Passant an. Nachdem der Streit in etwa abgeklungen war, tobte S. vor der Bar herum, beschimpfte und belästigte die Umstehenden und rempelte auch den Kläger an, der ihm Widerstand entgegensetzte. Daraufhin schlug S. mit den Fäusten auf den Kläger ein, der stürzte und sich eine Fußverletzung zuzog. Der Kläger hätte hiernach die Möglichkeit gehabt, entweder auf dem Bürgersteig weiterzugehen oder die Fahrbahn zu überqueren und sich dadurch von der Schlägerei fernzuhalten, und zwar schon zu einem Zeitpunkt, als vor der Bar mehrere Männer randalierten und die Glastür des Barraumes eintraten.
Zutreffend ist das LSG zunächst, wie auch von keiner Seite bestritten wird, davon ausgegangen, daß sich der Kläger in der Großen B Straße auf einem versicherten Betriebsweg befand (§§ 539 Abs. 1 Nr. 7, 548 RVO). Ebenso ist dem LSG darin zuzustimmen, daß im Zeitpunkt des Unfalles kein Versicherungsschutz für den Kläger bestand. Denn er hatte sich aus nicht betriebsbedingten eigenwirtschaftlichen Gründen einer erhöhten, für ihn erkennbaren, Gefahr ausgesetzt, der er erlegen ist. Zwar hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einem Fall, bei dem ein Versicherter auf einem Geschäftsgang einem Angriff zum Opfer fiel, mit Urteil vom 10. Dezember 1957 (BSG 6, 164, 169) zu Recht entschieden, es lasse sich kein dahingehender Rechtssatz aufstellen, ein Versicherter genieße nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er sich bewußt einer erhöhten Gefahr aussetze und dadurch zu Schaden komme. Es komme vielmehr in solchen Fällen entscheidend darauf an, ob der selbstgeschaffene Gefahrenbereich der versicherten Tätigkeit - hier dem Betriebsweg - wesentlich zuzurechnen sei, also zu ihm in einem ursächlichen Zusammenhang i. S. der Unfallversicherung stehe (BSG aaO). - Das wäre hier zu bejahen, wenn der Kläger, wie die Revision meint, zufällig und unausweichlich in die Schlägerei hineingeraten und dabei verletzt worden wäre. Das war aber nach dem oben Gesagten nicht der Fall. Der Kläger war vielmehr nach den nicht erfolgreich angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in unmittelbarer Nähe der Bistro-Bar stehengeblieben und hatte die Schlägerei beobachtet, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, weiterzugehen, d. h. seinen "Betriebsweg" fortzusetzen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß von einer derartigen Situation, in der sich rivalisierende Gruppen junger Männer in und vor einer Bar bekämpfen und im weiteren Verlauf wild um sich schlagen, für Passanten, die stehenbleiben und das Geschehen aus unmittelbarer Nähe beobachten, eine erhebliche Gefahr ausgeht, in Mitleidenschaft gezogen und verletzt zu werden. Der Kläger hat sich durch sein Verhalten aus betriebsfremden Gründen, sei es aus außergewöhnlicher Sorglosigkeit oder Wagemut (vgl. BSG aaO, 169), einer solchen Gefahr ausgesetzt. Dafür war der Betriebsweg, der ihn gerade zu dieser Zeit an den Ort des Geschehens führte, nur der äußere zeitliche Anlaß, wogegen der innere wesentliche Grund für sein Verhalten mit der versicherten Tätigkeit in keinem Zusammenhang, dieser sogar entgegen stand; denn es trat eine vermeidbare Verzögerung ein. Eine selbstgeschaffene erhöhte Gefahr, die - wie hier - in keinem wesentlichen inneren Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit steht, läßt den Versicherungsschutz auch bei einer sonst im allgemeinen unschädlichen nur "geringfügigen Unterbrechung" der Betriebstätigkeit entfallen, weil dadurch die versicherte Tätigkeit derart in den Hintergrund tritt, daß sie gegenüber dem selbstgeschaffenen Gefahrenbereich unwesentlich ist (vgl. auch BSG aaO S. 169). Ob der Kläger, dem S., als dieser ihn angriff, Widerstand geleistet hat, gegebenenfalls in welcher Weise, oder nicht, ist nicht von entscheidender Bedeutung, denn den erhöhten Gefahrenbereich hatte der Kläger bereits geschaffen, als er bei der im Gange befindlichen Schlägerei stehenblieb (vgl. oben). Insoweit bedurfte es daher ebenfalls keiner weiteren Ermittlungen durch das LSG (§ 103 SGG), etwa durch Vernehmung des Zeugen R, der, wie die Revision vorträgt, nichts von einem Widerstand des Klägers gesehen haben soll.
Zutreffend hat das LSG schließlich auch einen Versicherungsschutz des Klägers nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO, wofür die Beigeladene der zuständige Versicherungsträger wäre, verneint. Es hat hierzu festgestellt, der Kläger sei nur als Zuschauer bei der Schlägerei stehengeblieben und nicht um festzustellen, ob er ärztliche Hilfe leisten müsse. Die Revision richtet sich auch insoweit gegen die Beweiswürdigung des LSG und wiederholt die entsprechende Behauptung des Klägers aus dem Klageverfahren. Sie legt dabei nicht hinreichend dar, inwieweit die Beweiswürdigung zu diesem Punkt gegen § 128 Abs. 1 SGG verstoße (vgl. das oben Gesagte). Das LSG hat die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO nicht vor allem deshalb verneint, weil der Kläger "nur Zahnarzt" sei, sondern weil er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 22. Mai 1969 über derartige Beweggründe seines Handelns nichts angegeben, im Berufungsverfahren dazu nichts vorgetragen habe und der gesamte Sachverhalt eindeutig dagegen spreche (Urteil S. 14). Inwieweit diese Beweiswürdigung etwa gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder die Denkgesetze verstoßen sollte, trägt die Revision nicht vor und ist auch nicht ersichtlich. Das LSG hat es somit nicht maßgeblich darauf abgestellt, daß der Kläger als Zahnarzt nicht über weitergehende "humanmedizinische Kenntnisse" verfüge als andere am Ort der Schlägerei anwesende Passanten. Es kommt daher nicht darauf an, ob diese Auffassung des LSG objektiv richtig ist und ob dem Kläger etwa deshalb keine erhöhte (berufsethische) Pflicht zur Hilfeleistung oblag. War sein Handeln nicht darauf gerichtet, nötigenfalls ärztliche Hilfe zu leisten, wovon nach den nicht erfolgreich angegriffenen Feststellungen des LSG auszugehen ist (§ 163 SGG), so hat es der Kläger nicht "unternommen", einen anderen aus gegenwärtiger Gefahr zu retten. Damit entfällt eine Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO.
Da das LSG somit zutreffend Entschädigungsansprüche des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung verneint und das der Klage stattgebende Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen hat, mußte die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen