Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge. Auslegung von Rechtssätzen. Verfassungsmäßigkeit von § 1418 Abs 1 RVO. Beitragsentrichtung innerhalb angemessener Frist bei Bereiterklärung

 

Orientierungssatz

1. Auch bei einer Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zum Zweck der Anwartschaftserhaltung, hier nach Art 2 § 6 Abs 2 S 1 Nr 2 ArVNG, gilt § 1418 Abs 1 RVO nicht anders als bei der Entrichtung von sonstigen freiwilligen Beiträgen.

2. Ausgangspunkt und Grenze jeder Auslegung ist der Wortsinn des Rechtssatzes: Was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, dh mit ihm auch bei weitester Auslegung nicht mehr vereinbar ist, kann jedenfalls im Regelfall nicht als Inhalt des Gesetzes gelten.

3. Die Regelung des § 1418 Abs 1 RO ist auch iVm den Bestimmungen des HBegleitG 1984 nicht verfassungswidrig.

4. Bei Inlandsaufenthalt des Versicherten ist bei der Anwendung von § 1420 Abs 1 RVO in der Regel eine Frist von nur 3 Monaten noch als angemessen anzusehen.

 

Normenkette

RVO § 1418 Abs 1 Fassung: 1977-06-27, § 1246 Abs 2a, § 1420 Abs 1 Nr 2; GG Art 3 Abs 1; AVG § 140 Abs 1 Fassung: 1977-06-27, § 23 Abs 2a; AnVNG Art 2 § 76 Abs 1 S 1 Nr 2; AVG § 142 Abs 1 Nr 2; ArVNG Art 2 § 6 Abs 2 S 1 Nr 2 Fassung: 1983-12-22

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.02.1988; Aktenzeichen L 8 J 142/87)

SG Detmold (Entscheidung vom 24.06.1987; Aktenzeichen S 16 J 229/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger berechtigt war, noch im Januar 1985 freiwillige Beiträge für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1984 zu entrichten.

Der 1950 geborene Kläger hatte bis zum 31. Dezember 1983 über 60 Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet, zuletzt als selbständiger Handwerker. Zum 31. Dezember 1983 wurde seine Eintragung in die Handwerksrolle gelöscht. Am 28. März 1984 suchte er die Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in W. auf. Ende April 1984 entrichtete er sechs freiwillige Beiträge in Höhe von je 84 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1984. Dem darin gesehenen Antrag des Klägers, seine Berechtigung zur bargeldlosen Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter festzustellen, gab die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 1984 statt. Dem Bescheid lag ein Merkblatt mit Informationen über die freiwillige Versicherung bei. Mit Schreiben vom 10. Januar 1985 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß seine Rentenversicherungsangelegenheiten bisher seine Ehefrau erledigt habe. Um die Anwartschaft auf die Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente aufrechtzuerhalten, sei beabsichtigt gewesen, im Dezember 1984 auch für die Monate Juli bis Dezember 1984 freiwillige Beiträge zu entrichten. Das sei seiner Frau allerdings wegen einer Frühschwangerschaft und eines grippalen Infekts nicht möglich gewesen. Er bitte daher um "Zurückversetzung in den alten Stand" und um Annahme der Beiträge für die obengenannte Zeit. Mit Bescheid vom 5. Februar 1985 idF des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1985 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Die Frist für die Entrichtung freiwilliger Beiträge für 1984 sei versäumt, eine entsprechende Bereiterklärung bis zum 31. Dezember 1984 nicht abgegeben worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da der Kläger selbst nicht an der rechtzeitigen Entrichtung der Beiträge verhindert gewesen sei und er sich das Verschulden seiner Ehefrau zurechnen lassen müsse.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger geltend gemacht, daß er sich bereits bei dem Beratungsgespräch am 28. März 1984 bereiterklärt habe, für das Jahr 1984 freiwillige Beiträge zu leisten. Eine Bereiterklärung ergebe sich zudem konkludent aus der Zahlung der Beiträge für die ersten sechs Monate des Jahres 1984. Mit Urteil vom 24. Juni 1987 wies das SG die Klage ab. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger die Entrichtung freiwilliger Beiträge für den Zeitraum vom 1. Juli 1984 bis zum 31. Dezember 1984 zu gestatten. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar habe das SG zutreffend entschieden, daß die Erkrankung der Ehefrau des Klägers keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige. Aufgrund der im Januar 1985 abgegebenen Bereiterklärung habe die Beklagte jedoch entsprechende freiwillige Beiträge als rechtzeitig entrichtet entgegenzunehmen. § 1418 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß freiwillige Beiträge ebenso wie Pflichtbeiträge bis zum Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, wirksam entrichtet werden könnten, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, zur Aufrechterhaltung einer schon erworbenen Anwartschaft auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt worden seien. Nur so könne der Eingriff in bestehende Rentenanwartschaften durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG 1984) in verfassungsgemäßer Weise begrenzt werden. Außerdem sei eine Differenzierung zwischen Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen weder notwendig noch sachgerecht und damit nach dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht zu rechtfertigen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1418 Abs 1 RVO. Die weitgehende Auslegung dieser Vorschrift durch das LSG möge zwar geeignet sein, manche Härtefälle auszuschließen, verstoße aber gegen den eindeutigen und klaren Wortlaut der Vorschrift. In anderen landessozialgerichtlichen Entscheidungen werde eine Erweiterung der Nachentrichtungsfrist für freiwillige Beiträge abgelehnt. Dort werde zu Recht aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. April 1987 zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs 2a Angestelltenversicherungsgesetz -AVG- (§ 1246 Abs 2a RVO) gefolgert, daß auch "das Ergebnis" der vom BVerfG für verfassungsgemäß erklärten Regelung nicht verfassungswidrig sein könne. Außerdem diene die kürzere Entrichtungsfrist für freiwillig Versicherte der Beitragsdisziplin. Denn diese Versicherten seien für die Leistung der Beiträge allein verantwortlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1988 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24. Juni 1987 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das landessozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Im übrigen habe seine anläßlich der Beratung durch die Beklagte abgegebene Bereiterklärung vom März 1984 ihre Wirksamkeit erst ab dem 31. Dezember 1984 entfaltet. Erst ab diesem Zeitpunkt habe die angemessene Frist für die Nachentrichtung der Beiträge zu laufen begonnen. Sein Schreiben vom 10. Januar 1985 enthalte ein Zahlungsangebot und stehe daher der tatsächlichen Zahlung gleich.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, sie führt zur Wiederherstellung des sozialgerichtlichen Urteils.

Zu Unrecht hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf rechtswirksame Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für das zweite Halbjahr 1984 bejaht. Gemäß § 1418 Abs 1 RVO in der seit 1980 geltenden Fassung des 20. Rentenanpassungsgesetzes - 20. RAG - (BGBl I S 1040) sind Pflichtbeiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden; freiwillige Beiträge sind dagegen bereits unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Nach dem Wortlaut der letzten Bestimmung konnte der Kläger freiwillige Beiträge für 1984 nur bis zum 31. Dezember 1984 wirksam entrichten.

Entgegen der Meinung des LSG lief für die Entrichtung freiwilliger Beiträge hier nicht deswegen eine längere Frist (bis zum 31. Dezember 1985), weil die Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft des Klägers auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente erforderlich waren. Bis zum 31. Dezember 1983 waren diese Renten nach den §§ 1246, 1247 RVO, jeweils Abs 1 RVO in der seit der Rentenreform 1957 geltenden Fassung, bereits dann zu gewähren, wenn der Versicherungsfall der Berufs- oder der Erwerbsunfähigkeit eingetreten und die Wartezeit erfüllt war. Wer - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 1983 die Wartezeit erfüllt hatte, besaß insoweit schon vor dem Eintritt eines der genannten Versicherungsfälle eine feste Anwartschaft auf die genannten Rentenarten.

Erst seit dem 1. Januar 1984 knüpfte der Gesetzgeber durch Änderung der Absätze 1 und Einfügung von Absätzen 2a in die §§ 1246, 1247 RVO im HBegleitG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1532) die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit an weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen: Im allgemeinen setzt der Anspruch auf eine dieser Renten seither voraus, daß der Versicherte von den letzten 60 dem Versicherungsfall vorausgehenden Kalendermonaten 36 mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt hat. Im Regelfall erfordert das die überwiegende Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Fünfjahreszeitraum vor Eintritt des Versicherungsfalles. Um indessen nach dem alten Recht erworbene Rentenanwartschaften zu schützen, traf der Gesetzgeber in Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) eine Übergangsregelung. Nach dieser steht Versicherten, die bereits vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hatten, unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem 31. Dezember 1983 ein Rentenanspruch zu, ohne daß die durch das HBegleitG 1984 eingeführten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorzuliegen brauchen. Zur Aufrechterhaltung seiner Rentenanwartschaft hatte der Versicherte jedoch idR Beiträge zu entrichten, und zwar in der Weise, daß jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen - ggf auch freiwilligen - belegt war (Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ArVNG). Wer also, wie der Kläger, nach dem 31. Dezember 1983 nicht mehr in einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit stand, konnte und kann seit dem 1. Januar 1984 seine Rentenanwartschaft idR nur durch die lückenlose Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für alle auf Dezember 1983 folgenden Kalendermonate - oder durch die Zurücklegung bestimmter gleichgestellter Zeiten - aufrechterhalten. Daß diese Regelung verfassungsgemäß ist, insbesondere nicht gegen Art 3 und 14 GG verstößt, hat das BVerfG in seinem Beschluß vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) entschieden.

Auch bei einer Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zum Zweck der Anwartschaftserhaltung gilt indessen § 1418 Abs 1 RVO - nicht anders als bei der Entrichtung von sonstigen freiwilligen Beiträgen. Auch dann ist also eine Beitragsentrichtung nur bis zum Ablauf desjenigen Kalenderjahres wirksam, für das die Beiträge gelten sollen, und nicht - wie bei Pflichtbeiträgen - bis zum Ablauf noch des folgenden Kalenderjahres. Wenn das LSG gleichwohl gemeint hat, die für Pflichtbeiträge getroffene Regelung im Wege einer "verfassungskonformen Auslegung" auf freiwillige Anwartschaftsbeiträge übertragen zu können, so hat es damit die dem Richter gezogenen Grenzen der Gesetzesauslegung überschritten.

Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift lassen eine Auslegung in der vom LSG vorgenommenen Weise zu. Ausgangspunkt und Grenze jeder Auslegung ist der Wortsinn des Rechtssatzes: Was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, dh mit ihm auch bei weitester Auslegung nicht mehr vereinbar ist, kann - jedenfalls im Regelfall - nicht als Inhalt des Gesetzes gelten (vgl Larenz Methodenlehre, 5. Aufl, S 305 und S 329). Das gilt auch für die sogenannte verfassungskonforme Auslegung (Larenz aaO S 326; BVerfGE 54, 277, 299; 55, 134, 143). Der Wortsinn des § 1418 Abs 1 RVO ("freiwillige Beiträge sind unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden") ist eindeutig; die darin bestimmte Entrichtungsfrist wird durch die vorausgehende Bestimmung einer längeren Frist für die Entrichtung von Pflichtbeiträgen noch bekräftigt.

Die unterschiedliche Fristenregelung für Pflichtbeiträge und für freiwillige Beiträge wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1980 durch das 20. RAG eingeführt. Bis dahin galt für beide Arten von Beiträgen dieselbe Entrichtungsfrist von zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollten. Der Senat verkennt nicht, daß dem Gesetzgeber seinerzeit bei der Verkürzung der Entrichtungsfrist für freiwillige Beiträge nicht bewußt sein konnte, daß sich diese auf die Erhaltung bestehender Rentenanwartschaften auswirken konnte, da sich die Notwendigkeit, zu deren Erhaltung freiwillige Beiträge zu entrichten, erst aufgrund der durch das HBegleitG 1984 geschaffenen Rechtslage ergab. Das rechtfertigt es aber nicht, § 1418 Abs 1 RVO nach Inkrafttreten des HBegleitG 1984 entgegen seinem Wortlaut unterschiedlich auszulegen, je nachdem, ob es sich um anwartschaftserhaltende oder um sonstige freiwillige Beiträge handelt. Eine derartige Umgestaltung der fraglichen Regelung muß, sofern sie sich als notwendig erweisen sollte, dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Wenn das LSG also § 1418 Abs 1 RVO nach dem Inkrafttreten des HBegleitG 1984 (teilweise) für verfassungswidrig hielt, so durfte es die von ihm angenommene Verfassungswidrigkeit nicht im Wege der Auslegung korrigieren, sondern hätte nach Art 100 GG den Rechtsstreit aussetzen und die Entscheidung des BVerfG einholen müssen.

Der Senat sieht auch keinen Anlaß, seinerseits den Rechtsstreit nach Art 100 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Denn er hält - anders als das LSG - die Regelung des § 1418 Abs 1 RVO auch iVm den Bestimmungen des HBegleitG 1984 nicht für verfassungswidrig.

Insbesondere sieht er keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG darin, daß Pflichtbeiträge länger als freiwillige Beiträge entrichtet werden können. Der Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, vergleichbare Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln, dh an sie unterschiedliche Rechtsfolgen zu knüpfen, ohne daß dafür ein objektiver Differenzierungsgrund vorhanden ist (st Rspr des BVerfG, vgl zuletzt BVerfGE 74, 182, 200; 78, 104, 121). Für die verschiedene Regelung der Beitragsentrichtungsfrist bei freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten sprechen aber sachliche Gründe. Der Gesetzgeber erstrebte, als er im 20. RAG die - früher für Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge gleiche - Entrichtungsfrist für freiwillig Versicherte um ein Jahr mehr verkürzte (vgl Art 2 § 1 Nr 44 des 20. RAG), "eine Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten" (vgl Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks 8/165 S 48). Offensichtlich hatte er dabei den Umstand im Auge, daß Versicherungspflichtige, insbesondere abhängig Beschäftigte, ihren Beitrag laufend zu entrichten haben, während freiwillig Versicherten der gesamte Zeitraum, in welchem Beiträge wirksam entrichtet werden können, zur Verfügung steht. Da den freiwillig Versicherten jedoch die Wahl des Zeitpunktes der Beitragsentrichtung weiterhin offenstehen sollte, wurde, um willkürliche Verzögerungen der Beitragsentrichtung einzuschränken, die Entrichtungsfrist für sie um ein Jahr verkürzt.

Daran hat die Neufassung der §§ 1246 und 1247 RVO und die Einfügung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG durch das HBegleitG 1984 auch für diejenigen freiwillig Versicherten nichts geändert, die seitdem Beiträge zur Erhaltung ihrer Anwartschaft entrichten. Denn auch bei ihnen muß eine ungerechtfertigte Beitragsverschiebung durch eine zu lang bemessene Beitragsentrichtungsfrist verhindert werden. Freiwillig Versicherte mit Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind dabei gegenüber den übrigen freiwillig Versicherten nicht stärker schutzbedürftig.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil der Gesetzgeber inzwischen im Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in § 197 Abs 2 und 3 des SGB 6 die Entrichtungsfrist für freiwillige Beiträge bis zum 31. März des dem Geltungszeitraum folgenden Kalenderjahres verlängert und für den Fall eines drohenden Anwartschaftsverlustes eine Härteregelung vorgesehen hat. Diese künftige Erleichterung bei der Entrichtung von freiwilligen, insbesondere anwartschaftserhaltenden Beiträgen, läßt das geltende Recht unberührt, macht es insbesondere nicht lückenhaft.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Kläger wegen der versäumten Beitragsentrichtungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Abs 1 SGB 10) zu gewähren. Der Anwendung dieser Bestimmung stünde zwar nicht entgegen, daß es sich bei der Beitragsentrichtungsfrist um eine materielle Ausschlußfrist handelt (vgl das Urteil des Senats vom 25. Oktober 1988, BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4). Es liegen jedoch die Voraussetzungen des § 27 Abs 1 SGB 10 nicht vor. SG und LSG haben zu Recht entschieden, daß die Erkrankung der Ehefrau des Klägers im November und Dezember 1984 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigt.

Das Urteil des LSG ist schließlich nicht deswegen aufrechtzuerhalten, weil sich der Kläger rechtzeitig zur Beitragsentrichtung bereiterklärt hätte. Daß er sich nicht noch im Januar 1985 wirksam bereiterklären konnte, wie das LSG von seinem abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt angenommen hatte, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen des Senats. Auch aus einer etwaigen Bereiterklärung im Jahre 1984 kann der Kläger aber keinen Anspruch auf Beitragsnachentrichtung für die Monate Juli bis Dezember 1984 herleiten. Sollte er eine solche Erklärung im März 1984 bei seiner Beratung durch die Beklagte abgegeben und sich diese auch auf die Monate Juli bis Dezember 1984 bezogen haben, so unterblieb jedenfalls insoweit die zur Fristwahrung erforderliche nachfolgende Beitragsentrichtung innerhalb angemessener Frist (§ 1420 Abs 1 Nr 2 RVO). Abgesehen davon, daß der Kläger auch im Januar 1985 keine Beiträge entrichtet hat, lag schon zwischen dem - ggf allein maßgeblichen - Zeitpunkt der behaupteten Bereiterklärung (März 1984) und dem Zugang des weiteren Zahlungsangebots vom 10. Januar 1985 ein Zeitraum von mehr als neun Monaten. Bei Inlandsaufenthalt des Versicherten ist aber in der Regel eine Frist von nur drei Monaten noch als angemessen anzusehen. Entsprechendes gilt, wenn man in der Beitragsentrichtung Ende April 1984 eine schlüssige Bereiterklärung zur Entrichtung weiterer Beiträge sehen wollte (vgl dazu das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 7. Dezember 1989 - 12 RK 5/88 -).

Im Kostenpunkt beruht die Entscheidung auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649657

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